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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.08.2019, RV/7100300/2018

Erhöhte Familienbeihilfe bei Nichtvorliegen einer Bescheinigung der Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr im erstinstanzlichen Verfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Ri in der Beschwerdesache VN NN, Straße-Nr, 1160 Wien, vertreten durch Dr. VN-RA NN-RA, Rechtsanwältin, Straße-RA, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab Oktober 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Antrag vom stellte VN NN, in der Folge mit Bf. bezeichnet, einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für sich selbst. Als Grund wurde das Vorliegen einer erheblichen Behinderung aufgrund von Angstzuständen, Depressionen, Sozialphobie, Zwangsgedanken, einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung und eine Benzodiazepinabhängigkeit angeführt.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag ab Oktober 2015 ab und verwies auf die im Zuge der Erledigung vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellte Bescheinigung vom über das Ausmaß der Behinderung.

Dagegen erhob der Bf., vertreten durch Dr. VN-RA NN-RA, Rechtsanwältin, Beschwerde. In dieser wurde begründend ausgeführt, der Bf. sei aufgrund seines körperlichen Zustandes und der festgestellten Behinderung außer Stande, sich selbst Unterhalt zu verschaffen. Ihm sei ein Behinderungsgrad von 50% diagnostiziert und mit Bescheid festgestellt worden. Er sei außerstande, sich selbst zu versorgen, benötige Hilfe bei der Bewältigung alltäglicher Probleme, wie zB zum Arzt oder zu Behörden gehen, auch beim Einkaufen sei eine Begleitung nötig. Er leide an einer chronifizierten Angststörung, rezidivierenden depressiven Störung und Persönlichkeitsstörung und sei suizidgefährdet. Er stehe in ständiger psychotherapeutischer Behandlung und werde durch den Verein VEREINSNAME betreut. Das bereits im Verfahren eingeholte Gutachten zur Einschätzung bestätige, dass der Grad der Behinderung des Bf. 50% betrage und auch eine Änderung dieses Zustandes nicht eintreten werde. Ebenfalls werde bestätigt, dass der Bf. dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dem Abweisungsbescheid sei nicht zu entnehmen, weswegen eine Abweisung des Antrages des Bf. erfolgt sei. Eine Begründung fehle, der Bescheid begnüge sich mit der Wiedergabe des Gesetzestextes. Der Bf. erfülle die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und beantrage, den Abweisungsbescheid zu beheben und seinem Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe/erhöhter Familienbeihilfe stattzugeben.

Der Beschwerde war ein an die PVA gerichtetes Schreiben des Vereins VEREINSNAME vom beigelegt. In diesem wurde bestätigt, dass der Bf. seit Juli 2007 im Rahmen der Persönlichen Betreuung des Vereins von diesem zweimal zwei Stunden pro Woche betreut werde. In diesen vergangenen drei Jahren habe sich gezeigt – aufgrund der vielfältigen psychischen Beeinträchtigungen beim Bf. – die besondere Notwendigkeit einer Unterstützung und Betreuung im Alltag. Er habe oftmals nur in deren Begleitung außerhäusliche Tätigkeiten wie Einkaufen, Ämter- und Arztbesuche wahrnehmen können. Zum einen verhinderten seine starken Angstsymptomatiken ein alleiniges Verlassen der Wohnung, zum anderen gestalteten sich die Außenkontakte aufgrund seiner ausgeprägten Sozialphobie als sehr schwierig. Die – in letzter Zeit vermehrt auftretenden – Zwangsgedanken führten immer wieder zu Gesprächsabbrüchen und zeigten die damit einhergehenden Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten und das „nicht bei einer Sache/Gedanken bleiben können“. Aus den genannten Gründen könnten sie sich für den Bf. keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt vorstellen und plädierten daher für eine niederschwellige Beschäftigungstherapie.

Vorgelegt wurde auch ein Arztbrief Dris VN-FA-aktuell NN-FA-aktuell, Facharzt für Psychiatrie, vom . In diesem wurde betreffend den Bf. folgende Diagnose gestellt:
„Chronifizierte Angststörung
Rezidivierende depressive Störung
Sekundäre Tranquilizerabhängigkeit
Persönlichkeitsentwicklungsstörung“
Weiters wurde ausgeführt, der Bf. stehe seit März 2009 bei diesem Arzt in Behandlung. Zuvor habe eine längere Betreuung durch den PSD stattgefunden. Anamnestisch sei eine depressive Störung und Angststörung bereits seit der Jugend erhebbar, der erste stationäre Aufenthalt an einer psychiatrischen Klinik mit 13 Jahren. In der Folge habe sich auch eine Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit entwickelt, es sei zu wiederholten stationären Aufenthalten an der Psychiatrischen Abteilung des OWS gekommen, es seien auch tagesklinische Settings dort erfolgt, weiters habe sich der Bf. längere Zeit in Behandlung des Psychosozialen Dienstes Wien 16 befunden. Erhebbar seien auch dreimalige Suizidversuche, der Bf. habe Medikamente überdosiert, einmal sei er von einer Brücke in die Donau gesprungen.
Diagnostisch bestehe eine chronifizierte Angststörung mit ausgeprägtem sozialem Rückzug, phobischen Symptomen, sowie auch Zwangsgedanken. Im Hintergrund sei wohl auch von einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung auszugehen. Trotz seit Jahren laufender psychopharmakologischer Therapie und Psychotherapie sei es kaum zu einer Verbesserung des Zustandsbildes gekommen. Versuche einer Tagesstrukturierung hätten nur kurzfristig funktioniert. Derzeit werde der Bf. 2x wöchentlich zu Hause von VEREINSNAME betreut. Sonstige soziale Kontakte beschränkten sich auf die Eltern. Aufgrund des Verlaufs der Erkrankung sei von einem chronischen Zustandsbild auszugehen.
Als Therapie wurden folgende Medikamente angeführt:
Abilify 15 mg 1-0-0-0
Lamotrigin Sandoz 200 mg 1-0-0-0
Lyrica 150 mg 1-0-1-0
Mirtabene „Ratiopharm“ 30 mg bei Bedarf
Quetiapin Easypharm 300 mg 0-0-0-1
Sertralin Sandoz 100 mg 1-0-0-0
Temesta 2,5 mg 1-1-1-1-
Truxal 50 mg 0-0-0-1

Des weiteren wurde ein Schreiben der Psychotherapeutin VN-PT NN-PT, BA PTH., vom betreffend Einschätzung und Ausblick des Therapieverlaufs des Bf. vorgelegt. Diesem ist zu entnehmen, dass der Bf. seit bei der Therapeutin in regelmäßiger (meist einmal die Woche) psychotherapeutischer Behandlung sei. Die Diagnosen des Psychiaters Dr. NN-FA-aktuell könne die Therapeutin bestätigen (chronifizierte Angststörung, rezidivierende depressive Störung, sekundäre Tranquilizerabhängigkeit, Persönlichkeitsentwicklungsstörung).
Themen in der Psychotherapie seien die sehr schwere Kindheit und die Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse gewesen, sowie mit den verschiedenen Auswirkungen der Krankheit besser umgehen zu können. Ziel der Therapie sei gewesen, den Alltag eigenständiger bewältigen zu können und zumindest etwas mehr Lebensqualität zu erreichen. Trotz großer Anstrengungen von beiden Seiten müsse leider festgehalten werden, dass diese Ziele nicht erreicht werden hätten können.
Es sei weiterhin eine Betreuung bei allen Einkäufen sowie Amts- und Arztwegen notwendig. Betreute Arbeitsversuche hätten leider immer wieder nach kurzer Zeit abgebrochen werden müssen. Eigenständige Kontakte zu anderen aufzubauen sei dem Bf. nicht gelungen. Seine Ängste seien nahezu permanent vorhanden, ebenso wie ein sehr großer Leidensdruck und keine Hoffnung auf Besserung. Ein Selbstmordversuch habe stattgefunden, weitere würden immer wieder angedacht. Die Angst davor, diese zu überleben und vielleicht irreparable Schäden davon zu tragen - und damit noch mehr zu leiden – halte den Bf. aber davon ab.
Das Verhältnis des Bf.  zu den Eltern habe sich - im Vergleich zu seiner Kindheit und Jugend -  zwar sehr gebessert, da seine Eltern aber auch selbst psychische wie körperliche Probleme hätten, könne eine kontinuierliche Betreuung nicht stattfinden. Es komme auch immer wieder zu Konflikten, weil die Eltern den Wunsch des Bf. nach einem Freitod vehement ablehnten. Aus psychotherapeutischer Sicht müsse die Therapeutin leider festhalten, dass mit einer Heilung oder auch nur einer Verbesserung des Zustandsbildes des Bf. aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu rechnen sei.

Ein weiteres Schreiben der Psychotherapeutin vom , welches zum Zweck eines Ansuchens um Pflegegeld erstellt wurde, kommt zu einer vergleichbaren Einschätzung, wobei in diesem sogar festgehalten wurde, dass der Betreuungsbedarf zumindest gleich bleiben, sich aller Wahrscheinlichkeit nach aber erhöhen werde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde außer der Anführung der gesetzlichen Bestimmungen u.a. ausgeführt, dass anhand des neuerlichen (Fach)Ärztlichen Gutachtens des Sozialministeriumservice vom der Grad der Behinderung (unverändert)
50 % ab betrage. Ein Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit werde ebenfalls (unverändert) ab 07/2007 festgelegt. Der Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres sei nicht festgestellt worden, eine Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe sei daher nicht möglich.

Der Bf. stellte durch seine Rechtsvertreterin einen Vorlageantrag. In diesem wurde begründend ausgeführt, der Bf. sei aufgrund seines körperlichen Zustandes und der festgestellten Behinderung außerstande, sich selbst Unterhalt zu verschaffen. Aufgrund des nunmehr aktuell eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. K, sei wieder festgestellt worden, dass der Bf. ab eine 50 % Behinderung aufgewiesen habe.
1981 sei der Bf. 13 Jahre alt gewesen, dass aufgrund seiner weiters dargelegten Leidensgeschichte und seinen laufenden Aufenthalten im Krankenhaus und seiner Selbstmordversuche, die auch auf die neurotische Beeinträchtigung deuten, dennoch von keiner Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werde, sei nicht nachvollziehbar.
Wenn jemand ab bereits 50 % behindert sei und stationär im KJP/AKH längere Aufenthalte gehabt habe, sowie 1983 eine chronifizierte Angststörung und Abhängigkeit entwickelt, sei wohl davon auszugehen, dies aufgrund der Lebenserfahrung, dass der Bf. nie im Stande gewesen wäre, sich selbst zu erhalten.
Die Gelegenheitsarbeiten, die der Bf. durchgeführt habe, hätten zu einer Besserung seines Zustandes nicht beigetragen bzw. dargetan, dass er nicht im Stande sei einer geregelten Arbeit nachzugehen, da aufgrund seiner psychischen Störungen dies nicht möglich erscheine und auch letztendlich nicht möglich gewesen sei. Im Gegenteil, der Gesundheitszustand des Bf. habe sich immer mehr verschlechtert. Aufgrund des vorliegenden Krankheitsbildes des Bf. komme es zu massiven Beeinträchtigungen im Arbeits- und Sozialverhalten, eine dauerhafte Integration auf dem Arbeitsmarkt sei von jeher unsicher gewesen und könnten Gelegenheitsarbeiten nicht dafür herangezogen werden, dass der Bf. tatsächlich erwerbsfähig wäre.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor, welches einen Versicherungsdatenauszug des Bf. anforderte.

Das Bundesfinanzgericht forderte weiters die aus Anlass der Antragstellung und aus Anlass der Beschwerde erstellten Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom und vom an. Das erste Gutachten, welches am approbiert wurde und das zweite Gutachten, welches am approbiert wurde, stellen einen Grad der Behinderung von 50 % ab 10/1981 und eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Bf. fest, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen sei jedoch laut dem ersten Gutachten ab 7/2007 (teilbetreutes Wohnen) eingetreten, da davor teilweise die Arbeitsfähigkeit vorhanden war. Nach dem zweiten Gutachten sei d ie Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor dem vollendeten 18. bzw. 21. Lebensjahr eingetreten. Begründend wurde in diesem ausgeführt, trotz der Funktionseinschränkungen, die seit der Kindheit/Jugend vorliegen, könne aus medizinischer Sicht keine eindeutige durchgehende Selbsterhaltungsunfähigkeit, die durch Beeinträchtigungen vor dem 18./21. LJ entstanden sei, abgeleitet werden. Eine EU sei nach Befundvorlage und Anamnese spätestens ab der Notwendigkeit des teilbetreuten Wohnens 7/2007 nachvollziehbar.

Das Bundesministerium für Landesverteidigung, Stellungskommision Wien, wurde ersucht um Übermittlung einer Kopie der seinerzeitigen Begutachtung (Befund und Stellungnahme), weil der Bf. gegenüber dem Sozialministeriumservice erklärt hatte, er sei beim Bundesheer als untauglich eingestuft worden.

Dieses teilte mit, dass der Bf. mit Beschluss vom für tauglich befunden worden sei. Er sei daher zum einberufen worden. Die Mutter habe mit Schreiben vom einen Befund Dris ÄRZTIN vom übermittelt. Der Bf. sei daher ab 12/90 zur neuerlichen Stellung vermerkt worden. Im Zuge der neuerlichen Stellung sei der Beschluss vom (laut Stellungnahme vom : vom ) ergangen. Der Bf. sei für untauglich befunden worden. Grundlage sei der Befund Dris ÄRZTIN gewesen.

Beigelegt war ein Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich, Ergänzungsabteilung vom , mit welchem unter Bezug auf das Schreiben vom der Einberufungsbefehl des Militärkommandos Niederösterreich/Ergänzungsabteilung, zum Antritt des Grundwehrdienstes am aufgehoben wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass das Militärkommando NÖ/ErgAbt nach Prüfung der beigebrachten Unterlagen und der für den Bf. vorgesehenen Verwendung zur Ansicht gelangt sei, dass dieser den Anforderungen, die der Präsenzdienst an seine Gesundheit stellen würde, zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich nicht gewachsen wäre.

Weiters war das Schreiben der Mutter des Bf. vom beigelegt und der Befund Dris ÄRZTIN vom .

Das Schreiben Dris ÄRZTIN hatte folgenden Text:

„Herr NN steht bei mir in Behandlung wegen phasenhafter Verstimmungen, zum Teil depressiv, zum Teil hypomanisch bei grundlegend soziopathischer Persönlichkeit und Borderline-Persönlichkeitsstörung. In der Anamnese Polytoxikomanie mit häufiger Einnahme von Überdosis an Medikamenten und SM-Drohungen.
Er ist zur Zeit für den Wehrdienst nicht tauglich.“

Dem Bf. wurde im Wege seiner Rechtsvertreterin Folgendes vorgehalten:

Sie haben im Vorlageantrag vorgebracht, dass die „Gelegenheitsarbeiten, die der Beschwerdeführer durchgeführt hat, zu einer Besserung seines Zustandes nicht beigetragen bzw. dargetan hätten, dass er nicht im Stande sei, einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Ein Anspruch auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für Volljährige setzt gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG voraus, dass die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist (vgl. ).

Um mir einen Einblick in die berufliche Laufbahn des Beschwerdeführers (Bf.) zu verschaffen, habe ich die Wiener Gebietskrankenkasse um Übermittlung eines Versicherungsdatenauszuges ersucht und diesen in der beiliegenden Excel-Tabelle ausgewertet.

Ferner habe ich mir von der Stellungskommission Unterlagen übermitteln lassen, aus denen hervorgeht, warum der Bf. seinerzeit untauglich geschrieben wurde.

Es trifft zu, dass der Bf. aufgrund eines ärztlichen Schreibens Dris ÄRZTIN vom , also kurz nach Vollendung des 21. Lebensjahres, in der Folge als untauglich beurteilt wurde. Es ist auch verständlich, dass jemand, der psychisch erkrankt ist, der Drogen bzw. Medikamente missbraucht und suizidgefährdet ist, für den Dienst mit der Waffe nicht geeignet ist. Das hat den Bf. jedoch nicht daran gehindert, sich im selben Zeitraum als Arbeiter seinen Unterhalt zu verschaffen.

Der Bf. hat zwar nach Abschluss der Hauptschule zunächst nicht durchgehend gearbeitet, er hat jedoch von September 1985 bis eine Lehre als Maler absolviert und anschließend auch in diesem Beruf gearbeitet. Dazwischen lagen zwar immer wieder Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld, doch kann es sich dabei auch um Unterbrechungen im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber wegen schlechterer Auftragslage während der Wintermonate gehandelt haben. Die Dauer der Arbeitsverhältnisse, welche über Jahre und noch längere Zeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres mit demselben Arbeitgeber eingegangen wurden, mit kürzeren saisonalen Unterbrechungen und entsprechenden Einkünften (siehe Auszug der Sozialversicherungsdaten und die beiliegende Excel-Tabelle), spricht dagegen, dass es sich bloß um Gelegenheitsarbeiten gehandelt hat. Hätte der Bf. keine entsprechende Arbeitsleistung erbracht, hätte ihn derselbe Arbeitgeber nicht immer wieder beschäftigt. Ein Einbruch der Arbeitsfähigkeit ist erst ab August 1997 aus dem Versicherungsverlauf ersichtlich.

Die Anforderung einer ergänzenden Stellungnahme durch das Sozialministeriumservice würde beim vorliegenden Sachverhalt voraussichtlich nicht zu einer geänderten Beurteilung führen, weil die eingeholten Unterlagen die bisherige Einschätzung des Sozialministeriumservice bestätigen.“

Dazu gab die Rechtsvertreterin folgende Stellungnahme ab:

„Mein Mandant wurde aufgrund eines Selbstmordversuches mit 15 Jahren in ein Erziehungsheim in ORT untergebracht Dort wurde er leider alkoholabhängig. Er hat während seines Aufenthaltes in dem Heim eine Lehre als Maler absolviert und auch die Gesellenprüfung abgelegt. Die Lehrverhältnisse bei der Firma AG1 und AG2 sind äußerst kurzlebig gewesen, er wurde jedes Mal gekündigt, insbesondere weil er aufgrund seiner Sozialphobie nicht den Umgang mit anderen Leuten ertragen konnte und auch Alkoholprobleme bereits damals hatte.
Die Lehre konnte er dann (doch noch im Erziehungsheim) beenden und war ab Juli 1988 mit Unterbrechungen bis 1994 bei der Firma Maler AG3 beschäftigt.
Die zwischenzeitigen Abmeldungen seinerseits beruhen nicht auf saisonalen Unterbrechungen, sondern wegen/des Problems, dass es Herr NN nicht länger in der Arbeit ausgehalten hat. Die bereits erwähnte Sozialphobie macht es ihm unmöglich, mit anderen Leuten zu kommunizieren oder diese länger zu ertragen.
Nur aufgrund des damaligen Werkmeisters, Herrn XX, der für ihn immer ein gutes Wort eingelegt hat und ihn versucht hat, vor anderen fernzuhalten, bekam Herr NN immer wieder die Chance, es doch noch einmal zu versuchen. Er hat seine Arbeit alleine erledigt, weil er mit Kollegen nicht zurechtkam und wurde deswegen nie fristgerecht fertig, sodass er sogar samstags arbeitete mit Hilfe seines Vaters, um die Arbeiten erledigen zu können. Irgendwann ist es ihm dann aber auch zu viel geworden, vor allem nahmen die Alkoholprobleme zu. Er hat bis 1994 nur unter Alkoholeinfluss Arbeiten fertigstellen können. Ab 1994 kam dann noch die Tablettensucht hinzu.
De facto war Herr NN keineswegs arbeitsfähig, er hat einfache Arbeiten nur mit Mühe erledigen können, grundsätzlich geschahen die Anstellungen bei der Firma AG3 auf Betreiben des Werkmeisters, der Herrn NN offensichtlich helfen wollte.
Herr NN hat seit seinem ersten Suizidversuch weitere Suizidversuche unternommen, er ist auch derzeit noch selbstmordgefährdet.
Die Sozialphobie macht es ihm unmöglich, mit Menschen zu kommunizieren oder sich in Räumen aufzuhalten, in denen andere aufhältig sind.
Man sieht auch aus den Versicherungszeiten deutlich, dass die Einbrüche der Arbeitsfähigkeit nicht erst seit 1994, sondern immer schon dazwischen gewesen sind, insbesondere dass Herr NN nie lange bei einzelnen Arbeitgebern beschäftigt war, (dies aufgrund seines psychischen Zustandes).“

Die Rechtsvertreterin erklärte, Sie habe mit dem ehemaligen Arbeitgeber des Bf. Kontakt aufgenommen. Der „Mentor“ des Bf., VN-XX NACHNAME, sei bereits seit längerer Zeit pensioniert, erinnere sich aber nicht mehr an den Bf.. Der Vater des Bf. sei jedoch bereit eine Aussage zu machen.

Das Finanzamt reichte folgende "Metadaten" eines aus Anlass des Vorlageantrages erstellten Gutachtens nach:

Der Vater des Bf. wurde im Rechtshilfeweg vom Finanzamt Ortsbezeichnung  zur Einvernahme als Zeuge geladen. Beide Eltern erschienen vor dem Finanzamt und haben zu den vorbereiteten Fragen Erklärungen abgegeben.

Vom Sozialministeriumservice wurde unter Anschluss des Versicherungsdatenauszuges und der Unterlagen der Stellungskommission ein neues Gutachten wie folgt angefordert:

„Betreffend den oben Genannten ist ein Beschwerdeverfahren wegen erhöhter Familienbeihilfe anhängig.

Dabei wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH ab 10/1981 festgestellt und erklärt, trotz der Funktionseinschränkungen, die seit der Kindheit/Jugend vorliegen, könne aus medizinischer Sicht keine eindeutige, durchgehende Selbsterhaltungsunfähigkeit, die durch Beeinträchtigungen vor dem 18./21. Lebensjahr entstanden sei, abgeleitet werden.

Wie Sie dem beiliegenden Versicherungsdatenauszug entnehmen können, war das längste durchgehende Dienstverhältnis von VN NN (Bf.) die Lehre, welche er von bis absolvierte. Danach hat er für einige Jahre mit Unterbrechungen als Maler gearbeitet.

Die Eltern des Bf. haben beim Finanzamt ausgesagt, dessen Probleme hätten in der Schule angefangen. Er sei sehr zurückgezogen gewesen und habe eine Verhaltensphobie gehabt. Die Schüler hätten ihn „sekkiert“, weil er anders gewesen sei als alle anderen. Er sei dann in Behandlung gewesen und hätte  sich dann überhaupt nicht mehr in die Schule getraut. Dann sei er ins AKH in Wien gekommen und sei dort zur Schule gegangen. Das sei ungefähr mit 13 Jahren gewesen. Die Schuldirektorin habe erklärt, dass es keine Probleme gebe. Sein Sohn habe da schon Suizidgedanken gehabt. Das sei am Land natürlich die Nachrede „da rennt a Radl im Dreck“, die Schüler hätten seinen Sohn verspottet. Die Eltern hätten das erst erfahren, als er bereits „aus der Schule“ gewesen sei. Sie hätten auch erst Jahre später erfahren, dass es Probleme mit einem Lehrer gegeben habe, die Direktorin habe nichts gesagt. Diese Probleme seien im Lauf der Zeit immer so weiter gegangen. Dann sei der Sohn nach ORT gekommen und habe dort seine Lehre gemacht, weil es anders nicht gegangen wäre. Vorher sei er noch ein Jahr auf der Handelsschule in ORT-Handelsschule gewesen. Das habe er aber dann abgebrochen, weil er sich nicht getraut habe, mit dem Zug zu fahren. Da sei er auch kurz im Internat gewesen. Dann sei er bei der Schwester des Vaters in Wohnort gewesen. Er hätte immer Angst vor den Menschen gehabt. Er hätte manchmal bessere und dann wieder schlechtere Zeiten gehabt und habe dann auch Medikamente nehmen müssen. Er habe versucht, eine Lehre bei einem Malermeister in ORT-Lehrherr zu machen. Das sei ungefähr im Alter von 16 Jahren gewesen. Er hätte mit dem Moped in die Arbeit fahren müssen. Er habe sich nicht getraut zu tanken. Nachdem er „anders“ gewesen sei, hätte er auch Probleme mit seinen Kollegen gehabt. Sie seien zwar nicht „schlecht“ gewesen, aber er sei manchmal ausgelacht worden, weil er zum Beispiel am Abend nicht mit zum Wirt gehen wollte. Die Probleme des Sohnes seien in der Schule und in der Arbeit gleich gewesen. Zu Hause habe er sich nicht einmal vor das Haus getraut. Er habe sich immer im Haus aufgehalten und sei nicht vor das Haus gegangen, wenn es nicht unbedingt habe sein müssen. Zuerst habe er die Lehre in ORT-Lehrherr gemacht, das sei nicht sehr lange gewesen, weil er sich nicht mehr hin getraut habe. Dann habe er die Lehre in ORT fertiggemacht. Das sei vom Land NÖ aus gewesen. Dort sei so eine Art „Heim für schwer erziehbare Jugendliche“ gewesen und im Rahmen dessen hätte die Lehre gemacht werden können. Wenn die Jugendlichen fortgegangen seien, sei immer ein Erzieher mit gewesen. Nach dieser Lehre in ORT habe er bei der Firma AG3 in STADT angefangen. Die hatten in Wien sehr viel Arbeit. Zuerst habe er bei seiner Schwester in Wien gewohnt, und dann hätten ihm die Eltern eine kleine Mietwohnung in Wien besorgt, weil die Schwester auch keinen Platz gehabt hätte.  Bei der Fa. AG3 habe sein Sohn auch Probleme mit den Kollegen gehabt, weil er nicht mitmachen wollte beim Essen gehen oder am Abend zum Wirt. Er sei nicht deshalb nicht mitgegangen, weil er nicht wollte, sondern weil er nicht konnte. Er habe sich, so habe er es den Eltern erzählt, auf den Baustellen manchmal einfach auf den Boden legen müssen, um auszurasten. Bei der Fa. AG3 sei er in den Jahren 1990 - 1996 gewesen. In den Wintermonaten sei er immer arbeitslos gemeldet gewesen, weil er das sonst gar nicht durchgehalten hätte. Wenn die Firma viel gehabt Arbeit habe, habe sie den Sohn wieder angestellt. Weil er in der Partie nicht habe arbeiten können, weil er einfach viel zu langsam gewesen sei und weil er mit anderen Menschen nicht habe arbeiten können, habe ihm der Werkmeister Arbeiten zugewiesen, die er alleine habe machen können, das seien Renovierungen von Wohnungen gewesen. Der Werkmeister habe ihm den Schlüssel für die Wohnungen gegeben und gesagt, bis zu einem bestimmten Termin müsse er fertig sein. Nachdem sein Sohn das bis zu diesem Termin nicht geschafft hätte, sei er ganz verzweifelt gewesen und habe dem Vater gebeten, ihm zu helfen. So sei dieser am Wochenende oft hinuntergefahren nach Wien und habe ihm geholfen. Er habe das deshalb gemacht, weil er gehofft habe, dass er dann seine Arbeit behalte. Der Werkmeister habe nicht gewusst, dass der Vater ihm helfe. Er habe ihm immer wieder über Jahre geholfen. Nach 1996 habe der Sohn einmal oder zweimal eine Firma gehabt, wo er nur ganz kurz gewesen sei, weil es gar nicht gegangen sei. Das sei vielleicht ein paar Monate gewesen. Das AMS habe ihn da zugewiesen. Aber da hätte er auch wieder in einer Gruppe arbeiten müssen, das sei aber gar nicht gegangen. Auf die Frage, warum es jeweils zu Arbeitsunterbrechungen gekommen sei, erklärte der Vater, dazwischen sei es immer mehr mit dem Krankenstand geworden, weil der Bf. psychiatrische Medikamente habe nehmen müssen und sich umbringen wollte. Er sei einmal in die Donau gesprungen und habe auch eine Überdosis an Medikamenten genommen, dann hätten sie ihm den Magen auspumpen müssen. Die Eltern hätten geschaut, ob sie irgendwo Hilfe und Unterstützung bekommen könnten. Die Stadt Wien habe sie dann nach langer Suche zum Verein „VEREINSNAME“ - LANGBEZEICHNUNG - verwiesen. Das sei so ungefähr im Jahr 2007 gewesen. Nach dem Selbstmordversuch mit dem Sprung von der Donau sei der Bf. dann in die „Baumgartner Höhe“ gekommen. Damals hätten sie schon Kontakt mit „VEREINSNAME“ gehabt. Seither werde er auch von VEREINSNAME betreut. Er wohne derzeit in einer eigenen Wohnung in Wien und werde von VEREINSNAME betreut. Wenn er Einkäufe oder sonst irgendwas erledigen müsse, brauche er Unterstützung und Begleitung, weil er das alleine nicht machen könne. In der Zeit zwischen den Jahren 1996 bis 2007 sei er sehr viel in Krankenstand und auch bei anderen Vereinen in Betreuung gewesen. Die Eltern hätten ihn immer integrieren wollen, dass er lerne, mit Menschen zusammen zu sein. Sie dachten, sie würden ihm damit helfen. Aber das habe nicht funktioniert. Er hätte auch in Wien die Unterstützung durch „Gruppentherapien“ nicht in Anspruch nehmen können, weil er das mit anderen Leuten nicht ausgehalten habe. Das einzige, was den Sohn wirklich unterstütze, sei die Psychotherapie. Er habe schon verschiedene gehabt, mit denen es nicht gegangen sei. Seit einigen Jahren habe er jetzt von VEREINSNAME eine Dame, mit der das ganz gut funktioniere. Er fühle sich da wirklich verstanden. Der Sohn müsse sehr viele Tabletten nehmen. Das einzige was ihm aus Sicht des Vaters geholfen habe, sei die Psychotherapie. Er habe auch nicht ins Spital gehen können, weil er einfach nicht unter Menschen habe sein können. Der Vater habe dem Sohn Samstag und Sonntag bei seiner Arbeit geholfen. Der Vater sei selbst berufstätig gewesen. Der Werkmeister der Firma AG3 habe dem Sohn versprochen, dass er ihn wieder nehme, wenn es Arbeit gebe. Wahrscheinlich habe der Sohn seine Arbeit nicht so schlecht gemacht. Sein Sohn hätte ja arbeiten wollen, aber es  sei halt nicht gegangen. Der Werkmeister der Fa. AG3 sei sehr nett gewesen und habe sich auch immer bemüht um den Bf..

Von der Stellungskommission wurde der Bf. zunächst als tauglich eingestuft. Der Einberufungsbefehl wurde jedoch zeitnah zum 21. Geburtstag, am xx.xx.1989, wieder aufgehoben. Die Eltern hatten dem Militärkommando ein Schreiben "von Frau Dr. ÄRZTIN" übermittelt. Diese bescheinigte dem Bf. phasenhafte Verstimmungen, zum Teil depressiv, zum Teil hypomanisch, bei grundlegend soziopathischer Persönlichkeitsstörung und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Laut Anamnese sei eine Polytoxikomanie mit häufiger Einnahme von Überdosis an Medikamenten und auch SM-Drohungen vorgelegen.

Am wurde der Bf. mit Beschluss als untauglich beurteilt. Ausschlaggebend für den Beschluss war  die Beurteilung durch den Psychologen der Stellungskommission nach einem Gespräch mit dem Stellungspflichtigen.

Diagnose für die Untauglichkeit: Persönlichkeitsstörung, soziopathisches/asoziales Verhalten.

Der Zeugenaussage des Vaters und dem beiliegenden Befund Dris ÄRZTIN ist zu entnehmen, dass der Bf. an einer schweren Persönlichkeitsstörung litt. Er wurde vom Militär aufgrund dieser Störung zeitnah zu seinem 21. Geburtstag (siehe Befund Dris ÄRZTIN) als untauglich eingestuft. Ein Zusammenarbeiten mit anderen war ihm nicht möglich. Die Dienstverhältnisse bei der Maler Arbeitgeber3 hat er regelmäßig unterbrochen, obwohl er dort alleine arbeiten konnte. Für Zeiten, in denen er dort durchgehend gemeldet war, war er auf die Unterstützung seines Vaters angewiesen, mit dem er am Wochenende weiterarbeitete, weil er sonst nicht termingerecht fertig geworden wäre. Der regelmäßige Missbrauch von Suchtmitteln wird in der Anamnese laut Schreiben Dris ÄRZTIN ebenfalls erwähnt.

Es wird ersucht, unter Berücksichtigung dieser Umstände den Bf. neuerlich zu begutachten und insbesondere festzuhalten, ob dieser bereits vor dem 21. Lebensjahr voraussichtlich dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dies zu begründen. Der Bf. soll im Zuge der Begutachtung befragt werden, wie lange, d.h. bis zu welchem Jahr, er bei seiner Schwester wohnen konnte und ob und in welcher Weise diese ihn unterstützt hat. Sollte die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen nicht vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt wären (richtig: werden), so wird ersucht, zu begründen, warum dies trotz der Unfähigkeit des Bf., die Arbeiten alleine (d.h. ohne die Hilfe seines Vaters) zeitgerecht bzw. überhaupt zu erledigen, anzunehmen ist.“

Das Sozialministeriumservice erstattete am durch Dr. B, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie das nachstehende, als Stellungnahme bezeichnete Gutachten:

„Primär muss festgehalten werden, dass in diesem Fall bereits drei neurologisch psychiatrische Gutachter - unabhängig voneinander - zu dem gleichen Ergebnis der Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem 21 .Lj. gekommen sind (s. FLAG-Gutachten von 11/2015, 10/2017 und 3/2018).

Auch bei der neuerlichen Untersuchung vom bei mir, bei der keine neuen medizinischen Befunde vorgelegt wurden, konnten keine Erkenntnisse gewonnen werden, welche eine Änderung gegenüber den Vorgutachten rechtfertigen würden.

Anamnese:
n. Suicidversuch im 15.Lj. bei gewaltbesetzter Kindheit, anschließend in Erziehungsheim ORT gekommen. Seither chronifizierte Angststörung mit Entwicklung einer AlkohoIabhängigkeit und gelegentlicher Konsum von Cannabis sowie ab 1994 Tablettensucht (Benzodiazepine).
Erster psychiatrischer stationärerAufenthaIt wegen Depressionen mit suicidaler Einengung 10-12l1981 KJP/AKH.
(Davor bereits stationär 2-6/1981 wegen neurotischer Fixierung).
Weitere stationäre Aufenthalte: 1l1982 KJP/AKH wegen Schulphobie (Schulverweigerung); bis 1983 Betreuung in Heilpädgagogik/AKH mit HS-Abschluss in Heilstättenschule mit Regellehrplan.
1983-1998 keine fachärztliche oder psychotherapeutische Betreuung.
1998 stationär Psych./AKH wegen chronischer Depression;
1-2/2003 und 4-5/2003 stationär Sozialpsychiatrie SP-ORT wegen schwerer depressiver Episode;
1xig Alkoholentzug in Kalksburg ca. 1999 (frustran);
2xige Medikamentenentzüge ca. 2000 und 6-7/2007 (erfolgreicher Benzodiazepinentzug im OWS);
mehrfache Suicidversuche (schriftlich belegt: 9/2005 Med.intox. mit 2 tägigem stationärem Aufenthalt im KH ORT-KH);
3-6/2007 in Tagesklinik/OWS;
mehrfach stationär im OWS - zuletzt 5-6/2009 nach Sprung in die Donau in suicidaler Absicht, danach 9/2009-3/2010 in Tagesklinik/OWS.
Alkoholabstinenz seit ca. 2005 (4.Entzugsversuch im OWS erfolgreich, Benzodiazepinteilentzug). Nikotinabusus.
Keine Epilepsie.
Keine Vor- oder Haftstrafen.
Therapie:
Abilify 15mg, Lamotrigin 200mg, Mirtabene 15mg abds., Pregabaliln 150mg,
Quetiapin 100mg abds., Sertralin 50mg, Temesta 2.5mg 4x1 , Truxal 50mg abds
bei Bed; Fä-Betreuung bei Dr. NN-FA-aktuell alle 3 Monate; Psychotherapie ggw.
1xwö. (regelmäßig ab 2008).
Ausbildung: VS, HS-Abschluss, Polytechnikum, 1J. Hasch, 2 Wochen in Maurer-Lehre, 5 Monate in Maler-Lehre - Abbruch nach Suicidversuch im 15.Lj.‚ Maler-Lehre 9/1985-5/1988 in ORT mit LAP, danach einige Jahre Saisonarbeit
als Maler/Anstreicher - zuletzt 1997. 12/1990 Untauglichkeit beim Heer.
Seit ca. 2010 in I-Pension. 2xige Arbeitstherapien im OWS und
Beschäftigungstherapie bei VEREINSNAME 2012 und 2014.
SA: ledig, kinderlos, keine Beziehung.
lebt allein, teilbetreut seit 7/2007 - 2xwö. Putzhilfe der Caritas für 2h.
(1989 1 Jahr bei der Schwester gelebt).
Nicht besachwaltet. Kein PG-Bezug.
Neuro: Visus durch Brille korrigiert, keine Paresen, MER/UE nicht auslösbar,
Gang unauffällig.
Psych: bewusstseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv-mnestisches Defizit, Gedankenductus geordnet, Konzentration und Antrieb unauffällig, Affekt angepasst, Stimmung dysthym, Verhalten angepasst, latent Suicidgedanken, keine produktive Symptomatik; Spaziergänge nur nach Benzodiazepineinnahme möglich, Einkäufe durch Betreuer, Wohnung wird eher wenig verlassen, keine sozialen Kontakte.
Subjektive Beschwerden: generalisierte Ängste und Sozialphobie.
Zusammenfassend die fachärztliche Begründung für die Annahme einer Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem 21.Lj. (=9/1989):
1) Trotz psychischer Beeinträchtigung (50% GdB ab erstem stationären Aufenthalt 10/1981 ) war die Absolvierung einer Lehre mit positivem Lehrabschluss 5/1988 möglich.
2) Im Zeitraum zwischen 1982 und 1998 fanden keine neuerlichen psychiatrischen stationären Aufenthalte oder eine fachärztliche Betreuung statt. (1994 wurde eine Psychotherapie begonnen, welche allerdings erst ab 2008 regelmäßig besucht wurde).
Es bestand wohl ab 1983 eine Alkoholabhängigkeit und ein gelegentlicher Cannabiskonsum sowie ab 1994 ein Tranquilizerabusus, welche jedoch erst wieder ab 11/1998 ärztliche Behandlungen erforderlich machten.
Zur Beantwortung der Frage der Wohnmöglichkeit bei der Schwester des Bf.:
dieser habe 1989 (d.h. im 21 .Lj.) ca. 1 Jahr bei seiner Schwester gelebt, wäre damals nur im Vollrausch gewesen und daher aus diesem Grund auf ihre Unterstützung angewiesen gewesen.
Ärztliche Behandlungen gab es, wie oben angeführt, zu dieser Zeit keine.
Abschließend ergibt sich daraus keine Änderung gegenüber den Vorgutachten
mit 50% GdB ab 10/1981 und Erwerbsunfähigkeit ab der Notwendigkeit des teilbetreuten Wohnens 7/2007.“

Das Gutachten wurde der Rechtsvertreterin zur Stellungnahme übermittelt.

Diese gab bekannt, dass der Bf. ihr mitgeteilt habe, dass doch weitere Befunde vorlägen, die jedoch erst von ihm zusammen gesucht werden müssten.

In der Folge übermittelte die Rechtsvertreterin eine ausführliche Stellungnahme aufgrund von Äußerungen des Bf., seiner Eltern und seiner Schwester und führte im Begleitschreiben wie folgt aus:

Die Schwester meines Mandanten hat sich nunmehr eingeschalten und mir weitere Unterlagen zukommen lassen, über die weder mein Mandant noch dessen Eltern verfügt haben, auch habe ich eine ausführliche Schilderung der Lebensumstände erhalten, die mir mein Mandant bislang selber nicht geben konnte.
Aufgrund der Schilderungen der Schwester, die mit meinem Mandanten und den gemeinsamen Eltern dessen Leben „aufgearbeitet“ hat und auch mehrere Jahre mit ihm zusammen gelebt hat, ergibt sich das Bild, dass mein Mandant bereits seit Kindheit an verhaltensgestört und ab Beendigung der Pflichtschule erwerbsunfähig gewesen ist.
Ich darf auf die Stellungnahme zum Gutachten und weiteren ärztlichen Unterlagen verweisen, die eine weitaus durchgehende Behandlung meines Mandanten bestätigen.
Die Schwester meines Mandanten lebt in Deutschland und wurde deswegen auch nicht von mir als Zeugin genannt, sie hat mich aber nun kontaktiert und mir mehr erzählen können, als bislang mein Mandant, ich ersuche um „Nachsicht“, mein Mandant ist aufgrund seiner psychischen Probleme nicht sehr gesprächig.“

Abschließend ersuchte die Rechtsvertreterin um "Berücksichtigung dieser Unterlagen bei Ihrer Entscheidung“.

Vorgelegt wurden außer der Stellungnahme folgende Dokumente in Kopie:

[...]

Der Rechtsvertreterin wurde Folgendes vorgehalten:

„Sie haben mir zwar eine ausführliche Beschreibung der Leidensgeschichte Ihres Klienten geschickt, jedoch keine Befunde von Ärzten, welche zeitnah zum 21. Geburtstag erstellt worden wären und die eine neuerliches Ersuchen um Gutachtenserstellung an das Sozialministeriumsservice als sinnvoll erscheinen lassen würden. Auch konkrete Beweisanträge wurden nicht gestellt. Es besteht zwar eine Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes, doch stößt diese gerade im Fall von Krankengeschichten und mangelhaften Angaben auf eine Grenze. Wenn Parteien anwaltlich vertreten sind, besteht auch keine Manuduktionspflicht.

Die von Ihnen vorgelegte Stellungnahme habe ich mir durchgelesen, die Unterlagen angesehen. Dabei ist mir Folgendes aufgefallen:

Die Aussage, der Bf. sei "nach ORT" (gemeint offenbar nach der Lehre "einige Monate arbeitslos gemeldet" gewesen (Seite 5, zweitletzter Absatz von unten der nicht nummerierten Stellungnahme), ist anhand des Auszuges der Sozialversicherungsdaten nicht nachvollziehbar. Der Bf. war bis Arbeiterlehrling, anschließend bis
1. Juli beim Amt der NÖ Landesregierung als Arbeiter versichert und hat nach einem kurzen Arbeitslosengeldbezug vom bis für die Maler Arbeitgeber3 gearbeitet. Er war dann bis arbeitslos und hat anschließend wieder gearbeitet, wobei in den nächsten Jahren einer mehrmonatigen Versicherungszeit jeweils Unterbrechungen mit Bezügen von Arbeitslosengeld folgten.

Eine sehr geringe Entlohnung gemessen an den damals üblichen Löhnen ("zum Mindestlohn", Seite 7, letzter Absatz) zum maßgeblichen Zeitpunkt vor Erreichen des 21. Lebensjahres und kurz danach, kann dem Versicherungsdatenauszug nicht entnommen werden. Der Bf. hat 1989 im Zeitraum von April bis Dezember 1989 rund 120.000,00 Schilling ohne Sonderzahlungen verdient, d.s. rund 13.300,00 Schilling monatlich. 1990 waren es rund 144.000,00 Schilling für einen Zeitraum von rund 10 Monaten (Jänner, April bis Dezember), d.s. rund 14.400 Schilling monatlich, 1991 rund 160.000,00 Schilling für einen Zeitraum von rund 9 Monaten, d.s. rund 17.700,00 Schilling monatlich, jeweils brutto.

Krankengeldbezüge sind dem Auszug der Versicherungsdaten erst ab 1994 zu entnehmen.

Soll die Aussage auf Seite 7, dritter Absatz von oben, "Da Dr. PSYCH einen Großteil dieser Medikamente verschrieben hat ... müsste dieser ja noch über entsprechende Unterlagen verfügen" als Ersuchen zu verstehen sein, diesen als Auskunftsperson einzuvernehmen?

In dem von Ihnen vorgelegten Schreiben vom wird dieser Arzt als "Hr. Ob Rat Dr. VN-PSYCH PSYCH" bezeichnet. Laut Internet wurde seine Kontaktadresse mit Adresse-PSYCH, 1050 Wien, angegeben.

Es wird Ihnen bekannt sein, dass Ärzte in Österreich einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Außerdem ist es mehr als fraglich, ob diese nach über 30 Jahren noch über entsprechende Unterlagen verfügen, v.a. wenn ein Patient nicht mehr bei Ihnen in Behandlung ist. Diese Unterlagen müssten daher vom Patienten oder von diesem dazu ermächtigten Vertrauenspersonen besorgt und vorgelegt werden, wenn sie Berücksichtigung finden sollen.

Nach dem letzten Absatz der Stellungnahme, wäre die Schwester des Bf. bereit "nach Wien zu kommen und ebenfalls ihre Aussage zu tätigen".

Aus einer der vorgelegten Unterlagen habe ich entnommen, dass der Vorname der Schwester VN-Schwester lautet. Eine VN-Schwester NN war von bis in Wohnort-Schwester gemeldet.

Einen gemeinsamen Wohnsitz des Bf. und seiner Schwester konnte ich anhand des Zentralen Melderegisters nicht feststellen. Dies müsste nachgewiesen werden.

Eine förmliche Aussage der Schwester vor dem Bundesfinanzgericht ist nicht erforderlich, weil Zeugen und Auskunftspersonen gemäß § 173 bzw. § 143 BAO auch schriftlich einvernommen werden können und dies aus Kostengründen auch anzustreben wäre.

Es kann jedoch auch initiativ eine Äußerung der Schwester abgegeben werden, wobei diese durch Vorlage von Meldezetteln aus diesem Zeitraum untermauert werden könnte, wenn solche noch vorhanden sind. Bei Nichtvorhandensein von Meldezetteln könnten auch andere Unterlagen (Arbeitszeugnisse, ein Versicherungsdatenverlauf etc.) vorgelegt werden, aus denen die Anwesenheit sowie eine allfällige frühere Wiener Adresse der Schwester ersichtlich sein sollten. Die Äußerung der Schwester sollte sich v.a. darauf beziehen, in welcher Weise sie ihren Bruder in welchem Zeitraum unterstützt hat und welche Wahrnehmungen sie betreffend dessen Arbeitsleistung sowie die Unterstützung durch den Vater in diesem Zeitraum gemacht hat.“

Die Rechtsvertreterin gab dazu folgende Stellungnahme ab:

„In Beantwortung Ihres Schreibens vom darf ich Ihnen die sehr ausführliche Stellungnahme der Schwester meines Mandanten, Frau VN-Schwester NN übermitteln. Frau NN hat ihren Bruder sehr lange täglich betreut, wie Sie dem beiliegenden Schreiben auch entnehmen können und ist mit seiner Gesundheit und seinen Problemen außerst vertraut.

Sie hat versucht mit den damals hauptsächlich tätig gewesenen Ärzten Kontakt aufzunehmen, wie Sie auch dem Schreiben entnehmen können, war dies mehr oder weniger erfolgreich, dennoch fehlen Auskünfte, die Sie - unter Umständen - leichter erhalten als wir.

Anbei darf ich Ihnen weiters die Meldebestätigung und die Dienstzeugnisse zum Nachweis dafür, dass Frau VN-Schwester NN in Wien gewohnt hat, sowie ein ärztliches Zeugnis einer der behandelnden Ärzte, Dr HAUSARZT, übermitteln.

Weiters wird ersucht, dass Sie, insbesondere Herrn Ob Rat. Dr. VN-PSYCH PSYCH kontaktieren und die Gesundheitsakte anfordern. Um dies zu ermöglichen, lege ich auch die Erklärungen meines Mandanten bei, in die Krankenakten Einsicht nehmen zu können, Mit der Bitte um weitere Berücksichtigung des Vorbringens und der angebotenen Beweise verbleibe ich ...“

Vorgelegt wurden das ärztliche Zeugnis Dris HAUSARZT, gerichtet an das Finanzamt, vom , welches bereits im Akt abgelegt war und in welchem dem Bf. eine schizoide jugendliche Psychose, die phasenhaft verläuft bescheinigt wurde, eine ausführliche Stellungnahme der Schwester vom , eine Meldebestätigung betreffend die Unterkünfte, an welchen diese vom bis zum in Wien gemeldet war, ein Dienstzeugnis für die Schwester vom , ein weiteres nicht datiertes Dienstzeugnis betreffend eine Beschäftigung vom bis sowie ein weiteres Dienstzeugnis vom über eine Beschäftigung bis zum .

Die Rechtsvertreterin legte weiters eine Einverständniserklärung des Bf. vor, mit welcher dieser die Ärzte von der Schweigepflicht entband.

Angeschrieben wurden Dr. VN-Ärztin ZUNAME-ÄRZTIN, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, MR Dr. VN-PSYCH PSYCH, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und
Dr. VN-Hausarzt Psychotherapeut, Psychotherapeut.

Dr. ÄRZTIN teilte mit Schreiben vom mit, dass sie leider keine Unterlagen mehr aus dem Jahre 1990 habe. Sie könne sich auch nicht an den Bf. erinnern, da sie ja eine große Praxis gehabt habe. Da sie dem Bf. eine Untauglichkeit attestiert habe, habe sie das sicherlich nicht auf eine einmalige Untersuchung hin getan, auch die Dg. Borderlinestörung und bipolare Störung weise darauf hin, dass er doch einige Zeit bei ihr in Behandlung gestanden habe, bevor sie ihm einen Befund ausgestellt habe. So würde das bedeuten, dass ihre Stellungnahme zu einem Zeitpunkt nahe dem 21. Lj des Bf. stattgefunden habe.

Dr. PSYCH erklärte, der Bf. sei vom bis bei ihm in Behandlung gewesen. Bevor er zu ihm gekommen sei, sei er bei Dr. Psychotherapeut in psychotherapeutischer Behandlung gewesen und habe antidepressive Medikamente (Seropram) genommen. Es sei die Diagnose Depression, generalisiertes Angstsyndrom, Persönlichkeitsstörung gestellt worden. Bei der Behandlung sei der Bf. schwer zugänglich gewesen, die Beschwerden chronifiziert. Trotz regelmäßiger medizinisch/psycho-therapeutischer Behandlung habe keine wesentliche Verbesserung erzielt werden können. Die Psychotherapien hätten mit Bewilligung der Krankenkasse stattgefunden, Kopien der Antragsformulare befänden sich in der Kartei des Bf.. Wegen Kopfschmerzen sei eine Röntgenuntersuchung des Schädels vorgenommen worden. Letzte Außenanamnese mit dem Vater: „Die Angstzustände haben derart zugenommen, dass mein Sohn das Haus nicht mehr verlassen kann.“ Danach habe Dr. PSYCH den Bf. nicht mehr gesehen. Die Medikation habe oft geändert werden müssen. Es seien folgende Medikamente versucht worden: Dominal 80mg habe er wegen Schlafstörungen regelmäßig genommen, aber auch Praxiten 50mg. Diese hätten wegen der massiven Angstzustände nicht reduziert werden können. Weiter Versuche seien gewesen: Effectin 150mg, Zyprexa 10mg, Mitaron 30mg, Abilify 15mg.

Vorgelegt wurde ein Röntgen-Ultraschall-Befund vom , welches am knöchernen Schädelskelett radiologisch keine Auffälligkeiten ergab. Für eine Fraktur, endocranielle Affektion oder chronische Hirndrucksteigerung gebe es derzeit keinen Anhaltspunkt.

Dr. Psychotherapeut teilte mit, dass er sich nicht mehr an den Bf. erinnern bzw. den Namen keiner konkreten Person zuordnen könne. Bei ihm lägen keine Unterlagen betreffend den Bf. auf.

Mit Beschluss wurde dem Finanzamt aufgetragen, ein neues Gutachten durch das Sozialministeriumservice anzufordern. Gleichzeitig wurde dem Sozialministeriumservice eine Mappe mit dem Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen übermittelt und wurde mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen und die daraus entstandenen Fragestellungen, welche die Anforderung eines neuerlichen Gutachtens erforderlich machten, wie folgt dargestellt:

„Im September 2018 habe ich von Ihnen das im Juni angeforderte Gutachten in o.a. Beschwerdesache erhalten.

Das zuletzt erstellte Gutachten nimmt zunächst Bezug auf drei erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten, was ich mir zunächst nicht erklären konnte. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass zuvor noch ein Gutachten erstellt wurde, nachdem mir die Beschwerde zur Bearbeitung übermittelt wurde. Die Metadaten dieses Gutachtens wurden mir zwar übermittelt, das Gutachten Dris P. vom wurde mir aber über Anforderung erst kürzlich zur Verfügung gestellt.

Dr. B erklärt im Ergänzungsgutachten, es hätten „keine neuen medizinischen Befunde“ vorgelegt werden können. Der aktuelle Zustand des Bf. ist unstrittig. Die Anamnese, wonach zwischen 1983 und 1998 keine fachärztliche oder psychotherapeutische Betreuung stattgefunden hat, widerspricht den von mir mit der letzten Gutachtensanforderung übermittelten Unterlagen der Stellungskommission sowie der Zusammenfassung zur Selbsterhaltungsfähigkeit, in welcher erklärt wird, dass 1994 eine Psychotherapie begonnen wurde. Die Schilderung der Eltern als Zeugen, insbesondere des Vaters, welcher glaubhaft erklärt hat, er hätte den Sohn immer wieder bei seiner Arbeit unterstützt, weil dieser seine Termine sonst nicht hätte einhalten können, hat die Gutachterin nicht weiter kommentiert.

Das zuletzt erstellte Gutachten habe ich der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers (Bf.) im gegenständlichen Verfahren geschickt, welche eine ausführliche Stellungnahme dazu abgegeben und – leider mit einiger Verspätung – neuerlich Unterlagen zur Behandlung des Bf. vorgelegt hat.

Das Ergebnis meiner Ermittlungen und der Stellungnahmen der Rechtsvertreterin lege ich in einem eigenen Ordner bei. Zum leichteren Auffinden habe ich die Aktenteile (=Beilagen) durchnummeriert (blau) und umfangreichere Beilagen noch einmal gesondert nummeriert (grün). In der Folge werde ich mich auf die einzelnen Beilagen beziehen. Ist eine genauere Angabe erforderlich, werde ich die grünen Nummerierungen mit der Nummer und deren Rückseiten mit der Nummer und dem Zusatz Rs anführen.

Den Schilderungen der Eltern und v.a. auch der Schwester des Bf. (Beilagen 4, Beilage 5, 2 bis 7, Beilage 6, 3 bis 5) ist zu entnehmen, dass der Bf. in der Kindheit kränklich, scheu, zurückgezogen und ausschließlich seiner Kernfamilie (Eltern, Schwester) zugewandt war. In der Folge wurde er wegen seines Verhaltens gemobbt. Nach einer stationären Aufnahme im AKH im Jahr 1981 hat er in einer Heilstättenschule mit Regellehrplan den Hauptschulabschluss gemacht. Während der Zeit des Besuches eines polytechnischen Lehrganges in Schulort wurde der Bf. von seinen Eltern in die Schule gebracht und von dieser wieder abgeholt, weil er die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benutzen konnte.

Der Versuch, die Handelsschule in HS-Ort zu besuchen, scheiterte. Auch zwei Lehren bei den Firmen AG1 und AG2 wurden 1984 und 1985 begonnen und wieder abgebrochen (Beilage 1, 1 Rs).

Der Bf. wurde schließlich im Heim in ORT untergebracht und absolvierte dort eine Lehre als Maler. Dies war ihm nach Angaben der Schwester nur möglich, weil der Bf. seelisch und körperlich misshandelt wurde (Beilage 6, 3 Rs, 3. Absatz). Er erhielt keinen Lohn, sondern lediglich Kost, Logis und eine Versicherung (Beilage 5, 10). Während der Ausbildungszeit kam er mit Alkohol in Berührung, der ihm half, seine Ängste zu dämpfen und zu arbeiten, jedoch zur Abhängigkeit mit damit einhergehenden Problemen führte (Beilage 5, 3 Rs, Beilage 6, 5 Rs).

Außer den vom Sozialministeriumservice bereits berücksichtigten Befunden liegen folgende Unterlagen vor:

Im Dezember 1985 stellte der Gemeindearzt Dr. HAUSARZT ein ärztliches Zeugnis aus, dass der Bf. erheblich behindert und voraussichtlich dauernd nicht fähig wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (Beilage 6, 2). Als festgestelltes Leiden oder Gebrechen wurde eine schizoide jugendliche Psychose, die phasenhaft verläuft, angeführt.

Bei der ersten Stellung 1986 wurde der Bf. zwar als tauglich beurteilt, war aber nicht in der Lage, den Präsenzdienst anzutreten und wurde auf Grund eines Befundes Dris ÄRZTIN mit Beschluss vom für untauglich erklärt (siehe Beilage 2). Ausschlaggebend dafür sei die Beurteilung durch den Psychologen der Stellungskommission nach einem Gespräch mit dem Stellungspflichtigen gewesen. Als Diagnose für die Untauglichkeit wurde angeführt: Persönlichkeitsstörung, soziopathisches/asoziales Verhalten. Der zugrunde liegende Befund Dris ÄRZTIN (Beilage 2, 3) hatte folgenden Wortlaut: „Herr NN steht bei mir in Behandlung wegen phasenhafter Verstimmungen, zum Teil depressiv, zum Teil hypomanisch bei grundlegend soziopathischer Persönlichkeit und Borderline-Persönlichkeitsstörung. In der Anamnese Polytoxikomanie mit häufiger Einnahme von Überdosis an Medikamenten und SM-Drohungen. Er ist für den Wehrdienst nicht tauglich.“

Nach der Lehre begann der Bf. 1988 mit Saisonarbeiten für die Maler AG3 Betriebs Gesellschaft m.b.H., für welche er bis 1996 tätig war, bei zunächst steigender, 1993 und 1994 jeweils gegenüber dem Vorjahr verminderter Bemessungsgrundlage. 1995 erfolgte eine Steigerung der Bemessungsgrundlage, 1996 war die Bemessungsgrundlage gegenüber dem Vorjahr vermindert. 1997 wurde der Arbeitgeber gewechselt bei abermals verminderter Bemessungsgrundlage. Ab diesem Zeitraum bezog der Bf. nur mehr Krankengeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Nur 2002 gab es noch einmal einen ganz kurzen Arbeitsversuch bei der Caritas, sowie eine eintägige geringfügige Beschäftigung im Genesungsheim Kalksburg, die im Versicherungsverlauf Niederschlag gefunden haben.

Während dieser Zeit wurde der Bf. nach Angaben der Schwester durchgehend sowohl ärztlich als auch von der Familie persönlich betreut, weitgehend von Haushaltstätigkeiten entlastet und auch vom Vater bei der Arbeit am Wochenende unterstützt (Beilage 4, Beilage 6, 4 Rs, zweitletzter Absatz von unten, Beilage 6, 5, Beilage 5, 4). Der Bf. war nicht in der Lage, die geforderte Arbeit unter der Woche zu beenden (Beilage 4, 1 Rs, Antwort auf Frage 6) und war dazwischen immer wieder im Krankenstand (Beilage 6, 5) oder hat Arbeitslosengeld bezogen (Beilage 4, 1 Rs, Versicherungsverlauf, Beilage 1).

Bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen wurde der Bf. von seiner Schwester unterstützt (Beilage 6, 4 Rs), bis diese nach STADT-Deutschland übersiedelte (Anfang 1991 – Beilage 6, 8). Nach Angaben der Schwester war der Bf. zwar durchgehend in Behandlung, doch konnten die Namen der behandelnden Ärzte bzw. Psychologen nicht mehr eruiert werden bzw. sind diese auch vergessen worden (Beilage 6, 3, 4 oben). Bezüglich der Zeit im Heim, in dem die Lehre absolviert wurde, wurde ausgeführt, den Kindern und Jugendlichen sei ärztliche oder seelische Hilfe verwehrt worden (Beilage 5, 3 Rs).

Vorgelegt wurde neben dem erwähnten ärztlichen Zeugnis Dris HAUSARZT ein Ansuchen an die Krankenkasse um Bezuschussung von Leistungen Dris Psychotherapeut (Beilage 5, 11 ff ab März 1995), ein Schreiben der Mutter betreffend Übermittlung einer Bestätigung Dris PSYCH (Beilage 5, 15 Rs).

Ärzte, die Befunde ausgestellt haben, bzw. bei denen es Hinweise auf eine Behandlung des Bf. gab, habe ich angeschrieben. Dr. ZUNAME-ÄRZTIN, vormalige Dr. ÄRZTIN, welche die Bestätigung aus Anlass der Stellung verfasst hat, konnte sich an den Bf. zwar nicht erinnern, erklärte jedoch, dass das Attest mit der Diagnose darauf hinweise, dass der Bf. doch einige Zeit bei ihr in Behandlung stand, bevor sie ihm einen Befund ausstellte. Dies würde bedeuten, dass ihre Stellungnahme zu einem Zeitpunkt nahe dem 21. Lebensjahr des Bf. stattgefunden habe (Beilage 7).

Dr. Psychotherapeut erklärte, er könne sich nicht mehr an den Bf. erinnern bzw. den Namen keiner konkreten Person zuordnen und habe keine Unterlagen mehr (Beilage 10).

Dr. PSYCH erklärte, der Bf. sei vom bis bei ihm in Behandlung gewesen und davor bei Dr. Psychotherapeut in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Er habe antidepressive Medikamente (Seropram) genommen. An Diagnosen wurden gestellt: Depression, generalisiertes Angstsyndrom, Persönlichkeitsstörung. Der Patient sei schwer zugänglich, die Beschwerden chronifiziert gewesen. Trotz regemäßiger medizinisch/psychotherapeutischer Behandlung hätte keine wesentliche Verbesserung erzielt werden können. Die Psychotherapien hätten mit Bewilligung der Krankenkasse stattgefunden. Wegen Kopfschmerzen sei eine Röntgenuntersuchung des Schädels vorgenommen worden. Laut letzter Außenanamnese mit dem Vater hätten die Angstzustände derart zugenommen, dass sein Sohn das Haus nicht mehr verlassen könne. Seitdem habe Dr. PSYCH den Patienten nicht mehr gesehen. Die Medikamente hätten oft geändert werden müssen. Der Patient habe wegen Schlafstörungen regelmäßig Dominal genommen, aber auch Praxiten. Diese hätten wegen der massiven Angstzustände nicht reduziert werden können. Weiters seien Effectin, Zyprexa und Abilify versucht worden.

Daraus ist abzuleiten, dass die Annahme, der Bf. sei zwischen 1983 bis 1998 weder fachärztlich noch psychotherapeutisch betreut worden (Anamnese des Gutachtens laut Untersuchung vom ) nicht zutrifft.

Der Nachweis einer durchgehenden Betreuung anhand durchgehender ärztlicher Bestätigungen ist zwar gescheitert, weil offenbar nicht alle Unterlagen vom Bf. aufbewahrt wurden und die Namen von Ärzten in Vergessenheit geraten sind. Selbst Ärzte, deren Namen noch erinnert werden konnten und deren Behandlung durch im Akt befindliche Unterlagen belegt sind, haben oft Unterlagen über die Behandlung nicht aufbewahrt, doch hat Schwester des Bf. glaubhaft versichert, dass eine durchgehende Betreuung stattgefunden hat. Folgende ärztlichen Zeugnisse bzw. Befunde oder Bestätigungen konnten noch vorgelegt werden:

- eine Bestätigung des seinerzeitigen Hausarztes Dr. HAUSARZT vom Dezember 1985 (Beilage 6/2)

- eine Bestätigung Dris  ÄRZTIN aus dem Jahr 1990, dass der Bf. bei ihr in Behandlung war, eine entsprechende Behinderung wurde bescheinigt (Beilage 2, 1a und 3)

- eine Behandlung durch Dr. Psychotherapeut bzw. Dr. PSYCH ab März 1995 (Beilage 5/12 Rs, Beilage 9).

Der Bf. hat zwar von 1988 bis 1997 mit Unterbrechungen noch in seinem Beruf als Maler gearbeitet, doch ist aus dem Versicherungsverlauf (Beilage 1) ersichtlich, dass die gemeldeten Beitragsgrundlagen gemessen an einem Höchststand im Jahr 1992 eine mit den Jahren sinkende Tendenz aufgewiesen haben, welche nur einmal, 1995, unterbrochen wurde.

Die Aussagen des Bf., seiner Schwester und seiner Eltern lassen den Schluss zu, dass dem Bf. die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nur deshalb möglich war, weil ihn der Vater in der Arbeit und die Familie (Schwester, Mutter, Großmutter) im Haushalt tatkräftig unterstützt und sich auch sonst in jeder Hinsicht um ihn gekümmert hat (Beilage 6/5).

Trotz massiver, in diesem Ausmaß nicht üblicher Unterstützungsleistungen durch die Familie, sogar in der Arbeit durch den Vater, und regelmäßigen Unterbrechungen mit Bezug von Arbeitslosengeld ist es dem Bf. schon in jungen Jahren nicht gelungen, sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Bereits die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verursachte dem Bf. Beschwerden. Seine Ängste versuchte er mit Suchtmitteln (Alkohol, Nikotin, Tabletten etc.) zu bekämpfen. Erst nach Einstellung der beruflichen Tätigkeit ist es dem Bf. gelungen, abgesehen vom Nikotinkonsum abstinent zu werden. Obwohl er durch Zuerkennung einer Pensionsleistung vom Druck der Arbeit entlastet wurde, ist es ihm auch jetzt nicht einmal möglich, sich selbst zu versorgen.

Unter diesen Umständen ist es zweifelhaft, dass der Bf. jemals in der Lage war, sich selbst, also aus eigener Leistung, den Unterhalt zu verschaffen. Hätte ihn die Familie nicht in allen Bereichen des Lebens – sogar in der Arbeit – unterstützt, ist davon auszugehen, dass er mit Ausnahme der Lehrzeit keine durchgehenden Versicherungszeiten erworben hätte. Auch die Absolvierung der Lehre war nach Angaben der Schwester nur im gegebenen Rahmen möglich. Dies ist deshalb glaubhaft, weil der Bf. zunächst zwei Lehren nach kurzer Zeit abgebrochen hat und die letzte Lehre unter Betreuung des Heimes absolviert wurde.

Fraglich ist auch, ob der Bf. den Anforderungen des Berufslebens zu irgendeinem Zeitpunkt gewachsen war.

Die Anforderungen im Beruf "MalerIn und BeschichtungstechnikerIn" (ältere Berufsbezeichnungen: MalerIn und AnstreicherIn) werden im AMS Berufslexikon wie folgt umschrieben:

- Physische Ausdauer: Beschichten sehr großer Flächen; Arbeiten auf Baustellen; Belastung durch Staub und Dämpfe

- körperliche Wendigkeit: Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und Arbeitsbühnen

- Gleichgewichtsgefühl: Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und Arbeitsbühnen

- Handgeschicklichkeit: Dekorationstechniken, teilweise händisches Aufbringen von Beschichtungen (z.B. mit Pinsel)

- Sehvermögen: Erkennen geringer Farbunterschiede (Nuancen)

- Unempfindlichkeit der Haut: Arbeiten mit Beschichtungsmaterialen und Chemikalien; Verschmutzung durch Staub

- räumliche Vorstellungsfähigkeit: Einteilen der Beschichtungsflächen, Berechnen des Materialbedarfs anhand von Raumskizzen, farbliche Gestaltung von Räumen, dreidimensionale Darstellungen in der Dekormaltechnik

- Fähigkeit zur Zusammenarbeit: Arbeiten im Team

- gestalterische Fähigkeit: Dekoration, Farbgebung, Restaurierungsarbeiten

Es wird daher ersucht um neuerliche Begutachtung und um eine Stellungnahme zum Vorbringen der Familie des Bf. und vor allem auch zu den im Akt erliegenden ärztlichen Befunden, von denen zumindest im Fall Dris ÄRZTIN die ärztliche Bestätigung zeitnah zur Vollendung des 21. Lebensjahres erstellt wurde. Die unterschiedlichen Diagnosen, mit denen die Behinderung des Bf. im Lauf der Jahre umschrieben wurden, belegen eine psychische Behinderung des Bf. seit der Jugend, die von Angst und Stimmungsschwankungen bzw. Depressionen sowie sozialem Rückzug (mit Ausnahme des Kontaktes zur Familie) und Dependenz gekennzeichnet ist. Zwischenzeitig lag auch eine Suchterkrankung vor, die sich aktuell offenbar nur mehr in einer Nikotinabhängigkeit manifestiert. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesfinanzgericht, auf die Bezug genommen werden soll, sind in der beiliegenden Mappe abgelegt.

Insbesondere soll auch dazu Stellung genommen werden, warum der Bf. allenfalls trotz der zahlreichen, auch beruflichen, Unterstützungsleistungen durch die Familie, in der Lage gewesen wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Es leuchtet nicht ein, warum aktuell wegen der Unterstützungsleistungen durch einen Verein angenommen wird, dass der Bf. nicht imstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, während die umfangreichen vorher (allenfalls auch aktuell) durch die Familie erbrachten Leistungen in der Beurteilung keine Berücksichtigung finden.“

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellte durch Dr.in K, Psychiaterin, aufgrund einer am in der Landesstelle des Sozialminsteriumservice in Anwesenheit der Schwester, VN-Schwester NN, erfolgten Begutachtung ein neuerliches Gutachten wie folgt:

"Anamnese:
Vorgutachten Dr. P (04/2018): GdB 50 v.H. bei chronifizierter Angststörung, rez. depressiver Störung, PersönIichkeitsentwicklungsstörung wird rückwirkend ab dokumentierter 1. psychiatrischer stationärer Behandlung (10/1981) bestätigt. Aufgrund der vorliegenden Befunde kann trotz der Funktionseinschränkung, die seit der Kindheit/Jugend, vorliegt aus med. Sicht keine eindeutige und durchgehende Erwerbsunfähigkeit, die vor dem 21. oder 18. Lj. entstanden ist, abgeleitet werden. Die EU ist ab der Notwendigkeit des teilbetreuten Wohnens 07/2007 nachvollziehbar. Neue med. Befunde werden nicht vorgelegt.

Vorgutachten Dr. K. (10/2017): GdB 50 v. H. bei chronifizierter Angststörung und rez. depressiver Störung sowie PersönIichkeitsentwicklungsstörung rückwirkend ab 10/1981. Dauernd erwerbsunfähig, jedoch nicht vor dem 21. Lj. eingetreten.

Vorgutachten : Chronifizierte Angststörung,

Persönlichkeitsentwicklungsstörung. GdB 50 v. H. seit 10/1981. Voraussichtlich dauernd außerstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. EU ab 07/2007, da teilweise Arbeitsfähigkeit davor bestanden.

Seit dem Kindergartenalter im Kontaktverhalten sehr zurückgezogen mit interpersonellen Defiziten beim Aufbau und Erhalt sozialer Kontakte. In der HS-Zeit zunehmende Mobbingerfahrung mit ablehnendem und ausgrenzendem Verhalten der Mitschüler sowie auch des Lehrpersonals. Im Rahmen einer suizidalen Dekompensation auf Grund des Mobbings erste stationäre Kinder/Jugendpsychiatrische Aufnahme am AKH Wien zw. Okt. und Dez. 1981.

Im Jänner 1982 neuerlicher stationäre Kinder/Jugendpsychiatrischer Behandlung am AKH Wien wegen Schulphobie (Schulverweigerung). Der HS-Abschluss erfolge an einer dem AKH angegliederten heilpädagogischen Stelle. Im Anschluss Aufnahme des polytechnischen Jahres welches, trotz häufiger Fehlzeiten und erhöhtem Unterstützungsbedarf durch die Eltern (Antragsteller musste laut Angaben der Schwester aufgrund von Ängsten in den öffentlichen Verkehrsmitteln durchgängig in die Schule gebracht und abgeholt werden), abgeschlossen werden konnte. Im Anschluss an das Polytechnikum Handelsschule begonnen und nach ca. 1 Jahr aus psychischen Gründen abgebrochen und Beginn einer Lehre zum Maler (von 1. Lehrstelle nach 2 Monaten gekündigt, an 2. Lehrstelle von Mai-Sep. 1985 tätig). Durch das wiederholte Scheitern zunehmender Selbstvertrauensverlust und Ausgrenzung im psychosozialen Umfeld, wodurch es zu zunehmendem regelmäßigem Konsum größerer Mengen Alkohol als Selbstmedikation kam. Es erfolgte ein 1. Suizidversuch mit nachfolgendem Krankenhausaufenthalt im Krankenhaus ORT. Weitere Suizidversuche erfolgten 2005 und 2009, jeweils mit nachfolgenden stationären Aufenthalten. Aufgrund des Scheiterns der bisherigen beruflichen Integrationsversuche Aufnahme am Landesjugendheim ORT zum Abschluss einer Lehre. Laut Angaben der Schwester des Antragstellers körperliche Gewalterfahrungen und „geschenkter Lehrabschluss“, da man Abschlussquoten habe erfüllen müssen. Es habe ein sehr autoritäres Ausbildungsregime bestanden, wenn man „nicht gespurt habe“ sei es zu Sanktionen gekommen. In dieser Lebensphase Alkoholkonsum des Antragstellers zunehmend. Psychiatrische oder psychologische Hilfe sei ihm verwehrt worden. Im Vorfeld der Lehre ambulante fachärztliche Behandlung durch Dr. ÄRZTIN, welche die einzige Psychiaterin in der Umgebung gewesen sei. Genaue Angaben zu Frequenz und Zeitspanne der ambulanten Behandlung durch Dr. ÄRZTIN können nicht gemacht werden.
Nach Abschluss der Lehre, laut eigenen Angaben, zw. 1988 und 1996 wiederholte kürzere Anstellungsverhältnisse als Maler und Anstreicher bei der Firma AG3, welche laut Angaben der Schwester, nur unter sehr geschützten und unterstützenden Bedingungen möglich waren, u.a. habe der Werksleiter den Antragsteller dahingehend unterstützt, dass er ihm nur Tätigkeiten welche er alleine (ohne andere Mitarbeiter) habe durchführen können, zugewiesen habe. Zusätzliche habe der Vater des Antragstellers immer wieder an Wochenenden unterstützend eingegriffen, sodass Herr NN Arbeitsrückstände aufholen konnte.
In dieser Lebensphase sei der Alkoholkonsum des Antragstellers weiter exazerbiert. Regelmäßige FÄ psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungen seien in dieser Phase nicht erfolgt. Nur sporadisch sei es zu kurzfristigen Therapieversuchen und Konsultationen verschiedener Ärzte gekommen (Namen etc. nicht erinnerlich).
Zw. 1988 und 1990 habe der Antragsteller im gemeinsamen Haushalt mit seiner Schwester in Wien gelebt. Laut Angaben der ho. anwesenden Schwester habe sie in diesem Lebensabschnitt ihren Bruder in allen Dingen des Alltags unterstützt (inkl. Einkäufe, Haushalt etc.).
Ab 1994 Beginn einer regelmäßigen FÄ psychiatrischen Behandlung bei Dr. PSYCH sowie einer psychotherapeutischen Behandlung bei Dr. Psychotherapeut. lm Rahmen chronischer Einnahme von Benzodiazepinen kam es zur zunehmenden Entwicklung einer dualen Abhängigkeit von Alkohol und Benzodiazepinen. Zw. 1998 und 2007 mehrere stationär-psychiatrische Aufenthalte (AKH Wien, Kalksburg, Sozialpsychiatrie SP-ORT, OWS) im Zusammenhang mit größtenteils frustranen Entzugsversuchen sowie Suizidalität. Ab 2007 über 3 Jahre hinweg in regelmäßiger ambulant-psychiatrischer Behandlung beim PSD Hafnerstraße. Ab Juli 2007 teilbetreutes Wohnen über den Verein VEREINSNAME. Seit 2010 in l-Pension. 2-Malige Versuche tagesstrukturierende Maßnahmen u.a. bei VEREINSNAME zu etablieren aufgrund der generalisierten und insb. der soziophobischen Symptomatik abgebrochen. Derzeit FÄ psychiatrisch bei Dr. NN-FA-aktuell betreut. Weiterhin 2xWoche betreutes Wohnen über VEREINSNAME. Derzeit in Bezug auf Alkohol abstinent jedoch weiterhin regelmäßige hochdosierte Benzodiazepineinnahme.

Derzeitige Beschwerden:
Der Antragsteiler berichtet, weiterhin an generalisierten Ängsten, insb. sozialen Ängsten, zu leiden. Er lebe zwar in einer eigenen Wohnung, sei jedoch über den Verein VEREINSNAME 2xWoche betreut, da er aufgrund seiner Angstsymptomatik Alltagsunterstützung, u.a. beim Einkaufen sowie auch bei Behördengängen benötige. In Bezug auf Alkohol sei er abstinent, jedoch bestehe eine regelmäßige Benzodiazepineinnahme.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Regelmäßige FÄ psychiatrische Kontakte bei Dr. NN-FA-aktuell.
Medikation lt. Medikamentenliste Dr. NN-FA-aktuell (): Abilify 15mg 1-0-0-0,
Mirtabene 30mg 0-0-0-1 1/2. , Pregabalin 150mg 1-0-0-0, Quetiapin 100mg 0-0-0-1, Temesta 2,5mg 1-1-1-1, Truxal 50mg 0-0-0-1 bei Bedarf.

Sozialanamnese:
Der Antragsteller bezieht seit ca. 2010 Invaliditätspension. Alleine lebend, teilbetreutes Wohnen von VEREINSNAME 2x Woche seit 07/2007. Nicht besachwaltet.
Ausbildung: VS, HS (HS-Abschluss während eines stationären Aufenthaltes an der Kinder/Jugendpsychiatrie des AKH), Polytechnikum, 1 Jahr Handelsschule. ln weiterer Folge Lehre zum Maler/Anstreicher in Erziehungsheim ORT mit Lehrabschlussprüfung 1988. Anschließend zw. ca. 1988-1995 mit Unterbrechung bei einer Malerfirma tätig. Immer wieder längere Beschäftigungspausen. Tagesstrukturierende Maßnahmen u.a. bei "INSTITUTION" etc. ca. 2012 bzw. 2014 gescheitert.
Starker sozialer Rückzug.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Aufenthaltsbestätigung AKH Wien Neuropsychiatrie ():
Stationärer Aufenthalt vom - bestätigt.
Ärztliches Zeugnis Dr. VN-Hausarzt HAUSARZT (Gemeindearzt, ):
Schizoide jugendliche Psychose, die phasenhaft verläuft. Voraussichtlich dauernd nicht fähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
FÄ psychiatrischer Befundbericht Dr. VN-Ärztin ÄRZTIN ():
Herr NN steht bei mir in Behandlung wegen phasenhafter Verstimmung, zum Teil depressiv zum Teil hypomanisch, bei grundlegend soziopathischer Persönlichkeit und Borderline Persönlichkeitsstörung.
In der Anamnese Polytoxikomanie mit häufiger Einnahme von Überdosis an Medikamenten und häufig auch Selbstmorddrohungen. Er ist zurzeit für Wehrdienst nicht tauglich.
Befundbericht sozialmed. Zentrum Baumgartnerhöhe (Datum nicht lesbar):
Stationärer Aufenthalt vom - wird bestätigt.
Psychiatrische Med: Zyprexa, Lamictal, Mirtabene, Seroxat, Truxal
Stationärer Befundbericht OWS ():
Stationärer Aufenthalt von - .
D: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, Benzodiazepinabusus.
Aufnahme nach Sturz in die Donau in suizidaler Absicht.
Psychiatrische Med: Zyprexa, Lamictal, Mirtabene, Seroxat, Truxal.
Bescheid Militärkommando NÖ (undatiert):
Einberufungsbefehl zum Antritt des Grundwehrdienstes am wird aufgehoben.
Stellungnahme Dr. VN-Ärztin ZUNAME-ÄRZTIN ():
Auf Ihre Anfrage teile ich Ihnen mit, dass ich leider keine Unterlagen mehr aus dem Jahre 1990 habe. Ich kann mich auch nicht an ihn erinnern, da ich ja eine große Praxis hatte. Da ich ihm eine Untauglichkeit attestierte, tat ich das sicherlich nicht auf eine einmalige Untersuchung hin. Auch die Diagnose Borderline Störung und Bipolare Störung weist darauf hin, dass er doch einige Zeit bei mir in Behandlung stand bevor ich ihm einen Befund ausstellte. So würde das bedeuten, dass eine Stellungnahme zu einem Zeitpunkt nahe dem 21. Lj. von Herrn NN stattfand.
Stellungnahme Dr. VN-PSYCH PSYCH ():
Der Pat. war von bis bei mir in Behandlung. Bevor der Pat. zu mir kam war er bei Dr. Psychotherapeut in psychotherapeutischer Behandlung und nahm antidepressive Medikamente (Seropram).
D: Depression, generalisiertes Angstsyndrom, Persönlichkeitsstörung.
Der Pat. nur schwer zugänglich, Beschwerden waren chronifiziert. Trotz regelmäßiger med./psychotherapeutischer Behandlung konnte keine wesentliche Verbesserung erzielt werden. Oft musste die Medikation geändert werden.
Versucht wurden folgende Medikamente: Dominal, Praxiten, Efectin, Zyprexa, Mirtaron, Abilify.

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
altersentsprechend
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg ‚   Blutdruck:
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Gesamtmobilität - Gangbild:
Psycho(patho)logischer Status:
Wach, bewusstseinsklar. allseits orientiert. Konzentration, Mnestik und Aufmerksamkeit leicht reduziert. Duktus kohärent und zum Ziel führend, bei unauffälligem Tempo. Keine produktiv-psychotische Symptomatik explorierbar. Affekt wenig modulierend. Generalisierte und soziophobe Ängste. Stimmungslage subdepressiv. Affizierbarkeit im Positiven deutlich eingeschränkt. Im Verhalten freundlich und angepasst. Keine psychomotorische Unruhe. Keine akute Suizidalität. Keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung fassbar. In Bezug auf Alkohol abstinent. Benzodiazepinabhängigkeit.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Der GdB wird, idem zum Vorgutachten, mit 50 v. H. ab 10/1981 bestätigt. Eine Änderung findet sich hinsichtlich des Beginns der Erwerbsunfähigkeit, welche aufgrund des Längsschnittes des Krankheitsverlaufes sowie der neu vorgelegten Befunde und Dokumente (Bestätigung dauerhafte EU Dr. VN-Hausarzt HAUSARZT 12/1985, FÄ psychiatrischer Befund Dr. ÄRZTIN 09/1989, Aufhebung Einberufungsbefehl Herbst 1989), rückwirkend ab mind. 12/1985 bestätigt werden kann.

Herr VN NN ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist vor vollendetem
18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist vor vollendetem
21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Dem Finanzamt wurden seitens des Sozialministeriumservice die Meta-Daten des Gutachtens übermittelt. Dieses hat sich nicht gegen eine Stattgabe der Beschwerde ausgesprochen und erklärt, wäre das Gutachten früher vorgelegen, hätte es der Beschwerde selbst stattgegeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt und Streitpunkte:

Strittig war ausschließlich, ob der Bf. wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies ist aufgrund des zuletzt erstellten Gutachtens nunmehr unstrittig.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF gilt Folgendes:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
            a)         sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
            b)         ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
            c)         für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie ...

            d)         wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden, ...

ab 2016:

            d)         wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, ...

 (3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das
19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

            a)         das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

            b)         Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

            c)         Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

...

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Für die Jahre 2016 und 2017 lauten die Absätze 5 und 6 wie folgt:

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

Gemäß § 8 FLAG idgF gilt Folgendes:

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens
50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes,
BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

(6a) Für eine Person, bei der eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie in einem Kalenderjahr ein Einkommen bezieht, das die in § 5 Abs. 1 festgelegte Grenze übersteigt. Wenn das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr unter der in § 5 Abs. 1 festgelegten Grenze liegt, lebt der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe wieder auf. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.

(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Das zuletzt im Auftrag des Sozialministeriumservice erstellte Gutachtens bescheinigt dem Bf. das Vorliegen eines Gesamtgrades der Behinderung von 50 % seit 10/1981 sowie einer voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wobei diese vor dem 18. bzw. 21. Lebensjahr eingetreten sei.

Dem Bf. gebührt daher für den Beschwerdezeitraum ab Oktober 2015 grundsätzlich erhöhte Familienbeihilfe.

Er hat in den Jahren 2015, 2016 und 2017 folgendes Einkommen erzielt:

2015 hatte er ein steuerpflichtiges Einkommen von der Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von 11.038,92 Euro. In diesem Jahr wurde noch kein Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung gestellt.

2016 wurde eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt und mit Bescheid vom die Einkommensteuer in Höhe einer Gutschrift von 110,00 Euro festgesetzt. Ein Behindertenfreibetrag wurde nicht berücksichtigt. Laut Bescheid hatte der Bf. ein steuerpflichtiges Einkommen von 11.111,40 Euro.

2017 wurde ebenfalls eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt und mit Bescheid vom die Einkommensteuer in Höhe einer Gutschrift von 110,00 Euro festgesetzt. Ein Behindertenfreibetrag wurde in Höhe von 243,00 Euro berücksichtigt. Laut Bescheid hatte der Bf. ein steuerpflichtiges Einkommen in Höhe von 10.957,80 Euro.

2018 hatte der Bf. ein steuerpflichtiges Einkommen von der Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von 11.508,48 Euro. In diesem Jahr wurde noch keine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt.

Bei der Berechnung der konkreten Höhe der Familienbeihilfe wird daher gemäß § 6 Abs. 3 FLAG das erzielte Einkommen mit dem 10.000,00 Euro übersteigenden Betrag berücksichtigt werden.

Gemäß § 10 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In Bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ein Zeitraum bezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl.
Zl. 2012/16/0052).

Der Bf. hat im Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung das Kästchen "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung" angekreuzt. Das Finanzamt hat den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Oktober 2015 abgewiesen (Zeitpunkt der Antragstellung). Mit dem Erkenntnis war daher ausschließlich über den Zeitraum von Oktober 2015 bis Jänner 2016 (Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Finanzamtes) abzusprechen.

Der Beschwerde konnte daher Folge gegeben werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war im gegenständlichen Erkenntnis nicht zu lösen. Strittig war ausschließlich ob die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, was gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Voraussetzung für den Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe ist. Die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Da diese Bescheinigung nunmehr vorliegt, ist auch der einzige ursprüngliche Streitpunkt geklärt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Erhöhte Familienbeihilfe
Bescheinigung
ärztliches Sachverständigengutachten
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100300.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at