Verspätungszuschlag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom und vom , betreffend Verspätungszuschlag/ESt zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Verspätungszuschläge betragen:
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Bf. (im Folgenden kurz Beschwerdeführerin=Bf.) erzielte in Jahren 2004 bis 2011 Kapitaleinkünfte in der Schweiz. Aufgrund einer Selbstanzeige am ergingen für diese Jahre Einkommensteuerbescheide und Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen. Für die Jahre 2004 bis 2008 und 2010 und 2011 ergingen Verspätungszuschlagsbescheide am und für 2009 ein solcher am .
Dagegen erhob die Bf. mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Berufung und führte hiezu begründend aus, dass sie am in einem Schriftsatz bisher nicht versteuerte ausländische Kapitaleinkünfte in der Schweiz für die Jahre 2003 - 2011 gem. § 29 FinStrG gegenüber dem Finanzamt offengelegt hätte.
In der Folge wären Verspätungszuschlagsbescheide mit einer Gesamtbelastung iHv. € 9.135,58 - neben den Einkommensteuerbescheiden und Anspruchszinsenbescheiden für die betreffenden Jahre ergangen. Aus allen Bescheiden hätte sich eine Gesamtbelastung (Einkommensteuer, Anspruchszinsen und Verspätungszuschläge) von € 112.325,98 ergeben, welche sich wie folgt aufteilte (Abbildung 1):
Wie sich aus dieser Darstellung ergäbe, käme auf eine Einkommensteuernachzahlung iHv. EUR 93.809,47 eine Nebenbelastung iHv. EUR 18.516,51, was einer Verzinsung von knapp 20% entspräche.
Zwar wären Anspruchszinsen bzw. Verspätungszuschläge von unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen abhängig und daher ggf. nebeneinander verhängbar, Anspruchszinsen wären bei der Verhängung von Verspätungszuschlägen jedoch zu berücksichtigen. Angesichts der Tatsache, dass die Verspätungszuschläge für die betreffenden Jahre am oberen Ende des behördlichen Ermessens angesetzt wurden und dies mit der vieljährigen Verspätung begründet wurde, der Zinsvorteil der entsprechenden Jahre jedoch bereits durch die Anspruchszinsen abgegolten wäre, wären die Verspätungszuschläge nach ihrer Meinung zu hoch angesetzt worden.
Die Anspruchszinsen wären daher von den Verspätungszuschlägen in Abzug zu bringen und hätte dies Verspätungszuschläge wie unter Abbildung 2 zur Folge:
Die Bf. stellte den Antrag, die Verspätungszuschlagsbescheide 2003-2007 aufzuheben und die Verspätungszuschlagsbescheide 2008 - 2011 in obigem Sinne abzuändern.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte begründend aus, dass für die Verhängung eines Verspätungszuschlages § 135 BAO bestimmte Kriterien zur Ermessensausübung vorsehen würde. Zu diesen würden neben der Höhe des erzielten finanziellen Vorteils unter anderem
das Ausmaß der Fristüberschreitung,
der Grad des Verschuldens sowie
die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Pflichtigen gehören.
Der wirtschaftliche Vorteil erschöpfe sich nach Stoll nicht alleine in der reinen Zinsersparnis, sondern bestehe in wirtschaftlichen Vorteilen aller Art wie z.B. Liquidität. Angesichts der Tatsache, dass die Bf. über erhebliche finanzielle Mittel verfüge, dürfe angenommen werden, dass ihr zumutbar wäre, neben Informationen zur Veranlagung ihres Vermögens auch solche über die steuerliche Behandlung zu sammeln.
Die Bf. verfüge seit 1975 über Vermögen in der Schweiz und wäre seit D1 in Österreich gemeldet, somit unbeschränkt steuerpflichtig und das Besteuerungsrecht für Österreich würde seit diesem Zeitpunkt vorliegen, wo Sie die Erklärungspflicht aus welchen Gründen auch immer in den Vorjahren nicht wahrgenommen hätte. Zu berücksichtigen wäre überdies, dass die Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in der Schweiz angelegtem Kapitalvermögen seit Jahren in den Medien und der öffentlichen Diskussion massiv thematisiert worden wäre, somit dies seit Jahren für die Bf. kein unbekannter Faktor hätte sein können.
Da hier im gegenständlichen Fall mehrere Kriterien für die Ausübung des Ermessens zutreffen würden, würde die Behörde keine Veranlassung sehen, vom festgesetzten Ausmaß des Verspätungszuschlages abzugehen.
Dagegen beantragte die Bf. mit Schriftsatz vom die Vorlage der Berufung an das Bundesfinanzgericht unter Verweis auf die o.a. Begründung.
Aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass die Bf. österreichische Staatsbürgerin ist und seit D1 an einer Wiener Adresse durchgehend gemeldet ist.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach Einsichtnahme in die dem BFG vorliegenden Akten sowie dem Vorbringen der Bf. steht fest, dass die Bf. für die Jahre 2004-2011 keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hat, obwohl sie aufgrund ihrer Einkünfte aus Schweizer Kapitalvermögen dazu verpflichtet gewesen wäre. Das Finanzamt hat daher nach einer Selbstanzeige am für diese Jahre Einkommensteuerbescheide und Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen erlassen. Für die Jahre 2004-2008 und 2010 und 2011 ergingen Verspätungszuschlages Bescheide am und für 2009 ein solcher am . Die Höhe des Verspätungszuschlages wurde jeweils mit 10 % der für das jeweilige Jahr festgesetzten Einkommensteuer bestimmt.
Im Beschwerdefall ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlages für die Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2011 grundsätzlich außer Streit. Strittig ist hingegen die Höhe des Verspätungszuschlages, der vom Finanzamt mit dem Höchstsatz von 10 % bemessen wurde, währenddessen die Bf. die Anrechnung der vorgeschriebenen Anspruchszinsen auf die festgesetzten Verspätungszuschläge in den jeweiligen Jahre beantragt und solcherart für die Jahre 2004-2007 keinerlei Verspätungszuschläge errechnet, und für die Jahre 2008-2011 solche in Gesamthöhe von € 1.586,40.
Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) festsetzen.
Die Abgabenvorschriften bestimmen, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet ist ( § 133 Abs. 1 BAO ).
Die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer sind gemäß § 134 Abs. 1 BAO (in der seit geltenden Fassung des BGBl I 124/2003) bis zum Ende des Monates April jeden Folgejahres einzureichen. Diese Abgabenerklärungen sind bis Ende des Monates Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt.
Die Einkommensteuererklärung 2004 wäre von der Bf. gemäß der oben zitierten Bestimmung des § 134 Abs. 1 BAO bis Ende April 2005 bzw. bei elektronischer Übermittlung bis Ende Juni 2005 einzureichen gewesen, die weiteren jeweils 1 Jahr später. Tatsächlich erfolgte bis zur Selbstanzeige am keine Erklärungsabgabe. Die Fristüberschreitung im Sinne des § 135 BAO beträgt daher zwischen rund acht und einem Jahr!
Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 135 Tz 10 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung bei Dritten (z.B. Abgabenbehörde oder einer gesetzlich zur Rechtsberatung zugelassenen Person oder hierfür eingerichteten Stelle) liegt ein Verschulden (z.B. ).
Dass sich die Bf. über eine allfällige Steuer- und damit Erklärungspflicht ihrer Kapitaleinkünfte in irgend einer Weise bei der Abgabenbehörde oder einem fachkundigen Dritten (z. B. Steuerberater oder Rechtsanwalt) erkundig hätte, wurde nicht behauptet. Schon damit liegt aber nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Verschulden im Sinne des § 135 BAO vor. Eine solche Erkundigung wäre schon im Hinblick auf die Höhe der Kapitaleinkünfte naheliegend und geboten gewesen. Bei dieser Sachlage allein acht Jahre lang die Erklärungsabgabe zu unterlassen geht über den minderen Grad des Versehens hinaus. Eine lediglich leichte Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Davon kann im gegenständlichen Fall aber nicht mehr ausgegangen werden.
Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 135 BAO für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages lagen damit im gegenständlichen Fall vor. Bei der Ermessensübung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor allem das Ausmaß der Fristüberschreitung, die Höhe des durch eine verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils, das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen und der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (Ritz, a.a.O., § 135 Tz 13 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
Finanzielle Vorteile aus einer verspäteten oder wie im vorliegenden Fall gänzlich unterlassenen Erklärungsabgabe sind vor allem Zinsvorteile durch das Hinausschieben der Entrichtung der Abgabenschuld. Unter finanziellen Vorteilen sind allerdings nicht nur Zinsvorteile, sondern wirtschaftliche Vorteile aller Art zu verstehen, beispielsweise Liquidität (Stoll, BAO, 1534). Der Zinsvorteil des Abgabepflichtigen wird bei Festsetzung von Anspruchszinsen bereits durch allfällige Nachforderungszinsen abgeschöpft. Eine zweifache Berücksichtigung dieses Zinsvorteils wäre unzulässig (Ritz, SWK 2001, S 35 mit Hinweis auf Tipke/Kruse, AO, § 233 a Tz 82; ebenso Ritz, BAO, 5. Auflage, § 135 Tz 13 mit Hinweis auf und ; ebenso Ellinger u.a., BAO, § 135 Anm 4). Dabei ist im gegenständlichen Fall aber zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der durch die unterlassenen Erklärungsabgaben erzielten Zinsvorteile durch Anspruchszinsen ausgeglichen werden, da gemäß § 205 BAO Anspruchszinsen nur für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen sind. Diese erfassen etwa im Veranlagungsjahr 2004 nur den Zeitraum bis , nicht jedoch den übrigen Zeitraum bis 2013, in dem der Beschwerdeführer durch die Nichtabgabe der Erklärung ebenfalls einen Zinsvorteil erzielt hat; die Veranlagung erfolgte erst im Juli 2013.
Zutreffend weist Ritz in SWK 2010, S 35, darauf hin, dass der Verspätungszuschlag in Prozentsätzen der Abgabe zu berechnen ist, während für die Höhe der Anspruchszinsen Prozentsätze pro Kalenderjahr maßgebend sind. Der (durchschnittliche) Prozentsatz der Aussetzungsszinsen kann daher allenfalls nur ein grober Anhaltspunkt für den zu wählenden Prozentsatz der Verspätungszuschlages sein, und dies auch nur dann, wenn die relevanten Zeiträume (Anspruchszinsenzeitraum und Verspätungszeitraum) sich decken, was gegenständlich nicht der Fall ist. Verfehlt wäre es auch, einfach den Betrag der festgesetzten Anspruchszinsen von einem – unter Außerachtlassung des Zinsvorteiles – bereits ermittelten Betrag eines Verspätungszuschlages in Abzug zu bringen (so etwa ): sind die Anspruchszinsen höher als ein im Höchstausmaß von 10 % berechneter Verspätungszuschlag, würde für eine Festsetzung desselben kein Raum mehr bleiben. Dass durch die gänzliche betragliche Anrechnung der Anspruchszinsen auf den Verspätungszuschlag solcherart – wie durch das Begehren der Bf. zutreffend dargestellt – es zu einer Konstellation käme, bei der der Verspätungszuschlag zur Gänze entfällt, ist nicht die Intention des Gesetzgebers bei der Einführung der Anspruchszinsenregelung gewesen. Anspruchszinsen gleichen die Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile aus, die für den Abgabepflichtigen dadurch entstehen, dass für eine bestimmte Abgabe der Abgabenanspruch immer zum selben Zeitpunkt entsteht, die Festsetzung der Abgabe jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt (, 05 2001/2-IV/5/01). Regelungsgegenstand sind Nachforderungen und Gutschriften. Verspätungszuschläge sind hingegen festzusetzen, wenn entweder eine Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht gewahrt wird oder keine Abgabenerklärungen abgegeben werden und die Verspätung nicht entschuldbar war. Es handelt sich somit um unterschiedliche Tatbestände, an denen der Gesetzgeber anknüpft und sind diese daher auch nebeneinander anzuwenden. Der Verspätungszuschlag dient dazu, den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Jedenfalls geht es nicht allein um den Endzweck der Steuerfestsetzung und -entrichtung, sondern auch darum, den Finanzämtern ein ordnungsgemäßes, planvolles "Veranlagungsgeschäft" zu ermöglichen (vgl. Tipke, dt. AO, § 152, Tz 1). In Anbetracht des geschilderten Verfahrensablaufes wurde das "Veranlagungsgeschäft" über einen überlangen Zeitraum in eklatanter Weise gestört.
Die Höhe des durch eine verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils ist aber nur ein Ermessenskriterium, welches auch nicht streng mathematisch bei der Wahl des Prozentsatzes für den Verspätungszuschlag oder gar durch Abzug der Anspruchszinsen vom Verspätungszuschlag zur berücksichtigen ist.
Zum bisherigen steuerlichen Verhalten des Beschwerdeführers wird festgestellt, dass dem vorgelegten Akt und dem Abgabenkonto keine weiteren Fristverstöße zu entnehmen sind; solche wurden auch vom Finanzamt im angefochtenen Bescheid nicht ins Treffen geführt.
Zum Grad des Verschuldens wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass dieses über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.
Unter Berücksichtigung der außergewöhnlich langen Fristüberschreitung (zwischen ca. acht und ca. einem Jahr), der festgesetzten Anspruchszinsen, die den Beschwerdeführer effektiv mit einem Betrag von insgesamt € 9.135,58 belastet haben, aber auch des Umstandes, dass die Anspruchszinsen nur für einen Teil des Verspätungszeitraumes festgesetzt wurden, sowie des bisherigen steuerlichen Verhaltens und des Verschuldensgrades ist ein Verspätungszuschlag in Höhe von 8 % angemessen
Berechnung:
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs 4 B-VG zukommt, sodass eine Revision unzulässig ist, da der VwGH in ständiger Judikatur (z.B. ) die Festsetzung von Verspätungszuschlägen sowohl dem Grunde als auch der Höhe durch Anwendung von Ermessen bestätigt hat.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Verspätungszuschlag Anrechnung Anspruchszinsen |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104528.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at