Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung
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RV/0361-I/09-RS1 | Im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern können Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden, wenn die Fortpflanzungsunfähigkeit nicht freiwillig herbeigeführt worden ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Berater vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck, vertreten durch Finanzanwalt, vom betreffend Einkommensteuer 2006 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Bw (Berufungswerber) beantragte anlässlich der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2006 die Kosten einer In-Vitro-Fertilisation sowie die Aufwendungen einer Auslandsadoption (insgesamt xxxx €) als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Die Veranlagung zur Einkommensteuer 2006 erfolgte zunächst erklärungsgemäß (Einkommensteuerbescheid vom ). Mit Ausfertigungsdatum wurde der Einkommensteuerbescheid vom aufgehoben und ein neuer Einkommensteuerbescheid 2006 erlassen. Begründend wurde ausgeführt, es liege keine sittliche Verpflichtung zur Adoption von Kindern vor.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom wurde mit Eingabe vom fristgerecht Berufung erhoben und ausgeführt, nach der Rechtsprechung des VwGH seien Kosten für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, weil die erforderliche Zwangsläufigkeit aufgrund des öffentlichen Interesses der Gesellschaft an Kindern gegeben sei. Diese Begründung des Höchstgerichtes müsse auch im Fall der Adoption von Kindern gelten.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vom (Versanddatum ) wurde mit Eingabe vom fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.) Aufgrund des Gesundheitszustandes seiner (ersten) Gattin, die nach Fehl- und Frühgeburten mit weiteren Schwangerschaften nicht belastet werden durfte, hat sich der Bw einer Vasektomie unterzogen. Die Durchführung der Vasektomie erfolgte über ärztliches Anraten. Nach Scheitern seiner ersten Ehe hat der Bw im Jahr 2004 B geheiratet. B hat sich einer medizinisch indizierten In-Vitro-Fertilisations-Behandlung unterzogen. Nach dem Scheitern von mehreren In-Vitro-Fertilisations-Versuchen hat das Ehepaar im Jahr 2006 ein Kind aus A adoptiert.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund des unbestrittenen Parteivorbringens.
2.) Die Kosten der In-Vitro-Fertilisations-Behandlung hat im Berufungsfall zu 70% der In-Vitro-Fertilisations-Fonds getragen. Ein Anspruch auf Kostentragung besteht bei Sterilität der Frau, aber auch bei Sterilität des Mannes. Der Anspruch auf Kostentragung besteht dann nicht, wenn die Sterilität die beabsichtigte Folge eines von der Frau bzw. vom Mann gewünschten Eingriffs ist (§ 4 IVF-Fonds-Gesetz 1999).
3.) Das Finanzamt hat im Vorlagebericht angemerkt, die Kosten der In-Vitro-Fertilisation würden als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
4.) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Kosten einer künstliche Befruchtung zu einer außergewöhnlichen Belastung führen (, vgl. Zorn, VwGH Künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung, RdW 2006/53, 53).
Im Erkenntnis vom , 2005/15/0138 führt der Verwaltungsgerichtshof aus:
"Bereits der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , G 188/91, im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Kinder im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kinder Zwangsläufigkeit von vornherein unterstellt. Dieser bei Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Kinder entwickelte Gedanke ist auch auf die Berücksichtigung der Aufwendungen für eine In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung zu übertragen. Im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern können demnach Kosten einer medizinisch indizierten In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden, wenn die Fortpflanzungsunfähigkeit nicht freiwillig herbeigeführt wurde (vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 EStG 1988, Einzelfälle, In-Vitro-Fertilisation, bzw. Krankheitskosten)".
5.) Das Finanzamt begründet seinen abweisenden Standpunkt im Wesentlichen damit, dass der Abschluss eines Adoptionsvertrages freiwillig erfolge. Adoptionskosten würden zudem nach grundsätzlich nicht zwangsläufig erwachsen.
6.) Mit dieser Argumentation lässt das Finanzamt nach Meinung des Unabhängigen Finanzsenates außer Acht, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2005/15/0138 die Zwangsläufigkeit der Kosten einer medizinisch indizierten In-Vitro-Fertilisation allein im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern als geben erachtet hat. Einschränkend hat der VwGH lediglich ausgeführt, dass die Fortpflanzungsunfähigkeit nicht freiwillig herbeigeführt worden sein dürfte.
Anders als der deutsche Bundesfinanzhof begründet der VwGH die Zwangsläufigkeit der angefallenen Aufwendungen nicht mit dem Vorliegen von Krankheitskosten, sondern vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VfGH die Ausfassung, dass "im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern" Zwangsläufigkeit von vornherein vorliege (vgl. Pülzl, Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung, SWK Heft 31/2009, S. 1371).
7.) Der Unabhängige Finanzsenat schließt sich der in der Literatur vertretenen Meinung an, dass die angeführten Grundsätze auch bei der Adoption von Kindern Anwendung finden müssen. Sowohl die In-Virto-Fertilisation als auch die Adoption von Kindern sind nämlich Möglichkeiten, einen (bislang versagt gebliebenen) Kinderwunsch zu erfüllen (vgl. Pülzl, Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung, SWK-Heft 31/2009, S. 1371, Hofstätter/Reichel/Fuchs, Kommentar zur Einkommensteuer § 34 Einzelfälle "In-Vitro-Fertilisation).
8.) Unbestritten ist, dass die Fortpflanzungsfähigkeit im Streitfall nicht freiwillig herbeigeführt worden ist. Somit kann nach Meinung des Unabhängigen Finanzsenates dem freiwilligen Abschluss eines Adoptionsvertrages keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.
9.) Die geltend gemachten Adoptionskosten wurden vom Bw aufgegliedert und belegmäßig nachgewiesen. Die Aufwendungen betreffen neben Flug-, Unterbringungs- und Kinderarztkosten, Adoptionsgebühren, die an den ausländischen Staat entrichtet worden sind. Das Finanzamt hat sich zur Höhe der angefallenen Aufwendungen nicht geäußert. Es besteht daher für den Unabhängigen Finanzsenat kein Anlass die geltend gemachten Kosten zu kürzen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Anmerkung | Abweichend RV/1340-W/06 vom |
Zitiert/besprochen in |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at