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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSS vom 12.12.2011, RV/0406-S/11

Verlängerung der Verjährungsfrist


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Miterledigte GZ:
RV/0407-S/11


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0406-S/11-RS1
Abgabenbehördliche Prüfungen, deren Gegenstand Feststellungsverfahren sind, verlängern die Verjährungsfrist der von den Feststellungsbescheiden jeweils abgeleiteten Abgaben.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Gabriele Soini-Wolf und die weiteren Mitglieder Dr. Bruno Hübscher, Dr. Walter Zisler und Dr. Martin Neureiter im Beisein der Schriftführerin Sabine Hasenöhrl über die Berufung der Bw, vertreten durch Mayrl & Partner Wirtschaftsprüfer, 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 52, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Dr. Karl Brejcha, vom betreffend Einkommensteuer 2003 und 2004 sowie Anspruchszinsen 2003 und 2004 nach der am in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (kurz: Bw) war in den Streitjahren an der Liegenschaft A-Gasse in 1090 Wien beteiligt und bezog daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Einkünfte der Vermietungsgemeinschaft "KG&Mitbesitzer", St.Nr. XY, wurden beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt.

Die Einkommensteuer für 2003 wurde erstmals am festgesetzt.

Der Einkommensteuerbescheid 2004 wurde am erlassen.

Datiert mit langten beim Finanzamt Salzburg-Stadt geänderte Mitteilungen über die gesonderte Feststellung bei der Vermietungsgemeinschaft ein. Aufgrund dieser Mitteilungen wurde die Einkommensteuer 2003 und 2004 gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert.

Mit gleichem Datum wurden Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2003 und 2004 ausgefertigt.

Fristgerecht wurde dagegen Berufung erhoben und im Wesentlichen eingewendet, dass die Jahre 2003 und 2004 Ende des Jahres 2010 verjährt seien.

Gleichzeitig wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt.

Die Finanzbehörde I. Instanz legte die Berufung und den entsprechenden Verwaltungsakt an den Unabhängigen Finanzsenat vor (Bericht vom ).

In der Folge wurden vom Finanzamt weitere Unterlagen aus dem Feststellungsakt der Vermietungsgemeinschaft nachgereicht, und zwar zwei Prüfungsaufträge betreffend Umsatzsteuer und einheitliche und gesonderte Feststellung für 2003-2007, zum einen ausgefolgt am an den Rechtsanwalt Dr. B als Masseverwalter und zum anderen ausgefolgt am an die steuerlichen Vertretung, Mag. C für die Steuerberatungsgesellschaft, 1020 Wien.

Diese Unterlagen wurden der Bw in einem Vorhalteverfahren nachweislich zur Kenntnis gebracht. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben. Auf das diesbezügliche Vorhalteverfahren wird verwiesen.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass es sonderbar sei, dass für denselben Zeitraum zwei Prüfungsaufträge erlassen wurden, der erste Prüfungsauftrag habe offenbar zu keinem Ergebnis geführt. Den zweiten Prüfungsauftrag nachzuschieben, um dieser Verlängerung Genüge zu tun, sei nicht rechtens.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Einkommensteuer:

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gemäß § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung.

§ 209 Abs. 1 BAO hat folgenden Wortlaut:

"Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen."

Die Verlängerung um ein Jahr (dem ersten Satz des § 209 Abs. 1 zufolge) erfolgt unabhängig davon, ob eine oder mehrere Amtshandlungen in der Verjährungsfrist unternommen werden sowie in welchem Jahr der Verjährungsfrist die Amtshandlung erfolgt. Die Verlängerung gemäß § 209 Abs. 1 zweiter Satz jeweils um ein weiteres Jahr setzt voraus, dass in jenem Jahr, in dem die nach dem ersten Satz um ein Jahr verlängerte Verjährungsfrist endet, eine Amtshandlung (im Sinne des § 209 Abs. 1) erfolgt. Weitere Verlängerungen jeweils um ein Jahr setzen voraus, dass jeweils im (weiteren) verlängerten Jahr die betreffende Amtshandlung vorgenommen wird (vgl. Ritz, BAO, 4. Auflage, § 209 Tz 1, mit weiteren Nachweisen [kurz: mwN]).

Die Amtshandlung muss nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein (vgl. ; , 92/16/0217; , 99/15/0098).

Auch 'prophylaktische' Amtshandlungen (zB die Zusendung einer Abgabenerklärung) verlängern die Verjährungsfrist (vgl. Ritz, BAO, 4. Auflage, § 209 Tz 6, mwN).

Es ist weder erforderlich, dass der Amtshandlung eine zutreffende Rechtsansicht zugrunde liegt, noch dass die behördlichen Schritte zum Beweisthema etwas beizutragen vermögen. Auch nicht notwendige bzw. gesetzwidrige Verwaltungsakte haben diese Wirkung (vgl. Ritz, BAO, 4. Auflage, § 209 Tz 7, mwN).

Die Amtshandlung kann eine jedermann gestattete Tätigkeit sein (zB Einsicht im Firmenbuch; (vgl. Ritz, BAO, 4. Auflage, § 209 Tz 8, mwN).

Seit dem Erkenntnis vom , 95/14/0021, gilt in nunmehr ständiger Rechtsprechung (zB ), dass Grundlagenbescheide (§ 188), die eindeutig auf die Geltendmachung von bestimmten Abgabenansprüchen gerichtet sind, für die Verjährung dieser Abgaben (zB Einkommensteuer der Beteiligten) auch dann bedeutsam sind, wenn sie nicht vom für die Abgabenerhebung örtlich zuständigen Finanzamt erlassen wurden. Dies gilt auch für auf Erlassung solcher Feststellungsbescheide gerichtete Amtshandlungen, wie zB Außenprüfungen (§ 147; vgl. Ritz, BAO, 4. Auflage, § 209 Tz 9, mwN).

Abgabenbehördliche Prüfungen, deren Gegenstand Feststellungsverfahren (Feststellungsbescheide) sind, verlängern die Verjährungsfrist der von den Feststellungsbescheiden jeweils abgeleiteten Abgaben (vgl. ; , 98/15/0056; vgl. Ritz, BAO, 4. Auflage, § 209 Tz 16, mwN).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage ergibt sich nun für den konkreten Berufungsfall folgendes:

Die beiden Prüfungsaufträge, gerichtet an die Vermietungsgemeinschaft, wurden einem Rechtsanwalt als Masseverwalter (am ) und der steuerlichen Vertretung (am ) nachweislich zur Kenntnis gebracht. Warum der erste Auftrag zu keinem Ergebnis geführt und nicht abgeschlossen werden konnte, ist dabei nicht relevant.

Entscheidend ist, ob eine Amtshandlung, die auf die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches (hier: "einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 2003-2007") gerichtet ist, nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar ist. Dies ist im gegenständlichen Fall zweifelsohne gegeben. Für den erkennenden Senat war es daher im Sinne einer verwaltungsökonomischen Verhandlungsführung entbehrlich, ergänzende Ermittlungsschritte, zB die Einvernahme der Prüferin der Vermietungsgemeinschaft, dahingehend zu veranlassen, ob in den Jahren 2009 und 2010 noch weitere Verlängerungshandlungen gesetzt wurden.

Die dokumentierten Prüfungshandlungen betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 2003 bis 2007 sind somit geeignet, die Verjährung des Rechtes auf Festsetzung der Einkommensteuer der beteiligten Bw zu unterbrechen.

Daraus ergeben sich nachstehende steuerliche Auswirkungen:

Einkommensteuer 2003: Erlassung des Einkommensteuerbescheides im Jahr 2005 bewirkt gemäß § 209 Abs. 1 erster Satz BAO die Verlängerung um ein Jahr (also bis Ende 2009). Der aktenkundige Prüfungsauftrag 2009 verlängert die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO um ein weiteres Jahr (also bis 2010). Der zweite Prüfungsauftrag 2010 verlängert die Verjährungsfrist, wiederum gemäß § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO, um das Folgejahr 2011. Die Verjährung wäre somit erst Ende 2011 eingetreten.

Einkommensteuer 2004: Erlassung des Veranlagungsbescheides im Jahr 2006 und Prüfungsauftrag 2009 bewirkt die Verlängerung bis Ende 2010 (gemäß § 209 Abs. 1 erster Satz BAO). Die Außenprüfung im Jahr 2010 verlängert die Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr (gemäß § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Die Verjährung wäre erst Ende 2011 eingetreten.

Das Recht, die Einkommensteuer 2003 und 2004 festzusetzen, war sohin noch nicht verjährt. Die angefochtenen Bescheide entsprechen daher der Rechtslage.

2. Anspruchszinsen:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO idF BGBl. I. 2000/142 und BGBl. I. 2002/84 sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für im Gesetz bestimmt umschriebene Zeiträume zu verzinsen (Anspruchszinsen).

§ 252 Abs. 1 und Abs. 2 BAO lauten:

"(1) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.(2) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-, Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt Abs. 1 sinngemäß."

§ 252 Abs. 2 BAO erfasst Fälle, in denen ein Abgabenbescheid die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Grundlage für einen davon abzuleitenden anderen Abgabenbescheid abgibt; dazu gehören auch die Anspruchszinsen.

Anspruchszinsen sind zur festgesetzten Abgabe (hier: Einkommensteuer) formell akzessorisch. Sie sind insoweit von der festgesetzten Abgabe zu berechnen, als ihre Bemessungsgrundlage von der Höhe der festgesetzten Abgabe abhängt.

In dieser Hinsicht sind Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Spruch des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (vgl. ).

Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist selbständig anfechtbar. Im Hinblick auf die Bindungswirkung kann jedoch eine Anfechtung mit der Begründung, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig, von vornherein nicht zum Erfolg führen. Ändert sich die Bemessungsgrundlage von Anspruchszinsen mit der Höhe der festgesetzten Abgabe, bietet eine verfahrensrechtliche Handhabe zur Anpassung der Anspruchszinsenfestsetzung § 295 Abs. 3 BAO (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall hat die Bw gegen die Festsetzung von Anspruchszinsen berufen, sich in der Berufungsbegründung jedoch ausschließlich auf die Rechtswidrigkeit der zu Grunde liegenden Einkommensteuerbescheide gestützt. Solcherart kann eine Rechtswidrigkeit der erstinstanzlichen Bescheide nicht festgestellt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at