Die vorzeitige rechtsgeschäftliche Aufhebung eines Baurechts erliegt dem grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/0583-W/05-RS1 | Gemäß § 2 Abs.2 GrEStG 1987 werden Baurecht und Gebäude auf fremden Grund (zu letzteren gehören insbesondere Superädifikate gemäß § 435 ABGB) gleich behandelt. Es kann - im Hinblick darauf - dass seit der Aufhebung von § 2 BauRG, der Kreis der Grundstücke an denen ein Baurecht begründet werden darf, stark eingeschränkt wurde, der gleiche wirtschaftliche Zweck durch Einräumung eines Baurechtes oder durch Verschaffung eines zeitlich begrenzten Benützungstitels am Grundstück, welcher mit dem Recht verbunden ist, auf dem Grundstück ein Superädifikat zu errichten, erreicht werden. Da die vereinbarte Übertragung des Gebäudes nach Aufhebung des zeitlich begrenzten Nutzungstitels am Grundstück im Fall von Superädifikaten einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang darstellt, ist es im Sinne einer am Gleichheitssatz orientierten, verfassungskonformen Auslegung geboten, auch den durch eine einvernehmlich vorgenommene Aufhebung des Baurechtes bewirkten Erwerb des Eigentums am Gebäude durch den Grundeigentümer der Steuerpflicht gemäß § 1 Abs.1 Z 2 GrEStG 1987 zu unterziehen, weil der Grundeigentümer, der durch das zuvor bestandene Baurecht auf ein "Ius nudem" reduziert war, nun wieder des Vollrecht an seinem Grundstück erhält, welches durch das Bestandteil gewordene Gebäude vermehrt wird. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch BDO Auxilia Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern betreffend Grunderwerbsteuer entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt, einem Wirtschaftsprüfer oder einem Steuerberater unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Baurechtsauflösungsvertrag vom wurde das, der Rechtsvorgängerin der P. von der Rechtsvorgängerin der Bw. eingeräumte, Baurecht, betreffend die Liegenschaft EZ 1958 Grundbuch T, einvernehmlich vorzeitig aufgelöst und gleichzeitig von der P. die Kraft Baurechtsvertrag errichteten Bauwerke, nämlich ein Bürogebäude mit anschließender Lagerhalle, in das Eigentum der Bw. übertragen. Als Entschädigung für diese Rechtsübertragung wurde von der Bw. an die P. ein Betrag idHv. € 701.364,29.-(€ 584.470.24 zuzüglich 20%USt idHv. € 116.894.05) entrichtet.
Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom wurde gegenüber die Bw. unter Zugrundelegung der vorstehenden Entschädigungssumme, die Grunderwerbsteuer idHv. € 24.547.75.- festgesetzt.
Dagegen erhob die Bw., durch ihre ausgewiesene Rechtsvertreterin, fristgerecht Berufung und begründete diese- unter Bezugnahme auf Taucher in Hofmeister/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremden Grund, Rz 162,- dass das durch das Zurückerlangen des Baurechtes resultierende Zurückerlangen der vollen rechtlichen Macht über das Grundstück, nicht von § 1 GrEStG 1987 erfasst wäre.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen, und dazu im Wesentlichen- unter Bezugnahme auf Arnold/Arnold, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz § 2 Tz 96- ausgeführt, dass der Erwerb des Baurechtes durch den Grundeigentümer vor Zeitablauf einen grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestand darstellen würde. Durch den rechtgeschäftlichen Erwerb zwecks Aufhebung des Baurechtes, würde der Grundeigentümer eine Rechtsstellung erlangen, auf die er bis zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch gehabt hätte. Erst durch die Übertragung des Baurechtes an den Grundeigentümer würde es zum Eigentümerbaurecht kommen. Erst das Erlöschen des Baurechtes und der damit verbundene "Heimfall" an den Grundeigentümer würde keinen (weiteren) Erwerbsvorgang bewirken und wäre daher nicht mehr grunderwerbsteuerpflichtig.
Dagegen wurde -unter Zugrundelegung der in der Berufung enthaltenen Darstellungen -fristgerecht der Antrag auf Entscheidung über diese Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 1 Abs.1 Z 2 GrEStG 1987 unterliegt der Erwerb eines Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein dem Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorangegangen ist, der Grunderwerbsteuer.
Gemäß § 2 Abs.2 Z 1 und 2 leg. cit. werden Baurecht und Gebäude auf fremden Grund und Boden einem Grundstück gleichgestellt.
Im Sinne des § 5 Abs.1 leg. cit. ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in erster Linie die Gegenleistung d.h. jede bewertbare Leistung, die der Erwerber aufwenden muss um das Grundstück zu erhalten.
Gemäß § 7 Abs.3 GrEStG 1987 beträgt die Steuer beim Erwerb von Grundstücken durch andere Personen 3,5 v.H.
Im gegenständlichen Fall geht es um die vorzeitige rechtsgeschäftliche Aufhebung eines Baurechtes. Dabei verzichtete der Bauberechtigte eines an sich noch nicht beendeten Baurechtes auf sein noch bestehendes Recht am Grundstück zugunsten des Grundstückeigentümers. Der dadurch das mit der Vergabe des Baurechtes aufgegebene Vollrecht über sein Grundstück wieder erlangte.
Für die Steuerbarkeit dieses Vorganges treten in der österreichischen Literatur Fellner(Fellner,Gebühren und Verkehrssteuern,Band II, zu § 2 Abs.2 ,Rz 51 Abs.2) und Arnold (Arnold/Arnold,Kommentar z. GrEStG 1987,Band I zu §2 Rz,95 Abs.6) ein. Dagegen folgt Taucher in Hofmeister/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremden Grund,Rz. 162) im Wesentlichen dem Urteil des BFH vom BStBl II 1995,334 mit dem Argument, es finde nach dem Erlöschen des Baurechtes keine Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung am Grundstück statt, das "Wiedererstarken" des Vollrechtes des Eigentümers am Grundstück sei in § 1 GrEStG tatbestandsmäßig nicht erfasst.
Diese Rechtsansicht überzeugt aus nachstehenden Gründen nicht:
Gemäß § 2 Abs.2 GrEStG 1987 werden Baurecht und Gebäude auf fremden Grund (zu letzteren gehören insbesondere Superädifikate gemäß § 435 ABGB) gleich behandelt .Es kann- im Hinblick darauf - dass seit der Aufhebung von § 2 BauRG, der Kreis der Grundstücke an denen ein Baurecht begründet werden darf, stark eingeschränkt wurde, der gleiche wirtschaftliche Zweck durch Einräumung eines Baurechtes oder durch Verschaffung eines zeitlich begrenzten Benützungstitels am Grundstück, welcher mit dem Recht verbunden ist, auf dem Grundstück ein Superädifikat zu errichten, erreicht werden. Da die vereinbarte Übertragung des Gebäudes nach Aufhebung des zeitlich begrenzten Nutzungstitels am Grundstück im Fall von Superädifikaten einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang darstellt, ist es im Sinne einer am Gleichheitssatz orientierten, verfassungskonformen Auslegung geboten, auch den durch eine einvernehmlich vorgenommene Aufhebung des Baurechtes bewirkten Erwerb des Eigentums am Gebäude durch den Grundeigentümer der Steuerpflicht gemäß § 1 Abs.1 Z 2 GrEStG 1987 zu unterziehen, weil der Grundeigentümer, der durch das zuvor bestandene Baurecht auf ein "Ius nudem" reduziert war, nun wieder des Vollrecht an seinem Grundstück erhält, welches durch das Bestandteil gewordene Gebäude vermehrt wird.(vgl. VwGH, vom ,2002/16/0083).
Eine grunderwerbsteuerrechtliche Bevorzugung von Gebäuden, welche aufgrund eines Baurechtes errichtet wurden, gegenüber Superädifikaten, nach rechtsgeschäftlicher Aufhebung des Benützungstitels am Grundstück, erscheint daher nicht gerechtfertigt.
Aus den aufgezeigten Gründen unterliegt daher der streitverfangene Erwerbsvorgang dem grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestand des § 1 Abs.1 Z 2 GrEStG 1987.
Bei der einvernehmlich vorgenommenen Aufhebung des Baurechts, ist als Gegenleistung iSd. § 5 Abs.1 GrEStG jene Leistung anzusehen, die der Grundeigentümer für diese Rechtsübertragung gewährt.
Im gegenständlichen Fall wurde der Bemessung der Grunderwerbsteuer daher zu Recht, die in Pkt. III des Baurechtsauflösungsvertrages vereinbarte Entschädigung idHv. € 701.364,29.- zu Grunde gelegt, und die Steuer mit 3,5 v.H. dieses Betrages festgesetzt.
Aus den aufgezeigten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien,
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 2 Abs. 2 Z 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 5 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 7 Z 3 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
Schlagworte | Baurecht Gebäude Grundeigentum Vollrecht Gleichheitssatz Superädifikat |
Verweise | Fellner, Gebühren und Verkehrssteuern, Band II, § 2 Abs. 2 Rz 51 Abs. 2 Arnold/Arnold, Kommentar zum GrEStG 1987, Band I, § 2 Rz 95 Abs. 6 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at