Progressionsvorbehalt für deutsche Altersrente
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Maria-Luise Wohlmayr, den richterlichen Beisitzer Mag. Erich Schwaiger, den fachkundigen Laienrichter Mag. Gottfried Warter, MBA, und den fachkundigen Laienrichter Mag. Peter Lederer im Beisein der Schriftführerin Sabine Plaichner über die Beschwerden vom 13. und des Beschwerdeführers ***BF***, vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene Kittl & Co Wirtschaftstreuhand-KG, 5020 Salzburg, Kaiser-Karl-Straße 3, gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt, 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, vertreten durch Dr. Thomas Seiler vom 12. und betreffend Einkommensteuer 2014 bis 2016 nach der am über Antrag der Partei (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Salzburg abgehaltenen öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I)
Die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der jeweiligen Einkommensteuer entsprechen denen im Spruch der Beschwerdevorentscheidungen vom 13. und , die einen integrierten Bestandteil der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts bilden. Die Beschwerdevorentscheidungen sind als Anlage B bis D angeschlossen.
II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
Strittig sind hier drei Bescheide über die Einkommensteuer 2014 bis 2016 vom 12. und . Gemeinsam mit diesen Sachbescheiden bekämpfte der Beschwerdeführer (kurz Bf.) auch die Wiederaufnahme dieser Verfahren mit Beschwerde. Die entsprechenden Bescheiddaten sowie Geschäftszahlen des Bundesfinanzgerichts all dieser Verfahren sind der Übersicht in Anlage A zu entnehmen. Über die Wiederaufnahme wurde mit entschieden.
Aufgrund des Antrages auf Senatsentscheidung wurden die Beschwerden auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung 7013-1 zur Entscheidung zugewiesen.
All diese Bescheide ergingen im Anschluss an Mitteilungen der Deutschen Steuerverwaltung über den Bezug einer Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund, die für 2014 und 2015 mit und für 2016 mit elektronisch eingingen.
Nach Durchführung der Wiederaufnahmen der Verfahren brachte das Finanzamt diese ausländischen Bezüge im Wege des Progressionsvorbehaltes ohne Abzüge in Ansatz. Dies bekämpfte der Beschwerdeführer (kurz Bf.) mit drei getrennten Beschwerden.
Das Finanzamt forderte den Bf. auf, die in Österreich für die ausländische Pension bezahlten Krankenversicherungsbeiträge nachzuweisen. Der Bf. kam dem nach.
Daraufhin erließ das Finanzamt Beschwerdevorentscheidungen vom 25. bzw. , sprach dabei über die Einkommensteuersachbescheide ab und korrigierte den Ansatz der ausländischen Pension um die Pflichtversicherungsbeiträge. Mit Bescheid vom hob das Finanzamt diese Beschwerdevorentscheidungen gem. § 299 BAO auf, sprach mit auch über die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide ab und erließ daraufhin neue Beschwerdevorentscheidungen zu den Einkommensteuersachbescheiden (Datierung mit 13. bzw. ).
Diese bekämpfte der Bf. nun mit Vorlageanträgen vom bzw. und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
In der Folge legte das Finanzamt die Beschwerden am 12. bzw. an das Bundesfinanzgericht vor.
In der mündlichen Verhandlung wies der steuerliche Vertreter des Bf. noch einmal auf die Rechtslage in Deutschland hin, wonach deutsche Rentenansprüche aus einem Arbeitgeberanteil, einem Arbeitnehmeranteil und Zinsen bestehen. Es sei unstrittig, dass der Arbeitgeberanteil steuerlich zu erfassen ist, weil er zuvor vom Arbeitgeber als Betriebsausgabe abgesetzt worden sei. Der Arbeitnehmeranteil sei in Deutschland nur eingeschränkt als Sonderausgaben abzugsfähig. Deshalb seien die Arbeitnehmeranteile nicht in die Bemessungsgrundlage für den Progressionsvorbehalt einzubeziehen, wenn – wie hier – der Bf. in seiner Aktivzeit in Deutschland seinen Wohnsitz hatte, dort steuerpflichtig war und seine Rente in Deutschland versteuerte.
Der Arbeitnehmeranteil sei als Kapitalstock zu verstehen, den der Arbeitnehmer einzahlt und dessen Auszahlung steuerfrei sei. Nur den Kapitalstock übersteigende Beträge seien danach steuerpflichtig.
Über Befragen des Berichterstatters bestätigte der steuerliche Vertreter die Richtigkeit der vom FA in Abzug gebrachten Krankenversicherungsbeiträge und - über Nachfrage des Berichterstatters – zudem, dass es sich bei den strittigen Beiträgen um Pflichtversicherungsbeiträge gehandelt habe. Ihre Zahlung durch den Bf. sei zwingend gewesen. Er habe diesbezüglich keine Wahlmöglichkeit gehabt.
Über Nachfrage des Senates und nach intensiver Diskussion stimmte der steuerliche Vertreter des Bf. der Tatsache zu, dass es nicht möglich ist, die tatsächlich ausbezahlte Rente aufzuschlüsseln, um festzustellen, welcher Anteil auf Pflichtversicherungsbeiträgen des Arbeitgebers basiert und welcher Anteil auf in Deutschland bei der Zahlung nur als Sonderausgaben abzugsfähige Pflichtversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers entfällt. Er schlug eine Schätzung in Anlehnung an die deutschen steuerlichen Verhältnisse (Steuerfreibetrag von annähernd 50%) vor.
Der Vertreter des FA lehnte dies ab. Bei der gegenständlichen Rente handle es sich um eine gesetzliche deutsche Rente, für die das Besteuerungsrecht Deutschland zukommt, die aber in Österreich zum Progressionsvorbehalt heranzuziehen sei. Dabei sei der Vollbetrag der ausbezahlten Rente abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge anzusetzen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
2. Sachverhalt, Beweiswürdigung
Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.
Außer Streit steht, dass der Bf. von 2014 bis 2016 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und hier ansässig war. Fest steht auch, dass er von der Deutschen Rentenversicherung Bund die vorliegenden Zuflüsse aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung bezog und aufgrund dessen entsprechende Krankenversicherungsbeiträge (Pflichtversicherung) an die österreichische Pensionsversicherungsanstalt abführte. Von dieser deutschen Rente erfuhr das FA erstmals im Wege der Information Deutschlands im Oktober 2016, obwohl der Bf. diese schon seit Erreichen seines 65. Lebensjahres (2007) bezog.
In Deutschland wurde die Auslandspension mit folgenden Bemessungsgrundlagen der Einkommensbesteuerung unterzogen:
Darauf aufbauend berücksichtigte das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung die folgenden Beträge als Progressionsvorbehalt.
Der Bf. anerkannte zwar die Berücksichtigung der Auslandseinkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts, rügte aber die dabei angesetzten Beträge und verlangte den Ansatz analog zur Behandlung in Deutschland.
Das Finanzamt begründete in der Folge seine Entscheidungen in der Beschwerdevorentscheidung umfassend, stellte die Rechtslage in Österreich unter Hinweis auf zahlreiche Judikate dar und schilderte auch deren Entwicklung in Deutschland. Abschließend kam die Abgabenbehörde im Kern zum Schluss,
bei den ausländischen Rentenbezügen handle es sich um eine Pension aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.
Es handle sich um keine Gegenleistungsrente.
Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland seien daher die Pensionseinkünfte für die Progression in der (vollen) Höhe zu berücksichtigen, die nach österreichischem Einkommensteuerrecht zu ermitteln ist.
In Vorlageantrag und auch der mündlichen Verhandlung blieben unstrittig, dass es sich um Bezüge aus einer Pflichtversicherung handelte, dass deren Höhe nach österreichischem Einkommensteuerrecht zu beurteilen ist und dass die Pensionsauszahlungen, die aus Arbeitgeberbeiträgen dotiert wurden, in die Besteuerung miteinzubeziehen sind.
Der Bf. wies allerdings darauf hin, dass die von ihm selbst in Deutschland bezahlten Pensionsversicherungsbeiträge (Arbeitnehmerbeiträge) im Ausland nur als Sonderausgaben und dabei auch nur eingeschränkt abzugsfähig gewesen seien. Damit seien sie einer österreichischen privaten Rentenversicherung ähnlich. Die laufende Auszahlung solcher Rentenversicherungen sei in Österreich steuerfrei. Denkbar wäre allenfalls, die Beitragsleistungen als Hingabe eines Wirtschaftsgutes zu werten und daher die Rentenauszahlungen erst nach Übersteigen des kapitalisierten Wertes steuerlich zu erfassen. Dies würde wohl eine (anteilige) Gegenleistungsrente unterstellen.
Der Bf. betonte, er sei in den Jahren 1968 bis 1971 als Konstrukteur in Deutschland beschäftigt gewesen und habe seinen Wohnsitz in dieser Zeit in München gehabt. Er sei dabei ausschließlich in Deutschland steuerpflichtig gewesen und habe deshalb nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit gehabt, die Beiträge an die Rentenversicherung dort als Sonderausgaben abzusetzen. In Österreich seien die Rentenzahlungen deshalb ohne die in Deutschland steuerfreien Bezugsanteile in Ansatz zu bringen.
Die Rechtswidrigkeit der bekämpften Bescheide begründete der Bf. daneben mit der Verletzung des Parteiengehörs, mit einer mangelhaften Begründung und mit einem mangelhaften Ermittlungsverfahren.
Unbestritten ist, dass dem Bf. eine Pension der „Deutschen Rentenversicherung Bund“ (DRV) zufloss, die auf gesetzlichen Pflichtbeiträgen beruht. Von ihr wurden in Österreich entsprechende Krankenversicherungsbeiträge an die Pensionsversicherungsanstalt abgeführt.
Strittig ist nur die Höhe, mit der diese Zuflüsse im Wege des Progressionsvorbehaltes in Ansatz zu bringen sind.
3. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
DBAs entfalten eine Schrankenwirkung bloß insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob und in welcher Höhe überhaupt Steuerpflicht besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist erst in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (vgl. mwN).
Die Einkommensteuerpflicht des Bf. erstreckt sich aufgrund seines inländischen Wohnsitzes auf alle in- und ausländischen Einkünfte (§ 1 Abs. 2 EStG 1988), soweit diese nicht durch die Schrankenwirkung eines DBAs (Doppelbesteuerungsabkommens) eingeschränkt und die Einkünfte von der Besteuerung ausgenommen wurden (vgl. ). Ist dies der Fall, gebietet es der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, dass sich der Steuersatz trotzdem nach dem (Gesamt)Einkommen bemisst. Dies bildet die innerstaatliche Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt (vgl. unter Hinweis auf und Widhalm in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung). Diese Regel gilt nur dann nicht, wenn ein DBA die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts verbietet. Eine den Progressionsvorbehalt einräumende Bestimmung in einem DBA hat lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. unter Hinweis auf BFH , I R 63/00 und BFH , I B 60/08).
Bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das Gesamteinkommen ermittelt. Dabei sind – auch für die ausländischen Einkünfte - die Vorschriften des österreichischen EStG maßgebend. Nach Ermittlung der auf dieses Gesamteinkommen entfallenden österreichischen Einkommenssteuer wird sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser wird zuletzt – unter Außerachtlassung der ausländischen Einkünfte - auf den Einkommensteil angewandt, der von Österreich besteuert werden darf (vgl. mwN).
3.1. Besteuerung von Ruhebezügen in Österreich
Das österreichische Einkommensteuergesetz (kurz EStG 1988) regelt die Besteuerung in- und ausländischer Ruhebezüge wie folgt (§ 25 Abs. 1 Z 3 EStG 1988), was schon in , ausführlich dargestellt wurde:
Gem. lit. a sind Pensionen aus der österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Besondere Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung in der Pensionsversicherung bzw. Höherversicherungspensionen sind dabei nur mit 25% der Bezüge zu erfassen. Soweit besondere Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung in der Pensionsversicherung aber auf Beiträgen beruhen, die im Zeitpunkt der Leistung als Pflichtbeiträge abzugsfähig waren, sind sie zur Gänze zu erfassen. Nur soweit für Pensionsbeiträge eine Prämie nach § 108a in Anspruch genommen worden ist, sind die auf diese Beiträge entfallenden Pensionen zur Gänze steuerfrei.
Bei ausländischen Ruhebezügen kennt das Gesetz diese Unterscheidung nicht (lit. c):
Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, sind (zur Gänze) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Unstrittig ist im konkreten Fall, dass es sich bei der entscheidungsrelevanten Rente um eine deutsche gesetzliche Altersrente handelt. Die DRV stellt sich auf ihrer Web-Site (www.deutsche-rentenversicherung.de) selbst als Zusammenschluss der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger dar, der die gesetzliche Rentenversicherung als Gesamtheit vertritt.
Bereits 1997 stellte der VwGH im Rahmen der Beurteilung einer Altersrente der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte () folgende Regeln auf:
Nur solche Pensionen aus einer ausländischen Sozialversicherung dürfen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst werden, die auf Pflichtbeiträge zurückzuführen sind. Die sind nämlich nach österreichischem Recht gemäß § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. f EStG 1988 als Werbungskosten abzugsfähig.
Auf freiwillige Beiträge zurückzuführende ausländische Pensionen führen zu Sonstigen Einkünften. Bei ihnen stellt die Besteuerung nach § 29 Z 1 dritter Satz EStG 1988 sicher, dass ein Steuerpflichtiger im Rahmen des Pensionsbezuges nicht den Rückfluss jener Beträge als Einkommen zu versteuern hat, die er ohne Möglichkeit auf entsprechende einkommensmindernde Berücksichtigung in die Pensionsversicherung eingezahlt hat.
Diese Einschätzung wird von der Literatur uneingeschränkt geteilt (vgl. Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG12, § 25 Tz 64 und § 29 Tz 20):
Eine ausländische Sozialversicherung entspricht damit dann einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung, wenn zumindest grundsätzlich eine Pflichtversicherung mit Pflichtbeiträgen vorliegt, und diese Pflichtbeiträge gemäß der österreichischen Rechtslage als Werbungskosten abzugsfähig wären (vgl. ; , 2002/14/0097; , 2005/14/0099; so auch ).
Pensionszahlungen auf Grund freiwillig entrichteter Beiträge zu einer ausländischen Sozialversicherung gelten im Hinblick auf ihre Freiwilligkeit nicht als vergleichbar und sind daher nicht als nichtselbständige Einkünfte, sondern nach den Regeln des § 29 Z 1 EStG 1988 als wiederkehrende Bezüge (Sonstige Einkünfte) zu erfassen (vgl. , 96/15/0234; , 2002/14/0097; , 2005/14/0099).
Damit geht es für die Einbeziehung der DRV-Rente in das österreichische Besteuerungssystem um die Prüfung, ob die Rente aus einer Pflichtversicherung mit Pflichtbeiträgen stammt, die nach der österreichischen Rechtslage im Auszahlungsjahr als Werbungskosten abzugsfähig wären, oder ob die Beiträge freiwillig geleistet wurden.
Diese Beurteilung erfordert zwar Feststellungen, ob die geleisteten ausländischen Versicherungsbeiträge ihrer Art nach aufgrund der in den Streitjahren geltenden Rechtslage in voller Höhe einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten, es kommt aber nicht darauf an, ob die Beiträge in den Jahren der Beitragszahlung tatsächlich einkommensmindernd zu berücksichtigen waren oder berücksichtigt worden sind ().
In Österreich voll einkommensmindernd wirksam sind Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht. (§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988). Auch hier ist für die Abgrenzung zwischen Pflichtbeiträgen (Werbungskosten) und freiwilligen Beiträgen (Sonderausgaben) nur maßgebend, ob die Beitragsleistungen Zwangscharakter haben oder ob sie auf einem freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen - insbesondere im Interesse seiner Zukunftssicherung - beruhen, der in der Außenwelt (z.B. durch Abschluss eines Vertrages oder Stellung eines Antrages) manifestiert wird (vgl. ).
Der Bf. warf der Abgabenbehörde vor, diese Prüfung unterlassen zu haben. Dies geht allerdings hier schon deshalb ins Leere, weil er in der mündlichen Verhandlung selbst bestätigte, dass es sich bei den Rentenbeiträgen um Beiträge gehandelt hat, die im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung verpflichtend zu leisten waren. Er hielt dem nur die Darstellung der deutschen Besteuerung entgegen, die aber keine Auswirkung auf das österreichische Besteuerungssystem hat.
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Ritz, BAO4, § 167 Tz 8 mit vielen weiteren Nachweisen).
In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen und zu subsumieren:
Der Anspruch auf die strittige Rente basiert ohne jeden Zweifel auf der Zahlung von Pflichtbeiträgen zur deutschen gesetzlichen Sozialversicherung (DRV). Diese Zahlungen wären in Österreich gem. § 16 Abs. 1 Abs. 4 lit. f EStG 1988 in unbeschränkter Höhe als Werbungskosten abzugsfähig gewesen. Die ausbezahlten Renten stellen damit in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988) dar.
Entgegen der Ansicht der Bf. hat für diese Würdigung unberücksichtigt zu bleiben, wie solche Renten und Beiträge im Ausland (hier in Deutschland) in der Vergangenheit besteuert wurden, hätten werden sollen oder heute werden. Die Subsumtion unter gesetzliche Begriffe hat ausschließlich nach innerstaatlichen Regeln zu erfolgen (Art. 3 Abs. 2 DBA-D) und ist unabhängig von der Behandlung im Ausland.
Dazu kommt, dass die frühere Besteuerung eines nur sehr geringen prozentuellen (Ertrags)Anteils der Renten in Deutschland vom deutschen Bundesverfassungsgericht schon 2002 im Kern als verfassungswidrig beurteilt wurde (BVerfG , 2 BvL 17/99), weil dies zu günstig war. Dieser Prozentsatz berücksichtigte nur, dass die gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer in Deutschland unter Umständen zum Teil aus versteuertem Einkommen geleistet wurden, weil sie (zusammen mit privaten Kranken-, Lebens-, Haftpflicht- und Unfallversicherungen) nur bis zu einer gewissen Obergrenze als Sonderausgaben abziehbar waren. Zuwenig Bedacht nahm diese Regelung nach der deutschen höchstgerichtlichen Rechtsprechung aber darauf, dass die Rentenzahlungen nicht allein auf eigenen Beiträgen beruhen, sondern nicht unerheblich auf einen unbesteuerten Arbeitgeberanteil (§ 3 Nr. 62 dEStG) und auf einen Bundeszuschuss zurückzuführen sind. Eine allfällige Erwartung des weitgehend unbesteuerten Zuflusses von Rentenzahlungen basierte deshalb auf der ursprünglich verfassungswidrigen deutschen Rechtslage (Die Sanierung und Herstellung des verfassungskonformen Zustandes erfolgte dort beginnend mit 2005 durch das Alterseinkünftegesetz, AltEinkG; dBGBI. I S. 1427).
Die österreichische Rechtslage ist somit - entgegen dem Beschwerdevorbringen - eindeutig und wirft keine Zweifelsfragen auf. Die deutschen Rentenbezüge sind im bekämpften Bescheid ohne Abzug von steuerfreien Rententeilen („Rentenfreibetrag“) in Ansatz zu bringen.
3.2. DBA
Damit bleibt nur noch zu prüfen, wem das Besteuerungsrecht zusteht, und damit, ob die Renten in Österreich zu besteuern sind oder hier nur die Progression beeinflussen dürfen. Auch hier ist die Rechtslage aufgrund des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl. III Nr. 182/2002; kurz DBA-D) eindeutig:
Art. 18 DBA-D lautet auszugweise:
(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.
(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.
(3)…
(4) Der Begriff “Rente” bedeutet bestimmte Beträge, die regelmäßig zu festgesetzten Zeitpunkten lebenslänglich oder während eines bestimmten oder bestimmbaren Zeitabschnitts auf Grund einer Verpflichtung zahlbar sind, die diese Zahlungen als Gegenleistung für in Geld oder Geldeswert bewirkte angemessene Leistung vorsieht.
(5) …
Art. 23 DBA-D lautet auszugweise:
(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:
a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.
b) …
c) …
d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.
Vom VwGH wurde dazu grundsätzlich ausgesprochen, dass aus Deutschland bezogene Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Z 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (BGBl. 221/1955; kurz DBA-D alt) sind, sodass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat zukommt (). Für solche Bezüge kommt Österreich kein Besteuerungsrecht zu (Art. 15 Abs. 3 DBA-D alt), sie unterliegen aber hier (im Ansässigkeitsstaat) dem vollen Progressionsvorbehalt (Art. 15 Abs. 1 DBA-alt). Dies gilt auch für die aktuelle DBA-Rechtslage (vgl. ).
Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen also nur in diesem anderen Staat besteuert werden (Art. 18 Abs. 2 DBA-D). Bezüge aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung werden folglich in Österreich von der Besteuerung ausgenommen (Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA-D), sie sind aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der in Österreich ansässigen Person einzubeziehen („Progressionsvorbehalt“; Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-D).
Im Rahmen des Progressionsvorbehaltes wird eine solche Rente in voller Höhe berücksichtigt (vgl. ), was auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt (vgl. dazu auch Schilcher, ecolex 2007, 208 und Weninger, SWI 2007, 289).
Damit sind die deutschen Renteneinkünfte in Deutschland (nach den dortigen Regeln) zu besteuern und in Österreich nach innerstaatlichem Recht dem Progressionsvorbehalt ohne Abzüge zu unterziehen, was in den bekämpften Bescheiden rechtsrichtig umgesetzt wurde.
3.3. Beschwerdevorentscheidungen
Beschwerdevorentscheidungen treten in jeder Hinsicht an die Stelle der mit Beschwerde bekämpften Erstbescheide. Letztere verlieren dadurch jede selbständige rechtliche Wirkung nach außen (vgl. unter Hinweis auf ).
Gem. § 264 Abs. 3 BAO gilt eine Bescheidbeschwerde zwar von der rechtzeitigen Einbringung des Vorlageantrages an wiederum als unerledigt, die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird dadurch jedoch nicht berührt.
Erst durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts scheidet auch sie aus dem Rechtsbestand aus und wird vollinhaltlich ersetzt (so im Ergebnis auch ). Will damit das Bundesfinanzgericht den Spruch der Beschwerdevorentscheidung bestätigen, ist dies klar zum Ausdruck zu bringen. Das ist hier der Fall.
3.4. Weitere Verfahrensmängel
Der Bf. rügte daneben die Verletzung des Parteiengehörs, eine mangelhafte Begründung der Erledigungen des Finanzamtes und ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren.
All diese Mängel können – soweit sie tatsächlich vorlagen – im Beschwerdeverfahren saniert werden. Dass dies hier der Fall ist, leuchtet schon aus der Durchführung der mündlichen Verhandlung mit umfassender Äußerungsmöglichkeit des Bf., der Begründung dieses Erkenntnisses und der Aktenlage hervor. Die Rüge geht deshalb ins Leere.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 29 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 3 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 18 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 23 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 |
Verweise | BFH , I R 63/00 BFH , I B 60/08 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100467.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at