Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 10.01.2011, RV/3720-W/09

1. Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Übermittlung eines berichtigten Lohnzettels 2. Zufluss von Einkünften bei einer Aufrechnung


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Miterledigte GZ:
RV/3721-W/09

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Steuerberater, gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2005 und Einkommensteuer für das Jahr 2005 entschieden:

1. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2005 richtet, Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2. Die Berufung wird, soweit sie sich gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 richtet, zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw) stand in einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis zur Fa. XYGmbH (im Folgenden auch Dienstgeberin). Am sprach die Dienstgeberin die fristlose Entlassung der Bw aus. Eine von der Bw vor dem Arbeits- und Sozialgericht dagegen erhobene Anfechtungsklage mündete in einen am 22. Feber 2007 geschlossenen Vergleich, in dessen Punkt 1 Folgendes vereinbart wurde:

"Das Dienstverhältnis zwischen klagender und beklagter Partei wird einvernehmlich mit aufgelöst, wobei die daraus resultierenden Ansprüche mit den bezogenen Gehaltsvorschüssen aufgerechnet werden. Sämtliche Ansprüche der Klägerin aus dem Dienstverhältnis sind damit endgültig bereinigt und verglichen."

Nachdem die Bw zuletzt mit Bescheid vom , unter Zugrundelegung von der Dienstgeberin gemeldeter steuerpflichtiger Bezüge von 36.234,22 €, zur Einkommensteuer veranlagt worden war, übermittelte die Dienstgeberin am 16. Feber 2009 einen neuen Lohnzettel, der um 45.500,00 € höhere steuerpflichtige Bezüge sowie erstmals mit den festen Sätzen gemäß § 67 Abs. 3 bis 8 EStG versteuerte Bezüge von 44.073,12 € auswies.

Das Finanzamt verfügte daraufhin mit Bescheid vom 17. Feber 2009 unter Hinweis auf die Übermittlung des neuen Lohnzettels die Wiederaufnahme des Verfahrens und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005.

In der dagegen erhobenen Berufung wendet die Bw ein, dass der neue Lohnzettel unrichtig sei. Sie habe von der Fa. XYGmbH von 1. Jänner bis nur steuerpflichtige Bezüge von 36.234,22 € erhalten.

Die steuerliche Vertretung der Dienstgeberin teilte dem Finanzamt über Auskunftsersuchen mit, dass die Aufrollung des Lohnzettels für den Zeitraum 1. Jänner bis auf Grund der im Vergleich vom 22. Feber 2007 vorgesehenen Aufrechnung sämtlicher Ansprüche mit den bezogenen Gehaltsvorschüssen erfolgt sei. Das Verrechnungskonto "Gehaltsvorschuss" habe per einen Forderungssaldo von 28.543,30 € ausgewiesen, weiters habe die Bw im Jahr 2005 ihrem privaten Bereich zuzuordnende Ausgaben in Höhe von 45.143,55 € über betriebliche Konten abgerechnet, woraus sich eine Nettoforderung der Dienstgeberin von 73.686,85 € ergebe. Dem stünden die Abfertigung von brutto 44.073,12 € (netto 41.428,73 €) und eine Gehaltsnachzahlung lt. Vergleich von brutto 45.500,00 € (netto 30.300,00 €), netto somit insgesamt 71.728,73 € gegenüber.

In ihrer dazu ergangenen Stellungnahme blieb die Bw dabei, keine über den bereits versteuerten Betrag von 36.243,22 € hinausgehenden Bezüge von der Fa. XYGmbH erhalten zu haben.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, in der u.a. ausgeführt wird, dass die Gehaltsansprüche der Bw mit ihrem Ausscheiden am entstanden seien und über die in den Büchern der Dienstgeberin ausgewiesenen Gehaltsvorschüsse und Privatausgaben ebenfalls im Jahr 2005 verfügt worden sei. Nach der Rechtsprechung wirkten Aufrechnungen auf jenen Zeitpunkt zurück, in welchem Forderung und Gegenforderung erstmalig aufrechenbar gegenüber stünden. Die Tilgung der wechselseitigen Forderungen und damit der Zufluss im Sinne des § 19 EStG seien somit im Jahr 2005 erfolgt.

Im dagegen erhobenen Vorlageantrag bringt die Bw u.a. vor, dass der Veranlagung das innerhalb eines Kalenderjahres bezogene Einkommen zu Grunde zu legen sei, und dass, wenn die Aufrechnung im Rahmen des Vergleichs beim Arbeits- und Sozialgericht vom Grundlage für den Zufluss der Einkünfte gewesen sei, auf den Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses abzustellen sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der angefochtene Wiederaufnahmsbescheid vom 17. Feber 2009 begründet die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Übermittlung eines neuen Lohnzettels durch die Dienstgeberin der Bw.

Wie den Ausführungen der steuerlichen Vertretung der Dienstgeberin zu entnehmen ist, erfolgte die Aufrollung des Lohnzettels für den Zeitraum 1. Jänner bis auf Grund der im Vergleich vom 22. Feber 2007 vereinbarten Aufrechnung sämtlicher Ansprüche (der Bw) mit den bezogenen Gehaltsvorschüssen.

Nach § 19 Abs. 1 EStG sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Arbeitslohn ist dann zugeflossen, wenn der Arbeitnehmer über diesen tatsächlich und rechtlich verfügen kann; dies ist auch der Fall, wenn die Auszahlung von Arbeitslohn deswegen unterbleibt, weil diese Mittel unmittelbar zur Abdeckung bereits bestehender Verpflichtungen des Arbeitnehmers verwendet werden ().

Bei einer Aufrechnung fließt der Forderungsbetrag im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufrechnung zu (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 19 Tz 8; ; ; ). Das ist bei einseitiger Aufrechnung der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungserklärung zugeht (Taucher, Das Zufluss-Abfluss-Prinzip, S. 28), bzw. bei einer einvernehmlichen Aufrechnung der Zeitpunkt, in dem die Verrechnung erfolgt (Doralt, EStG10, § 19 Tz 30 unter Hinweis auf das ebenfalls zu einer einvernehmlichen Aufrechnung ergangene Erkenntnis des ).

Die nach zivilrechtlicher Rechtsprechung und Lehre angenommene Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entstehung der Aufrechnungslage, die vor allem die Beseitigung von Verzugsfolgen betrifft (Rummel, ABGB II, Rz 14, 15 zu § 1438), sagt dagegen über den Zeitpunkt des Zuflusses nichts aus, weil vor Durchführung der Aufrechnung, bzw. bei einer einvernehmlichen Aufrechnung vor Abschluss der Aufrechnungsvereinbarung eine Verfügungsmöglichkeit noch nicht bestanden hat.

Die Aufrechnung wechselseitiger Ansprüche der Bw und ihrer ehemaligen Dienstgeberin wurde im Vergleich vom 22. Feber 2007 vereinbart. Erst zu diesem Zeitpunkt erlangte die Bw die Möglichkeit, über die betroffenen Teile ihres Arbeitslohns dadurch zu verfügen, dass sie diese zur Abdeckung von der Dienstgeberin gegenüber bestehenden Verpflichtungen verwendet. Damit können der Bw Gehaltsforderungen erst in diesem Zeitpunkt, nicht aber bereits im Jahr 2005 zugeflossen sein. Im Wege der Aufrechnung zugeflossene Beträge können daher nicht im Berufungsjahr 2005 versteuert werden, sondern erst im Jahr 2007, als die Aufrechnung durch den Abschluss des Vergleichs wirksam geworden ist; dies allerdings vorbehaltlich der Frage, auf welche von der Bw geltend gemachten Gehaltsansprüche sich die in der Auskunft der Dienstgeberin genannte Gehaltsnachzahlung von 45.500,00 € überhaupt bezogen hat und in welcher Höhe es tatsächlich zu einer Aufrechnung dieser Ansprüche mit bestehenden Verpflichtungen der Bw gekommen ist, zumal die Aufrechnung laut Vergleich mit den "bezogenen Gehaltsvorschüssen" erfolgen sollte und die Gehaltsvorschüsse laut Auskunft der Dienstgeberin mit 28.543,30 € aushafteten.

Da nach dem Gesagten der von der Fa. XYGmbH dem Finanzamt am 16. Feber 2009 übermittelte Lohnzettel aus dem Vergleich vom 22. Feber 2007 resultierende Gehaltsnachzahlungen zu Unrecht als steuerpflichtige Bezüge des Jahres 2005 ausweist, kann auf diesen Lohnzettel die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gestützt werden.

Der angefochtene Wiederaufnahmsbescheid war daher ersatzlos aufzuheben. Der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Einkommensteuerbescheid 2005 scheidet dadurch ex lege aus dem Rechtsbestand aus, weshalb die Berufung insoweit, als sie sich gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 17. Feber 2009 richtet, als unzulässig geworden zurückzuweisen war.

Da die gegenständliche Entscheidung dem Berufungsbegehren vollinhaltlich Rechnung trägt, eine mündlichen Verhandlung daher zu keinem anderen, insbesondere für die Bw günstigeren Ergebnis geführt hätte, wurde aus verfahrensökonomischen Gründen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 19 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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