Keine bescheidmäßigen Feststellungen über die Abgabenhinterziehung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw, vertreten durch Berater, vom gegen die Bescheide des ABC, vertreten durch Finanzanwalt, vom betreffend Einkommensteuer 2000 und 2001 und Verspätungszuschlag betreffend Einkommensteuer 2000 und 2001 entschieden:
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben
Entscheidungsgründe
Der Bw (Berufungswerber), ein a Staatsangehöriger, hat in Österreich keine Steuererklärungen abgegeben. Aufgrund einer "Exchange of Information" der B wurde der Republik Österreich zur Kenntnis gebracht, dass der Bw anlässlich einer Steuerprüfung in C eingewendet habe mit Honorarzahlungen aus Beschäftigungsverhältnissen außerhalb seines Heimatstaates nicht steuerpflichtig zu sein. Den Einwendungen des Bw wurden seitens der a1 Steuerverwaltung Rechnung getragen. Dies deshalb, weil der Bw seine Aufenthaltstage in C und anderen Staaten belegen konnte.
Aufgrund der Spontaninformation hat das Finanzamt mit Ausfertigungsdatum Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001 erlassen. Gleichzeitig ergingen Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen betreffend Einkommensteuer 2000 und 2001. Mit Schreiben vom wurde der Bw vom Finanzamt aufgefordert Steuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2005 einzureichen.
Gegen die genannten Bescheide wurde mit Eingabe vom fristgerecht Berufung erhoben und ausgeführt, die Abgabenfestsetzung sei verjährt. Die Verjährungsfrist betrage bei nicht hinterzogenen Abgaben 5 Jahre. Das Recht die Einkommensteuer 2000 und 2001 festzusetzen sei daher mit bzw. verjährt. Das Schreiben des Finanzamtes vom und die Bescheide vom habe der Bw erst am erhalten.
Die Nichtabgabe der österreichischen Steuererklärung sei nicht als Abgabenhinterziehung zu werten. Der Bw habe in Österreich keine Steuererklärungen eingereicht, weil er in den Jahren 2000 bis 2002 ausschließlich für eine a2 Gesellschaft tätig gewesen sei. Der Bw habe in den letzten Jahren auch Projekte in Deutschland, Österreich und D betreut. Er besitze in D ein Haus und darüber hinaus habe er in Österreich zuletzt über eine Wohnmöglichkeit verfügt. Aufgrund beruflicher und privater Gründe hätten die Aufenthaltstage in Österreich über einen Zeitraum von mehreren Jahren ständig zugenommen.
Im Zuge der Erstellung der a1 Steuererklärungen seien die Bezüge des Bw samt Dividenden und Zinseinkünften von seinem steuerlichen Vertreter in D erklärt worden. Diese Vorgangsweise sei mit den a1 Steuerbehörden abgesprochen worden. Der Bw habe die Auskunft erhalten eine Steuererklärung nur für D erstellen zu müssen. Auch sein a Steuerberater habe den Fall dahingehend gewürdigt, dass in Österreich keine Steuerpflicht bestehe. Irgendwann Ende der 90-iger Jahre sei der Bw aufgrund der längeren Aufenthaltsdauer in Österreich und der vorhandenen Wohnmöglichkeit steuerpflichtig geworden. Dieser Umstand sei weder dem Bw noch dem Steuerberater bewusst geworden.
Die Verhängung des Verspätungszuschlages sei zu Unrecht erfolgt, weil die Umstände die zur Nichteinreichung der Steuererklärungen geführt hätten, entschuldbar seien. Zudem sei dem Bw erst nach Konsultation eines österreichischen Steuerberaters bewusst geworden, dass er steuerliche Pflichten nicht nur in D habe. Der Bw sei von der österreichischen Steuerpflicht überrascht worden.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom wurde der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 teilweise Folge gegeben. Die Tätigkeit des Bw wurde als gewerblich eingestuft. Demgemäß wurden 12 % pauschale Betriebsausgaben berücksichtigt. In der gesondert ergangenen Bescheidbegründung vom wurde noch ausgeführt, der Bw sei seit 1992 zur Erbringung von Ingenieurleistungen in E verpflichtet gewesen. Aus den Unterlagen der a1 Steuerverwaltung ergebe sich, dass die Einkünfte in den Jahren 1995-1999 zu 100% Österreich zuzuordnen gewesen seien. Ab dem Jahr 2001 würden sich diese Sätze zwischen 70%-88% bewegen. Bezüglich dieser "I" sei kein a3 Besteuerungsrecht vorgesehen, wobei offensichtlich eine generelle "subject-to-tax-Klausel" angewendet worden sei. Die Annahme einer Hinterziehung sei daher aus folgenden Gründen gerechtfertigt: * Die abgabenrechtlichen Umstände bzw. Sachverhalte seien in Österreich weder offen gelegt noch durch eine Anfrage geklärt worden (Notwendig seit 1996). * Das Besteuerungsrecht sei Österreich in erheblichem Umfang zugestanden, wobei dieser Umstand durch die generelle "subject-to-tax-Klausel" in C eindeutig gewesen sei (auch für den Steuerberater). * Die Einkünfte seien in Österreich erst durch eine Mitteilung aus C bekannt geworden, wobei einzelne Jahre schon verjährt seien. * Der bedingte Vorsatz werde durch eine Abklärung der Besteuerung in C nicht ausgeschlossen.
Die Verspätungszuschläge wurden ohne nähere Begründung für das Jahr 2000 mit 5% und für das Jahr 2001 mit 4 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt (vgl. Berufungsvorentscheidung vom ).
Mit Eingabe vom wurde (nach Fristverlängerung) rechzeitig die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.) Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre. Gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Abgaben sieben Jahre.
2.) Ob eine Abgabe gemäß §§ 33 bzw. § 35 Abs. 2 und 3 FinStRG hinterzogen ist, ist eine Vorfrage. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus () und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch keine Verjährungseinrede erhoben wurde. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Die Beurteilung der Vorfrage hat in der Begründung des Bescheides zu erfolgen. Aus der Begründung muss sich somit ergeben, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist (vgl. Ritz, BAO, Kommentar, 2. Auflage; Anm. 14 zu § 207 und die dort angeführte Judikatur).
3.) Eine derartige Begründung enthalten weder die Bescheide vom noch die Berufungsvorentscheidungen vom .
Im Berufungsfall wurden keine Feststellungen dahingehend getroffen, wie viele Tage sich der Bw in den Jahren 2000 und 2001 in Österreich aufgehalten hat. Nach dem Parteivorbringen soll der Bw Ende der 90-iger Jahre durch längere Aufenthaltsdauer und der vorliegenden Wohnmöglichkeit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig geworden sein. Das Finanzamt hat es unterlassen, dem Steuerpflichtigen aufzufordern, diese Behauptungen durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.
Das Finanzamt hat aber auch keine Erhebungen getätigt, ob und wann genau der Bw von der a1 Finanzverwaltung die Auskunft erhalten habe, nur in C steuerpflichtig zu sein. Es wurden keine Feststellungen dahingehend getroffen, welcher Sachverhalt der a1 Finanzverwaltung tatsächlich offen gelegt wurde und ob schriftliche Unterlagen existieren. Nach dem im Veranlagungsakt befindlichen Schreiben vom , hat der Bw in C förmlich Berufung erhoben. Auch dieses Schriftstück wurde vom Finanzamt bislang nicht angefordert. Erhebungen dahingehend, über welchen Zeitraum aufgrund welchen Sachverhaltes und aus welchen Gründen der steuerliche Vertreter des Bw in C der Ansicht gewesen sein soll, sein Mandant sei in Österreich nicht steuerpflichtig, sind ebenfalls unterblieben.
Der Bw wäre aber auch dahingehend zu befragen, aus welchen Gründen er im Jahr 2006 (vgl. Exchange of Information vom ) auf einmal zur Meinung gelangte, nicht mehr einzig in C (mit seinem Gesamteinkünften) steuerpflichtig zu sein. In der "Exchange of Information" wird wörtlich Folgendes ausgeführt:
"We have recently concluded an investigation into G´s H taxation affairs, taken up in connection with his claim that he is not assessable to H Income Tax in respect of remuneration appropriate to duties of his employment carried out outside the H. His claims habe been accepted on the basis of evidence he has provided confirming the number of days each year he has spent in the H and elsewhere."
Weitere Erhebungen zu oben angeführten Sachverhalt wurden vom Finanzamt nicht getätigt. Es fehlen jegliche Feststellungen zur Frage, wann genau und aus welchem Anlass es zu einer (neuerlichen) Überprüfung der steuerlichen Angelegenheiten des Bw erfolgte. Erhebungen zur Verantwortung des Bw in diesem Verfahren vor den a1 Steuerbehörden sind unterblieben. Auffallend ist, dass die Verantwortung des in D ansässigen steuerlichen Vertreters des Bw (vgl. Schreiben vom ), die Praxis alle Einkünfte des Bw in C zu erklären sei bis zur Kontaktaufnahme durch das Finanzamt ABC1 beibehalten worden ist, im Widerspruch zu "Exchange of Information" steht. Auch diebsbezüglich fehlen Feststellungen des Finanzamtes. Abgesehen davon, sind alle Schriftstücke lediglich in a Sprache vorhanden. Ausreichende Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes sind ebenfalls unterblieben.
4.) Aufgabe des behördlichen Ermittlungsverfahrens ist es, "Vermutungen" durch Fakten solange zu erhärten, bis der Sachverhalt auf Grund schlüssiger Wertung dieser Fakten in freier Beweiswürdigung als erwiesen angesehen werden kann (). Die Aufgabe, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind (§ 115 Abs. 1 BAO), kommt dabei in erster Linie der Abgabenbehörde erster Instanz zu. Zum einen hat diese eine Berufung erst "nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen" der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen (§ 276 Abs. 6 erster Satz BAO); zum anderen geht der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 279 Abs. 2 BAO erkennbar davon aus, dass eine Beweisaufnahme vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz nur mehr darin bestehen soll, "notwendige Ergänzungen" des (bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen.
5.) Im Hinblick auf den Umfang der vorzunehmenden Verfahrensergänzungen und den Umstand, dass es sich um einen Auslandssachverhalt handelt, war der Aufhebung der Vorrang vor der Vornahme zweitinstanzlicher Ermittlungen zu geben. Die Berufungsbehörde sieht sich deshalb dazu veranlasst, die angefochtenen Bescheide gemäß § 289 Abs. 1 BAO aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung und neuerlichen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Für die Ausübung des Ermessens in Richtung Bescheidaufhebung sprechen darüber hinaus auch die Gründe der Verfahrensökonomie (Wahrung des Parteiengehörs im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens) und der Erhaltung des vollen Instanzenzuges für den Berufungswerber
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at