Abgabenvorschreibung im Zusammenhang mit dem vorschriftswidrigen Verbringen von Zigaretten - Bindungswirkung der Abgabenbehörden an Gerichtsurteile.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Miterledigte GZ: |
---|
ZRV/0037-Z2L/08 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf., vertreten durch Dr. Brigitta Braunsberger-Lechner, Rechtsanwältin, 4400 Steyr, Stelzhamerstr. 6, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Linz vom , Zl. 500/12595/2005, betreffend Eingangsabgaben für den Zeitraum November 2002 bis Juli 2005 entschieden:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Abgabenbescheid vom , Zl. 500/90463/15/2005 setzte das Zollamt Linz gegen den gegenständlichen Bf. gem. Art. 202 ZK einen Abgabenbetrag in Höhe von insgesamt 10.852,18 EUR fest. In der Begründung dieses Festsetzungsbescheides führt die Abgabenbehörde I. Instanz im Wesentlichen sinngemäß aus, dass auf Grund von Ermittlungen der Finanzstrafbehörde I. Instanz festgestellt worden sei, dass der Bf. zwischen November 2002 und Juli 2005, 69.000 Stk. einfuhrabgabenpflichtige Zigaretten von namentlich unbekannten Personen erworben habe obwohl er gewusst hätte, dass diese Tabakwaren vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden seien. Durch dieses vorschriftswidrige Verbringen der genannten Tabakwaren sei gem. Art. 202 Abs. 1 lit a) ZK die Einfuhrzollschuld entstanden. Nach Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK seien jene Personen Zollschuldner, welche die betreffenden Waren erworben oder in Besitz gehabt hätten, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Dem Bf. seien daher die vorgenannten Abgaben als Zollschuldner vorzuschreiben gewesen, wobei hinsichtlich einer Abgabenschuld in Höhe von 922,15 EUR ein Gesamtschuldverhältnis mit A. bestehe.
Gegen diesen Abgabenbescheid erhob der nunmehrige Bf. mit Eingabe - eingelangt beim Zollamt Linz am - fristgerecht durch seine Rechtsvertreterin das Rechtsmittel der Berufung. In diesem Schriftsatz wendet der Bf. ein, dass dem bekämpften Bescheid 1) ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde gelegt worden sei, 2) die erstinstanzliche Behörde Verfahrenvorschriften verletzt habe sowie 3) eine rechtlich unkorrekte Beurteilung erfolgt sei. Zu den einzelnen Berufungspunkten führt der Bf. zusammengefasst zu Pkt 1) aus, dass die Abgabenbehörde I. Instanz zunächst zutreffend von den, vom Bf. anlässlich der behördlichen Einvernahmen getätigten Mengenangaben ausgegangen sei, diese jedoch in der Größenordnung bei weitem nicht zutreffen würde. So habe sich der Bf. seinerzeit erheblich zu seinem Nachteil verrechnet als er versuchte die im vorliegenden Verfahren relevante Zigarettenmenge zu schätzen. Dies würde sich auch durch die Eintragungen in das von der Behörde beschlagnahmte Notizbuch ergeben. Weiters sei es auch Pflicht der Behörde, amtswegig die tatsächlichen Gegebenheiten zu erforschen. So reiche es keinesfalls aus, sich gänzlich auf die Verantwortung des Beschuldigten zu verlassen. Bereits durch Einblick in das beschlagnahmte Notizbuch wäre es für die Behörde möglich gewesen, jene Feststellungen zu treffen, dass die getätigten Mengenangaben anlässlich der Vernehmungen des Bf. nicht den Tatsachen entsprechen könnten. Obendrein sei es dem Bf. nicht möglich gewesen - auf Grund der erfolgten Beschlagnahme seines Notizbuches - in seine Aufzeichnungen Einsicht zu nehmen und diese Daten der Mengenermittlung zu Grunde zu legen. Erst nach Ausfolgung einer Ablichtung des Notizbuches sei folglich der grobe "Rechenfehler" hinsichtlich der Mengenermittlung vom Bf. feststellbar gewesen. Auch sei die von der Behörde durchgeführte "Querschnittsberechnung" völlig unzutreffend. So mag es durchaus sein, dass in manchen Monaten die vom Bf. geschilderte Zigarettenmenge korrekt sei, jedoch für zahlreiche Monate die genannte Menge keinesfalls zutreffen würde. Zum Beweis dieser Vorbringen beantragte der Bf. in seinem Berufungsschriftsatz seine neuerliche Einvernahme sowie eine Einsichtnahme in das bei der Behörde aufliegende Notizbuch.
Im Pkt 2) "Verletzung von Verfahrensvorschriften" rügt der Bf. ausdrücklich, dass die Behörde ausschließlich von den fehlerhaften, niederschriftlich festgehaltenen Angaben des Bf. ausgehe. So sei es einerseits Pflicht für die Behörde auch amtswegig zu ermitteln und auch entlastende Umstände zu berücksichtigen. Gerade durch behördliche Einsichtnahme in das beschlagnahmte Notizbuch wäre die Behröde bereits zu einem anderen Schluss gekommen.
Betreffend die unrichtige rechtliche Beurteilung (Pkt. 3 im Berufungsschriftsatz) bringt der Bf. sinngemäß vor, dass bei einer richtigen rechtlichen Beurteilung von einer wesentlich geringeren Zigarettenmenge - als von der Abgabenbehörde - ausgegangen werden hätte müssen.
Gleichzeitig beantragte der Bf. in dieser Berufung abschließend u.a. eine Aussetzung der Vollziehung worüber vom Zollamt in einem gesonderten Verfahren abgesprochen wurde.
Mit Berufungsvorentscheidung vom , Zl. 500/12595/2005, wies das Zollamt die Beufung gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Dies begründet die Abgabenbehörde im Wesentlichen sinngemäß damit, dass der Bf. mehrmals von Organen der Finanzstrafbehörde niederschriftlich einvernommen worden sei (, , und ). Gerade mit jenen Aussagen in den Einvernahmen vom 25.7. und habe der Bf. detaillierte Angaben betreffend Menge sowie den Ankaufsablauf der geschmuggelten Zigaretten nachvollziehbar geschildert. Diesen Angaben komme überdies die Qualität einer Erstaussage zu, welcher nach ständiger Rechtsprechung des VwGH mehr Glaubwürdigkeit beizumessen sei als zeitlich späteren Aussagen. Jene Einwendungen, dass sich bei einer entsprechenden Einsichtnahme in das beschlagnahmten Notizbuch durch die Behörde, bereits eine bei weitem geringere Zigarettenmenge als von der Behörde tatsächlich in ihrem Bescheid herangezogen, ergebe, entgegnet das Zollamt Linz damit, dass dieses Notizheft lediglich Aufzeichnungen über "Not und Elend" und somit nur Eintragungen über Geldschulden aufweise. Dieses Notizheft beinhalte jedoch keine Aufzeichnungen über Barverkäufe und habe folglich lediglich eine eingeschränkte Aussagekraft. Ein Verfahrensfehler, wie vom Bf. in seiner Berufungseingabe dargestellt, könne die Abgabenbehörde nicht erblicken, da gerade eine mehrmalige Einvernahme des nunmehrigen Bf. eine amtswegige Ermittlung darstelle. Aus diesem Grund könne auch auf die, in der Berufung beantragte neuerliche Einvernahme des Bf., verzichtet werden, da dieser zum Sachverhalt bereits viermal von der Zollbehörde einvernommen worden sei.
Gegen diese Entscheidung erhob der Bf. fristgerecht Beschwerde gem. § 85 c) ZollR-DG. Ergänzend zu den Einwendungen in der Berufungsschrift bringt der Bf. darin vor, dass es bei seinem Versuch, die für das gegenständliche Verfahren relevante Zigarettenmenge zu schätzen, zu unkorrekten Angaben gekommen sei. Bereits anlässlich der Vernehmung habe der Bf. darauf hingewiesen, dass eine Mengenangabe hinsichtlich der Zigaretten nur mit Hilfe des Notizbuches möglich sei. Eine Aushändigung dieses sei jedoch von der Behörde verweigert worden. Hinsichtlich der zu schätzenden Mengenangabe sei der Bf. demnach von den vernehmenden Beamten regelrecht "rauflizitiert" worden. Auch bereits anlässlich einer Einvernahme sei vom Bf. darauf hingewiesen worden, dass die protokollierte Größenordnung durch die Behörde nicht stimmen könne. Dieser Hinweis sei jedoch in der Niederschrift nicht festgehalten worden. Vielmehr sei die Mengenschätzung daher von Seiten der Beamten durchgeführt worden. Auf Grund der nunmehr dem Bf. vorliegende Kopie des Notizbuches sei es ihm erst möglich, eine tatsächliche Querschnittsberechnung vorzunehmen. Aus den besagten Aufzeichnungen des Notizbuches ergebe sich für den Zeitraum von April 2003 bis Juli 2005 lediglich eine Eintragung von 166 Stangen Zigaretten. In der Folge komme es daher - bei einer Heranziehung der Aufzeichnungen aus dem Notizbuch - zu einer Mengenschätzung von etwa 350 Stangen. Dies deshalb, da der Bf. eine Hälfte gegen "Barzahlung" - welche somit im Notizbuch vermerkt worden sei - und die andere Hälfte gegen "Stundung" weitergegeben habe. Weiters sei aus den Aufzeichnungen ersichtlich, dass im November 2002 zum ersten mal der Bf. 15 Stangen Zigaretten von einem namentlich unbekannten Jugoslawen angekauft habe. Bei diesem Mann hätte es sich um einen Arbeitskollegen des Bf. gehandelt, der jedoch im September 2002 seinen Arbeitsplatz gewechselt hätte, und daher der Kontakt zu ihm abgebrochen wäre. Im April 2003 sei der Bf. erstmals auf Z. getroffen und habe von ihm 15 Stangen Zigaretten zu jeweils 19,00 EUR gekauft. Ein Ankauf weiterer 15 Stangen Zigaretten von Z. sei vom Bf. im Mai 2003 erfolgt. Diese seien von äußerst schlechter Qualität gewesen sodass der Zigarettenbezug von Z. eingestellt worden sei. Bis Oktober 2003 habe daher der Bf. keine geschmuggelten Zigaretten angekauft, was wiederum durch fehlende Aufzeichnungen im Notizbuch Deckung finde. Im Oktober 2003 habe Z. dem Bf. von sich aus Zigaretten anstelle von 19,00 EUR pro Stange um 17,00 EUR angeboten. Sowohl im Oktober 2003 als auch im Dezember 2003 habe der Bf. demnach jeweils 15 Stangen Zigaretten von der genannten Person angekauft. Im Jänner 2004 habe sich der Bf. das Rauchen abgewöhnt wodurch er bis September 2004 weder Zigaretten angekauft noch weiterveräußert hätte. Im September 2004 habe der Bf. 15 bis 20 Stangen von einem gewissen I., sowie in den Folgemonaten bis Jänner 2005 von der genannten Person monatlich weitere Stangen angekauft. Die Qualität der Zigaretten sei jedoch zunehmend - insbesondere in den Wintermonaten - schlechter geworden, sodass der Zigarettenankauf sowohl bei Z. als auch bei I. völlig eingestellt worden wäre. Auch sei die von der Abgabenbehörde vorgenommene Hochrechnung auf vier Jahre unkorrekt, da sich bereits aus den niederschriftlichen Aussagen des Bf. ergebe, dass dieser erstmals im November 2002, und letztmalig im Juli 2005 geschmuggelte Zigaretten angekauft habe. Es ergebe sich daher lediglich ein Zeitraum von 2,7 Jahren. Abschließend beantragte der Bf. in dieser Eingabe die angefochtene Berufungsvorentscheidung aufzuheben, sowie der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Vom Unabhängigen Finanzsenat (kurz UFS) wurde dem Bf. mit Vorhalt vom mitgeteilt, dass gegen ihn mittlerweile in strafrechtlicher Hinsicht ein rechtskräftiges Urteil des OLG Linz vorliege und der Bf. der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei gem. § 37 Abs. 1 lit a) iVm § 38 Abs. 1 lit a) FinStrG als schuldig erkannt wurde. Folglich liege für die Abgabenbehörde nach § 116 BAO eine Bindungswirkung an das genannte Urteil vor. Dieser Vorhalt blieb bislang unbeantwortet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Im gegenständlichen Verfahren ist zunächst festzustellen, dass sich die Einwendungen des Bf. ausschließlich gegen die, der Abgabenvorschreibung zu Grunde gelegten Menge an Zigaretten richtet. Gem. § 115 Abs.1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabenpflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben von Bedeutung sind. Nach dem Wortlaut des § 116 Abs.2 BAO besteht jedoch insoweit eine Bindung der Abgabenbehörden an Entscheidungen der Gerichte, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Dies bedeutet (nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes), dass die Abgabenbehörde an die im Spruch des die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteils festgestellte Tatsachen bzw. an die tatsächlichen Feststellungen, auf die dieser Spruch beruht, gebunden ist (z.B. ; , 95/13/0214;, 95/16/0324, auch Ritz, BAO-Kommentar, § 116 Tz.14).
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom X., Zl. XX. liegt im vorliegenden Fall ein derartiges Strafurteil gegen den Bf vor. Mit diesem wurde der Bf. wegen gewerbsmäßiger Abgabenhehlerei für eine Menge von 273.000 Stk. Zigaretten verurteilt. Gerade diese Zigarettenmenge wurde auch vom Zollamt zur Vorschreibung der darauf entfallenden Abgaben herangezogen. In diesem Zusammenhang wird auf die, an den Bf. ergangenen erstinstanzlichen Abgabenbescheide (zwei Bescheide vom , Zln. 500/90463/15/2005 und 500/90463/16/2005), worin der Abgabenvorschreibung insgesamt übereinstimmend zum genannten Gerichtsurteil eine Zigarettenmenge von 273.000 Stück herangezogen wurde, verwiesen. Zu diesen Feststellungen gelangte das Zollamt durch die Ergebnisse der finanzstrafrechtlichen Ermittlungen, insbesondere durch die mehrmalige Einvernahme des gegenständlichen Bf.
Auch erweist sich durch die Bindungswirkung der Abgabenbehörde nach § 116 BAO die, in der Beschwerdeeingabe neuerlich beantragte Einvernahme des Bf., als unerheblich, und konnte somit unterbleiben. Gleichfalls wird zur ebenfalls beantragten Aussetzung der Vollziehung hingewiesen, dass diese in einem gesonderten Verfahren vom Zollamt abgehandelt wurde bzw. wird und demnach vom gegenständlichen anhängigen Beschwerdeverfahren nicht betroffen ist.
In der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung der Zollbehörde konnte somit keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Es war daher, wie im Spruch ausgeführt, zu entscheiden
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 202 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Beweisaufnahme Bindungswirkung der Abgabenbehörden |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at