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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 02.12.2011, FSRV/0062-W/11

Beschwerde gegen Einleitungsbescheid mit "alter" positiver Rechtsmittelbelehrung aus 2009 erst im Jahr 2011 zugestellt, trotzdem keine Rechtsmittelmöglichkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0062-W/11-RS1
Enthält ein Bescheid zu Unrecht eine positive Rechtsmittelbelehrung (hier: Einleitungsbescheid gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG), so wird hiedurch keine im Gesetz nicht vorgesehene Berechtigung zur Erhebung eines Rechtsmittels geschaffen.
FSRV/0062-W/11-RS2
Unrichtige Rechtsmittelbelehrungen lassen gemäß § 140 Abs. 2 bis 4 FinStrG wohl dadurch bedingte Fristenversäumnisse und Mängel oder Verletzungen der Einbringungszuständigkeit nicht wirksam werden, bewirken aber nicht, dass durch Belehrungsfehler ein Rechtsmittel, das nach dem Gesetz nicht zulässig ist, als eingeräumt gelten könnte.
FSRV/0062-W/11-RS4
Das formelle Strafrecht (Verfahrensrecht) kennt keine auf die Begünstigung von Verfahrensbeteiligten oder auf andere Momente abgestellten zeitlichen Geltungsgrundsätze (wie das materielle Finanzstrafrecht im § 4 FinStrG). Wird es geändert und fehlt eine Übergangsbestimmung, so ist das neue Verfahrensrecht sogleich in jeder Lage des Verfahrens, auch im Rechtsmittelstadium, anzuwenden.
Folgerechtssätze
FSRV/0062-W/11-RS3
wie FSRV/0074-I/2002-RS2
Eine Rechtsmittelbelehrung ist entsprechend ihrer Bezeichnung nur eine Belehrung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Rechtsmittels aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und kann daher niemals kraft eigenen Rechtes ein Rechtsmittel gewähren oder versagen ().

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Wien 2, HR Mag. Gerhard Groschedl, in der Finanzstrafsache gegen N.N., E., vertreten durch Mag. Dr. Margit Bányai, Rechtsanwältin, 1060 Wien, Mariahilfer Straße 23-25, wegen des Finanzvergehens der (teils versuchten) Abgabenhinterziehung gemäß §§ 13, 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , Strafnummer 002,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 156 Abs. 1 und Abs. 4 FinStrG als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , zugestellt am , hat das Finanzamt Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen Herrn N.N. (in weiterer Folge: Bf.) zur Strafnummer 002 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass er als Gesellschafter der Firma vorsätzlich 1) unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 13.000,00 und 2008 in Höhe von € 23.000,00 zu bewirken versucht habe, indem er für die Gesellschaft keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben und auch keine Vorauszahlungen geleistet habe, 2) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuer 1-5/2009 in Höhe von € 7.500,00 und 6/2009 in Höhe von € 1.300,00 bewirkt habe und dadurch die Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 (zu 1) und Abs. 2 lit. a (zu 2) FinStrG begangen habe.

Als Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Verdacht aus der Aktenlage ergebe. Demnach habe der Bf. als abgabenrechtlich Verantwortlicher der Firma seit Betriebsbeginn weder Umsatzsteuervorauszahlungen geleistet noch Voranmeldungen bzw. Jahreserklärungen abgegeben. Diese grundlegende Verpflichtung sei dem Bf. als Unternehmer zweifellos bekannt und sei daher der Verdacht in objektiver und subjektiver Hinsicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Bf. vom , in welcher im Wesentlichen darauf hingewiesen wurde, dass er weder rechtlich noch faktisch als Abgabenpflichtiger für die Firma aufgetreten sei.

Der Bf. sei nicht Gesellschafter der Firma und gebe es daher auch keinen Gesellschaftsvertrag, der als Grundlage für die Verpflichtung zur Abführung von Abgaben für die Firma herangezogen werden könne. Der Bf. sei daher für die Erledigung der steuerlichen Belange der Firma nicht zuständig, weil er nicht Gesellschafter sei. Dies gehe auch nicht aus der Aktenlage hervor, wie die Behörde vermeine, die sich offenbar auf einen Fragebogen der Firma vom stütze, worin - in Maschinschrift - "W.S." und "N.M." als Mitunternehmer bzw. Mitbesitzer bezeichnet werden. Wer dies geschrieben habe, sei nicht nachvollziehbar. Unterschrieben sei der Fragebogen auch nur von Herrn W.S., der unzweifelhaft der Inhaber der Firma sei.

Ebenso mangle es an einer faktischen Abgabenverpflichtung. Der Beschuldigte habe keinen Einfluss auf die Geschäftsgebarung der Firma und schon gar nicht irgendeine Entscheidungsbefugnis gehabt. Er trete auch nicht im täglichen Geschäftsverkehr der Firma auf. Er habe keinen Kundenkontakt, stelle keine Rechnungen aus und habe noch nie mit seinem Namen unterschrieben. All dies mache jedoch Herr W.S. und zwar alleine.

Es bestehen sohin keine hinreichenden Verdachtsmomente, die die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen den Beschuldigten als erwiesen annehmen können. Der Tatvorwurf der Abgabenhinterziehung sei daher mangels ausreichender Anhaltspunkte nicht gegeben.

Es werde beantragt, 1. von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens abzusehen und den Bescheid des Finanzamtes vom zur Strafnummer 002 aufzuheben und 2. das Finanzstrafverfahren einzustellen.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG ist der Verdächtige von der Einleitung des Strafverfahrens unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen. In den Fällen der §§ 85 und 93 kann die Verständigung auch anläßlich der ersten Vernehmung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz erfolgen. Die Verständigung bedarf eines Bescheides, wenn das Strafverfahren wegen Verdachts eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, eingeleitet wird. Gegen diesen Bescheid ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Im vorliegenden Fall hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Bescheid am zwar approbiert, wobei laut damals geltender Rechtslage gegen einen Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens eine Beschwerde zulässig war, somit die ursprünglich erteilte Rechtsmittelbelehrung zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (und damit auch der erwarteten zeitnahen Zustellung) dem Gesetz entsprochen hat.

Mit der Finanzstrafgesetznovelle 2010 wurde jedoch die Bestimmung des § 83 Abs. 2 FinStrG insoweit geändert bzw. ergänzt, als nunmehr im letzten Satz dieser Bestimmung "ein abgesondertes Rechtsmittel gegen diesen Bescheid als nicht zulässig erklärt wurde".

Das formelle Strafrecht (Verfahrensrecht) kennt keine auf die Begünstigung von Verfahrensbeteiligten oder auf andere Momente abgestellten zeitlichen Geltungsgrundsätze (wie das materielle Finanzstrafrecht im § 4 FinStrG). Wird es geändert und fehlt eine Übergangsbestimmung, so ist das neue Verfahrensrecht sogleich in jeder Lage des Verfahrens, auch im Rechtsmittelstadium, anzuwenden.

Da § 83 Abs. 2 FinStrG als Verfahrensbestimmung ab Inkrafttreten der geänderten Bestimmung anzuwenden ist, war daher auch für den erst am (im Abschnitt Rechtsmittelbelehrung unverändert gebliebenen) zugestellten Bescheid über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens vom die neue Rechtslage ausschlaggebend, wobei zugegebener Maßen durch das Versehen der Finanzstrafbehörde erster Instanz der falsche Eindruck erweckt wurde, dass ein Rechtsmittel zulässig wäre.

Enthält ein Bescheid zu Unrecht eine positive Rechtsmittelbelehrung (hier: verfahrensleitender Bescheid gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG), so wird hiedurch keine (im Gesetz nicht vorgesehene) Berechtigung zur Erhebung eines Rechtsmittels geschaffen (vgl. - ÖStZB 1981, 58; Tannert in Tannert, Finanzstrafrecht § 140 FinStrG [E 2]). Unrichtige Rechtsmittelbelehrungen lassen gemäß § 140 Abs. 2 bis 4 FinStrG daher wohl dadurch bedingte Fristenversäumnisse und Mängel oder Verletzungen der Einbringungszuständigkeit nicht wirksam werden, bewirken aber nicht, dass durch Belehrungsfehler ein Rechtsmittel, das nach dem Gesetz nicht zulässig ist, als eingeräumt gelten könnte.

Eine Rechtsmittelbelehrung ist entsprechend ihrer Bezeichnung nur eine Belehrung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Rechtsmittels aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und kann daher niemals kraft eigenen Rechtes ein Rechtsmittel gewähren oder versagen (; -I/2002).

Somit war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, da die unrichtige positive Rechtsmittelbelehrung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz kein im Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel einräumen kann.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at