Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 22.10.2012, RV/3525-W/11

Wegzugsbesteuerung - Anrechnung des Verlustvortrages

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1452/12 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/13/0038 eingebracht. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7102306/2016 erledigt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Dr. Gabriele Krafft und die weiteren Mitglieder HR Mag. Manuela Fischer, Dr. Wolfgang Baumann und Isabella Krejci über
die Berufung des Bw., vertreten durch Treuhand-Union Villach Wirtschaftsprüfungs- u. SteuerberatungsGmbH, 9500 Villach, Haydnstraße 5, vom
gegen den gem. § 200 Abs. 1 BAO vorläufigen Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer 2009
nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sowie die getroffene Feststellung sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Im Jahr 2009 hielt der Berufungswerber (Bw.) 50% der Anteile an der C-GmbH mit einer Stammeinlage von Euro 17.500,00. Die weiteren 50% befanden sich im Eigentum der Frau R..

Mit Schreiben vom wurde der Abgabenbehörde erster Instanz die Einbringung der o.a. Anteile gem. § 13 Abs. 1 UmgrStG in die R.Ltd. zum Stichtag gemeldet. Es wurden dazu die Einbringungsbilanzen zum , der Einbringungsvertrag, die Unternehmensbewertung der C-GmbH zum sowie betreffend die R.Ltd. das Protokoll eines Gesellschafterbeschlusses über die Einbringung, die Niederschrift über die Vorstandssitzung und die Unterlage über die Ausgabe von 100 ordentlichen Aktien zu jeweils 50% an die Einbringer, alle datiert vom , vorgelegt.

Die Einkommensteuererklärung des Bw. für das Jahr 2009 wurde am eingebracht. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG (Wegzugsbesteuerung innerhalb der EU) gestellt.
Die Nichtfestsetzung sollte auf Basis der Unternehmensbewertung mit dem ermittelten Zeitwert zum Stichtag Juni 2010 (insgesamt Euro 4.729.923,00) für die 50% Anteile von Euro 2.347.461,50 (Euro 2.364.961,50 - Euro 17.500,00) durchgeführt werden.

Die Veranlagung erfolgte seitens der Abgabenbehörde erster Instanz unter Berücksichtigung der erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung sowie den Einkünften aus Verkäufen von Wertpapieren innerhalb der Spekulationsfrist und den Einkünften aus der Veräußerung der Beteiligung.

Die Einkommensteuer wurde iHv Euro 391.631,53 ermittelt, wobei die iHv Euro 787.280,96 erklärten Vorjahresverluste berücksichtigt wurden. Dem Antrag entsprechend wurde die Einkommensteuer nicht festgesetzt.

Der Bescheid für das Jahr 2009 erging gem. § 200 Abs. 1 BAO vorläufig, mit Datum .

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig nach Verlängerung der Berufungsfrist mit Schreiben vom Berufung erhoben.
Nach Ansicht des Bw. wäre für die steuerfrei gestellten Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung iHv Euro 2.347.461,50 kein Verlustabzug in Ansatz zu bringen.
Der Verlustabzug sei nur für die steuerpflichtigen Einkünfte iHv Euro 29.244,36, d.h. iHv Euro 21.933,27 zu berücksichtigen.

Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern. Weiters wurde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom wurde die Berufung durch die Abgabenbehörde erster Instanz als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung der BVE wurde auf die Bestimmung des § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ("Wegzugsbesteuerung") verwiesen und ausgeführt, dass grundsätzlich Steuerpflicht für den Veräußerungstatbestand gegeben sei.
Aufgrund des in der Steuerklärung gestellten Antrages sei über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld abgesprochen worden. Eine Festsetzung sei jedoch nicht erfolgt.
Bei Ermittlung der Einkünfte seien die Sonderausgaben (somit auch der Verlustabzug) in der tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen.
Eine Kürzung des Verlustabzuges sei nicht möglich gewesen, da auch bei der Steuerberechnung aus Einkünften nach § 31 EStG der gesamte Verlustabzug zu berücksichtigen sei.

Mit Schreiben vom wurde der Vorlageantrag eingebracht.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:
Der Vertreter des Bw. brachte vor, dass nach der in Europa geltenden Niederlassungsfreiheit grundsätzlich kein Unterschied in der Steuerbelastung zwischen einer reinen Inlandseinbringung und einer grenzüberschreitenden Einbringung in einem EU-Staat bestehen dürfe.
Bei einer grenzüberschreitenden Einbringung entstünden lediglich Papiergewinne, die nicht realisierten stillen Reserven entsprechen würden. Durch den vorgenommenen Verlustabzug mit diesen Papiergewinnen stünde der Verlustabzug in den Folgejahren nicht mehr zur Verfügung und führe diese Form der Verrechnung zu einer Verletzung des Art. 43 EG-Vertrag, der Niederlassungsfreiheit. Aufgrund der direkten Anwendbarkeit des EU-Rechtes sei, nach Ansicht des Bw., somit der Verlustabzug nicht rechtens.

Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Berufung; der Bw. deren Stattgabe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 31 EStG 1988 in der bis gF (bis BudgetbegleitG 2011 BGBl I 111/2010) gehören zu den sonstigen Einkünften
(1) die Einkünfte aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent beteiligt war.
...
(2) Als Veräußerung gelten auch
1. ...
2. Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Anteiles im Sinne des Abs. 1 führen.
Bei Wegzug
- in einen Staat der Europäischen Union oder
- in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, sofern eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich besteht,
ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen. Als Wegzug gelten alle Umstände im Sinne des ersten Satzes. ...

Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung, ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.
Gemäß § 18 Abs. 7 EStG 1988 können bei einem Steuerpflichtigen, der den Gewinn nach § 4 Abs. 3 ermittelt, Verluste nach Abs. 6 (sinngemäß: bei Ermittlung der Verluste durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) berücksichtigt werden, wenn diese in den vergangenen drei Jahren entstanden sind.

Zum Sachverhalt wird festgestellt, dass zum Stichtag die im Privatbesitz des Bw. gehaltenen 50% Anteile an der C-GmbH in die R.Ltd. eingebracht wurden.

Die grenzüberschreitende Einbringung der Anteile in eine ausländische Kapitalgesellschaft ist daher im Jahr 2009 gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 als wegzugsbedingte Veräußerung der Beteiligung zu behandeln. Da durch die Einbringung der Anteile in eine ausländische Körperschaft ein Umstand vorlag, der zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich des veräußerten Anteiles an der C-GmbH führte, liegt ein Anwendungsfall der Wegzugsbesteuerung vor.

Grundsätzlich begründet der Wegzug die Steuerpflicht für Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen und es entsteht zum Zeitpunkt des Wegzuges auch die Steuerschuld.

Die in Rede stehenden Kapitalanteile wurden jedoch in eine in einem Staat der Europäischen Union gelegene Körperschaft (R.Ltd.) eingebracht.

Infolge der mit dem AbgÄG 2004 unionsrechtskonform neu geregelten Wegzugsbesteuerung ist in solch einem Fall, trotz grundsätzlich gegebener Steuerpflicht, aufgrund des in der Steuererklärung des Bw. gestellten Antrages, über die durch den Wegzug entstehende Steuerschuld mittels Bescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld ist jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen.

Der zum ermittelte Unternehmenswert betrug unstrittig insgesamt Euro 4.729.923,00. Daraus ergab sich eine Bewertung der 50%-Anteile von Euro 2.364.961,50. Die Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung betrugen somit nach Abzug der Anschaffungskosten der Beteiligung von Euro 17.500,00 einen Wert von Euro 2.347.461,50.

Bei Ermittlung des Einkommens des Jahres 2009 wurde seitens der Abgabenbehörde erster Instanz dieser Wert sowie die weiteren Einkünfte des Bw. zum Ansatz gebracht. Der Gesamtbetrag der Einkünfte ergab Euro 2.376.705,86.
Bei Abzug der Sonderausgaben wurde, entsprechend den Angaben in der Erklärung des Bw., auch ein Verlustabzug iHv Euro 787.289,96 berücksichtigt.

Die Einkommensteuer wurde sodann unter Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 4 Z 2 lit. b EStG 1988 mit Euro 391.631,53 ermittelt.
Entsprechend der gesetzlichen Bestimmung des § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 wurde die errechnete Steuer jedoch nicht festgesetzt.

Die Berufung richtet sich nunmehr gegen die Berücksichtigung des Verlustabzuges in der angeführten Höhe.
Nach Ansicht des Bw. könne der Verlustabzug nur bei den steuerpflichtigen Einkünften des Jahres 2009 iHv Euro 29.244,36 zur Anwendung kommen. Es handle sich bei den Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen um steuerfrei gestellte Einkünfte; ein Verlustabzug sei nicht zu berücksichtigen.

Dem Argument des Bw. ist nicht zu folgen, da es sich bei den Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen gem. § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nicht um steuerfreie sondern um steuerpflichtige sonstige Einkünfte handelt.
Die Steuerschuld für diese Einkünfte entsteht mit dem Wegzug. Lediglich die Festsetzung der Steuerschuld wird aufgeschoben.
Eine spätere Veräußerung außerhalb des EU/EWR-Raumes oder ein sonstiges Ausscheiden des Vermögens aus der übernehmenden Körperschaft gilt als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO, sodass zu diesem Zeitpunkt die Festsetzung der Steuer (der bereits entstandenen Steuerschuld) zu erfolgen hat.

Die Berechnung des Einkommens hat im Wegzugsjahr nach den allgemein gültigen, gesetzlichen Bestimmungen der Einkommensermittlung gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 unter Berücksichtigung der Sonderausgaben, Freibeträge und Absetzbeträge zu erfolgen. Die Ermittlung der Steuer hat weiters dem Tarif entsprechend und, wie im gegenständlichen Fall, unter Anwendung des Hälftesteuersatzes zu erfolgen.

Im Zuge der Berufungsverhandlung wurde durch den steuerlichen Vertreter des Bw. argumentiert, dass der vorgenommene Verlustabzug gegen Artikel 43 EG-Vertrag verstoße, da bei der grenzüberschreitenden Einbringung lediglich Papiergewinne entstünden, die nicht realisierten stillen Reserven entsprächen. Durch die Verrechnung der Verluste mit diesen Papiergewinnen stünde der Verlustabzug in den Folgejahren nicht mehr zur Verfügung.

Dazu wird festgehalten, dass es sich entgegen der Ansicht des Bw. nicht um einen "Papiergewinn" handelt, sondern um positive sonstige Einkünfte aus der Beteiligungsveräußerung, die grundsätzlich der Steuerpflicht unterliegen. Bei Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage für die Einkommensteuer des Jahres 2009 sind daher neben Einbeziehung der weiteren Einkünfte des Bw. auch die entsprechenden Sonderausgaben, d.h. auch der Verlustabzug, zu berücksichtigen.
Durch die Tatsache, dass die im Privatvermögen des Bw. befindlichen Anteile im Jahr 2009 auf eine in der Europäischen Union gelegene Körperschaft übertragen wurden, kam es im Zuge der Wegzugsbesteuerung zur Nichtfestsetzung der Steuerschuld. Dadurch wird der unionsrechtlich zu beachtenden Niederlassungsfreiheit Rechnung getragen (vgl. ).

Der Bw. hatte in der Steuererklärung einen Verlustabzug iHv Euro 787.280,96 erklärt und wurde dieser Betrag im angefochtenen Bescheid berücksichtigt.
Dazu wird festgestellt, dass dieser Betrag abzuändern ist.
Aufgrund der aus den Jahren 2005 und 2006 resultierenden Verluste und den in den Jahren 2007 und 2008 bei Ermittlung der Jahreseinkommen verbrauchten Teile der vortragsfähigen Verluste, verbleibt für das Jahr 2009 zur Verrechnung ein Betrag von Euro 718.955,47 (siehe beiliegendes Berechnungsblatt).

Die Entscheidung über die Berufung war daher spruchgemäß zu treffen.

Beilage: 2 Berechnungsblätter

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Bieber/Lehner in SWI 2013, 497
Zorn in RdW 2016/330

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at