Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.05.2019, RV/6100316/2017

Geschäftsführerhaftung und Gleichbehandlungsgebot

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. DSW in der Beschwerdesache XXX, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Land vom , betreffend Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung im Ausmaß von nunmehr € 88.590,83 herangezogen wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer (Bf) als ehemaliger Geschäftsführer der YY (GmbH) von der belangten Behörde über eine mögliche Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO in Kenntnis gesetzt und um diesbezügliche Stellungnahme gebeten.

Das Schreiben lautet wie folgt:

Die Vertreter juristischer Personen haben alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet werden.

Vertreter haften mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden trifft. Leichte Fahrlässigkeit gilt bereits als Verschulden.

Sie werden daher in Ihrem eigenen Interesse ersucht, die nachfolgenden Fragen sorgfältig und vollständig zu beantworten und durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zu Ihrer Entlastung dienen können, zu belegen.

Am Konto der GmbH haften Abgabenbeträge in Höhe von € 89.037,83 (siehe Tabelle unten) als uneinbringlich aus.

Laut Firmenbuchauszug waren Sie ab  als Vertreter der GmbH bestellt. Auf Grund Ihrer Funktion als geschäftsführender Vertreter oblag Ihnen die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Vertretenen.

Da die unter Punkt 1 angeführten Abgabenbeträge während Ihrer Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet wurden, muss das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass Sie der Ihnen aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Vertretenen nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sind.

Die genannten Beträge sind bei der GmbH als uneinbringlich anzusehen. Dies ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass die Gesellschaft aufgelöst wurde (Beschluss des Gerichtes vom - Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens).

Sofern die GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Punkt 1) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.

Es steht Ihnen frei, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der GmbH auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt Ihnen als Vertreter, Nachweise dafür, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der GmbH noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der GmbH ist. Unter diesen Umständen haften Sie für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB ).

Wird der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liegt es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die unter Punkt 1 genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der GmbH (zB ). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt (zB ), sähe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen Sie im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.


Da der Vorhalt unbeantwortet blieb, wurde mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg Land vom der Bf gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Ausmaß von € 89.037,83 (siehe oben) herangezogen.

Die Begründung der Abgabenbehörde stellt sich in den wesentlichen Teilen wie folgt dar:

Gemäß § 80 Abs. 1 haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der
Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Laut Firmenbuchauszug waren Sie seit als Geschäftsführer der GmbH bestellt.
Die genannten Beträge sind bei der Gesellschaft als uneinbringlich anzusehen. Dies ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass die Gesellschaft laut Firmenbuch aufgelöst wurde.

Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu verweisen, wonach es Aufgabe des Geschäftsführers ist, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war.

Das Finanzamt Salzburg-Land forderte Sie mit Schreiben vom auf zur beabsichtigten Haftinanspruchnahme für den Abgabenrückstand der GmbH Stellung zu nehmen sowie Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass das Finanzamt bei der Verteilung der vorhandenen Mittel nicht schlechter behandelt wurde als die anderen Gläubiger. Der Nachweis, in welcher Höhe Mittel zu den einzelnen Fälligkeitszeitpunkten vorhanden waren und wie diese verwendet wurden, obliegt dem Geschäftsführer.

Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird der Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Nachdem die Abgaben aber nicht entrichtet wurden und der Nachweis der Mittelverwendung nicht erbracht wurde, ist das Finanzamt Salzburg-Land nicht in der Lage zu prüfen, inwieweit es als Gläubiger benachteiligt wurde.

Die Haftung besteht somit zur Gänze (siehe ), denn es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer ist vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des
Abgabenanspruches dar.

Die Heranziehung zur Haftung ist eine Ermessensentscheidung. Dabei ist vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung - Einbringlichmachung von Abgabenansprüchen, die beim Primärschuldner nicht mehr einbringlich sind - zu berücksichtigen. Diesfalls bildet die Heranziehung des Haftungspflichtigen für die Abgabengläubiger die einzige gesetzlich vorgezeichnete Möglichkeit, noch aushaftende Abgaben einbringlich zu machen, weshalb grundsätzlich die Heranziehung zur Haftung gem. § 9 BAO dem öffentlichen Interesse an einem gesichertem Abgabenaufkommen entspricht und daher im Fall der Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner ermessenskonform ist.

Die der Haftung zugrundeliegenden Bescheide sind beigelegt.
Alle sonstigen die Haftung gem. § 9 iVm. §§ 80 ff BAO angeschlossenen Abgaben wurden aufgrund von Selbstberechnung oder laufender Anlastung auf dem Gebarungskonto der GmbH gebucht.

Vom Bf wurde - nach verlängerter Rechtsmittelfrist - am Bescheidbeschwerde erhoben und zwar gegen den Haftungsbescheid und die diesem ua zugrundeliegenden Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 10/2014, 11/2014, 12/ 2014, 01/2015 und 02/2015.

Die Begründung dazu lautet auszugsweise wie folgt:

Mit dem hier bekämpften Haftungsbescheid werde der Bf als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 88 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Ausmaß von € 89.037,83 in Anspruch genommen.

Bekämpft werde zunächst die von der hg. Behörde im Haftungsbescheid angenommene Abgabenschuldigkeit in Höhe von € 89.037,83. Der Bf sei seit als handelsrechtlicher Geschäftsführer tätig, sodass er für den Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 in Höhe von € 515,61 bzw. den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von € 53.35, jeweils fällig am , nicht in die Haftung genommen werden könne.

Die Zustellung sämtlicher Grundbescheide - mit Ausnahme der Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer - sei an einen Dritten erfolgt. Der Bf habe erst mit Übermittlung des Haftungsbescheides Kenntnis von den Grundbescheiden erhalten. Nachdem der Bf keine Kenntnis der Grundbescheide haben konnte, sei ihm folgerichtig auch keine haftungsbegründende schuldhafte Pflichtverletzung abgabenrechtlicher Pflichten anzulasten.

Ganz grundsätzlich bestreite der Bf eine schuldhafteVerletzung seiner ihm allfällig obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten. Tatsächlich sei das Finanzamt bei der Verteilung der vorhandenen Mittel der GmbH nicht schlechter behandelt  worden als die anderen Gläubiger. Dies aus dem einfachen Grunde, dass überhaupt keine liquiden Mittel zur Verteilung mehr vorhanden gewesen seien, welcher Umstand sich auch darin äußere, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei.

Sofern der Bf in diesem Punkte seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sein sollte, hätte dies die hg. Behörde jedoch nicht von ihrer Mitwirkungspflicht entbunden (vgl. u.a. , 0178). Im vorliegenden Fall sei die Behörde dieser ihr obliegenden Mitwirkungspflicht insofern nicht nachgekommen, als sich bereits aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben hätten. Konkret hätte eine gebotene Einsicht in den Insolvenzakt ergeben, dass neben dem Finanzamt lediglich ein weiterer Gläubiger - die SGKK- bestanden habe und diese ebenfalls und im gleichen Zeitraum hinsichtlich der Sozialversicherungsabgaben nicht bedient worden sei. Die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 BAO liegen mangels schuldhafter Pflichtverletzung des Bf somit nicht vor.

Die belangte Behörde hat am die streitgegenständliche Bescheidbeschwerde als unbegründet abgewiesen, da der Bf als ehemaliger Geschäftsführer weder nachweisen konnte, dass ihn keine schuldhafte Pflichtverletzung an der Nichtentrichtung der Abgaben treffe noch konnte er die Gleichbehandlung aller Gläubiger nachweisen.

Der Bf stellte am einen Vorlageantrag, der von der belangten Behörde am dem BFG vorgelegt wurde.

Am fand vor dem BFG eine Erörterung des streitgegenständlichen Sachverhaltes und des in diesem Zusammenhang erhobenen Beschwerdebegehrens statt.

Der Vertreter des Bf führte dazu aus, dass die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid insofern erhoben wurde, als damit auch die diesem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 10/2014 bis 02/2015 erstmals bekämpft werden können. Hinsichtlich der Gläubigergleichbehandlung können keine Nachweise vorgebracht werden.

Entscheidungrelevanter Sachverhalt:

Unstrittig ist, dass der Bf Gf der GmbH im Zeitraum bis war. Unstrittig ist weiters dass die Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € € 89.037,83 bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind.

Nach Ansicht des Bf trifft ihn keine schuldhafte Verletzung seiner ihm obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten.

Die belangte Behörde tritt diesen Ausführungen entschieden entgegen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes und den Ermittlungen des BFG.

Rechtslage und Erwägungen:

Bringt ein Haftungspflichtiger sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerden ein, so sind diese Beschwerden nicht gemäß § 267 BAO zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden, sondern es ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (Ritz, Kommentar BAO6, § 248 Tz 16).

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretenen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die im Bescheidspruch angeführten Lohnsteuern sind entweder Ergebnis einer abgabenrechtlichen Prüfung (Zeitraum 2011 bis 2013), die im Jahr 2014 stattfand, oder wurden von der Primärschuldnerin dem Finanzamt selbst bekannt geben (04/2014, 05/2014, 06/2014, 10/2014, 11/2014,12/2014, 01/2015, 02/2015) und sind sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach unbestritten.

Der Bf war im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft (lt Firmenbuch: bis ) und damit für die Entrichtung dieser Abgaben verantwortlich.

Nach der ständigen Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Reichen die dem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuer aus, darf der Geschägtsführer gemäß § 78 Abs 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Wird dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden bzw aller Gläubiger hinaus (Ritz, Kommentar BAO6, § 9 Tz 11d und die dort angeführte Judikatur).

Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung ist somit hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Ausschließungsgründe wurden vom Bf nicht vorgebracht.

Für alle weiteren Abgabenrückstände lt Aufstellung gilt folgendes:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden (zB ).

Wie dem Bf gegenüber mehrmals mit Hinweis auf die geltende Beweislastumkehr vorgehalten wurde, ist es Sache eines Geschäftsführers die Gründe darzulegen, die ihn an der Entrichtung der Abgaben gehindert haben (zB VwGH vom 27.01,2011, 2009/16/0108). Andernfalls kann vom schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers ausgegangen werden.

Die Nachweispflicht, dass die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt wurden, treffen den Bf, der dieser qualifizierten Beweislast in keinem Verfahrensstadium nachgekommen ist, denn mit den Vorbringen, dass aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ableitet hätten werden können und dass neben der Abgabenbehörde lediglich ein weiterer Gläubiger bestanden hat, kann für das streitgegenständliche Verfahren nichts gewonnen werden. Vielmehr hat der Bf im Rahmen der Erörterung der streitgegenständlichen Sach- und Rechtslage durch seinen Vertreter bekannt gegeben, dass er einer weiteren Nachweispflicht gar nicht nachkommen kann.

Da somit eine Gleichbehandlung der Gläubiger im Sinne der Beweislastumkehr seitens des Bf nicht nachgewiesen wurde, ist vom Verschulden des Bf auszugehen, welches kausal für die Nichtenrichtung der Abgaben anzusehen ist.

Die Höhe des Haftungsbetrages reduziert sich allerdings um den Betrag K/07-09/15 in Höhe von € 437,00 und um den Betrag EG 2015 in Höhe von € 10,00, da die Fälligkeiten dieser Abgaben nicht in den Zeitraum der Geschäftsführerbestellung des Bf (lt Firmenbuch: bis ) fallen.

Dem Begehren des Bf, nicht für den Dienstgeberbeitrag 2010 und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 zur Haftung herangezogen werden zu können, kann nicht entsprochen werden. Es handelt sich um nicht getilgte Abgabenschuldigkeiten, für die der Bf als Geschäftsführer jedenfalls haftet.

Abschließend darf bemerkt werden, dass der Einwand des Bf, die Zustellung sämtlicher Grundbescheide erfolgte nicht an ihn sondern an einen Drittten und ihm daher keine haftungsbegründende schuldhafte Pflichtverletzung abgabenrechtlicher Pflichten anzulasten sei, geht insofern ins Leere, als dieser Dritte als Zustellungsbevollmächtigter im Finanzamtsakt aufscheint und die Behörde daher die Bescheide diesem zustellen musste.

Insofern die Abgabenbehörde eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Bf getroffen hat, ist dieser zu folgen, da die Haftungsinanspruchnahme die einzige Möglichkeit darstellt, den Abgabenausfall zu kompensieren.

Die Höhe der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten reduziert sich von € 89.037,83 auf € 88.590,83.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig, weil im Hinblick auf die genannten höchstgerichtlichen Erkenntnisse keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegt.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100316.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at