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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.01.2020, RV/7104906/2019

Jahrelanger Schulbesuch in der Türkei

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a CP in der Beschwerdesache Bf., ***Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Gänserndorf Mistelbach vom , betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für Sohn, geb. **, für den Zeitraum März 2013 bis August 2017 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt (FA) überprüfte mit Vorhalten vom , sowie den Anspruch auf Familienbeihilfe für den Sohn des Beschwerdeführers (Bf.), Sohn, geb. **.

Im Rahmen der Beantwortung der Vorhalte übermittelte der Bf. ins Deutsche übersetzte Schulbesuchsbestätigungen von türkischen Gymnasien, die sein Sohn besuchte:

  • C Gymnasium: IHL – 9. Schulstufe/C Klasse vom samt Bestätigung, dass Sohn Bewohner der CG Pension für Zwecke des ordentlichen und regulären Schulbesuches des C Realgymnasiums ist.

  • Direktion des Gymnasiums für Priester und Predigten C. vom : Schulbestätigung über den Besuch der IHL- 11. Klasse/C samt einer unleserlichen Kopie.

  • Gymnasium Ö vom : Schulbescheinigung - Sohn ist ordentlicher Kursteilnehmer am Gymnasium.

  • Privat K Gymnasium vom : Bescheinigung, dass Sohn regelmäßiger Student in der Klasse 622 ist.

Mit Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom forderte das FA die Familienbeihilfe (FB) in Höhe von € 7.598,80 und den Kinderabsetzbetrag (KAB) in Höhe von € 3.153,60 für Sohn Sohn für den Zeitraum März 2013 bis August 2017 zurück. Begründet wurde der Bescheid mit § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 und § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988, sowie mit § 5 Abs. 3 FLAG 1967 und damit, dass laut den Unterlagen Sohn schon seit vielen Jahren in der Türkei in die Schule gehe.

Am langte die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid ein:

Mit ausführlich begründeter Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde ab. Nach Zitierung der §§ 2 Abs. 1 lit. a, 5 Abs. 3, 10 Abs. 2, 25, 26 FLAG 1967, 33 Abs. 3 EStG 1988, 26 Bundesabgabenordnung (BAO) sowie nach Zitierung von Judikatur und Literatur – führte das FA aus, dass sich Sohn Sohn spätestens seit März 2013 – mit Ausnahme der Sommermonate und Ferienzeit – durchgehend in der Türkei (Drittland) befunden habe. Vom Verwaltungsgerichtshof sei eine Auslandsaufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten gerade noch als vorübergehender Aufenthalt anzusehen, der dem Bezug der Familienbeihilfe nicht entgegenstünde. Im Beschwerdefall liege ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt bzw. Schulbesuch in der Türkei vor, der erst im Nachhinein als „langfristig angelegtes Arrangement“ erkennbar gewesen sei.
Aus den gegenüber dem FA erbrachten Informationen sei nicht erkennbar gewesen, dass Sohn im Zeitraum ab März 2013 (noch 13-jährig) bis August 2017 die Schule in der Türkei besuchen werde. Damit habe sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in ein Drittland verlagert. Die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen werde auch durch das private und familiäre Umfeld in der Türkei belegt.

Mit beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Im Einzelnen führte er aus:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mit Bericht vom legte das FA die Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Als erwiesen angenommener Sachverhalt:

Der Bf. ist türkischer Staatsbürger und lebt mit seiner Familie in Adresse. Sein im August 1999 geborener Sohn Sohn, türkischer Staatsbürger, besuchte seit Jahren das C Realgymnasium in CA. Im Einzelnen sind Schulbesuchsbestätigungen über die 9. Schulstufe/Klasse C vom und über die 11. Klasse/C IHL vom vorliegend. Eine Schulbescheinigung vom weist ihn als Absolventen und Kursteilnehmer des Gymnasiums und eine weitere Bestätigung vom als „regelmäßigen“ Studenten des Privat K. aus.

Einer Bestätigung vom zufolge war Sohn ein Bewohner der CG Pension für Zwecke des ordentlichen und regulären Schulbesuchs.

Sohn verbrachte seine Ferien in Österreich.

Der Bf. hat in den Vorhalten des FA angegeben, dass sein Sohn Sohn ständig bei ihm wohnt.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes sowie den Datenbanken der Finanzverwaltung. Die Feststellungen sind nicht strittig.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes - FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

§ 2 Abs. 5 FLAG lautet:

„(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn ...

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Nach § 26 Abs. 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.

Erwägungen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0133, mwN, sowie Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, Rz 9 zweiter Absatz zu § 5).

Die Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 FLAG ist nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach den objektiven Kriterien der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom , mwN, sowie Nowotny, aaO, Rz 9 erster Absatz zu § 5).

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (zum Wechsel eines zunächst vorübergehenden Aufenthaltes zu einem ständigen Aufenthalt nach Hervorkommen solcher Umstände vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Im erwähnten Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof bei den in jenem Beschwerdefall gegebenen Rahmenbedingungen eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als vorübergehenden Aufenthalt angesehen. Bei einem Aufenthalt zum Zwecke des Schulbesuches vom Herbst 1991 bis zum Jänner 1993 ging der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 98/15/0016, von einem ständigen Aufenthalt im Ausland aus. Ein einjähriger Auslandsaufenthalt etwa zum Zwecke eines einjährigen Schulbesuches im Ausland ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (vgl. auch Kuprian, Kein Familienbeihilfenanspruch bei Ausbildung eines Kindes in einem "Drittland", in UFS Journal 2011/10, 371).

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. ).

Das bloße Verbringen der Ferien in Österreich bzw. fallweise kurze Besuche in Österreich während des Schuljahres sind jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch ein ständiger Aufenthalt des Kindes im Ausland nicht unterbrochen wird (vgl. ; ; ; ; ).

Auch wenn der Auslandsaufenthalt zu Ausbildungszwecken erfolgte, ändert dies nichts daran, dass sich das Kind während der Auslandsausbildung ständig i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland, also einem Drittland, aufhält (vgl. ; ; ; ; ).

Da im gegenständlichen Fall der Schulbesuch des Sohnes des Bf. in der Türkei unbestrittenermaßen Jahre – vom FA festgestellt wurde der Zeitraum 03/2013 – 08/2017 – andauerte, hatte der Sohn des Bf. seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seinen ständigen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 während dieser Zeit jedenfalls in der Türkei. Wie dargelegt vermögen auch allfällige kurzfristige Aufenthalte während der Ferien oder kurze Besuche in Österreich den ständigen Aufenthalt von Sohn in der Türkei nicht zu unterbrechen.

Soweit der Bf. sein Vorbringen mit der dauernden Hauptwohnsitzmeldung des Sohnes in Österreich begründet, ist festzuhalten, dass eine polizeiliche (Ab- und) Anmeldung nicht entscheidend ist (vgl. , 99/15/0104 uvam.). In Zweifelsfällen kann die polizeiliche An- und Abmeldung einen Begründungsanhalt bieten ( uvam). Ein solcher Zweifelsfall liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungspflicht normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 unerheblich (u.a. ).

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe für den streitgegenständlichen Zeitraum sind auch die Kinderabsetzbeträge zurückzufordern.

Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967  ist keine Ermessensentscheidung. Die Rückforderung ist, wie ausgeführt, vorzunehmen, wenn objektiv der Rückforderungstatbestand verwirklicht ist (vgl. Hebenstreit in Czaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 26 Rz 3).

Aus diesen Gründen geht das Vorbringen des Bf., dass er dem FA den Schulbesuch des Sohnes gemeldet habe und es für ihn nicht nachvollziehbar sei, warum nunmehr die Familienbeihilfe rückgefordert werde, ins Leere. Darüber hinaus sei darauf verwiesen, dass der Bf. in den Vorhaltsbeantwortungen immer wieder angegeben hat, dass Sohn ständig bei ihm wohne. IdZ sei auf die in § 25 FLAG 1967 enthaltenen Meldepflichten von Familienbeihilfenbeziehern verwiesen.

Soweit der Bf. den langen Zeitraum der Rückforderung von 2013 – 2017 kritisiert, ist er auf die allgemeinen Verjährungsbestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) zu verweisen. Nach § 207 Abs. 2 BAO beträgt die allgemeine Verjährungsfrist fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 4 BAO verjährt das Recht die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern in fünf Jahren, wobei Abs. 2 BAO sinngemäß gilt. Das FA ging bei Berechnung des Rückforderungszeitraumes offensichtlich vom Einlangen der Rückantwort des Vorhaltes am aus.  

Abschließend sei der Bf. auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist im gegenständlichen Fall von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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