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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.01.2020, RV/7105680/2017

Ausschluss der Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetrieb 2/2011-2015

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde der Bf., Adresse, PLZ-Ort, vertreten durch Mag. Johann Eder, Kaiser-Josef-Platz 41, 4601 Wels, vom gegen den Bescheid der belangten Behörde, Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, vom , betreffend Abweisung der Anträge auf Vergütung der Energieabgaben für die Jahre 2011 bis 2015, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Abweisung der Energieabgaben 2011 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Vergütung sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Bescheidspruches.

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Abweisung der Energieabgaben 2012 bis 2015 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden Bf.) ist als Dienstleistungsunternehmen in der Güterbeförderung im Eisenbahnverkehr tätig.

Mit Eingaben vom beantragte die Bf. die Vergütung von Energieabgaben für die Jahre 2011 bis 2015 in nachstehend bezeichneter Höhe:

1. Abweisungsbescheid betr. Energieabgabenvergütung 2011-2015:

Mit Abweisungsbescheid vom wurden die Anträge der Bf. auf Vergütung der Energieabgaben für die Jahre 2011 bis 2015 mit der Begründung abgewiesen, dass eine Vergütung der Energieabgabe nur für Betriebe bestehe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe.

Da es sich bei dem Betrieb der Bf. um einen Dienstleistungsbetrieb handle, würden die Voraussetzungen für eine Vergütung der Energieabgaben in den Jahren 2011 bis 2015 jeweils nicht vorliegen. Die Anträge auf Vergütung der Energieabgaben für die Jahre 2011 bis 2015 seien daher abzuweisen.

2. Beschwerde vom :

Der Abweisungsbescheid betreffend Energieabgabenvergütungen 2011 bis 2015 vom werde hinsichtlich der Abweisung der Energieabgabenvergütung für die Jahre 2011 bis 2014 angefochten und eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Begründend wurde ausgeführt, § 2 Energieabgabenvergütungsgesetz widerspreche aus mehreren Gründen dem Unionsrecht, weshalb eine Anwendung dieser Bestimmung nicht in Frage komme:

Laudacher habe in SWK 22/2017 ausgeführt, der EuGH habe klargestellt, dass das Fehlen des Verweises auf die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) in einer sich darauf beziehenden Beihilfenregelung der Annahme entgegen stehe, dass die Regelung alle Voraussetzungen für eine Freistellung von der Anmeldepflicht erfülle (vgl. , Dilly's Wellnesshotel GmbH).

Da die AGVO im Energieabgabenvergütungsgesetz (ENAVG) nicht erwähnt worden sei und auch keine förmliche Anmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV erfolgt sei, sei das ENAVG idF BGBl 2011 nach dieser Rechtsprechung nicht anwendbar, sodass den Dienstleistern weiterhin die Energieabgabenvergütung zustehe.

Die Unionsrechtswidrigkeit der Neuregelung und die daraus zu ziehende Folgerung der Weitergeltung der Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetriebe würden mit diesen Argumenten nicht beseitigt werden können. Die Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung sei infolge des Vorranges des Unionsrechts verpflichtend. Der Gerichtshof habe weiters klargestellt, dass die unmittelbare Anwendbarkeit des Durchführungsverbots jede Beihilfe betreffe, die durchgeführt werde, ohne dass sie angezeigt worden sei.

Daher könne festgehalten werden, dass nach dem für die Anwendung der AGVO vorausgesetzt werde, dass eine Beihilfenregelung einen ausdrücklichen Verweis auf die Verordnung enthalte, um von der in Art. 108 Abs. 3 des Amtsblattes der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen Anmeldepflicht freigestellt zu werden, wobei dieser Verweis zwingend zu erfolgen habe und nicht bloß eine Formalität sei. Nach Ansicht der Kommission führe das Fehlen des Verweises auf die AGVO in der Regelung zwingend zum Verlust der Freistellungswirkung nach Art. 3 Abs. 1 AGVO.

Da diese Voraussetzung nicht vorliege, sei die AGVO-Freistellungsregelung von 2011 bis 2014 nicht anwendbar. Auch eine förmliche Anmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV sei nicht erfolgt. Liege ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV (vormals Art. 88 Abs. 3 EG) vor, bestehe eine Verpflichtung, die nationalen Vorschriften zur Einführung der rechtswidrigen Vorrechte unangewendet zu lassen. Das gelte auch für die strittige Regelung des Wegfalls der Vergütung für Dienstleister ab 2011. Das EuGH-Urteil wirke auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift zurück. Das ENAVG idF BGBl I 111/2010 sei wegen Verstoßes gegen Unionsrecht nicht anwendbar.

Da sowohl die Behörde als auch die Gerichte das Unionsrecht durchzusetzen haben, sei die Geltung der Energieabgabenvergütung-Neuregelung ab 2011 - da diese das Urteil des EuGH zur Gänze ignoriere - nicht anzuwenden und die Rückvergütung 2011 bis 2015 zu gewähren.

Nach § 262 Abs. 2 BAO werde beantragt, die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterlassen und die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Aufgrund der durch den EuGH in der Sache Dilly's Wellnesshotel GmbH (C-493/14) bereits entschiedenen Frage werde der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge entsprechend der Entscheidung des EuGH die Energieabgabenrückvergütung für die Jahre 2011 bis 2014 gewähren und ein entsprechendes Urteil erlassen.

Die nationalen Gerichte müssen folglich zugunsten der Einzelnen nach ihrem nationalen Recht sämtliche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV sowohl hinsichtlich der Gültigkeit der Durchführungsakte als auch hinsichtlich der Betreibung unter Verstoß gegen diese Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen.

Die neuerlichen vom Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Vorlageanträge in dieser Rechtsangelegenheit würden zu keinem anderen Rechtsverständnis der bereits entschiedenen Sache führen können. Eine Verzögerung der Entscheidung sei daher unbillig, da diese ausschließlich zu Lasten der vertretenen Partei gehe.

Weiters werde eine mündliche Verhandlung sowie eine Entscheidung durch den Senat beantragt.

3. weitere Eingabe vom :

Mit weiterer Eingabe vom wurden die Anträge auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO sowie auf Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 BAO zurückgenommen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob die Bf. als Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Güterbeförderung im Eisenbahnverkehr zur Vergütung von Energieabgaben für den Zeitraum 2011 bis 2015 berechtigt ist.

Dies insbesondere unter dem Aspekt, ob die Neuregelung des § 2 Abs. 1 ENAVG mit Budgetbegleit­gesetz 2011, BGBl I 2010/111, und damit die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe für 2011 und die Folgejahre 2012 bis 2015 in Kraft trat und damit anzuwendendes Recht darstellt. 

Gemäß § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz (ENAVG) 1996 idF BGBl I 111/2010 besteht ein Anspruch nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

Gemäß § 4 Abs. 7 ENAVG 1996 idF BGBl I 111/2010 sind die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.

Gemäß § 2 Abs. 1 ENAVG 1996 idF BGBl I 92/2004 besteht ein Anspruch auf Vergütung für alle Betriebe, soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger liefern oder Wärme (Dampf oder Warmwasser) liefern, die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde.

Gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 ENAVG 1996 wird über Antrag des Vergütungsberechtigten je Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) der Betrag vergütet, der den in § 1 genannten Anteil am Nettoproduktionswert übersteigt. Der Antrag hat die im Betrieb verbrauchte Menge an den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern und die in § 1 genannten Beträge zu enthalten. Er ist spätestens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Vorliegen der Voraussetzungen für die Vergütung zu stellen. Der Antrag gilt als Steuererklärung. Der Antrag ist mit Bescheid zu erledigen und hat den Vergütungsbetrag in einer Summe auszuweisen.

Bei der Berechnung des Vergütungsbetrages gilt nach § 2 Abs. 2 Z 2 ENAVG 1996 entweder die Grenze von 0,5 % des Nettoproduktionswertes oder die folgenden Selbstbehalte, wobei der niedrigere Betrag gutgeschrieben wird:

  • für elektrische Energie 0,0005 €/kWh

  • für Erdgas der Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Nomenklatur 0,00598 €/Normkubikmeter

  • für Kohle der Positionen 2701, 2702, 2704, 2713 und 2714 der Kombinierten Nomenklatur 0,15 €/Gigajoule

  • für Heizöl Extraleicht (gekennzeichnetes Gasöl Unterpositionen 2710 19 41, 2710 19 45, 2710 19 49 der Kombinierten Nomenklatur) 21 €/1000 Liter

  • für Heizöl leicht, mittel, schwer (Unterpositionen 2710 19 61, 2710 19 63, 2710 19 65, 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur) 15 €/1000 kg

  • für Flüssiggas (Unterpositionen 2711 12, 2711 13, 2711 14, 2711 19 der Kombinierten Nomenklatur) 7,5 €/1000 kg.

Der Vergütungsbetrag wird abzüglich eines allgemeinen Selbstbehaltes von 400 € gutgeschrieben.

Zum Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe von der Energieabgabenvergütung mit Budgetbegleitgesetz 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0175, ausgesprochen, dass die Neuregelung durch § 2 Abs. 1 ENAVG - und damit die Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe - mit Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn eine Genehmigung der Europäischen Kommission (in welcher Form immer) vorliegt. Die Neuregelung des § 2 ENAVG sollte nur dann gelten, wenn ein "positiver Entscheid" der Europäischen Kommission vorliegt. Für den Monat Jänner 2011 liegt jedoch die vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten vorausgesetzte Genehmigung jedenfalls nicht vor (vgl. Zl. 2012/17/0175).

Mit weiterem Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0469, hat der VwGH judiziert, dass aufgrund des Wortlautes des § 4 Abs. 7 ENAVG und der wiedergegebenen Ausführungen in der Regierungsvorlage jedenfalls davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber die beihilfenrechtliche Problematik dieser Materie bewusst war. Der in § 4 Abs. 7 ENAVG angeführte Vorbehalt ist dahingehend zu verstehen, dass es für das Inkrafttreten des § 2 ENAVG nur auf das Vorliegen der "Genehmigung" ankommt (vgl. Zl. 2012/17/0469).

Da die bereits mit Juli 2008 erlassene AGVO u.a. Umweltsteuerermäßigungen nach Maßgabe der Richtlinie 2003/96/EG iSd Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und von der Anmeldepflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV freistellt (Art. 25 Abs. 1 AGVO), kann es dem Gesetzgeber nicht auf ein förmliches Anmeldeverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV angekommen sein (vgl. Zl. 2012/17/0469).

Nach Art. 9 der AGVO ist vorgesehen, dass der Mitgliedstaat der Kommission binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten einer Beihilfenregelung eine Kurzbeschreibung der Beihilfenmaßnahme übermittelt und die Kommission den Eingang der Kurzmitteilung bestätigt und diese im Amtsblatt veröffentlicht. Nach Art. 10 AGVO überprüft die Kommission regelmäßig die Beihilfenmaßnahmen, von denen sie nach Art. 9 AGVO unterrichtet wurde. Daraus ergibt sich, dass im Sinne des § 4 Abs. 7 ENAVG in der Veröffentlichung der Beihilfenregelung durch die Kommission eine Art der "Genehmigung" durch die Europäische Kommission erblickt werden kann (vgl. Zl. 2012/17/0469).

Im Beschwerdefall wurde der Kommission eine Kurzbeschreibung der neuen Regelung der Energieabgabenvergütung übermittelt und diese im Amtsblatt der EU, C 288/21 vom , veröffentlicht. Damit ist aber davon auszugehen, dass der Genehmigungsvorbehalt des § 4 Abs. 7 ENAVG erfüllt wurde. Die neue Regelung der Energieabgabenvergütung gelangt somit durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, für Vergütungsanträge für den Zeitraum zwischen und zur Anwendung (vgl. Zl. 2012/17/0469). Da für den Monat Jänner 2011 die vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten erforderliche Genehmigung der Kommission jedenfalls nicht vorliegt, gelangt § 2 Abs. 1 ENAVG idF BGBl I 111/2010 für diesen Monat nicht zur Anwendung (vgl. Zl. 2012/17/0175).

Wenngleich in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall seitens der Bf. behauptet wurde, dass nicht alle Bedingungen der AGVO erfüllt werden, so verweist der VwGH auf den Umstand, dass es in Bezug auf das vom Gesetzgeber vorgesehene Inkrafttreten der Novelle des ENAVG durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, darauf nicht ankommt. In ständiger Rechtsprechung ist der VwGH davon ausgegangen, dass die durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, vorgenommene Neufassung des § 2 Abs. 1 ENAVG (und damit der Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe) mit Februar 2011 in Kraft getreten ist (vgl. Zl. Ro 2016/15/0041; , Zl. 2012/17/0469).

Unionsrechtliche Regelungen:

Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ist die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.

Nach Art. 108 Abs. 4 AEUV kann die Kommission Verordnungen zu den Arten von staatlichen Beihilfen erlassen, für die der Rat nach Art. 109 AEUV festgelegt hat, dass sie von dem Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen werden können.

Gemäß Art. 109 AEUV kann der Rat auf Vorschlaf der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Art. 107 und 108 AEUV erlassen und insbesondere die Bedingungen für die Anwendung des Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie diejenigen Arten von Beihilfen festlegen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind.

Gestützt auf Art. 94 des Vertrages hat der Rat die Verordnung Nr. 994/98 vom erlassen. Nach Art. 1 dieser VO kann die Kommission mittels Verordnungen erklären, dass näher genannte Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbaren sind und nicht der Anmeldungsverpflichtung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegen.

Gestützt auf die zuletzt genannte Verordnung hat die Kommission die Verordnung Nr. 800/2008 (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung - AGVO) erlassen. Nach Art. 3 Abs. 1 dieser VO waren Beihilfenregelungen, die alle Voraussetzungen des Kapitels 1 erfüllen … iSd Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt, wenn sie … alle Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen und die Regelungen einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung … enthalten.

Diese Gruppenfreistellungsverordnung wurde mit durch die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 (AGVO 2014) abgelöst.

Aufgrund des , Dilly's Wellnesshotel GmbH, steht fest, dass eine nationale Regelung, mit der eine Beihilferegelung geändert wird, indem der Kreis der Empfänger der Beihilfe verkleinert wird, grundsätzlich der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegt.

nationales Recht:

Zur Frage, wie innerstaatlich nach nationalem Recht mit dem in § 4 Abs. 7 ENAVG normierten Genehmigungsvorbehalt umzugehen war, hält der VwGH in dem Erkenntnis vom , Zl. Ro 2016/15/0041, fest:

Wenn in § 4 Abs. 7 ENAVG (und in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hiezu) nur eine "Genehmigung" angeführt ist, muss angenommen werden, dass § 4 Abs. 7 ENAVG somit eine typische Erledigungsart hervorgehoben hat, ohne aber andere Erledigungsarten auszuschließen. Insbesondere kann nicht ernstlich bezweifelt werden, dass etwa eine Mitteilung der Kommission iSd Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstelle, den Eintritt der Bedingung in § 4 Abs. 7 ENAVG darstellen sollte und damit das Inkrafttreten der geänderten Regelung bewirken sollte. Damit ist auch anzunehmen, dass ein Vorgehen iSd Gruppenfreistellungsverordnung den Eintritt der normierten Bedingung darstellen kann (vgl. Zl. Ro 2016/15/0041).

Nach der Inkrafttretensregelung des § 4 Abs. 7 ENAVG reicht daher - aus der Sicht des nationalen Rechts - die in der AGVO 2008 vorgesehene Mitteilung an die Kommission samt der entsprechenden Veröffentlichung durch die Kommission. Daran ändert nichts, wenn die AGVO 2008 nicht vollständig erfüllt worden ist (vgl. Zl. 2012/17/0469).

So in dem Verfahren Dilly's Wellnesshotel GmbH eingewendet wurde, sollte die ENAVG-Novelle 2011 gemäß § 4 Abs. 7 ENAVG (aus innerstaatlicher Sicht) in Kraft getreten sein, wäre das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV zu beachten, demzufolge der Anwendung der Einschränkung des Kreises der vergütungsberechtigten Unternehmen entgegen steht, ist dem entgegen zu halten:

Nach dem , Dilly's Wellnesshotel GmbH, erlaubt die Übergangsbestimmung des Art. 58 AGVO 2014 grundsätzlich die Gewährung von Beihilfen bei Verstoß gegen Veröffentlichungs- und Informationspflichten. Die AGVO 651/2014 findet demnach insofern Anwendung auf gewährte Beihilfen, die den Zeitraum vor betreffen, sodass deren Bestimmungen rückwirkend auf zurück liegende Sachverhalte Anwendung finden.

Angesichts der Erweiterung des Geltungsbereiches der AGVOs und der Festlegung der entsprechenden Voraussetzungen stellt auch der mangelnde Verweis gemäß Art. 3 AGVO 800/2008 im ENAVG auf die Freistellung iSd AGVO 800/2008 kein Hindernis für die Freistellung gemäß der AGVO 651/2014 (mehr) dar. Insbesondere ist der zeitliche Anwendungsbereich der AGVO 651/2014 im vorliegenden Fall auch für vor deren Inkrafttreten gewährte Einzelbeihilfen eröffnet (vgl. Bendlinger/Traußner, Anschlussentscheidung in der Energieabgabenvergütungscausa - Österreichische Beihilfenregelung nach VwGH wirksam in Kraft, BFG-Journal 2020, 1/2020, S. 19).

Da sich der zeitliche Anwendungsbereich der AGVO 651/2014 rückwirkend auch auf Einzelbeihilfen erstreckt, die vor deren Geltungsbereich mit liegen, hätte die Beihilferegelung der §§ 2 und 3 ENAVG aufgrund der ergangenen Entscheidung des VwGH hinsichtlich der Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen iSd AGVO 651/2014 unionsrechtlich keiner Genehmigung durch die Europäische Kommission bedurft. Ein förmliches Anmeldeverfahren war demnach nicht durchzuführen (vgl. Bendlinger/Traußner, a.a.O, BFG-Journal 1/2020, S. 24f).

Aus dem unionsrechtlichen Durchführungsverbot lässt sich für einen Dienstleistungs-Betrieb von Vornherein nichts gewinnen, da der Dienstleistungsbetrieb nicht mehr im Anwendungsbereich der ENAVG-Neuregelung steht und als Schuldner einer Abgabe nicht darauf berufen könnte, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen (vgl. Zl. 2009/15/0172 mit Hinweisen auf die EuGH-Rechtsprechung).

Da im vorliegenden Fall die Novelle des Energieabgabenvergütungsgesetzes, BGBl 111/2010, für den Zeitraum Jänner 2011 noch nicht in Kraft trat, wird der Bf. die Vergütung für Energieabgaben für den Zeitraum Jänner 2011 wie folgt gewährt:

Darüber hinaus besteht für die Bf. als Dienstleistungsunternehmen, welches in der Güterbeförderung im Eisenbahnverkehr tätig ist, für den Zeitraum bis kein Anspruch auf Vergütung der Energieabgaben.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist eine Revision nicht zulässig, als dieses Erkenntnis in der Frage des Vergütungsanspruches an Energieabgaben für den Zeitraum 2011 bis 2015 der in dieser Entscheidung dargestellten Judikatur folgt (vgl. Zl. Ro 2016/15/0041 und die dort zitierte Judikatur).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
§ 2 Abs. 2 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
§ 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
Art. 107 Abs. 1 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 108 Abs. 3 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Verweise




Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105680.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at