Pflichtteil als Surrogat der vormals an den Erblasser übergebenen Liegenschaft ? Versagung der Befreiung mangels Unentgeltlichkeit des früheren Erwerbes
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/0069-I/06-RS1 | Selbst dann, wenn man aufgrund weit gehender wirtschaftlicher Betrachtung den Pflichtteil, der anhand des Reinnachlasses ausgemittelt wird, wertmäßig als Surrogat der 1973 dem Erblasser übergebenen Liegenschaftsanteile ansehen wollte, ist die Befreiung schon deshalb zu versagen, da es sich bei der vormaligen Übergabe gegen Zahlung einer Leibrente nach steuerlichen Bewertungsmaßstäben um ein rein entgeltliches Rechtsgeschäft gehandelt hat. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der K, Adr, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Erbschaftssteuer entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Erbschaftssteuer gemäß § 8 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), BGBl. 1955/141 idgF, mit 18 v. H. von € 100.777,13, sohin im Betrag von € 18.139,87 festgesetzt. Die Fälligkeit des angefochtenen Bescheides bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Laut Abhandlung nach dem am verstorbenen H hatte dieser im Testament vom ua. die Familie seiner Stief-bzw. Ziehtochter G als Erben eingesetzt, welche eine bedingte Erbserklärung abgegeben haben. Als einzige Gesetzeserbin und damit Pflichtteilsberechtigte ist K (= Berufungswerberin, Bw), die Mutter des Verstorbenen, ausgewiesen, die den Pflichtteil geltend gemacht hat. Aufgrund des im Abhandlungsprotokoll vom errichteten "Hauptinventars" wurde der Reinnachlass in Höhe von € 342.661,95 ermittelt. Als einer der Aktivposten wurde dabei die erblasser. Liegenschaft in EZ1 mit dem Verkehrswert von S 2,895.000 verzeichnet; festgehalten wurde, dass der zuletzt festgestellte Einheitswert der Liegenschaft S 144.000 beträgt (Punkt A 2.). In der dortigen "Pflichtteilsregelung" wird zum geltend gemachten Pflichtteil der Bw festgeschrieben, dieser gegenüber den Testamentserben bestehende Geldanspruch beträgt 1/3 vom Reinnachlass, das sind € 114.220,65; im Weiteren verpflichten sich die Testamentserben zur Bezahlung dieses Pflichtteiles auf ein Treuhandkonto bis spätestens . Diese Regelung blieb auch infolge einer nachträglich hervorgekommenen (minimalen) Erhöhung des Reinnachlasses unverändert und wurden keine weiteren Ansprüche durch die Pflichtteilsberechtigte gestellt (siehe Abhandlungsprotokoll vom , "Erbübereinkommen" Punkt B).
Das Finanzamt hat daraufhin der Bw mit Bescheid vom , StrNr, ausgehend vom steuerpflichtigen Erwerb von S 1,565.710 (= Pflichtteil abzüglich Freibetrag S 6.000) gem. § 8 Abs. 1 ErbStG (Stkl. III) die 21%ige Erbschaftssteuer im Betrag von S 328.799 = € 23.894,76 vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde unter Verweis auf die Befreiung nach § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG eingewendet, einen wesentlichen Vermögenswert bei Ausmittlung des Reinnachlasses und folglich des Pflichtteilsbetrages habe die Liegenschaft in EZ1 gebildet, die mit Übergabsvertrag vom im Ausmaß der ihr gehörigen 5/8 Miteigentumsanteile von der Bw je hälftig auf den Sohn, dh. den nunmehrigen Erblasser, und dessen Gattin I übertragen worden sei. Als Gegenleistung hätten die beiden Erwerber eine mtl. Leibrente von S 1.200 durch 20 Jahre, gesamt S 288.000, an die Bw entrichtet. Im Zuge der Scheidung habe I dem Erblasser ihre 5/16 Anteile übertragen. Im Hinblick auf die geringfügig erbrachte Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert der von der Bw übertragenen Anteile (= nicht einmal 1/6) stelle sich die Übergabe aus dem Jahr 1973 als Schenkung im weiteren Sinne dar, die nunmehr als Erwerb von Todes wegen in Entsprechung der genannten Befreiungsbestimmung wiederum an die Bw zurück falle. Demgemäß sei bei der Erbschaftssteuerbemessung der anteilig ermittelte Verkehrswert in Höhe von € 131.392,40 in Abzug zu bringen. Zum Nachweis wurde der "Übereignungsvertrag" vom vorgelegt, wonach die Bw dem Sohn und dessen Gattin ihre 5/8 Anteile an EZ1 mit Vertragsunterfertigung ins je hälftige Eigentum übertragen hat. Unter Vertragspunkt 3.) verpflichteten sich die Erwerber, der Bw beginnend mit Oktober 1973 monatlich einen gemeinsamen Leibrentenbetrag von S 1.200, ab 1974 wertgesichert, im Vorhinein zu bezahlen. Ergänzend wurde die Zahlungsdauer auf 20 Jahre bis letztmalig September 1993 beschränkt. Des Weiteren wird in der Berufung vorgebracht, folgende Kosten der Nachlassregelung bzw. zur Sicherung des Nachlasses iSd § 20 Abs. 4 Z 3 ErbStG seien bei der Bw unberücksichtigt geblieben: Gerichtskommissionsgebühren € 1.943,59, SV-Schätzgebühren € 373,30, Treuhandabwicklung Notar € 807,60 sowie Rechtsanwaltshonorar € 9.882,99. Sämtliche Rechnungen und ein Gerichtsbeschluss wurden zum Nachweis vorgelegt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Berufung insoweit Folge gegeben, als die geltend gemachten Kosten zur Gänze in Höhe von € 13.007,48 anerkannt und bei der Bemessung in Abzug gebracht wurden. Die Erbschaftssteuer wurde mit 18 % vom nunmehr steuerpflichtigen Erwerb von € 100.777,13, sohin im Betrag von € 18.139,87 festgesetzt. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen und im Wesentlichen begründend ausgeführt, die Befreiung nach § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG könne mangels Identität der an den Erwerbsvorgängen beteiligten Personen nicht gewährt werden. Zudem habe die Bw einen Pflichtteil erworben, bei dem es sich um einen Geldanspruch in Höhe von 1/3 des Reinnachlasses handle. Die betreffende Liegenschaft sei dagegen den Testamentserben zugefallen.
Mit Antrag vom wurde die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde II. Instanz begehrt und ergänzt, entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes habe die Bw die 5/8 Liegenschaftsanteile dem Sohn im Jahr 1973 zugewendet und seien diese wiederum an sie zurück gefallen. Im Hinblick auf die geringe, vom Erblasser und dessen Gattin erbrachte Gegenleistung, sei diese Zuwendung 1973 als Schenkung zu beurteilen und stelle sehr wohl einen Vermögenswert dar, der in Form des auf die Bw entfallenden Pflichtteiles aus der Verlassenschaft nach dem Sohn auf die Bw zurück falle. Die Pflichtteilsberechtigte sei als gesetzliche Erbin anzusehen, deren Pflichtteil vom reinen Nachlass ausgemittelt werde.
Der Einheitswert der Liegenschaft in EZ1 wurde beim zuständigen Finanzamt zum mit S 34.000, zum mit S 107.000 erhoben.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG unterliegen der Erbschaftssteuer Erwerbe von Todes wegen und zählen dazu nach § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG Erwerbe durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.
Pflichtteil ist jener Erbteil, den bestimmte, im Gesetz taxativ angeführte Personen infolge ihrer nahen Verwandtschaft zum Erblasser mindestens erhalten müssen. Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben, nämlich ein Forderungsrecht auf Auszahlung eines Geldbetrages in der Höhe eines entsprechenden Anteiles am Reinnachlass (vgl. ).
Nachdem in der teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung die in der Berufung eingewendeten Kosten der Nachlassregelung zur Gänze anerkannt und bei der Steuerbemessung in Abzug gebracht wurden, ist im Gegenstandsfalle allein noch strittig, ob der Erwerb des Pflichtteiles - da er aus dem Reinnachlass ermittelt wird, der sich ua. aus der vormals von der Bw übergebenen Liegenschaft zusammen setzt - einem "Rückfall von Vermögen" iSd Begünstigungsbestimmung des § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG gleichzuhalten ist.
Gemäß § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG bleibt Vermögen, soweit es von Eltern, Großeltern oder weiteren Voreltern ihren Abkömmlingen unentgeltlich zugewendet wurde und an diese Personen zurückfällt, steuerfrei. Erfaßt sind Rückfälle von Todes wegen sowie Rückschenkungen. Als Abkömmlinge sind dabei nur leibliche Kinder, nicht aber Wahl- oder Schwiegerkinder zu verstehen.
Der Gesetzeszweck dieser Befreiungsbestimmung ist darin gelegen, den mehrfachen unentgeltlichen Wechsel im Eigentum bzw. von Vermögen zwischen denselben nahen Angehörigen nicht mehrfach der Erbschafts- und/oder Schenkungssteuer zu unterwerfen.
Von einem Vermögensrückfall kann grundsätzlich nur dann gesprochen werden, wenn es sich um denselben Gegenstand handelt. Nach der - insbesondere bundesdeutschen - Rechtsprechung wird allerdings die Auffassung vertreten, dass es nicht erforderlich sei, die erworbenen Vermögensgegenstände in natura zurück zu geben. Es sei vielmehr ausreichend, wenn der beim Rückfall vorhandene Gegenstand - wirtschaftlich betrachtet - als derselbe Gegenstand angesehen werden kann, der seinerzeit erworben worden ist. Diese Anforderung der "eingeschränkten Identität" sei auch dann gegeben, wenn und soweit beim Austausch des konkreten Gegenstandes der Zuwendung der Wert des Zugewandten als Gegenstand der früheren und nunmehrigen Besteuerung erhalten geblieben ist (vgl. mit weiterer Judikatur).
Selbst dann, wenn man im Rahmen einer sehr weit gehenden wirtschaftlichen Betrachtung dem Berufungseinwand dahin folgen wollte, dass sohin der Pflichtteil (als ein Geldanspruch gegenüber den Erben) wertmäßig zum Teil als Surrogat der 1973 übergebenen Liegenschaftsanteile zu betrachten sei, ist aber die Gewährung der Befreiung aus einem anderen Grund von vorne herein zu versagen, wobei die Qualifikation des Übergabsvertrages vom als entgeltlich oder unentgeltlich entscheidungswesentlich ist:
Ist nämlich Vermögen seinerzeit von Eltern an Kinder teils entgeltlich, teils unentgeltlich übergegangen, so kommt die Abgabenfreiheit beim Rückfall nur für jenen Teil in Betracht, der seinerzeit unentgeltlich an die Kinder übergegangen ist. Dieser Teil wird auch als Überschuss bezeichnet. Dabei ist festzustellen, in welchem Verhältnis bei der früheren gemischten Schenkung, nach steuerlichen Bewertungsmaßstäben (§ 19 ErbStG) ermittelt, der Überschuss zum Gesamtwert der Zuwendung stand. Ein diesem Verhältnis entsprechender Teil des steuerlichen Wertes des Rückfalls bleibt dann steuerfrei (; ; siehe zu vor auch: Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 25 f zu § 15).
Im Gegenstandsfalle wurde dem Erblasser von der Bw mit Übergabsvertrag aus 1973 ein Anteil von 5/16el der Liegenschaft in EZ1 insofern entgeltlich übertragen, da als Gegenleistung die Zahlung einer monatlichen Leibrente in Höhe von S 1.200 zur ungeteilten Hand mit der Ehegattin I, sohin auf ihn entfallend in Höhe von mtl. S 600, vereinbart wurde. Nach § 19 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung, soweit nicht im Abs. 2 etwas Besonderes vorgesehen ist, nach den Vorschriften des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften). Gem. § 19 Abs. 2 ErbStG idgF ist ua. für inländisches Grundvermögen der Einheitswert maßgebend, der nach den Vorschriften des zweiten Teiles des Bewertungsgesetzes (besondere Bewertungsvorschriften) auf den dem Entstehen der Steuerschuld unmittelbar vorausgegangenen Fetstellungszeitpunkt festgestellt ist oder festgestellt wird. Abgestellt auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Übergabsvertrages war daher bei der steuerlichen Beurteilung der auf den festgestellte Einheitswert heranzuziehen, der beim zuständigen Finanzamt mit S 34.000 für die gesamte Liegenschaft erhoben wurde, wovon auf den damaligen 5/16el Erwerb des Erblassers sohin S 10.625 entfallen sind. Demgegenüber war die vom Erblasser übernommene Leibrente nach den Bestimmungen der §§ 15 und 16 BewG zu bewerten, dh. nach dem Lebensalter der Bw als Übergeberin (geb. 1924, bei der Übergabe 49 Jahre) mit dem 14fachen Jahreswert zu kapitalisieren, woraus sich die Gegenleistung im Betrag von S 100.800 (mtl. S 600 x 12 x 14) ermittelt.
Entgegen dem Dafürhalten der Bw ist die Gegenüberstellung der gemeinen Werte von Leistung (Verkehrswert der Liegenschaft) und Gegenleistung nur für die Frage von Bedeutung, ob eine Bereicherung vorgelegen war oder nicht. Für die Berechnung der Steuer sind hingegen Leistung und Gegenleistung ausschließlich auf die im § 19 ErbStG bestimmte Weise zu bewerten (siehe wiederum ).
Aus der allein nach steuerlichen Bewertungsmaßstäben vorzunehmenden Bewertung ergibt sich, dass sohin die kapitalisierte Leibrente (Gegenleistung) den anteiligen Einheitswert der 1973 erworbenen Liegenschaft um ein Vielfaches überstiegen hat, weshalb dazumal steuerlich ein rein entgeltliches und damit ausschließlich grunderwerbsteuerpflichtiges Rechtsgeschäft vorgelegen war. Daran würde sich auch etwa bei Heranziehung des nachfolgend zum festgestellten Einheitswertes in Höhe von S 107.000, sohin anteilig S 33.438, nichts ändern. Fest steht damit, dass diesbezüglich bisher gar keine Schenkungssteuer angefallen war, weshalb auch im Hinblick auf den Gesetzeszweck der Befreiungsbestimmung nach § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG von einer allenfalls zu vermeidenden Mehrfachbelastung keine Rede sein kann. Ein (unentgeltlicher) "Überschuss", der bei der Steuerbefreiung nach § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG berücksichtigt werden könnte, ist daher nicht gegeben. Die Steuerbefreiung war bereits aus diesem Grund zu Recht nicht zur Anwendung gelangt.
In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Berufung insgesamt - hinsichtlich der bereits in der Berufungsvorentscheidung zuerkannten Kosten - nur ein teilweiser Erfolg beschieden sein. Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 15 Abs. 1 Z 7 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Schlagworte | Pflichtteil Rückfall Identität Surrogat Unentgeltlichkeit Überschuss |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at