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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.12.2011, RV/2967-W/11

Kein Verlängerungstatbestand "langes Studium", wenn das Studium erst im 20. Lebensjahr begonnen werden konnte

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., X., gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt betreffend Familienbeihilfe ab entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) bezieht für ihre Tochter S. laufend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge. Die Tochter ist im November 1989 geboren und vollendet daher im November 2013 ihr 24. Lebensjahr.

Die Tochter bestand im Schuljahr 2008/09 die Reife- und Diplomprüfung an einer Bundeshandelsakademie. Im Wintersemester 2009/10 inskribierte sie an der WU Wien mit dem Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und gleichzeitig an der Uni Wien mit dem Bachelorstudium Biologie. Beide Studien wurden mit Ende Sommersemester 2011 abgebrochen.

Im Oktober 2010 begann S. an der BOKU Wien mit dem Bachelorstudium Umwelt- und Bio-Ressourcenmanagement.

Die Bw. stellte am einen Antrag auf Verlängerung der Gewährung der Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr. Als Grund hierfür gab sie im Formular "Langes Studium" an.

Das Finanzamt wies den Antrag der Bw. mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass das Studium nicht in dem Kalenderjahr begonnen worden sei, in dem die Tochter das 19. Lebensjahr vollendet habe. Somit bestehe über das 24. Lebensjahr hinaus kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Die Bw. erhob gegen den Abweisungsbescheid fristgerecht Berufung und führte Folgendes aus:

"Die Berufung wird eingebracht, da meine Tochter durch ihr spätes Geburtsdatum ... erst im Jahre 1996 in die erste Klasse der Volksschule... eintreten konnte. Ab dem Jahre 2000 besuchte sie das Bundesgymnasium ... Von 2004 bis 2009 absolvierte sie die Handelsakademie...Dadurch konnte sie erst die Matura in dem Jahr ablegen, wo sie ihr 20. Lebensjahr vollendet hat. Da sie kein Schuljahr wiederholen musste und das österreichische Schulgesetz im Normalfall keine kürzere Schulzeit zulässt, ersuche ich Sie, meiner Berufung stattzugeben."

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums ist nach § 2 Abs. 1 lit. j Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) nur dann möglich, wenn das Kind das Studium bis zu dem Kalenderjahr, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet hat, begonnen hat und die gesetzliche Studiendauer bis zum ehestmöglichen Abschluss mindestens zehn Semester beträgt und die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.

Da Ihre Tochter sowohl das Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der WU Wien als auch das Studium Bachelor Biologie an der Uni Wien erst im 10/2009 begonnen hat, ist eine Verlängerung der Familienbeihilfe bis zur Beendigung des 25. Lebensjahres nicht möglich..."

Die Bw. stellte fristgerecht einen Vorlageantrag. Zur Begründung führte sie aus, dass in der Berufungsvorentscheidung nicht auf die Tatsache eingegangen worden sei, dass ihre Tochter erst in die Schule eintrat, als sie im 7. Lebensjahr war. Dadurch hätte sie zum frühesten Zeitpunkt die Matura erst in ihrem 20. Lebensjahr ablegen und mit dem Studium beginnen können.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Gesetzliche Bestimmungen

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl. I 111/2010) wurde die Altersgrenze in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, bis zu der bei Vorliegen einer Berufsausbildung Familienbeihilfe bezogen werden kann, ab vom 26. auf das 24. Lebensjahr herabgesetzt. Der Verfassungsgerichtshof hat dies im Erkenntnis G 6/11, als verfassungskonform angesehen.

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 1 lit. j und k FLAG 1967 zwei weitere Verlängerungstatbestände bis zum 25. Lebensjahr geschaffen. Nach der hier interessierenden Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

"j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird."

2. Feststehender Sachverhalt

Die Tochter der Bw. ist im November 1989 geboren. Sie hat aufgrund ihres späten Geburtsdatums erst mit sieben Jahren in die erste Klasse der Volksschule eintreten können. Sie hat daher die Matura erst in dem Jahr abgelegt, in dem sie ihr 20. Lebensjahr vollendet hat.

Die gesetzliche Studiendauer der von der Tochter gewählten Studien beträgt nicht zehn oder mehr Semester.

3. Rechtlich folgt daraus:

Festgehalten sei zunächst, dass die sublit aa) bis cc) des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 durch "und" verbunden sind. Dies bedeutet somit, dass die darin normierten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.

Die Tochter der Bw. hat weder vor dem 19. Lebensjahr mit dem Studium begonnen noch hat die gesetzliche Studiendauer zehn oder mehr Semester betragen. Der Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 liegt daher nicht vor.

Der Umstand, dass die Tochter der Bw. - bedingt durch ihr spätes Geburtsdatum und die Absolvierung einer Bundeshandelsakademie - ihr Studium erst in dem Jahr beginnen konnte, in dem sie ihr 20. Lebensjahr vollendet hat, stellt keinen gesetzlichen Verlängerungsgrund dar.

Dass weitere mögliche gesetzliche Verlängerungstatbestände vorliegen (Absolvierung des Ausbildungsdienstes, freiwillige soziale Hilfstätigkeit, Mutterschaft/Schwangerschaft), hat die Bw. nicht vorgebracht. Auch aus der gesamten Aktenlage ergibt sich hierfür kein Hinweis, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Darauf hingewiesen wird, dass der angefochtene Bescheid nur insoweit fortwirkt, als sich danach die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat (sh. zB ). Sollte also nachträglich ein Verlängerungstatbestand eintreten (zB die Tochter übt eine freiwillige soziale Hilfstätigkeit aus), steht der Bescheid einer neuerlichen Antragstellung nicht entgegen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
G 6/11

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at