Kapitalertragsteuer: "Schiefe" Ausschüttung in eine GmbH zur Steuervermeidung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Ursula Leopold und die weiteren Mitglieder Dr. Michael Rauscher, Mag. Heinz Zavecz und Mag. Bruno Sundl im Beisein der Schriftführerin Dagmar Brus über die Berufung der Bw, vertreten durch Hermann Baldauf, 8010 Graz, Grazbachgasse 57, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Kapitalertragsteuer 2003 nach zuvor durchgeführter mündlicher Verhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Bw ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Haupttätigkeit der Bw stellt die Produktion und der Vertrieb [Produkte] unter dem Markennamen "B" dar.
Anteilsinhaber der Bw waren WK (10%) und die K-Holding-GmbH&CoKG (90%). Anfang des Jahres 2002 erwarb OR einen Geschäftsanteil (10%) von der K-Holding-GmbH&CoKG (nunmehr 80%).
Am fanden folgende Vorgänge zeitlich unmittelbar aufeinander folgend statt:
1. Außerordentliche Generalversammlung der Bw: Es erfolgte ua. die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes. Von dem Bilanzgewinn im Betrag von 6,238.742,24 € wurde eine Gewinnausschüttung im Betrag von 555.500 € (etwa 10%) an WK und im Betrag von 4,444.000 € an die (zwischenzeitig aus der Umwandlung der K-Holding-GmbH&CoKG hervorgegangene) K-Holding-GmbH (etwa 70%) beschlossen. Weiters wurde beschlossen - und dies gibt zu berufungsgegenständlichem Streit Anlass -, dass der restliche Bilanzgewinn im Betrag von 1,239.242,24 € (etwa 20%) auf neue Rechnung vorgetragen werde. OR erklärte, vorläufig auf eine Ausschüttung des auf ihn entfallenden Anteiles zu verzichten (Punkt 4 des Protokolls vom , Geschäftszahl 310).
2. Veräußerung von 10% Geschäftsanteil an der Bw durch die K-Holding-GmbH (nunmehr 70%) um 122.000 € an OR (nunmehr 20%; Notariaktsakt vom , Geschäftszahl 311).
3. Veräußerung des gesamten Geschäftsanteils an der Bw durch WK (nunmehr 0%) um 610.000 € und durch die K-Holding-GmbH (nunmehr 0%) um 4,268.000 € an die R-GmbH (nunmehr 80%; Notariaktsakt vom , Geschäftszahl 312).
4. Außerordentliche Generalversammlung der Bw: Es erfolgte (nur) die Beschlussfassung über eine "schiefe Gewinnausschüttung" (Dividendenauszahlung) des noch "frei verfügbaren Gewinnes" im Betrag von 1,239.242,24 € an die R-GmbH (Protokoll vom , Geschäftszahl 313).
Am selben Tag veräußerte die R-GmbH ihren Geschäftsanteil (80%) an Finanzinvestoren (Abtretungsvertrag vom ; Notariatsakt vom ).
Mit dem hier angefochtenen (undatierten) Bescheid setzte das Finanzamt die Kapitalertragsteuer 2003 mit 312.453,23 € fest, wobei sich daraus eine Nachzahlung im Betrag von 309.810,61 € ergab. Unter Tz. 7 des Berichts vom über das Ergebnis der Außenprüfung führt das Finanzamt dazu aus:
Der Bilanzgewinn des geprüften Unternehmens zum beträgt 6,238.742,24 Euro. Lt. Protokoll der a.o. Generalversammlung der Fa. [Bw] vom werden davon € 550.000.- an WK, und € 4,444.000.- an die K-Holding-GmbH ausgeschüttet.
Der restliche Bilanzgewinn i.d.H. von € 1,239.242,44 wurde an die R-GmbH KESt-frei ausgeschüttet (Eingang KESt-Anmeldung FA Voitsberg am ). Begründet wurde der Nichtabzug der KESt durch eine Ausschüttung an eine inländische Kapitalgesellschaft gem. § 94 Z 2 KStG.
Die Ausschüttung des Restbilanzgewinnes des Jahres 2002 an die R-GmbH ist von der BP als Einkommensverwendung des Hrn. DI OR zu beurteilen. Von der BP ist daher KESt in der Höhe von € 309.810,61.- im WJ 2003 vorzuschreiben.
Dagegen wendet sich die Bw mit Berufung und beantragt die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Im Berufungsschreiben ihres steuerlichen Vertreters vom bringt sie zur Begründung im Wesentlichen vor, dass der streitgegenständliche restliche Bilanzgewinn in Höhe von 1,239.242,44 € laut dem Protokoll zur außerordentlichen Generalversammlung auf neue Rechnung vorgetragen worden sei. Klarstellend sei im Protokoll weiter ausgeführt worden, dass OR nicht "Ausschüttungsbegünstigter" sei und dass die anteilige Kapitalertragsteuer in Höhe von 305.525 € von der Bw einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen sei. Ein Ausschüttungsbeschluss in Höhe von 1,239.242,24 € sei im Zeitraum der Anteilseignerschaft der R-GmbH gefasst worden. Für Gewinnanteile aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung gelte, dass die Tatbestandsverwirklichung erst mit dem formellen Gewinnverteilungsbeschluss eintrete. Wirtschaftlich betrachtet handle es sich bei dieser Ausschüttung um einen "Dividendenvorbehalt" anlässlich der Veräußerung der Anteile an die R-GmbH. Da ein Gewinnverteilungsbeschluss anlässlich der außerordentlichen Generalversammlung nicht gefasst worden sei, könne auch keine Einkommensverwendung des OR vorliegen.
In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung vom führt das Finanzamt zur Begründung im Wesentlichen aus, es gehe aus dem Generalversammlungsprotokoll hervor, dass der restliche Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorgetragen werde und OR erkläre, vorläufig auf eine Ausschüttung seines Anteiles am Bilanzgewinn zu verzichten. Gewinnanteile aus Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft flössen dem Anteilsinhaber mit der tatsächlichen Auszahlung zu. Der Gewinnanteil werde mit Genehmigung des Jahresabschlusses bzw. mit "Fassung des Gewinnverteilungsanspruches" fällig. Beschlössen die Gesellschafter, die Fälligkeit trotz Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft hinauszuschieben, dann verfügten sie über den Anspruch und es sei ein Zufluss anzunehmen. Nach § 95 Abs. 4 Z 1 EStG flössen Kapitalerträge den Empfängern in dem Zeitpunkt zu, der im Ausschüttungsbeschluss als Tag der Auszahlung bestimmt worden sei, mögen sie auch erst später wirtschaftlich über den Ertrag verfügen können. Sei die Ausschüttung nur festgesetzt, ohne dass über den Zeitpunkt der Auszahlung ein Beschluss gefasst worden sei, so gelte als Zeitpunkt des Zufließens der Tag nach der Beschlussfassung.
Im Schreiben zum Vorlageantrag vom bringt die Bw durch ihren steuerlichen Vertreter nach weitgehender Wiederholung ihres Vorbringens im Berufungsschreiben ergänzend vor, es liege weder im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 1 EStG noch im Sinne des § 19 EStG ein Zufluss von Kapitalerträgen vor.
Das Finanzamt legte die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat im Oktober 2005 zur Entscheidung vor.
Die Bw hat die mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt.
In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde vom steuerlichen Vertreter der Bw ergänzend ausgeführt, dass nach § 95 Abs. 4 EStG 1988 Voraussetzung für die Kapitalertragsteuer ein Gewinnverteilungsbeschluss sei. Der Gewinnverteilungsbeschluss liege nicht vor, vielmehr werde in dem Erstverteilungsbeschluss nach § 50 Abs. 4 GmbH-Gesetz die Zustimmung aller Gesellschafter zu einer alinearen Ausschüttung benötigt. Die Zwischenschaltung der R-GmbH habe dem Zweck gedient, die unmittelbare Verbindung zwischen WK bzw. der K-Holding-GmbH und den Finanzinvestoren im Hinblick auf die Kenntnis des Kaufpreises zu unterbrechen. Zu den wirtschaftlichen Gründen der Vorgangsweise sei vorzubringen, dass die Bemessung des Kaufpreises von ca. 4,8 Mio Euro (WK bzw. K-Holding-GmbH an R-GmbH) unter Einschluss des vorhandenen Kapitals bei der GmbH erfolgt sei. Die Weiterveräußerung sei um ca. 5 Mio Euro erfolgt. Der Vertreter des Finanzamtes brachte vor, dass sehr wohl ein Verteilungsbeschluss vorliege. Es handle sich um einen klagbaren Anspruch auf die Gewinnanteile. Alineare oder schiefe Gewinnausschüttungen müssten gesellschaftsrechtlich und wirtschaftlich begründet sein. Eine wirtschaftliche Begründung liege nicht vor. Über Befragen durch den Referenten hat der steuerliche Vertreter ausgeführt, dass die Veräußerung der Anteile von WK bzw. K-Holding-GmbH im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem nicht ausgeschütteten Betrag stünden. Die R-GmbH habe im Februar 2003 die 80 %-Anteile an der Bw um ca. 4,8 Mio Euro (Vorgang 3) erworben. Der Kaufpreis habe sich ua. aus dem im Eigenkapital der Bw befindlichen Bilanzgewinn von 1,2 Mio Euro zusammengesetzt. Der wirtschaftliche Erfolg von OR aus diesem Geschäft habe im Rahmen der GmbH somit ca. 1,4 Mio Euro (1,2 Mio Ausschüttung plus 0,2 Mio Differenz Einkaufs-/Verkaufspreis) betragen.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 8 Abs. 2 KStG 1988 lautet:
Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen
- im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt oder
- entnommen oder
- in anderer Weise verwendet wird.
Nach § 93 Abs. 1 EStG 1988 wird bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).
Zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs. 2 EStG 1988 zählen auch verdeckte Ausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 2 KStG 1988, worunter alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber zu verstehen sind, die das Einkommen der Körperschaft mindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben ().
Unstrittig ist im Berufungsfall, dass der gesamte Bilanzgewinn der Bw vor der Veräußerung der Anteile an die Finanzinvestoren zur Gänze ausgeschüttet werden sollte. Dass OR auf seinen Anteil am Bilanzgewinn "vorläufig verzichtet" hat und dieser Anteil unmittelbar anschließend an den Erwerb von Geschäftsanteilen an der Bw durch die R-GmbH (die diese Geschäftsanteile am selben Tag an die Finanzinvestoren weiterveräußert hat) an diese "ausgeschüttet" wurde, ändert nichts daran, dass diese Ausschüttung OR steuerlich zuzurechnen ist. Das Finanzamt hat daher zurecht Kapitalertragsteuer festgesetzt.
Das Vorbringen des steuerlichen Vertreters der Bw bezüglich der Zwischenschaltung der R-GmbH zum Zwecke der "Unterbrechung" der unmittelbaren Verbindung zwischen WK bzw. K-Holding-GmbH und den Finanzinvestoren im Hinblick auf die Kenntnis des Kaufpreises vermag nicht zu überzeugen, weil dies einer "schiefen Gewinnausschüttung" nicht bedurft hätte. Ebenso wenig überzeugt das Vorbringen, die Veräußerung der Anteile von WK bzw. der K-Holding-GmbH stünden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem nicht ausgeschütteten Betrag, weil gerade für diese Geschäftsanteile eine Ausschüttung des Bilanzgewinnes bereits erfolgt war. Im Übrigen würde niemand auf "seinen" Anteil am Bilanzgewinn "vorläufig verzichten", und beim anschließenden Erwerb der übrigen Geschäftsanteile durch "seine" GmbH deshalb einen höheren Kaufpreis an Dritte (hier: WK bzw. K-Holding-GmbH) bezahlen, um diesen "stehen gelassenen" Bilanzgewinn abzugelten.
Der Unabhängige Finanzsenat sieht es somit als erwiesen an, dass der "vorläufige Verzicht" von OR auf seinen Anteil am Bilanzgewinn und die "schiefe Gewinnausschüttung" an die R-GmbH lediglich zum Zwecke der Kapitalertragsteuerersparnis erfolgt ist. Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 8 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 93 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 95 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | schiefe Ausschüttung schiefe Gewinnausschüttung alineare Ausschüttung |
Verweise | Lehner, Alineare Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften, ÖStZ 2009/742, 366 |
Zitiert/besprochen in | taxlex-SRa 2008/72 Renner in SWK 33/2016, 1403 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at