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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.11.2012, RV/2973-W/12

Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung mit BBG 2011 ab 02/2011

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., 1xxx Wien, M-Gasse, vertreten durch Kommunal Control-Revisions, Consulting und Steuerberatungs GmbH, 1040 Wien, Trappelgasse 4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Energieabgabenvergütung 2011 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Vergütung sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (im Folgenden mit Bw. bezeichnet) erbringt als Dienstleistungsbetrieb Generalunternehmerleistungen im Baugewerbe.

Mit Antrag vom ersuchte die Bw. um Vergütung der Energieabgaben für das Jahr 2011 in Höhe von € 9.758,47.

Mit Abweisungsbescheid vom wurde der Antrag der Bw. auf Vergütung der Energieabgaben für das Jahr 2011 mit der Begründung abgewiesen, dass für Antragszeiträume nach dem eine Energieabgabenvergütung nur noch für Betriebe zulässig sei, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe. Für sog. "Dienstleistungsbetriebe" sei die Energieabgabenvergütung für Zeiträume nach dem somit ausgeschlossen. Nach § 4 Abs. 7 ENAVG seien diese Änderungen vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden. Die schriftliche Ausfertigung der Genehmigung der Gesetzesänderung durch die Europäische Kommission sei im Amtsblatt der EU vom , ABl C 288/21 erfolgt.

Gegen den vorstehenden Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht berufen und eine erklärungskonforme Festsetzung der Energieabgabenvergütung für das Jahr 2011 beantragt.

Nach Ausführungen der Bw. werde der Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung ab 2011 als unions- und verfassungswidrig erachtet. Wegen unsachlicher Diskriminierung und wegen Verletzung des Gleichheitssatzes werde eine Beschwerde an den VfGH angestrebt.

Mit Eingabe vom übermittelte die Bw. eine aliquote Berechnung der Energieabgabenvergütung für den Zeitraum Jänner 2011, derzufolge hinsichtlich der Energieabgabenvergütung 2011 eine Vergütung in Höhe von € 1.319,05 beantragt werde.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 ENAVG 1996 idF BGBl I 92/2004 sind die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs. 3 genannten Energieträger für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5 % des Unterschiedsbetrages zwischen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
2.
Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die an das Unternehmen erbracht werden,

übersteigen (Nettoproduktionswert).

Ein Anspruch auf Vergütung besteht gemäß § 2 Abs. 1 ENAVG 1996 idF BGBl I 111/2010 nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

Über Antrag des Vergütungsberechtigten wird nach Abs. 2 leg.cit. je Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr der Betrag vergütet, der den in § 1 genannten Anteil am Nettoproduktionswert übersteigt. Der Antrag hat die im Betrieb verbrauchte Menge an den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern und die in § 1 genannten Beträge zu enthalten. Er ist spätestens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Vorliegen der Voraussetzungen für die Vergütung zu stellen. Der Antrag gilt als Steuererklärung. Der Antrag ist mit Bescheid zu erledigen und hat den Vergütungsbetrag in einer Summe auszuweisen.

Bei der Berechnung des Vergütungsbetrages gilt nach § 2 Abs. 2 Z 2 ENAVG 1996 entweder die Grenze von 0,5% des Nettoproduktionswertes oder die folgenden Selbstbehalte, wobei der niedrigere Betrag gutgeschrieben wird:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
für elektrische Energie 0,0005 €/kWh
-
für Erdgas der Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Nomenklatur 0,00598 €/Normkubikmeter
-
für Kohle der Positionen 2701, 2702, 2704, 2713 und 2714 der Kombinierten Nomenklatur 0,15 €/Gigajoule
-
für Heizöl Extraleicht (gekennzeichnetes Gasöl Unterpositionen 2710 19 41, 2710 19 45, 2710 19 49 der Kombinierten Nomenklatur) 21 €/1000 Liter
-
für Heizöl leicht, mittel, schwer (Unterpositionen 2710 19 61, 2710 19 63, 2710 19 65, 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur) 15 €/1000 kg
-
für Flüssiggas (Unterpositionen 2711 12, 2711 13, 2711 14, 2711 19 der Kombinierten Nomenklatur) 7,5 €/1000 kg.

Der Vergütungsbetrag wird abzüglich eines allgemeinen Selbstbehaltes von 400 € gutgeschrieben.

Gemäß § 4 Abs. 7 ENAVG 1996 idF BGBl I 111/2010 sind die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I 111/2010, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsbeträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.

Nach Auffassung der Bw. widerspreche die Gewährung der Energieabgabenvergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe, dem Gleichheitsgrundsatz, der ebenso in der EU-Verfassung verankert sei. Die Gewährung der Energieabgabenvergütung sei demnach Gleichheitswidrig und EU-widrig.

1. Energieabgabenvergütung für den Zeitraum Jänner 2011:

Dass die Einschränkung der Vergütung auf Produktionsbetriebe eine staatliche Beihilfe darstellt, ist nach den Erläuternden Bemerkungen zum Budgetbegleitgesetz 2011 unstrittig (vgl. EB RV 981 BlgNR XXIV. GP 141), welche für den Zeitraum bis befristet ist. Die Eigenschaft als "Beihilfe" ergibt sich insbesondere bereits aus dem , Adria-Wien-Pipeline).

Zum Zeitpunkt des Ergehens des EuGH-Urteils in der Rs C-143/99, Adria-Wien-Pipeline, gab es weder eine Energiesteuer-Richtlinie, Zl. 2003/96/EG, noch eine Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO).

Der in § 2 Abs. 1 ENAVG idF Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, vorgesehene Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung ist gemäß § 4 Abs. 7 leg.cit. vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.

Für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 7 ENAVG ergibt sich hierzu sowohl aus der Wortinterpretation als auch aus dem historischen Willen des Gesetzgebers (Materialien RV 981 Blg 24. GP, 141) eindeutig, dass die Neuregelung nur dann gelten sollte, wenn ein positiver Entscheid der Europäischen Kommission vorliegt, in Ermangelung eines solchen die bisherige Regelung jedoch weiterbestehen soll.

Der österreichische Gesetzgeber hat die Anwendbarkeit der einschränkenden Regelung daher in § 2 Abs. 1 ENAVG eindeutig von einem positiven Entscheid der Kommission abhängig gemacht. Sowohl aus der Wortinterpretation wie auch aus dem historischen Willen des Gesetzgebers ist erkennbar, dass die Neuregelung des § 2 ENAVG idF BBG 2011 nur dann gelten soll, wenn ein positiver Entscheid der Europäischen Kommission vorliegt. In Ermangelung eines positiven Entscheids der Europäischen Kommission sollte die bisherige Regelung - also eine Energieabgabenvergütung auch für Dienstleistungsbetriebe - fortbestehen (vgl. Zl. 2012/17/0175).

Nach Ansicht des VwGH ist die Europäische Kommission darüber informiert worden, dass die Beihilfe (Neuregelung durch das Budgetbegleitgesetz 2011) eine Laufzeit vom bis zum hat; diese Information ist der Kommission auch nicht vor dem übermittelt worden.

Der positive Entscheid der Europäischen Kommission für die Anwendbarkeit der einschrän-kenden Regelung ist daher für den Zeitraum bis zum wegen der erst nach dem erfolgten Anzeige nicht gegeben (vgl. Zl. 2012/17/0175).

Dementsprechend hat der UFS - beginnend mit der Entscheidung vom , GZ. RV/0188-I/12 - in einer weitaus überwiegenden Anzahl von Fällen die Ansicht vertreten, dass die Energieabgabenvergütung den Dienstleistungsbetrieben mangels Erfüllung des Gesetzesvorbehalts (zeitgerechte Genehmigung durch die Europäische Kommission) auch noch für den Monat Jänner 2011 zu gewähren ist. Gegen die zitierte Entscheidung sowie gegen eine große Anzahl von weiteren Entscheidungen des UFS wurde von den Finanzämtern Beschwerde an den VwGH erhoben. Der VwGH hat nunmehr seine - bereits am ergangene - Entscheidung zur ersten Amtsbeschwerde (betr. GZ. RV/0188-I/12) zugestellt. Die Beschwerde des Finanzamts wurde als unbegründet abgewiesen ( Zl. 2012/17/0175).

Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Energieabgabenvergütung 2011 wird daher teilweise Folge gegeben, die Energieabgabenvergütung wird für diesen Zeitraum in Höhe von € 1.319,05 festgesetzt.

2. innerstaatliche Beurteilung des § 2 Abs. 1 ENAVG idF BGBl I 111/2010:

Mit Zl. B 321/12, wurde ausgesprochen, dass die mit dem Budgetbegleitgesetz (BBG) 2011 wiedereingeführte Begünstigung der Produktionsbetriebe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Der VfGH bleibe somit bei seiner Auffassung, dass es dem Gesetzgeber freistehe, im Hinblick auf die typischerweise unterschiedliche Wettbewerbssituation im Recht der Energieabgabenvergütung zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben zu differenzieren und letztere davon auszuschließen (vgl. Zl. B 312/12).

Insbesondere wurde ausgeführt, unter dem Aspekt des internationalen Wettbewerbs sei von Bedeutung, dass energieintensive Dienstleistungsbetriebe - und nur um diese geht es - nach wie vor durch Standort- und Personengebundenheit sowie durch das Zusammenfallen von "Produktion" und "Verbrauch" gekennzeichnet sind, auch wenn es - nicht zuletzt im Hinblick auf die moderne Informationstechnologie - bei einzelnen Dienstleistungen zu einer Trennung von "Produktion" und "Verbrauch" kommen kann.

Der typische Produktionsbetrieb erzeugt demgegenüber in der Regel Güter, die global gehandelt werden (können), für den Konsumenten mit ausländischen Produkten ohne weiteres austauschbar sind (wobei die Herkunft oft nicht erkennbar ist) und bei denen daher die Produktionskosten eine entscheidende Rolle spielen. Die Beschwerde übersieht, dass der inländische Produktionsbetrieb dem internationalen Wettbewerb nicht nur dann ausgesetzt ist, wenn er selbst seine Produkte im Ausland zu verkaufen versucht, sondern auch dadurch, dass im Gefolge der Globalisierung ausländische Produkte auf dem Inlandsmarkt angeboten werden und damit in Wettbewerb zu inländischen Produkten treten (vgl. Zl. B 321/12).

Entscheidend ist, dass im Hinblick auf die grundsätzliche Wettbewerbssituation im Regelfall nach wie vor deutliche tatsächliche Unterschiede zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben bestehen (vgl. , zur Energieabgabenvergütungsregelung idF StruktAnpG 2006). Damit ist der Gesetzgeber aber berechtigt, an diese Unterscheidung in einer Durchschnittsbetrachtung auch abgabenrechtliche Konsequenzen der hier strittigen Art und Intensität zu knüpfen, eine Entlastung von Energieabgaben den Betrieben vorzubehalten, die dem internationalen Wettbewerb typischerweise anders und intensiver ausgesetzt sind als die Dienstleistungsbetriebe, und Härtefälle außer Betracht zu lassen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Energieabgabenvergütung 2011 wird daher wie folgt ermittelt:


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Bezeichnung:
Betrag:
Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG:
152.481,63
abzügl. Vorleistungen:
- 132.223,72
Nettoproduktionswert:
20.257,91
davon 0,5% NPW:
101,29
geleistete Elektrizitätsabgabe:
680,78
geleistete Erdgasabgabe:
772,89
SUMME:
1.453,67
abzügl. 0,5% NPW:
- 101,29
Differenz:
1.352,38
abzügl. Selbstbehalt:
- 33,33
Vergütungsbetrag:
1.319,05

Der - in diesem Fall nicht berücksichtigte Selbstbehalt II - würde wie folgt betragen:


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Selbstbehalt II - 01/2011:
Verbrauch:
Faktor:
Produkt:
elektrische Energie (kWh):
45.385
0,0005
22,69
Erdgas (m3):
11.652
0,00598
69,68
SUMME:
92,37

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at