Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 20.04.2007, FSRV/0036-W/06

Einleitung, Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen bei Selbstanzeige nur für die GmbH

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Folgerechtssätze
FSRV/0036-W/06-RS1
wie FSRV/0125-W/03-RS1
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht.
FSRV/0036-W/06-RS2
wie FSRV/0013-W/05-RS1
Zum Tatbild der Steuerhinterziehung gehört keineswegs eine endgültige Verkürzung der Abgaben; es genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie, ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hat. Gerade beim Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt die bloß vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils den Regelfall dar.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat in der Finanzstrafsache gegen Frau M.K., vertreten durch Klosterneuburger Wirtschaftstreuhand GmbH, 3400 Klosterneuburg, Hölzlgasse 50, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Finanzamtes Wien 1/23 vom , Strafnummer-1,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Wien 1/23 als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin (Bf.) zur Strafnummer-1 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass sie als für die abgabenrechtlichen Belange Verantwortliche der Firma L-GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an

Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 7-9/2005 in Höhe von € 10.029,77 sowie Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 10-11/2005 in betragsmäßig noch festzustellender Höhe

bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe.

Begründend wurde ausgeführt, dass seitens der Abgabepflichtigen in den angeführten Zeiträumen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht bzw. nicht fristgerecht eingebracht und Umsatzsteuervorauszahlungen nicht bzw. nicht termingerecht entrichtet worden seien. Als im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführerin sei es der Beschuldigten oblegen, für eine inhaltlich korrekte und fristgerechte Abgabengebarung Sorge zu tragen. Dieser Verpflichtung sei sie in Kenntnis der entsprechenden Fälligkeitstermine nicht nachgekommen und habe daher wider besseres Wissen gehandelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die als Berufung bezeichnete fristgerechte Beschwerde der Beschuldigten vom . Demnach sei zunächst festzuhalten, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen 7-9/2005 samt Ratenansuchen und Selbstanzeige noch vor Einleitung des Strafverfahrens beim Finanzamt eingelangt seien und auch nicht hinterzogen worden seien.

Die Umsatzsteuervoranmeldungen Oktober bis Dezember 2005 sowie ein neuerliches Ratenansuchen würden mit gleichem Schriftsatz eingereicht werden.

Da die Bf. weder die Absicht gehabt habe, die Abgaben zu hinterziehen, sondern nur nicht fristgerecht eingereicht bzw. entrichtet habe, aber monatliche Raten in Höhe von € 1.200,00 überweise, werde gebeten, diesmal von einer Strafe abzusehen. Es werde daher beantragt, das Finanzstrafverfahren einzustellen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich weiters einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige). Eine Selbstanzeige ist bei Betretung auf frischer Tat ausgeschlossen.

Gemäß § 29 Abs. 5 FinStrG wirkt die Selbstanzeige nur für die Personen, für die sie erstattet wird.

Zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist auszuführen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.

Zum Beschwerdevorbringen, die Bf. hätte noch vor Einleitung des Strafverfahrens beim Finanzamt Selbstanzeige eingebracht, ist zu erwidern, dass die Selbstanzeige die Person zu benennen hat, für die sie erstattet wird ().

Im konkreten Fall wurde in der - von einem Wirtschaftstreuhänder erstatteten - Selbstanzeige für die Umsatzsteuervoranmeldungen 7-9/2005 nur die GmbH, nicht aber die Bf. als deren Geschäftsführerin und mögliche Täterin genannt. Durch die Bestimmung des § 29 Abs. 5 FinStrG hat der Gesetzgeber die Grundregel des ersten Satzes des § 29 Abs. 1 FinStrG insofern erweitert, als die Selbstanzeige auch durch Dritte - seien sie bevollmächtigt oder nicht - erstattet werden kann (vgl. Regierungsvorlage zur Finanzstrafgesetz-Novelle 1975, 1130 BlgNR 13.GP, bzw. den Ausschussbericht hiezu, 1548 BlgNR 13.GP). Entgegen der Auffassung der Bf. ergibt sich aber aus dem klaren Wortlaut des § 29 Abs. 5 FinStrG und dem Zweck des Gesetzes, dass der Täter des Finanzvergehens in dem Schriftsatz, dem die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige zugute kommen soll, jedenfalls eindeutig bezeichnet werden muss (). Zwar wurde für die GmbH die Selbstanzeige erstattet, die Bf. wurde jedoch als Täterin namentlich nicht erwähnt. Der Finanzstrafbehörde erster Instanz ist daher Recht zu geben, wenn sie eine strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige schon wegen fehlender Konkretisierung der physischen Person, für die sie erstattet wurde, nicht annahm ().

Im Übrigen hindert eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht ().

Für die Verwirklichung einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ist die Schuldform der Wissentlichkeit (dolus principalis) hinsichtlich der Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlungen und des Eventualvorsatzes in Bezug auf die Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen erforderlich.

Soweit in der Beschwerde ausgeführt wird, die Bf. habe weder die Absicht gehabt, die Abgaben zu hinterziehen, sondern nur nicht fristgerecht eingereicht bzw. entrichtet, ist darauf hinzuweisen, dass zum Tatbild der Steuerhinterziehung keineswegs eine endgültige Verkürzung der Abgaben gehört; es genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie, ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hat. Gerade beim Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt die bloß vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils den Regelfall dar ().

Durch die von der Bf. dargestellte Aussage, die Abgaben nur nicht fristgerecht entrichtet zu haben, liegt jedoch der Verdacht nahe, dass die Bf. in Kenntnis der abgabenrechtlichen Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist und trotz dieser Kenntnis die Umsatzsteuervorauszahlungen nicht entrichtet hat, somit infolge Nichtentrichtung der Umsatzsteuer zu den Fälligkeitstagen von der Verkürzung gewusst hat. Damit wird jedoch der Verdacht des angeschuldeten Finanzvergehens sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht bestätigt, denn gerade dieses Verhalten soll mit der Präventivwirkung des angeschuldeten Finanzvergehens vermieden werden.

Auch wenn im angefochtenen Bescheid die Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate 10-11/2005 in betragsmäßig noch festzustellender Höhe dargestellt werden widerspricht es nicht dem Konkretisierungsgebot eines Einleitungsbescheides, wenn die Höhe der der Beschuldigten allenfalls vorzuwerfenden Abgabenverkürzung dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten wird ().

Die Beantwortung der Frage, ob das in Rede stehende Finanzvergehen tatsächlich begangen wurde, bleibt ebenso dem Ergebnis des weiteren finanzstrafbehördlichen Untersuchungsverfahrens vorbehalten wie die genaue Berechnung der strafbestimmenden Wertbeträge.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Einleitung
Selbstanzeige
fehlende Täternennung
vorübergehende Verkürzung
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 2009, 191

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at