Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 BAO innerhalb der Frist des § 304 lit. b BAO idF JStG 2018, BGBl. I 2018/62
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache BF als Erben nach Bf., vertreten durch die Rabel & Partner GmbH Wirtschafts- prüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Hallerschloßstraße 1, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Spittal Villach, vertreten durch Mag.a Marieta Schönsleben, vom , mit dem ein Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom zurückgeweisen worden ist und vom , mit dem ein Antrag auf Bewilligung der Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer 2005 gemäß § 212a BAO zurückgewiesen worden ist, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Vorhalt vom brachte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt Folgendes zur Kenntnis:
"A.) Beschwerde gegen den Bescheid vom , mit dem ein Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom als unzulässig zurückgewiesen worden ist
1.) Mit Bescheid vom wurde der (noch an Herrn Bf. ergangene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom ) gemäß § 295 Abs. 1 BAO berichtigt. Die Berichtigung erfolgte auf Grund einer Erledigung des Finanzamtes Graz Stadt vom zu St.Nr. 1 (A und atypisch stille Gesellschaft).
2.) Mit Beschluss vom , GZ. RV/4100854/2012, hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen diese Erledigung des Finanzamtes Graz – Stadt als unzulässig zurückgewiesen, da die Erledigung mangels gesetzmäßiger Adressatenbezeichnung keine Bescheidqualität erlangt hat.
3.) Mit Antrag vom , beim Finanzamt eingelangt am (Postaufgabe ), wurde daher beantragt, den gemäß § 295 Abs. 1 ergangenen berichtigten Einkommensteuerbescheid (weil auf einem Nichtbescheid beruhend) nach § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben. Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom als verspätet zurück. Begründet wurde dies wie folgt:
„ § 295 Abs. 4 BAO idF VwG-Anpassungsgetz lautet ab :
Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines
- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines
- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmeanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen.
§ 304 BAO idF VFwGG 2012 ab lautet:
Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.
Die im § 295 Abs. 4 BAO normierte Antragsfristbegrenzung durch die Fristsetzung(en) gemäß § 304 BAO bezieht sich auf die Erlassung des abgeleiteten (nach § 295 Abs. 1 BAO abgeänderten) Bescheides. Der geänderte Abgabenbescheid ist aufzuheben, sofern der Antrag fristgerecht gestellt wurde.“
Das Finanzamt ist bei Erlassung des streitgegenständlichen Zurückweisungsbescheides somit (wie eine Übersicht im Akt zu entnehmen ist) davon ausgegangen, dass einer Bescheidaufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO die Antragstellung erst nach Eintritt der Verjährung entgegensteht:
Nunmehr ist (durch das Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 2018/62) mit Wirksamkeit ab (siehe § 323 Abs. 56 BAO) nach Eintritt der Verjährung gemäß § 304 lit. b BAO eine Wiederaufnahme des Verfahrens (und demnach auch eine Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO) zulässig, wenn sie innerhalb von 3 Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.
Diese Änderung des § 304 BAO begründen die Erläuterung zur Vorlage zum Jahressteuergesetz 2018 ( 190 der Beilagen XXVI. GP) wie folgt:
„Zu Z 15, Z 25 und Z 26 (§ 209a Abs. 2, §304 und § 323 Abs. 56):
Der Verfassungsgerichtshof hat die geltende Fassung des § 304 BAO (in der Fassung des BGBl. I Nr. 14/2013) mit Ablauf des wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben (, G 286/2017). Als unsachlich hat der Verfassungsgerichtshof vor allem die Tatsache gewertet, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung nur dann zulässig ist, wenn der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor Eintritt der Verjährung eingebracht worden ist. In Folge der Maßgeblichkeit der Verjährungsfrist für die Möglichkeit einer Wiederaufnahme wäre es in vielen Fällen nicht mehr möglich, nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erwirken. Etwa dann, wenn die Abgabenbehörde den Bescheid erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erlässt (Rn 23).
Um den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes Rechnung zu tragen, soll ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht wie bisher nur bis zum Eintritt der Verjährung möglich sein, sondern auch innerhalb von drei Jahren ab der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides.
Daher ist in Zukunft selbst dann, wenn die Abgabenbehörde den Bescheid erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erlassen hat, ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens möglich. Im Sinne der Beibehaltung der Harmonisierung der Beschränkungen der amtswegigen und der auf Antrag erfolgenden Wiederaufnahme wird auch die amtswegige Wiederaufnahme innerhalb der neu geschaffenen Drei-Jahres-Frist ermöglicht.
…
Die Neufassungen der §§ 209a Abs. 2 BAO und 304 BAO treten mit in Kraft (§ 323 Abs. 56), gleichzeitig tritt die Aufhebung des § 304 BAO in der Fassung des BGBl. I Nr. 14/2013 durch den Verfassungsgerichtshof in Kraft.“
Da § 304 lit. b eine Verfahrensbestimmung ist, gilt die mit in Kraft getretene Neufassung auch für das gegenständliche Verfahren (siehe beispielsweise BFG RV/7101457/2013, Stoll, BAO Kommentar Band 1, Seite 62, 3. Absatz) und ist demnach eine Bescheidaufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO zulässig, wenn ein entsprechender Antrag innerhalb von 3 Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides gestellt wird.
Im gegenständlichen Fall ist der das Verfahren abschließenden Bescheid (gemäß § 295 Abs. 1 BAO berichtigter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005) am ausgefertigt worden. Der Antrag auf Aufhebung des Bescheides wurde am zur Post gegeben, und ist somit nach der anzuwendenden Neufassung des §§ 304 lit. BAO in jedem Fall als rechtzeitig eingebracht anzusehen.
Die Zurückweisung des Antrages vom erfolgte demnach zu Unrecht und wird der diesbezügliche Bescheid vom daher (vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis) ersatzlos aufzuheben sein (zur Aufhebung vgl. beispielsweise , wonach im Falle der zu Unrecht erfolgten Zurückweisung der Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufzuheben ist).
In weiter Folge wird das Finanzamt dann über den gestellten Aufhebungsantrag inhaltlich abzusprechen haben.
B.) Beschwerde gegen den Bescheid vom , mit dem ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung (betreffend Einkommensteuer 2005 und Anspruchszinsen) als unzulässig zurückgewiesen worden ist
Als Folge der vom Finanzamt vertretenen Rechtsansicht, dass der gemäß § 295 Abs. 1 BAO berichtigter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom einer Aufhebung nicht (mehr) zugänglich sei, und somit ein entsprechender Abgabenbeschied nicht mehr ergehen könne, wurde der oben angesprochene Aussetzungsantrag (unter Hinweis auf Ritz, BAO5 § 2012a Tz 4) ebenfalls zurückgewiesen.
In Konsequenz der – wie oben unter Punkt A.) dargestellt – zu erfolgenden Aufhebung des Zurückweisungsbescheides wird auch der Zurückweisungsbescheid betreffend den Antrag auf Aussetzung der Einhebung aufzuheben sein.
Um Stellungnahme wird ersucht."
Das Finanzamt gab dem Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom bekannt, dass es die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes teile.
Als Folge dessen nahmen die BF mit Schreiben vom die gestellten Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs. 2 BAO sowie auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Wie den Ausführungen im obigen Vorhalt zu entnehmen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die vorliegenden Entscheidung gründet sich auf den eindeutigen Gesetzesworlaut des § 304 lit. b BAO idF BGBl. I 2018/62 und war daher die Revision nicht zuzulassen.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Antrag auf Bescheidaufhebung |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100211.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at