Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 02.12.2011, RV/3142-W/08

Qualifizierte Erbsausschlagung ist als Erbschaftskauf zu beurteilen, der Grunderwerbsteuer unterliegt das Entgelt (= anteilige Passiva und Verfahrenskosten)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des G, Adr, vertreten durch Notar, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom betreffend Grunderwerbsteuer (betr. Erbsentschlagung durch A u. a.) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Laut Verlassenschaftsverfahren nach dem im Juli 2007, ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung, verstorbenen Herrn R waren dessen Witwe E zu 1/3-Anteil sowie die sechs erbl. Kinder zu je 1/9-Anteil als gesetzliche Erben berufen. Mit dem am errichteten Notariatsakt haben sich die Witwe sowie die vier erbl. Kinder A, B, C und D zugunsten des erbl. Sohnes G (= Berufungswerber, Bw) ihres jeweiligen gesetzlichen Erbrechtes noch vor Abgabe einer Erbantrittserklärung entschlagen. Der Bw hat diese Erklärung und diese Erbrechte mit allen Aktiven und Passiven des Nachlasses, daher mit allen Rechten und Pflichten, angenommen. In der Abhandlungstagsatzung vom haben der Bw zu 8/9-Anteilen sowie die Schwester F zu 1/9-Anteil zum Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben. Im Folgenden wurde das Inventar errichtet, wonach an Aktiva drei Liegenschaftsanteile mit einem Wert lt. Schätzgutachten von € 27.801 und an Passiva (Begräbniskosten, Grabdenkmalskosten, aushaftendes Wohnbauförderungsdarlehen) zusammen € 19.841,05 verzeichnet wurden. An Verfahrenskosten (Gerichtspauschalgebühren, Gerichtskommissions- und Sachverständigengebühren) wurde ein Betrag von gesamt € 3.409,60 und im Weiteren festgehalten, dass der Bw sämtliche mit dem Verlassenschaftsverfahren in Zusammenhang stehende Passiva, Masse- und Verfahrenskosten alleine trägt. Mit Gerichtsbeschluss vom wurde die Verlassenschaft ua. dem Bw zu 8/9-Anteilen eingeantwortet.

Das Finanzamt hat daraufhin dem Bw mit Bescheid vom , StrNr, - neben der Vorschreibung an Erbschaftssteuer für seinen 1/9-Erbanfall - hinsichtlich seines Erwerbes durch Erbsentschlagungen der vier Geschwister A u. a. ausgehend von der Gegenleistung € 10.333,64 (= 4/9-Anteile der verzeichneten Passiva und Kosten der Nachlassregelung, gesamt € 23.250,65) eine 3,5%ige Grunderwerbsteuer im Betrag von € 361,68 vorgeschrieben.

In der dagegen erhobenen Berufung wird im Wesentlichen ausgeführt: Bei der qualifizierten Erbsausschlagung sehe der VwGH im entgeltlichen bzw. unentgeltlichen Verzicht auf die Erbschaft den Tatbestand des steuerpflichtigen Erwerbs iSd § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG als erfüllt. Bei der entgeltlichen Entschlagung handle es sich um einen Erbschaftskauf, bei der unentgeltlichen um eine Erbschaftsschenkung, auf welche die Bestimmungen nach §§ 1278 bis 1283 ABGB sinngemäß anzuwenden seien. Im Gegenstandsfall sei mit Notariatsakt vom eine unentgeltliche Erbsentschlagung zugunsten des Bw erfolgt, weshalb diese Erbschaftsschenkung der Erbschaftssteuer zu unterwerfen und als Bemessungsgrundlage der dreifache Einheitswert der Liegenschaften heranzuziehen sei. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei daher ersatzlos aufzuheben.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung wurde dahin begründet, es liege ein Erbschaftskauf oder eine Erbschaftsschenkung vor, je nachdem, ob für die Erbsausschlagung eine Abfindung geleistet werde oder nicht. Nachdem der Bw lt. Punkt II. des Notariatsaktes vom die Erbrechte mit allen Aktiva und Passiva des Nachlasses, daher mit allen Rechten und Pflichten übernommen habe, seien die qualifizierten Erbsentschlagungen als Erbschaftskäufe zu werten. Es lägen sohin entgeltliche Rechtsgeschäfte unter Lebenden und damit grunderwerbsteuerliche Vorgänge vor. Die Übernahme der anteiligen Passiva und Verfahrenskosten bilde die zu erbringende Gegenleistung iSd § 5 GrEStG.

Im Vorlageantrag wurde vorgebracht, als Erbschaftskauf sei die entgeltliche Veräußerung des Erbrechtes zwischen Erbanfall und Einantwortung zu beurteilen. Nach dem Willen der Parteien sei für die Ausschlagung der Erbrechte gerade keine Abfindung geleistet worden. Die Übernahme der Aktiven und Passiven des Nachlasses sei bloße Rechtsfolge der unentgeltlichen Übertragung der Erbrechte, jedoch keinesfalls Gegenleistung für die Erbsausschlagung, weshalb kein entgeltlicher Erwerb vorliege.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall allein, ob durch die qualifizierten Erbsentschlagungen seitens der vier Geschwister und die Übernahme der diese anteilig treffenden Nachlasspassiva sowie Verfahrenskosten durch den Bw ein entgeltliches, der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft unter Lebenden vorliegt.

Hiezu wird ausgeführt:

Der Erbe kann über das ihm angefallene Erbrecht, also über das ausschließliche Recht, die ganze Erbschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben in Besitz zu nehmen, ebenso wie über jedes andere Recht frei verfügen. Nach § 536 ABGB tritt das Erbrecht i.d.R. mit dem Tod des Erblassers ein. Ab dem Erbanfall, also ab dem Tod des Erblassers, kann der Erbe bis zur Einantwortung sein Recht entgeltlich oder unentgeltlich veräußern (Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 25 zu § 2; ).

Auf die Ausübung des Erbrechtes kann der Erbe durch Ausschlagung ohne Benennung eines Begünstigten verzichten (einfache Erbsausschlagung) oder zugunsten einer bestimmten Person ausschlagen (qualifizierte Erbsausschlagung oder qualifizierter Erbverzicht). Unter Ausschlagung wird die gegenüber dem Abhandlungsgericht abgegebene Erklärung verstanden, eine Erbschaft nicht anzunehmen. Sie bewirkt, dass die Erbschaft dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt. Die schlichte Ausschlagung, also die Ausschlagung ohne Benennung eines Begünstigten, vernichtet demnach die (seinerzeitige) Erbenstellung aufgrund des Erbanfalls (Fellner, aaO, Rz 25a zu § 2; 10 Ob S 37/94; ).

Demgegenüber vernichtet eine qualifizierte Erbsentschlagung, wenn der zur Erbschaft Berufene im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung Verzicht leistet, um einem anderen, der nicht Nächstberufener ist, das Erbrecht zuzuwenden, den eingetretenen Erbanfall nicht mehr. Je nachdem, ob für die Erbsausschlagung eine Abfindung geleistet wird oder nicht, ist eine solche Erbsausschlagung als Erbschaftskauf oder als Erbschaftsschenkung zu verstehen (Fellner, aao, Rz 26; ; ). Der zu den Rechtsgeschäften unter Lebenden zählende Erbschaftskauf ist die entgeltliche Veräußerung des Erbrechtes zwischen Erbanfall und Einantwortung (Fellner, aaO, Rz 65; ; ). Ein solcher Erbschaftskauf liegt auch dann vor, wenn der zur Erbschaft Berufene im Zuge des Verlassenschaftsabhandlung gegen Zahlung einer Abfindung Verzicht leistet, um einem anderen, der nicht Nächstberufener ist, das Erbrecht zuzuwenden (). Eine qualifizierte Erbsausschlagung gegen Entgelt stellt demnach einen Erbschaftskauf dar (Fellner, aaO, Rz 67). Nach § 1278ff ABGB tritt der Käufer einer vom Verkäufer angetretenen oder ihm wenigstens angefallenen Erbschaft nicht allein in die Rechte, sondern auch in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erbe ein, insoweit diese nicht bloß persönlicher Natur sind (Fellner, aaO, Rz 65; , NZ 1977, 124).

Der VwGH führt im Erkenntnis vom , 94/16/0233, in diesem Zusammenhalt aus: "Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruches begründet, soweit es sich auf inländische Grundstücke bezieht.Mit dem Abschluss eines Erbschaftskaufvertrages wird der Tatbestand nach § 1 Abs. 1 Z 3 GrEStG erfüllt, weil der Erbschaftskäufer durch den Abschluss des Erbschaftskaufes den Anspruch auf Abtretung des dem Erben zustehenden Übereignungsanspruches auf die inden Nachlass fallende Liegenschaft erwirbt ... Gleiches ergibt sich aus der im ABGB nicht näher geregelten Erbschaftsschenkung, sodass auch in diesem Fall grundsätzlich ein Erwerbsvorgang nach dieser Bestimmung vorliegt.Der Erbschaftskauf ist die entgeltliche Veräußerung des Erbrechts zwischen Erbanfall und Einantwortung (§§ 1278 f. ABGB); er bedarf der Form des Notariatsaktes oder des gerichtlichen Protokolls. Die vom Gesetz nicht besonders geregelte Erbschaftsschenkung ist die unentgeltliche Veräußerung des Erbrechts. ...Im Beschwerdefall hat der Bf mit Notariatsakt vom es übernommen, die Erbin hinsichtlich sämtlicher Nachlasspassiva sowie Vermächtnis- und Pflichtteilsansprüche des erbl. Sohnes ... sowie hinsichtlich der anfallenden Verfahrenskosten vollkommen schad- und klaglos zu halten. Darin liegt aber die Gegenleistung im Sinne des § 5 GrEStG, weildieser Begriff der Gegenleistung über den im zivilrechtlichen Sinn hinausgeht und jede Art von Leistungen umfasst, die der Erwerber für das Grundstück zugunsten des Verkäufers erbringt."

Vor dem Hintergrund obiger einhelligen Meinung von Lehre und Judikatur ist aber im gegenständlichen Fall - entgegen dem Dafürhalten des Bw - von Erbschaftskäufen auszugehen. Das Erbrecht war zu je 1/9-Anteil am Nachlass aus dem Rechtsgrund des Gesetzes allen sechs erbl. Kindern des Erblassers mit dessen Tod angefallen. Darauf haben vier dieser Erben bzw. vier Geschwister des Bw ausdrücklich zugunsten des Bw verzichtet; infolge Vorhandenseins weiterer erbberechtigter Angehöriger (die Mutter/Witwe und eine weitere erbl. Tochter) wäre der Bw nicht automatisch der Nächstberufene gewesen. Im Anschluss an diese Verzichte sowie auch den Verzicht seitens der Mutter mit Notariatsakt vom hat der Bw dann zu dem insgesamt 8/9-Anteil am Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben und ist damit ua. auch in die die vier Geschwister aus dem Erbanfall an sich je treffenden anteiligen Verbindlichkeiten des Erblassers bzw. Nachlasspassiva eingetreten. Durch den Eintritt in diese Verbindlichkeiten und die mit der Erbantrittserklärung verbundene Übernahme derselben hat sich der Bw verpflichtet, diese zu tragen und waren die vier Geschwister im selben Ausmaß ihrer jeweiligen Verpflichtung, diese zu begleichen, entledigt. Die jeweils als Erbschaftskauf zu wertende qualifizierte Erbsentschlagung seitens der vier Geschwister stellt sich sohin je als entgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden dar, also als grunderwerbsteuerlicher Vorgang, und gründet sich der Erwerbstitel des Erbschaftskäufers nicht auf das Erbrecht, sondern auf einen Kaufvertrag (vgl. ).

Bei einem solchen entgeltlichen Erwerb, hier der Abtretung von Übereignungsansprüchen gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 GrEStG an Liegenschaft(santeil)en, kommt es maßgeblich nicht darauf an, welchen Wert der Kaufgegenstand besitzt, sondern allein darauf, was als Gegenleistung anzusehen ist.

Gegenleistung bei Abtretung eines Übereignungsanspruches ist nach § 5 Abs. 1 Z 6 GreStG die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat, einschließlich der besonderen Leistungen, zu denen sich der Übernehmer dem Abtretenden gegenüber verpflichtet hat. Im vorliegenden Fall hat der Bw mit den Erbschaftskaufverträgen als die die Übereignungsansprüche begründenden Rechtsgeschäfte spätestens mit der Abgabe der Erbantrittserklärung schon ex lege (§ 1278 ABGB) die Verpflichtung übernommen, auch die von den Ausschlagenden ursprünglich zu tragenden anteiligen Verbindlichkeiten zu begleichen, ohne dass es hiefür der gesonderten ausdrücklichen Erklärung unter Punkt II. des Notariatsaktes vom (arg.: ".. und übernimmt diese mit allen Aktiven und Passiven des Nachlasses, daher mit allen Rechten und Pflichten") bedurft hätte. Der Bw hat sich zudem in der abschließenden Abhandlungstagsatzung vom ausdrücklich zur Tragung aller Verfahrenskosten verbunden, welche im Betrag von gesamt € 3.409 verzeichnet wurden. Diese Aufwendungen/Kosten der Nachlassregelung stellen sohin eine zusätzliche Gegenleistung dar, welche im Ergebnis vom Bw für den Erwerb der Liegenschaftsanteile von den vier Geschwistern zu erbringen war.

Das Finanzamt hatte daher zu Recht die qualifizierten Erbsentschlagungen seitens der vier Geschwister A u. a. als Erbschaftskäufe beurteilt und die Gesamtgegenleistung für diese Erwerbe in Höhe von € 10.333,64 (= 4/9 der Passiva € 19.841,05 + der Kosten € 3.409,60) ermittelt und hievon die Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Z 3 GrEStG 1987 mit 3,5 %, sohin im Betrag von € 361,68, vorgeschrieben.

Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
qualifizierte Erbsausschlagung
unentgeltliche Erbsentschlagung
Erbschaftskauf
Erbschaftsschenkung
Gegenleistung
Erbverzicht
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at