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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSK vom 25.03.2008, RV/0605-K/07

Haftung eines Geschäftsführers.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0605-K/07-RS1
Reichen die Mittel des Vertretenen nicht aus, die offenen Schuldigkeiten zur Gänze zu entrichten, so ist der Vertreter grundsätzlich zur Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis (anteilig) verpflichtet (Gleichbehandlungsgrundsatz). Erfolgt eine Zahlung, so ist dabei auch anteilig die Behörde im Hinblick auf fällige Abgabenschuldigkeiten zu befriedigen. Gegen die Pflicht zur Gleichbehandlung verstößt ein Geschäftsführer, der Abgabenschulden bei Fälligkeit nicht vollständig entrichtet, dann nicht, wenn die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausreichen, er aber die (fälligen) Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen (getilgten) Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt und diesem Verhältnis entsprechend anteilig erfüllt; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt.
RV/0605-K/07-RS2
Die Behauptung und der Nachweis, dass im Haftungszeitraum die Höhe der Neuverbindlichkeiten und die Höhe der beglichenen Verbindlichkeiten nahezu gleich sind, Finanzamtsforderungen im selben Zeitraum jedoch nicht beglichen wurden, ist demnach kein geeigneter Nachweis für eine quotenmäßige Befriedigung und Gleichbehandlung aller Gläubiger. Darin, dass Verbindlichkeiten beglichen, hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten an die Finanzbehörden aber überhaupt keine Mittel abgeführt wurden, ist jedenfalls eine Ungleichbehandlung der im Zeitpunkt der Tilgung von Verbindlichkeiten fällig gewesenen Abgabenschulden gegenüber der Summe der anderen getilgten Verbindlichkeiten zu erblicken.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch LEXACTA Tröthandl Rupprecht Schenz Haider, Rechtsanwälte OEG, 2500 Baden, Hauptplatz 9-13, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling, vertreten durch Dr. Ulrike Mifek, vom betreffend Haftungsbescheid gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Die Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin A Vertriebsgesellschaft m.b.H. in Höhe von insgesamt € 77.095,19 wird auf nachfolgend angeführte Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 65.895,19 vermindert:


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Zeitraum
Abgabenart
Betrag in €
2001
Körperschaftssteuer
64.672,41
2002
Körperschaftssteuer
1.222,78
Gesamtbetrag
65.895,19

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Zahlungsfrist nach § 224 Abs. 1 BAO bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) war handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma A Vertriebsgesellschaft m.b.H. und hat diese selbständig ab vertreten. Über die Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkurses aufgelöst. Der über die A Vertriebsgesellschaft m.b.H. eröffnete Konkurs wurde mit Beschluss vom nach durchgeführter Schlussverteilung gemäß § 139 KO aufgehoben.

Mit Schreiben vom wurde der Bw vom Finanzamt Baden Mödling eingeladen, sich zur Absicht, ihn zur Haftung als Haftungspflichtigen für ausgewiesene Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin heranzuziehen, zu äußern. Der Bw wurde auch darauf hingewiesen, dass es in seinem Interesse liege, zu beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen.

Der Bw hat in seiner diesbezüglichen Stellungnahme vom im Wesentlichen vorgebracht, es sei richtig, dass über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet wurde, dass er Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin war, dass seitens des Finanzamtes eine vom Masseverwalter und vom Bw anerkannte Forderung angemeldet wurde und dass die Forderung bei der Gemeinschuldnerin uneinbringlich ist, sodass er prinzipiell Haftender gemäß § 9 iVm § 80 BAO sei. Es ergebe sich im konkreten Fall aber deswegen keine Haftung, weil keine schuldhafte Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten vorliege. Die Umsatzsteuer sei geschätzt und am festgesetzt worden. Da die Umsatzsteuer nicht auf tatsächlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und daher auch nicht auf tatsächlichen Umsätzen der späteren Gesamtschuldnerin basiere, könne zuvor auch keine Fälligkeit eingetreten sein. Im Zeitpunkt der Festsetzung am habe sich die A Vertriebsgesellschaft m.b.H. bereits im Konkurs befunden, sodass eine Zahlung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen sei. Ein Verschulden des Bw könne daher in der Nichtbezahlung von Umsatzsteuer nach Konkurseröffnung nicht gesehen werden. Die Beträge für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag würden alle aus dem Oktober 2003 resultieren und aufgrund des Rückstandsausweises vom ein Fälligkeitsdatum mit aufweisen. Das Konkursverfahren sei jedoch bereits am eröffnet worden, sodass dem Bw nicht vorgehalten werden könne, er habe zum Datum keine Zahlungen an das Finanzamt mehr geleistet. Vor Fälligkeit sei die Gemeinschuldnerin zur Zahlung nicht verhalten gewesen, bei Fälligkeit sei das Konkursverfahren bereits eröffnet und eine Zahlung daher nicht mehr möglich gewesen. Die Körperschaftssteuer sei erklärungsgemäß festgesetzt worden. Die Erklärung der späteren Gemeinschuldnerin hinsichtlich des Jahres 2001 stamme vom , jene hinsichtlich des Jahres 2002 vom . Der Bescheid vom trage als Zahlungsziel den . Es sei daher - im Einklang mit der diesbezüglichen Judikatur des VwGH - ab dem als dem Fälligkeitsdatum die Geschäftsgebarung des gemeinschuldnerischen Unternehmens im Hinblick auf eine etwaige Gläubigerbevorzugung bzw. Schlechterstellung des Finanzamtes zu untersuchen. Der Bw als ehemaliger Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe versucht, eine vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu rekonstruieren. Diese habe ergeben, dass ab Mitte Mai de facto keine Zahlungen, abgesehen automatische Abbuchungen sowie vereinzelt gebliebenen Lieferantenrechnungen mehr geleistet worden seien. Die diesbezüglichen Kontobewegungen seien dem Schreiben als Nachweis beigelegt. Im genannten Zeitraum seien keine wesentlichen Verbindlichkeiten mehr abgebaut worden, es seien kaum Zahlungen geleistet worden. Es hätten sich im Gegenzug weitere Verbindlichkeiten - auch ohne entsprechende Tätigkeit der späteren Gemeinschuldnerin - aufgebaut. Ein Vergleich mit den anderen Gläubigern führe zu keiner schlechteren Behandlung des Finanzamtes, sodass eine Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO nicht in Betracht komme. Insgesamt sei es dem Bw daher aufgrund der Fälligkeiten betreffend Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zu demselben nach Konkurseröffnung nicht mehr möglich gewesen, die Beträge zu bezahlen. Hinsichtlich der Körperschaftssteuer könne dem Bw kein Vorwurf gemacht werden, dass die spätere Gemeinschuldnerin zu diesem Zeitpunkt bereits insolvent gewesen sei und keine Zahlungen mehr leisten habe können.

Mit Schreiben vom hat der Bw seine Einwendung im Schreiben vom verbreitert. Der Bw hat im Wesentlichen vorgebracht, es läge eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch ihn nicht vor, auch wenn von ihm Finanzamtsforderungen im Haftungszeitraum nicht beglichen wurden. Er habe nachgewiesen, dass im Haftungszeitraum die Höhe der Neuverbindlichkeiten und die Höhe der beglichenen Verbindlichkeiten nahezu gleich seien, weshalb die restlichen Gläubiger in ihrer Gesamtheit keine Besserstellung erlangt hätten.

In seiner Eingabe vom hat sich der Bw neuerlich mit der strittigen Frage der "Schlechterstellung" des Finanzamtes gegenüber anderen Gläubigern beschäftigt. Der Bw hat hier im Wesentlichen festgehalten, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum würden neue Verbindlichkeiten im Betrage von € 29.010,33 Zahlungen in der Höhe von € 28.717,86 gegenüberstehen. Es sei zwar im Haftungszeitraum keine Finanzamtsforderung beglichen worden, die Differenzrechnung ergebe jedoch, dass die restlichen Gläubiger in ihrer Gesamtheit keine Besserstellung erlangt hätten, weil die Neuverbindlichkeiten die Zahlungen übersteigen.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt Baden Mödling den Bw als Haftungspflichtigen gemäß § 9 iVm mit § 80 BAO für Abgaben im Gesamtbetrage von € 77.095,19 in Anspruch. Das Finanzamt hat die Haftung für die nachfolgend angeführten und nicht entrichteten Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:


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Zeitraum
Abgabenart
Betrag in €
Juli und August 2003
Umsatzsteuer
11.200,00
2001
Körperschaftssteuer
64.672,41
2002
Körperschaftssteuer
1.222,78
Gesamtbetrag
77.095,19

Das Finanzamt begründet seine Entscheidung nach dem Hinweis auf § 9 Abs. 1 und auf § 80 Abs. 1 iVm § 224 BAO im Wesentlichen damit, es sei mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom über die Firma A Vertriebesgesellschaft m.b.H. der Konkurs eröffnet worden. Der Konkurs sei mit Beschuss vom nach durchgeführter Schlussverteilung gemäß § 139 KO aufgehoben worden. Die Abgabenrückstände seien bei der Gesellschaft nicht einbringlich. Der Geschäftsführer einer Primärschuldnerin sei gemäß § 80 Abs. 1 BAO verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben der Gesellschaft aus deren Mitteln entrichtet werden. Die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung beschränke sich auf die dem Vertreter zur Verwaltung obliegenden und zur Verfügung stehenden Mittel. Stehen - bezogen auf den Fälligkeitszeitpunkt - ausreichende Mittel zur Befriedigung aller Gläubiger nicht zur Verfügung, dürfe der Vertreter Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandeln und müsse die Abgabenschulden diesem Verhältnis entsprechend zumindest anteilig erfüllen. Es habe eine quotenmäßige Befriedigung von offenen Forderungen im Haftungszeitraum zu erfolgen bzw. müsse eine solche nachgewiesen werden. Die Behauptung und der Nachweis, vom bis zur Konkurseröffnung seien neue Verbindlichkeiten in der Höhe von € 29.010,32 entstanden, denen jedoch Zahlungen in der Höhe von € 28.77,86 gegenüberstünden, wobei es zu keinen Zahlungen an das Finanzamt gekommen ist, sei kein geeigneter Nachweis für eine quotenmäßige Befriedigung und Gleichbehandlung der Gläubiger.

Dagegen hat der Bw mit Eingabe vom berufen. Er wendet sich darin vor allem gegen die Heranziehung zur Haftung, die auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhe. Der Bw hat beantragt, die Berufungsbehörde möge den Haftungsbescheid zur Gänze beheben. Mit dem bekämpften Haftungsbescheid sei er schuldig erkannt worden, die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der abgabenpflichtigen Firma A Vertriebsgesellschaft m.b.H. im Ausmaß von € 77.095,19 zu entrichten. Die Verbindlichkeiten würden sich aus der Umsatzsteuer für Juli und für August 2003 und Körperschaftssteuer für das Jahr 2001 und für das Jahr 2002 zusammensetzen. Wie im Bescheid richtig ausgeführt, sei mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom über das Vermögen der A Vertriebsgesellschaft m.b.H. das Konkursverfahren eröffnet und dasselbe nach Schlussverteilung gemäß § 139 KO mit Beschluss vom wieder aufgehoben worden. Unbestritten sei die Uneinbringlichkeit der Abgabenrückstände bei der Gesellschaft. Er werde zur Zahlung der nicht entrichteten Abgaben herangezogen. Der Bescheid über die Heranziehung zur Haftung beruhe auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sei vermerkt, der VwGH würde in ständiger Judikatur ausführen, dass der Geschäftführer für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann hafte, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weise nach, dass er die Abgabenschuld im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dass die Mittel der Gesellschaft zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten nicht ausgereicht hätten, sei evident und durch das nachfolgende Konkursverfahren wohl ausreichend bescheinigt. Der Geschäftsführer habe daher nachzuweisen, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Es sei daher ein Vergleich dergestalt zu erstellen, dass auf der einen Seite die Verbindlichkeiten des Finanzamtes und auf der anderen Seite sämtliche anderen Verbindlichkeiten verglichen werden. Nur für den Fall, dass die anderen Verbindlichkeiten (im Gesamten) besser behandelt worden seien als die Verbindlichkeiten der Abgabenbehörde bestehe eine Haftung des Geschäftsführers der späteren Gemeinschuldnerin, hier des Bw. Auf Grund der klaren Formulierung des VwGH "aller Verbindlichkeiten" verbiete sich ein Individualvergleich der Abgabenverbindlichkeiten mit einer beliebigen anderen Forderung, weil dies im Extremfall dazu führen würde, dass überhaupt keine Forderungen mehr bezahlt werden dürfen, eine SchlechtersteIlung wäre daher immanent. Um diese offenkundig falsche Argumentation auf die Spitze zu treiben, könne als Beispiel angeführt werden, dass die Gemeinschuldnerin das Porto für den Konkursantrag nicht mehr bezahlen dürfte, da ansonsten die österreichische Post AG besser als die Abgabenbehörde gestellt wäre, zumal das Porto zu 100% zu begleichen sei. Dieses Beispiel zeige, dass ein Individualvergleich die Judikatur des VwGH ad absurdum führen würde und sich daher von vorn herein verbiete. Im Einklang mit der zitierten Judikatur sei die Forderung des Finanzamtes mit der Gesamtheit sämtlicher anderen Forderungen zu vergleichen, wie dies der Bw auch bereits in seinen Eingaben vom , und getan habe. Auf die dortigen Ausführungen, welche ausdrücklich auch zum Vorbringen dieser Berufung erhoben werden, sei um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen. Insbesondere werde darauf verwiesen, dass mit Vorlage der Urkunden vom dargestellt habe werden können, dass seit dem , dem Datum der Fälligkeit der Körperschaftssteuer 2001 und 2002, bis zur Konkurseröffnung Neuverbindlichkeiten in Höhe von € 29.010,32 entstanden seien. Demgegenüber seien nur Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von € 28.717,86 beglichen worden, sodass tatsächlich die Gesamtheit der Gläubiger - betrachtet ohne Finanzamt - eine Schlechterstellung im gegenständlichen Zeitraum erfahren habe und daher davon, dass die Gläubigermehrheit besser gestellt gewesen wäre als die Abgabenbehörde, keine Rede sein könne. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe in Verkennung dieser Situation und aufgrund der falschen rechtlichen Beurteilung trotz der ständigen Judikatur des VwGH den bekämpften Bescheid erlassen, der rechtlich unrichtig und daher rechtswidrig sei. Zur Umsatzsteuer für Juli und für August 2003 sei angemerkt, dass die Ausführungen zum Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur für die Körperschaftssteuer 2001 und 2002, sondern auch für die Umsatzsteuer für Juli und für August 2003 gelten; hier sei jedoch auf einen weiteren Aspekt hingewiesen. Die Umsatzsteuer sei erst im Schätzungsweg am festgesetzt worden, sie basiere nicht auf tatsächlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und auch nicht auf tatsächlichen Umsätzen der späteren Gemeinschuldnerin. Es könne daher zuvor keine Fälligkeit eingetreten sein. Lediglich auf Grund des Umstandes, dass es der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A Vertriebsgesellschaft m.b.H. unterlassen habe, entsprechende Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Juli und August 2003 nachzureichen und die Forderung des Finanzamtes im Schätzungsweg anerkannt habe, käme es überhaupt zur rechtskräftigen Festsetzung dieses Umsatzsteuerbetrages. Da die Ermittlung jedoch im Schätzungswege erfolgte, könne vor dem Festsetzen des Schätzwertes (vor dem ) keine Fälligkeit der Forderung eingetreten sein und könne diese auch zuvor nicht berichtigt werden. Auf Grund dieses Umstandes und im Zusammenhang damit, dass das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bereits am eröffnet wurde, sei es dem Bw als Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin unmöglich gewesen, für eine Abfuhr der Umsatzsteuer Sorge zu tragen, die erst nach Konkurseröffnung fällig geworden sei. In Verkennung dieses Umstandes habe die Abgabenbehörde erster Instanz daher eine Haftung des Bw für die Umsatzsteuer Juli und August 2003 festgesetzt, die auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung inhaltlich rechtswidrig sei. Zur Frage der Schuldhaftigkeit sei zu bedenken, dass nur eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zur Haftungsinanspruchnahme berechtige. Wie sich aus der Tabelle "Kontenbewegung A Vertriebsgesellschaft m.b.H. vom bis ", die im Verfahren erster Instanz vorgelegt worden sei, ergebe, sei eine Vielzahl von Überweisungen auf Grund von Einziehungen vorgenommen worden. Die Einziehungsaufträge würden jedoch allesamt aus einer Zeit lange vor Insolvenzgefahr stammen, sodass ein etwaiges schuldhaftes Verhalten dafür, dass diese Einziehungsaufträge durchgeführt, die Verbindlichkeiten beim Finanzamt jedoch nicht beglichen wurden, höchstens im Unterlassen des Widerrufs der Einziehungsermächtigung gesehen werden könnte, wofür jedoch nach seiner Ansicht eine rechtliche Grundlage fehle. Gerade wenn ein Unternehmer erkennen muss, dass sein Unternehmen und sohin seine Existenzgrundlage vor dem Ende stehe, wird wohl nicht von ihm verlangt werden können, dass er daran denkt, Einziehungsaufträge zu widerrufen; dies insbesondere auch deshalb, da es höchst ungewöhnlich sei, dass Einziehungsaufträge überhaupt noch durchgeführt werden. Üblicherweise führe die Bank, bei welcher in der Regel ebenfalls hohe Verbindlichkeiten bestehen, solche Aufträge gar nicht mehr durch. Im gegenständlichen Fall seien einzelne dieser Einziehungsaufträge durchgeführt worden, eine Veranlassung dazu habe der Bw zumindest im zeitlichen Zusammenhang mit der Insolvenz nicht getätigt. Es könne ihm daher kein schuldhaftes Verhalten diesbezüglich vorgeworfen werden. Dies sei insofern wesentlich, als bei Herausrechnung der Zahlungen mittels "Einziehung" das Verhältnis der Neuverbindlichkeiten zu den getilgten Verbindlichkeiten sich noch erheblich verschlechtere, womit klar sei, dass die Gläubigerschaft keinesfalls besser gestellt worden sei als die Abgabenbehörde. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe diesen Umstand in Verkennung der rechtlichen Lage nicht ausreichend gewürdigt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte sie zu dem Schluss kommen müssen, dass der Bw für die im Bescheid angeführten Verbindlichkeiten nicht hafte. Der gegenständliche Bescheid sei daher rechtswidrig.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 f leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Betreffend seine Einwendungen im Hinblick auf die Schätzung der Umsatzsteuer ist der Bw zunächst daran zu erinnern, dass im Gegenstand die Besteuerungsgrundlagen und nicht die Steuerschuld (Abgabenhöhe) geschätzt wurden. Eine sich an der bisherigen Geschäftsgebarung orientierende Schätzung ist notwendig geworden, weil von der Primärschuldnerin weder Vorauszahlungen entrichtet, noch Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden.

Die Schätzung ist ihrem Wesen nach ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise ermittelt wird. Ziel der Schätzung ist es, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Außerdem kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch (hier der Bescheid des Finanzamtes Baden vom betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate Juli bis Oktober 2003) berufen. Liegt dem Haftungsbescheid ein an den Abgabepflichtigen ergangener Abgabenbescheid zugrunde, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Die Haftung des § 9 BAO setzt - die Stellung als Vertreter, - das Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, - die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Primärschuldner, - eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter, - ein Verschulden des Vertreters und - die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit voraus.

Die drei erstgenannten Voraussetzungen sind nicht strittig. Der Bw war ab dem die gesellschaftsrechtlich zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der A Vertriebsgesellschaft m.b.H. als Primärschuldnerin bestellte Person. Diese war in der Zeit vom bis zum in ein Konkursverfahren verfangen und steht die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin außer Streit.

Die Vertreterhaftung besteht insbesondere für Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Sie besteht aber auch für noch offene Abgabenschuldigkeiten, deren Zahlungstermine bereits vor der Tätigkeit gelegen sind. Die Möglichkeit der Haftung erlischt auch nicht dadurch, dass der Vertreter seine Tätigkeit zurücklegt oder nicht mehr ausüben darf. Die Geltendmachung kann auch nach Beendigung seiner Tätigkeit erfolgen.

Bei den Umsatzsteuervorauszahlungen entsteht der Anspruch auf die Umsatzsteuerschuld grundsätzlich mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt wird. Der Unternehmer hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung abzugeben und hat sich ergebende Vorauszahlungen spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Der Abgabenanspruch entsteht bei der Körperschaftssteuer für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Die veranlagte Körperschaftssteuer wird gemäß § 210 Abs. 1 BAO einen Monat ab Zustellung des Abgabenbescheides fällig, namentlich ist sie die sich aus dem erstmaligen Abgabenbescheid ergebenden Fälligkeit.

Geht der Haftungsbetrag auf mehrere Abgabenbescheide (bzw. auf mehrere Meldungen von Abgaben) zurück, so ist eine entsprechende Aufgliederung vorzunehmen. Bei der Geltendmachung von Haftungen sind die im Haftungsweg geltend gemachten Abgabenansprüche vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt auszuweisen. Erst auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung werden sie dem Haftungspflichtigen auf geeignete Weise zur Kenntnis gebracht (vgl. oder -G/05).

Bei der streitgegenständlichen Geltendmachung der Haftung wurde die Vorauszahlung an Umsatzsteuer für die Monate Juli und August 2007, was vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte relevant ist, nicht nach diesen Zeiträumen aufgeschlüsselt ausgewiesen. Die nach der Aktenlage erst im Wege der Schätzung ermittelten Abgaben wurden sohin dem Bw nicht auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung, damit nicht auf geeignete Weise zur Kenntnis gebracht.

Der Zeitpunkt, für den es zu beurteilen gilt, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der Abgabenvorschriften zu entrichten gewesen wären (zB. ). Bei Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuervorauszahlungen) ist maßgebend, wann bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre (zB. ). Bei Abgaben, bei denen sich die Fälligkeit aus § 210 Abs. 1 BAO (ein Monat ab Zustellung des Abgabenbescheides) ergibt - wie zB. bei der veranlagten Körperschaftssteuer - ist grundsätzlich der Zeitpunkt der sich aus dem erstmaligen Abgabenbescheid ergebenden Fälligkeit maßgebend ().

Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Monate Juli und August 2003, weil das Finanzamt die Abgaben im Spruch des Bescheides zusammengerechnet hat, mit einer Rechtswidrigkeit belastet. Im bekämpften Bescheid ist die Höhe der eben genannten Abgaben in einer Summe ausgewiesen und nicht aufgegliedert worden. Die erforderliche Aufschlüsselung ist auch nicht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides oder einer Beilage dazu zu entnehmen. Eine Auslegung des Spruchs unter Heranziehung der Begründung war also ebenfalls nicht möglich.

Im Hinblick darauf, dass bei Umsatzsteuervorauszahlungen maßgebend ist, wann sie bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären, hätte dargelegt werden müssen, wie sich diese Beträge errechnen und welche Beträge auf welche Monate entfallen, welche Beträge wann fällig waren.

Die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Juli 2003 war am , die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat August 2003 am fällig. Die mit Bescheiden vom festgesetzte Körperschaftssteuer 2001 und 2002 war am fällig.

Die Primärschuldnerin war in der Zeit vom bis zum in ein Konkursverfahren verfangen. Damit handelt es sich bei den Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Juli und August 2003 sowie bei der Körperschaftssteuer für die Jahre 2001 und 2002 um Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der durch den Bw ausgeübten bzw. auszuübenden Vertretertätigkeit fällt.

Ginge man hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen - ohne dabei darauf zu achten, dass bei Selbstberechnungsabgaben maßgebend ist, wann bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre - von der Festsetzung der Abgaben mit Bescheid vom aus, läge der in diesem Fall für beide Monate gleiche Fälligkeitszeitpunkt gemäß § 210 Abs. 1 BAO als Zahlungstermin außerhalb der Zeit der Vertretertätigkeit.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie setzt eine objektive Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftungsbeteiligten voraus. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Einbringungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ist außer Streit gestellt.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören insbesondere die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen und die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen. Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hiefür liquide Mittel vorhanden sind.

Das Ausreichen oder das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung hat nicht die Abgabenbehörde nachzuweisen, vielmehr hat der Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel nachzuweisen. Ein Haftungspflichtiger müsste beispielsweise die quotenmäßige Befriedigung von offenen Forderungen im Haftungszeitraum nachweisen, namentlich nachweisen, welche Mittel in den einzelnen Haftungsmonaten tatsächlich vorhanden waren, wie hoch die Stände an Verbindlichkeiten in Bezug auf die einzelnen Gesellschaftsgläubiger je Haftungsmonat waren und in welchem Ausmaß Gesellschaftsverbindlichkeiten je haftungsgegenständlichem Abgabenfälligkeitszeitpunkt getilgt wurden.

In der Regel wird nur der Vertreter jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben und daher nur er in der Lage sein, seine Behauptungen durch entsprechende Nachweise zu seiner Entlastung zu präzisieren. Die Behörde hat den Bw nachweislich aufgefordert, eine ihn entlastende Aufstellung zur von ihm behaupteten Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger, bezogen auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt der in Haftung gezogenen Abgaben einerseits und das Vorhandensein / Nichtvorhandensein liquider Mittel und deren Verwendung zu diesen Zeitpunkten andererseits vorzulegen.

Dieser Aufforderung ist der Bw zwar nachgekommen, jedoch nicht in geeigneter Weise. Der Bw bringt zu wenig konkret und damit lediglich pauschal vor, es treffe ihn an der Verletzung von Abgabenverpflichtungen kein Verschulden. Dem Bw ist die konkrete schlüssige Darstellung der Gründe, die etwa der rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden, nicht gelungen. Eine pauschale Behauptung der Gleichbehandlung reicht jedoch nicht aus ().

Reichen die Mittel des Vertretenen nicht aus, die offenen Schuldigkeiten zur Gänze zu entrichten, so ist der Vertreter grundsätzlich zur Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis (anteilig) verpflichtet (Gleichbehandlungsgrundsatz). Erfolgt eine Zahlung, so ist dabei auch anteilig die Behörde im Hinblick auf fällige Abgabenschuldigkeiten zu befriedigen. Gegen die Pflicht zur Gleichbehandlung verstößt ein Geschäftsführer, der Abgabenschulden bei Fälligkeit nicht vollständig entrichtet, dann nicht, wenn die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausreichen, er aber die (fälligen) Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen (getilgten) Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt und diesem Verhältnis entsprechend anteilig erfüllt; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt ().

Die Behauptung und der Nachweis, vom bis zur Konkurseröffnung seien neue Verbindlichkeiten in der Höhe von € 29.010,32 entstanden, denen jedoch Zahlungen in der Höhe von € 28.77,86 gegenüberstünden, wobei es zu keinen Zahlungen an das Finanzamt gekommen ist, ist demnach kein geeigneter Nachweis für eine quotenmäßige Befriedigung und Gleichbehandlung aller Gläubiger. Der Bw selbst hat mehrfach erklärt, dass er liquide Mittel verwendet hat, ohne dabei auch die Finanzbehörden bedient zu haben. Nicht ohne Grund sind einem Haftungspflichtigen die fälligen Abgabenschuldigkeiten auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt zur Kenntnis zu bringen. Diese Aufschlüsselung ist deshalb gefordert, um einem Geschäftsführer im Verfahren betreffend seine Heranziehung zur Haftung die Feststellung und den Nachweis zu ermöglichen, welcher Anteil an den liquiden Mitteln zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an die Behörde als anteilige Abgabenschuld abzuführen gewesen wäre.

Darin, dass der Bw Verbindlichkeiten beglichen, hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten an die Finanzbehörden aber überhaupt keine Mittel abgeführt hat, ist jedenfalls eine Ungleichbehandlung der im Zeitpunkt der Tilgung von Verbindlichkeiten fällig gewesenen Abgabenschulden gegenüber der Summe der anderen getilgten Verbindlichkeiten zu erblicken. Der Argumentation des Bw kann deshalb nicht gefolgt werden, weil zu bedenken ist, dass sich die Gleichbehandlung aller Gläubiger, damit auch der Finanzbehörden, im Hinblick auf die Gleichbehandlung auch des Finanzamtes an der Fälligkeit von Abgabenschulden zu orientieren hat. Die Gleichbehandlung aller Gläubiger im Haftungszeitraum, in einzelnen Haftungsmonaten, bezieht sich auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits (). Der Vertreter darf hierbei Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden ().

Der VwGH hat auch schon erkannt, dass sich eine Verletzung der Gleichbehandlung von Gläubigern nicht nur bei Abzahlung von bereits bestehenden Verbindlichkeiten, sondern auch schon im Hinblick auf die Barzahlung neuer Materialien (zB. ) oder laufender Ausgaben wie zB. für Miete () und Strom () ergeben kann.

Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstreckt sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Diesbezüglich obliegt aber dem Vertreter der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zB. ). Gelingt der Nachweis der Gleichbehandlung nicht, so kann die Haftung für den gesamten uneinbringlichen Abgabenbetrag geltend gemacht werden (zB. ).

Für eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten genügt leichte Fahrlässigkeit (zB. ). Der Vertreter hat darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass der Vertretene in dem Zeitraum, für den er für einen Primärschuldner zur Haftung herangezogen wurde, die Abgaben entrichtet hat. Gelingt ihm dies nicht, so darf von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (zB. ).

Dem Bw sind die diesbezüglichen Nachweise im Rechtszug nicht gelungen. In der Regel wird nur der Vertreter jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (zB. ). Der Vertreter hat für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (). Ihm obliegt kein negativer Beweis, sondern die konkrete schlüssige Darstellung der Gründe, die etwa der rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden ().

Diese Darlegungspflicht trifft auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Vertretenen nicht mehr deren Vertreter sind. Dem Vertreter, der fällige Abgaben des Vertretenen nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschuldigkeiten aushaften - jene Informationen zu sichern, die im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen ().

Rechtsunkenntnis in buchhalterischen und steuerlichen Belangen vermag den Vertreter nicht zu exkulpieren. Hat der Vertreter Dritte (zB. eine Bank) mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen betraut, so hat er sich darum zu kümmern, ob diese Verpflichtungen in Gleichbehandlung aller Gläubiger auch erfüllt werden.

Bei schuldhafter Pflichtverletzung darf eine Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit ist (zB. ). Nachdem der Bw nicht dargetan hat, weshalb er nicht dafür Sorge getragen hat, dass der Vertretene Abgaben in Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger entrichtet hat, darf von der Abgabenbehörde die schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (zB. ).

Schließlich liegt die Geltendmachung der Haftung im Ermessen der Abgabenbehörde. Bei der Ermessensübung sind beispielsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, der Grad des Verschuldens und ein allfälliges Mitverschulden der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit zu berücksichtigen. Es ist durchaus lebensnah, wenn man sich am Lebensalter eines Haftungspflichtigen orientiert und deshalb eine Einbringung für sinnvoll erachtet. Das Finanzamt hat die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw erhoben. Der Bw hat sich in seinen Eingaben gegen die Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger aus dem Titel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht gezielt ausgesprochen.

Der Berufung war somit teilweise stattzugeben und daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Haftung
Geschäftsführer
Verbindlichkeiten
Gleichbehandlung
Gleichbehandlungsgrundsatz
Fälligkeit
Ungleichbehandlung
Gläubiger
Haftungszeitraum.
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at