Kein grobes Verschulden, wenn bei der Ermittlung der Summe der dem Finanzamt auf dem Zahlschein bekannt gegebenen Selbstbemessungsabgaben ein Rechenfehler unterläuft
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der X-GmbH, vertreten durch Jonasch-Platzer-Grant-Thornton Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, 1130 Wien, Auhofstraße 1/2/10, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem ein Antrag auf Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen gemäß § 217 Abs. 7 BAO vom abgewiesen wurde, entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben, und der Antrag vom bewilligt. Der Bescheid vom über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Am wurde die am fällige Einfuhrumsatzsteuer 08/2008 in Höhe von 14.276,98 € am Abgabenkonto eingebucht. Aufgrund eines zu diesem Zeitpunkt am Abgabenkonto bestehenden Guthabens in Höhe von 54,48 € ergab sich ein Abgabenrückstand von 14.222,50 €.
Zur Abdeckung der am fälligen Selbstbemessungsabgaben wurden mit einer per wirksamen Überweisung 189.362,05 € auf das Abgabenkonto überwiesen. Auf dem Überweisungsbeleg werden folgende Selbstbemessungsabgaben angeführt: Umsatzsteuer "08-08/09" (richtig und auch so verbucht: "08-08/08") 175.139,55 €; Lohnabgaben "09-09/08": L 30.517,02 €, DB 7.364,16 €, DZ 624,00 €.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gemäß § 217 BAO folgende Säumniszuschläge fest:
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Abgabe | Frist | Betrag in €
| Säumniszuschlag in €
| |
Einfuhrumsatzsteuer | 08/2008 | 14.222,50 | 284,45 | |
Lohnsteuer | 09/2008 | 16.294,52 | 325,89 | |
Dienstgeberbeitrag | 09/2008 | 7.364,16 | 147,28 |
In einem Antrag auf Herabsetzung bzw. Erlassung der Säumniszuschläge vom führte die Berufungswerberin aus, dass ihr am bei der Zahlung der Abgaben ein bedauerlicher Fehler unterlaufen sei. Auf dem Zahlschein wären zwar im Textfeld die Beträge für die Selbstbemessungsabgaben eingetragen worden, im Betragsfeld (Überweisungsbetrag) sei aber lediglich der "U-Betrag" eingesetzt worden. Wegen der Hektik im Zuge der Jahresabschlussarbeiten (das Wirtschaftsjahr ende mit 30.9.) und der bevorstehenden Übersiedlung sei dieser Fehler leider erst bei der Verbuchung der Zahlung aufgefallen. Am sei der fehlende Betrag von 38.505,18 € sofort einbezahlt worden. Da offensichtlich kein grobes Verschulden vorliege, und die Abgaben immer pünktlich bezahlt würden, werde ersucht, von der Festsetzung des Säumniszuschlages abzusehen.
Das Finanzamt wies diesen auf § 217 Abs. 7 BAO gestützten Antrag mit Bescheid vom ab. Darin wurde zwar allgemein ausgeführt, wann von einem minderen Grad des Versehens auszugehen sei bzw. in welchen Fällen ein darüber hinausgehendes Verschulden vorliege, ohne jedoch konkret und unter Bezugnahme auf das von der Berufungswerberin im gegenständlichen Antrag erstattete Vorbringen zu begründen, warum entgegen der Ansicht der Antragstellerin diese im vorliegenden Fall ein grobes Verschulden an der Säumnis treffe.
In der gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass zum relevanten Fälligkeitstermin () eine Überweisung durchgeführt worden wäre. Dabei sei es aber zu einem bedauerlichen Versehen gekommen. Auf dem Erlagschein seien die zum fälligen Selbstbemessungsabgaben zwar richtig angeführt worden, leider habe sich aber bei der Bildung der Summe ein Rechenirrtum ergeben. Zu der angeführten Umsatzsteuer 08/2008 sei noch der zum Zahlungszeitpunkt offene Tagessaldo am Abgabenkonto von 14.222.50 (fällig ebenfalls am ) hinzugerechnet worden. Daraus ergebe sich eine Summe von 189.362,05 €, die dann als Zahlungsbetrag eingesetzt worden sei. Bei der Bildung der Summe (Addition) seien also die fälligen Lohnabgaben versehentlich nicht hinzugezählt worden, obwohl die abzuführenden Beträge richtig am Erlagschein erfasst seien. Dieser Rechenirrtum sei im Lichte des vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelungszweckes wohl unzweifelhaft als minderer Grad eines Versehens einzustufen. Eine fehlende Vormerkung des Fälligkeitszeitpunktes liege auch nicht vor, da ja zum Fälligkeitszeitpunkt eine - wenngleich wegen des Rechenfehlers zu geringe - Zahlung erfolgt sei. Dass einen Rechenfehler auch ein sehr sorgfältiger Mensch begehen könne, werde in der BAO in deren § 293 belegt. Nach dieser Bestimmung könne die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten beseitigen. Der Gesetzgeber gehe also selbst davon aus, dass Rechenfehler Ereignisse seien, die jedem Menschen und damit sowohl einer Abgabenbehörde als auch einem Abgabepflichtigen passieren können. Damit werde aber auch klar, dass Rechenfehler in der Regel nicht mit einem groben Verschulden gleichgesetzt werden können. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände könne somit keinesfalls von einem groben Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO gesprochen werden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten.
Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).
Grobes Verschulden im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit (minderer Grad des Versehens im Sinne des § 308 Abs. 1 zweiter Satz BAO) zu qualifizieren ist. Eine lediglich leichte Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (Ritz, BAO³, § 217 Tz 43 f).
Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. Dies wird in der Rechtsprechung auch mit extremem Abweichen von der gebotenen Sorgfalt umschrieben, das subjektiv auch in diesem Maße vorwerfbar ist. Es muss also eine ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung vorliegen (Ritz, Herabsetzung und Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen, SWK 10/2001, S 337, mit Judikaturnachweisen).
Davon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden, da das in der Berufung dargestellte Versehen ein solches ist, das selbst einem sorgfältigen Menschen in der beschriebenen Situation unterlaufen kann (vgl. betreffend einen Schreib- bzw. Tippfehler bei der Überweisung von Abgaben; betreffend einen Eingabefehler im Zuge einer Telebanking-Überweisung; ebenso ). Für diese Rechtsansicht spricht auch der Hinweis der Berufungswerberin auf die Bestimmung des § 293 BAO, die Rechenfehler und andere und auf einem ähnlichen "Versehen" beruhende Unrichtigkeiten gleichsetzt. Im Rahmen des § 293 BAO ist zwar keine Prüfung des Verschuldensgrades anzustellen, dennoch wären derartige "Versehen" im Regelfall nur als leichte Fahrlässigkeiten zu werten. Schließlich war zu beachten, dass der Berufungswerberin ein derartiges Versehen erst- bzw. einmalig unterlaufen ist.
Unter Berücksichtigung aller Umstände traf die Berufungswerberin an der Säumnis kein grobes Verschulden, und lagen daher die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO vor. In diesem Fall sind die Säumniszuschläge herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, da die genannte Bestimmung der Abgabenbehörde kein Ermessen einräumt.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at