Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.02.2020, RV/7103420/2018

AgB bei Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache Mag. Bf., Adr._Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom , betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin Mag. Bf. (in der Folge Bf.) beantragte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2012 ua. Werbungskosten für Gewerkschaftsbeiträge, Arbeitsmittel, Fachliteratur, Reisekosten und Kosten der Aus- und Fortbildung. Zusätzlich machte die Bf. außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer Behinderung geltend.

Die beantragten Aufwendungen wurden von der belangten Behörde mangels beantwortetem Vorhalt nicht berücksichtigt.

Im Rahmen der Beschwerde brachte die Bf. Nachweise über für Gewerkschaftsbeiträge, Arbeitsmittel, Fachliteratur, Reisekosten und Kosten der Aus- und Fortbildung nach, weswegen die belangte Behörde der Beschwerde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung stattgab und die entsprechenden Werbungskosten berücksichtigte.

Die Bf. vergaß jedoch die Nachweise hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung aufgrund einer Behinderung beizubringen, was im Rahmen des Vorlageantrages geschah.

II. Erwägungen

1. Sachverhalt

   1.1. Allgemeines

Die Bf. bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Aufgrund einer Funktionseinschränkung mittleren Grades der Wirbelsäule, einer Histamin- und Fructoseintoleranz sowie einer gutartigen Veränderung an der Hypophyse weißt die Bf. einen Gesamtgrad der Behinderung von 30% auf.

Das Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes bescheinigt die Notwendigkeit einer Krankendiätverpflegung wegen Magenkrankheit oder anderer innerer Krankheit ab 2010.

Die Bf. begehrt die tatsächlichen Kosten der eigenen Behinderung. Als tatsächliche Kosten macht die Bf. insgesamt 1.824,73 Euro geltend. Diese setzen sich aus Diätkrankenverpflegung (700,32 Euro), Kosten für Rückenbehandlungen sowie Heilbehelfen (insgesamt 1.124,41 Euro) zusammen.

   1.2. Rückenbehandlungen und Heilbehelfe

Die Bf. macht die tatsächlichen Kosten für Rückenbehandlungen und Heilbehelfe als außergewöhnliche Belastung geltend.

Diese setzen sich zusammen:


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Bezeichnung
Betrag
3er Privatstunden Cantienica – Methode für Körperform und Haltung
231 Euro
Tempur Original Schlafkissen* und Transitkissen**
210 Euro
Blutuntersuchungen
461 Euro
Kletterkurs Österreichischer Touristenklub
148 Euro
Halskrause
28,20 Euro
Übungsbuch Rückengymnastik
20 Euro
Cantienica – Methode für Körperform und Haltung Rückenbehandlung
15 Euro
Aufenthalt Tagesklinik
11,21 Euro
Gesamt
1.124,41 Euro

* Abbildung Tempur Original Schlafkissen:

**Abbildung Tempur Transitkissen:

Hinsichtlich des Rückenleidens sind regelmäßige heilgymnastische Therapien erforderlich. Ärztliche Überweisungen oder Verordnungen zur Rückengymnastik oder zum Klettertraining liegen nicht vor. Diese sind jedoch als Empfehlungen des Krankenhauses aufgezählt. Anteilige Kosten wurden durch die Sozialversicherung nicht erstattet.

Für die Blutuntersuchungen ist eine Überweisung des behandelnden Arztes vorhanden.

   1.3. Diätkrankenverpflegung

Als Diätkrankenverpflegung macht die Bf. einerseits Medikamente (zB Fructosin) in Höhe  von 427,30 Euro und andererseits Lebensmittel in Höhe von 273,02 Euro geltend.

Lebensmittelrechnungen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum / Geschäft
Artikel
Preis
Gesamt
/ DM
Kokosdrink
3,54 Euro
3,54 Euro
/ Billa
Heidelbeeren (2x)
3,58 Euro
 
 
Schinkenaufstrich
0,99 Euro
 
 
Kokosdrink
4,98 Euro
 
 
Tee Magenfein
2,99 Euro
12,54 Euro
/ Billa
Bananen
1,81 Euro
 
 
Sellerie
0,79 Euro
 
 
Wiener Zopf
1,29 Euro
 
 
Joghurt (Bio, 2x)
0,90 Euro
 
 
Vanillemilch
1,29 Euro
 
 
Backofenleberkäse
2,99 Euro
 
 
Schinkenaufstrich
0,99 Euro
 
 
Grissini
1,19 Euro
 
 
Grissini
1,99 Euro
13,24 Euro
/ Billa
Heidelbeeren (2x)
3,58 Euro
 
 
Salat
1,99 Euro
 
 
Käse
1,89 Euro
 
 
Schinkenaufstrich
0,99 Euro
8,45 Euro
/ DM
Kokosdrink
1,77 Euro
1,77 Euro
/ Billa
Bananen
1,49 Euro
 
 
Heidelbeeren (2x)
3,58 Euro
 
 
Speisemais
2,99 Euro
 
 
Sandwichbrot
2,19 Euro
 
 
Tonis Weiße
7,98 Euro
 
 
Schinkenaufstrich
0,99 Euro
 
 
Schweinssteak
4,26 Euro
 
 
Schweinssteak
3,25 Euro
26,73 Euro
/ DM
Kokosdrink
1,77 Euro
1,77 Euro
/ Billa
Bananen
0,77 Euro
 
 
Nektarinen
1,92 Euro
 
 
Gebäck
1,29 Euro
 
 
Feinkost
2,62 Euro
 
 
Kaffee
3,19 Euro
 
 
Kräutertee
2,99 Euro
12,78 Euro
/ Denns
Haselnüsse
3,99 Euro
 
 
Mandeln
3,69 Euro
 
 
Reissirup
5,49 Euro
13,17 Euro
/ Spar
Verschiedene Mehlsorten
9,47 Euro
9,47 Euro
/ Bio Fiedler
Aufstrich
2,49 Euro
 
 
Salz
6,24 Euro
 
 
Reismehl
2,35 Euro
 
 
Kastanienflocken
7,38 Euro
 
 
Teff Mehl
6,45 Euro
 
 
Edelkastanienmehl
4,35 Euro
 
 
Schnittlauch
1,15 Euro
 
 
Pastete
1,35 Euro
 
 
Pastete
2,35 Euro
 
 
Reis
1,15 Euro
 
 
Buchweizenmehl
3,49 Euro
38,76 Euro
/ Denns
Johannisbrotkern-mehl
4,63 Euro
 
 
Glutenfreies Brot
3,49 Euro
 
 
Pilzpastete
1,59 Euro
 
 
Margarine
1,11 Euro
 
 
Reisdrink
1,78 Euro
 
 
Natron
0,89 Euro
 
 
Zitronensäure
0,89 Euro
14,38 Euro
/ Billa
Glutenfreies Brot (2x)
5,58 Euro
5,58 Euro
/ DM
Kekse
2,65 Euro
 
 
Glutenfreies Brot
2,95 Euro
5,60 Euro
/ Denns
Laktosefreie Milch
1,59 Euro
 
 
Reismehl
3,19 Euro
 
 
Paniermehl, glutenfrei
2,49 Euro
 
 
Margarine
1,29 Euro
 
 
Mango Lassi
1,59 Euro
 
 
Aufstrich
0,99 Euro
 
 
Tee
3,29 Euro
14,43 Euro
/ Billa
Bananen
1,22 Euro
 
 
Pfirsiche
0,90 Euro
 
 
Kräuterseitlinge
2,99 Euro
 
 
Champignons
1,99 Euro
 
 
Salat
1,19 Euro
 
 
Zucchini
0,89 Euro
 
 
Schlagobers
1,19 Euro
 
 
Schinken
2,19 Euro
 
 
-nicht lesbar-
1,59 Euro
 
 
Brot glutenfrei
5,28 Euro
 
 
Brot glutenfrei
2,99 Euro
22,42 Euro
/ Billa
Bananen
1,62 Euro
 
 
Salat
1,99 Euro
 
 
Sauerrahm
0,85 Euro
 
 
Holzofenleberkäse
2,09 Euro
 
 
Brot Glutenfrei
5,78 Euro
12,33 Euro
/ DM
Focaccia
2,95 Euro
 
 
Hefebrot
2,60 Euro
 
 
Toastbrot
2,75 Euro
 
 
Cornflakes
1,95 Euro
 
 
Kekse
1,60 Euro
 
 
Kekse
2,95 Euro
 
 
Reisflocken
1,95 Euro
 
 
Champignonpastete
1,55 Euro
18,30 Euro
/ Billa
Glutenfreies Brot
5,50 Euro
 
 
Sesam Riegel
3,90 Euro
 
 
Glutenfreies Brot
2,95 Euro
12,35 Euro
/ Billa
Bananen
0,64 Euro
 
 
Heidelbeeren
5,58 Euro
 
 
Champignons
1,99 Euro
 
 
Kräuterseitlinge
2,99 Euro
 
 
Kürbis
1,01 Euro
 
 
Kürbis
0,98 Euro
 
 
Salat
1,99 Euro
 
 
Schlagobers (4x)
4,76 Euro
 
 
Reis
2,79 Euro
 
 
Brot glutenfrei
2,69 Euro
25,42 Euro
Gesamt
 
 
273,02 Euro

2. Beweiswürdigung

Die Einkünfte der Bf. sind aktenkundig und unstrittig.

Dass eine Behinderung (rückwirkend ab 2010) vorliegt, ergibt sich aus der Bestätigung des Bundessozialamtes vom , die die Bf. im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beigebracht hat. Aus dieser Bestätigung ergibt sich auch die Notwendigkeit einer Diätkrankenverpflegung.

Die begehrten Kosten sind aktenkundig bzw. wurden von der Bf. im Rahmen des Vorhalteverfahrens belegmäßig vor dem Bundesfinanzgericht nachgewiesen.

Die von der Bf. belegmäßig nachgewiesenen Aufwendungen für Lebensmitteln führen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht zum Vorliegen von Mehraufwendungen für Diätkrankenverpflegung. Die eingekauften Produkte werden in weiten Teilen auch von der regulären Bevölkerung, die keine Magenerkrankungen aufweisen, verzehrt (Obst, Gemüse, Fleisch, Milchprodukte, Aufstriche, Kekse) und sind daher als Mehraufwand im Zusammenhang mit einer Diätkrankenverpflegung ungeeignet. Auch der Teil der Lebensmittel, der grundsätzlich mit der Magenerkrankung im Zusammenhang steht (bspw. glutenfreies Brot und Gebäck, laktosefreie Getränke, Spezialmehle), sind nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht als Mehraufwendungen für Diätkrankenverpflegung anzusehen, weil im Rahmen des generellen Gesundheits- bzw. Ernährungsbewusstseins der Kauf von glutenfreien oder laktosefreien Produkten auch ohne vorliegende Intoleranzen gesellschäftsfähig geworden ist. Dies spiegelt sich auch dadurch wieder, dass derartige Produkte – wie auch von der Bf. – in allgemeinen Lebensmittelfachgeschäften zu kaufen sind.

Der Abschlussbericht des Krankenhauses vom wurde von der Bf. im Rahmen des Beweisverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht beigebracht. Daraus ergibt sich, dass regelmäßige heilgymnastische Therapien erforderlich sind. Nachweise über ärztliche Verordnungen zur Rückengymnastik bzw. Kletterkursen sind nicht vorhanden, werden aber als Empfehlungen des Krankenhauses aufgezählt. Das Anraten von Rückengymnastik bzw. Klettertraining geht über eine allgemein gehaltene Empfehlung von Maßnahmen, die bei der Erkrankung der Bf. gesundheitsfördernde Effekte aufweisen könnten, nicht hinaus und ist somit keiner ärztlichen Anordnung bzw. Verordnung gleichzusetzen. Dass keine ärztliche Verordnung vorliegt, bestätigt auch die steuerliche Vertretung mit E-Mail vom .

Dass keine anteilige Kostenerstattung der Sozialversicherung für die Rückengymnastik und das Klettertraining stattgefunden hat, bestätigt die steuerliche Vertretung mit E-Mail vom .

Dass eine ärztliche Verordnung für die Blutuntersuchungen vorliegt, ergibt sich aus den aktenkundigen Honorarnoten vom .

3. Würdigung

   3.1. Zu Spruchpunkt I: Teilweise Stattgabe und Abänderung

     3.1.1. Allgemeines

Strittig ist die Berücksichtigung von Kosten für außergewöhnliche Belastungen. Die Kosten lassen sich in zwei Kategorien einteilen. (1) Kosten für ein Rückenleiden (Krankheitskosten) und (2) Diätkrankenverpflegung.

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 normiert:

§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:             
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 6 Teilstrich 5 EStG 1988 können Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988) ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.

§ 35 Abs. 1 EStG 1988 normiert auszugsweise:

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
–[...]

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung beträgt der Freibetrag bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25% bis 34% pro Jahr 75 Euro.

Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.

Sollen anstelle des Freibetrages die tatsächlichen Kosten der Behinderung geltend gemacht werden, sind sämtliche Kosten nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen (vgl. ; Peyerl, in Jakom12 (2019) § 35 Rn 13).

Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Teilstrich 1 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 in der Fassung BGBl. II Nr. 430/2010 sind Aufwendungen durch eine eigene körperliche Behinderung bei Steuerpflichtigen im Rahmen der §§ 2 bis 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Teilstrich 3 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen sind Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit im Ausmaß von 42 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen.

Gemäß § 4 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

     3.1.2. Kosten für Rückenleiden

       3.1.2.1. Allgemeines

Die Bf. begehrt Kosten im Zusammenhang mit einem Rückenleiden. Auf Basis der Untersuchung des Bundessozialamtes vom wurde bei der Bf. eine Funktionseinschränkung mittleren Grades der Wirbelsäule festgestellt.

Die von der Bf. geltend gemachten Aufwendungen können in mehrere Kategorien unterteilt werden. So handelt es sich einerseits um Kosten der Heilbehandlung (Rückengymnastik, Klettertraining, Blutbefunde, Stationärer Aufenthalt im Krankenhaus), Kosten für Heilbehelfe (Pölster und Halskrause) und Literatur (Übungsbuch Rückengymnastik).

       3.1.2.2. Kosten der Heilbehandlung

Allgemein gilt, dass nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung und Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl. , zum Besuch eines Fitnessstudios). Krankheitskosten können nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie mit einer konkreten Heilbehandlung verbunden sind, nicht hingegen, wenn sie bloß allgemein der Vorbeugung von Krankheiten dienen (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (20. Lfg 2018) ABC der außergewöhnlichen Belastungen Rz 78).

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit hat der Steuerpflichtige ein vor Antritt der Krankenbehandlung ausgestelltes Zeugnis oder Gutachten vorzulegen, aus welchem die Notwendigkeit und Dauer klar hervorgeht. Einem ärztlichen Gutachten kann es dabei gleich gehalten werden, wenn für eine Behandlung von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da dies zumeist ein ärztliches Gutachten voraussetzt (vgl. ; ).

Aus diesem Grund fordert die Rechtsprechung für die Anerkennung der getätigten Aufwendungen als Nachweis jedenfalls eine konkrete ärztliche Verordnung, aus der sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt und die noch vor Beginn der Behandlungsleistungen zu erfolgen hat (vgl. ; ; ; ; ).

Nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind Ausgaben für die Vorbeugung von Krankheiten bzw. Ausgaben für die Erhaltung der Gesundheit und Ausgaben für die Steigerung des Wohlbefindens (vgl. ; ).

Für die von der Bf. begehrten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rückengymnastik und dem Klettertraining gibt es keine konkrete ärztliche Verordnung. Die Maßnahmen wurden zur Therapie lediglich empfohlen. Das Bundesfinanzgericht kommt im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die Empfehlung zur Durchführung von Rückengymnastik und Klettertraining nicht als ärztliche Verordnung gewertet werden kann. Zusätzlich wird Klettertraining seiner Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden durchgeführt, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Dies trifft auch auf die von der Bf. begehrten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rückengymnastik zu. Die Beschreibung der Cantienica-Methode auf der Homepage des Anbieters führt aus:

Die cantienica®-Methode ermöglicht erstaunliche Veränderungen! Egal, wie alt Sie sind, egal, wie fit Sie sind, können Sie sich auf den Weg machen zu mehr Körperbewusstsein gepaart mit Kraft, Stabilität und Beweglichkeit! Indem Sie die neuen Haltungs- und Bewegungsmuster in den Alltag und in andere Sportarten integrieren, steigern Sie Ihr Wohlbefinden und beugen Gelenksproblemen und Abnützungserscheinungen vor.

Was macht das von Benita Cantieni entwickelte Training so einzigartig? Exakte Positionen, in denen alle Wirbel und Gelenke von Druck befreit sind. Eine spezielle Führung des Atems, die Ihnen hilft, die äußeren Muskeln zu entspannen und in die Tiefe zu kommen. Kleinste Bewegungen, mit denen Sie die skelettnahe Tiefenmuskulatur kräftigen und Ihren Körper von innen her formen. [...]“ (vgl. https://www.studio1070.at/cantienicar-methode-0).

Mangels Zwangsläufigkeit der Aufwendungen (Rückengymnastik, Klettertraining) scheidet eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung aus.

Für die Blutbefunde liegt eine ärztliche Überweisung vor. Die Blutbefunde sowie der stationäre Aufenthalt im Krankenhaus sind im Lichte der Rechtsprechung des VwGH als Maßnahmen zur Heilung und Linderung der Krankheit einzustufen und daher als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Der Bescheid wird entsprechend abgeändert (zu den rechnerischen Auswirkungen siehe unten 3.1.4).

       3.1.2.3. Heilbehelfe

Die Bf. schaffte einerseits Pölster und andererseits eine Kunststoff-Halskrause an und begehrt die Berücksichtigung dieser Aufwednungen als außergewöhnliche Belastung. Hilfsmittel bzw. Heilbehelfe sind jedoch nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn es sich um Güter handelt, die sich von einem handelsüblichen Gebrauchsgegenstand nicht unterscheiden und für jedermann nutzbar sind. Die Anschaffung eines Nackenhörnchens sowie eines Polsters, die sich von anderen handelsüblichen Gebrauchsgegenständen nicht unterscheiden (Fotos im Sachverhalt), sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. ; Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (20. Lfg 2018) Durchschnittssätze Rz 17). Dementgegen steht die Anschaffung einer Halskrause im Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung und ist daher im Sinne des § 4 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Der Bescheid wird entsprechend abgeändert (zu den rechnerischen Auswirkungen siehe unten 3.1.4).

       3.1.2.4. Übungsbuch für Rückengymnastik

Allgemeinbildende bzw. populärwissenschaftliche Werke sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Rz 78 unter Krankheitskosten). Das Übungsbuch für Rückengymnastik ist als daher nicht als Teil der außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.

     3.1.3. Mehraufwendungen hinsichtlich Diätkrankenverpflegung

Die Bf. möchte grundsätzlich die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der eigenen Behinderung geltend machen. Das betrifft demnach auch die Mehraufwendungen hinsichtlich Diätkrankenverpflegung. Im Rahmen der Beweiswürdigung kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die vorgelegten Nachweise der Bf. nur teilweise geeignet sind, die Mehraufwendungen für Diätkrankenverpflegung zu belegen.

Daher ist der Mehraufwand für Diätverpflegung anhand des § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen zu schätzen (vgl. ; Peyerl, in Jakom12 (2019) § 35 Rn 13). Die Mehraufwendungen hinsichtlich Diätkrankenverpflegung richten sich nach § 2 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen und betragen daher 504 Euro.

Der Bescheid wird entsprechend abgeändert (zu den rechnerischen Auswirkungen siehe unten 3.1.4).

     3.1.4. Rechnerische Auswirkungen

Neben den unstrittigen, im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung anerkannten Werbungskosten, sind gemäß § 35 EStG 1988 ohne Selbstbehalt anzuerkennen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bezeichnung
Betrag
Blutbefunde
461 Euro
Aufenthalt Tagesklinik
11,20 Euro
Heilbehelfe (Halskrause)
28,20 Euro
Diätkrankenverpflegung Pauschale
504 Euro
Gesamt
1.004,20 Euro

Beilage: 1 Berechnungsblatt

   3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH zum Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen (V wGH , 2013/15/0254, ). Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103420.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at