Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 11.03.2008, RV/1121-W/07

Anspruchszinsen werden bis zum Tag der Bekanntgabe berechnet, nicht mit einem fiktiven Zustelltag.

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/1121-W/07-RS1
wie RV/0161-S/06-RS2
Die Berechnung der Anspruchszinsen ist vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide abhängig, der idR mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung ident ist. Die Finanzämter erlassen Anspruchszinsenbescheide zugleich mit den Abgabenbescheiden, ohne zu wissen, wann die Zustellung wirksam werden wird. Die Anspruchszinsen sind deshalb im Zuge von Berufungsverfahren regelmäßig neu zu berechnen. Dabei ist der Tag der tatsächlichen Zustellung des Abgabenbescheides zu ermitteln und der Berechnung zu Grunde zu legen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A-GmbH, vertreten durch gmc-unitreu Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs- GmbH, 1041 Wien, Schwindgasse 7, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2004 (§ 205 BAO) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Anspruchszinsen 2004 zum Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom werden wie folgt berechnet und in einer Höhe von € 8.743,63 festgesetzt.


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Zeitraum
Differenzbetrag
Berechnungs-grundlage
Anzahl
Tage
Tages-
zinssatz
Zinsen
-
1.769.965,30
1.769.965,30
52
0,0095 %
8.743,63
Abgabenschuld

8.743,63

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurden die Anspruchszinsen für die Körperschaftsteuer 2004 der Berufungswerberin (in weiterer Folge Bw.) in einer Höhe von € 8.575,48 festgesetzt. Die Zustellung (Bekanntgabe) des Bescheides erfolgte laut Angaben der Bw. am .

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung vom wird ersucht, die Anspruchszinsen an das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens hinsichtlich der in einem angefochtenen Körperschaftsteuer 2004 anzupassen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus den Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz und sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen. Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in den Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Dem angefochtenen Anspruchszinsenbescheid liegt die im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2004 vom ausgewiesene Abgabennachforderung in Höhe von € 1.769.965,30 zugrunde. Die Bw. bekämpft den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2004 zusammengefasst mit der Begründung, dass der zugrunde liegende Körperschaftsteuerbescheid unrichtig ist und die Anspruchszinsen angepasst werden sollten.

Festzuhalten ist, dass Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Bescheidspruch der Körperschaftsteuerbescheide ausgewiesenen Nachforderungen bzw. Gutschrift gebunden sind.

Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist verschuldensunabhängig und einerseits von der zeitlichen Komponente, nämlich wann der Körperschaftsteuerbescheid dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben wurde, und andererseits von der Höhe des Nachforderungs- bzw. Differenzbetrages abhängig.

Nach den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der oben zitierten Gesetzesbestimmung (RV 311 BlgNR 21. GP, 210 ff.) entstehen Ansprüche auf Anspruchszinsen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde. Zinsenbescheide setzen nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides, wohl aber einen solchen Bescheid voraus. Solche Bescheide sind daher auch nicht - wie im vorliegenden Fall - mit der Begründung anfechtbar, der Stammabgabenbescheid bzw. ein abgeänderter Bescheid wäre rechtswidrig.

Erweist sich (wie allenfalls hier im Berufungsverfahren gegen den endgültigen Bescheid betreffend Körperschaftsteuer 2004) nachträglich die Rechtswidrigkeit der maßgebenden (Nachforderungs- und Gutschriftszinsen bedingenden) Abgabenfestsetzung, so egalisiert nach dem Willen des Gesetzgebers ein weiterer Anspruchszinsenbescheid die Belastung mit Gutschrifts- und Nachforderungszinsen. Der bei allfälliger Stattgabe der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid errechnete Abgabenbetrag löst (unter der Voraussetzung, dass der Unterschiedsbetrag mehr als € 50,00 beträgt) somit einen Gutschriftszinsenbescheid aus, der bei Gesamtbetrachtung das in der Berufung gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen gewünschte Ergebnis bringen könnte. Das diesbezügliche Ergebnis bleibt jedoch dem Berufungsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid vorbehalten. Eine Anpassung von Anspruchszinsenbescheiden (anlässlich einer Abänderung bzw. Aufhebung des Stammabgabenbescheides) - wie von der Bw. beantragt - ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Die prozessuale Bindung von abgeleiteten Bescheiden kommt nur dann zum Tagen, wenn die Grundlagenbescheide rechtswirksam erlassen worden sind (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, § 252 Tz. 3). Weder aus dem Berufungsvorbringen noch aus dem Veranlagungsakt sind Argumente ersichtlich, dass der Körperschaftsteuerbescheid nicht rechtswirksam erlassen worden wäre, sodass dem angefochtenen Anspruchszinsenbescheid auch keine formalrechtlichen Hindernisse entgegenstehen.

Dazu ist festzustellen, dass die Anspruchsverzinsung auf dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides basiert (§ 205 Abs. 1 letzter Halbsatz BAO). Die Finanzämter erlassen Anspruchszinsenbescheide zugleich mit den Abgabenbescheiden, ohne zu wissen, wann die Zustellung wirksam werden wird. Die Anspruchszinsen sind deshalb im Zuge von Berufungsverfahren vielfach neu zu berechnen, wobei laut Rechtsprechung des VwGH kein Verböserungsverbot besteht (vgl. beispielsweise ). Dabei ist der Tag der tatsächlichen Zustellung des Abgabenbescheides zu ermitteln und der Berechnung zu Grunde zu legen.

Im vorliegenden Fall wählte die Abgabenbehörde zwar die Zustellung per Post ohne Zustellnachweis, doch ist der Berufung vom zu entnehmen, dass die Zustellung der Erstbescheide vom am erfolgte. Das Finanzamt ging bei seiner Berechnung der Zinsen bisher aber vom als Zustelltag aus.

Da die Abgabenbehörde zweiter Instanz einen rechtswidrigen Bescheid gegebenenfalls von sich aus in jede Richtung abzuändern hat, musste die Berechnung der Anspruchszinsen im Hinblick auf den geänderten Zeitpunkt der Bekanntgabe der Erstbescheide (Zustelldatum) adaptiert werden, sodass für einen weiteren Tag Anspruchszinsen vorzuschreiben waren und der Abgabenbetrag entsprechend zu erhöhen war. Unter Berücksichtigung des tatsächlichen, von der Bw. bekannt gegebenen Tages der Zustellung des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2004 erhöht sich die Anzahl der Tage der Zinsenberechnung von 51 auf 52 (wobei der als Tag der Zustellung außer Betracht bleibt), sodass die Anspruchszinsen bei einem Tageszinssatz von 0,0095 % von € 8.575,48 auf € 8.743,63 zu erhöhen sind.

Die Entscheidung über die Körperschaftsteuer 2004 ergeht zu einem späteren Zeitpunkt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Anspruchszinsen
Berechnung
Bekanntgabe
Zustellung
Verböserung
Zitiert/besprochen in
SWK 11/2008, S 403

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at