Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 11.03.2008, RV/0626-I/06

Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/0626-I/06-RS1
Ist dem Arbeitnehmer zumindest hinsichtlich mehr als der halben Fahrtstrecke die Benützung eines öffentlichen Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumutbar, so können die Pauschbeträge nach § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG 1988 (großes Pendlerpauschale) keine Berücksichtigung finden, auch wenn dabei ein Teil der Strecke mit dem privaten PKW zurückgelegt werden muss, um zeitgerecht in der Arbeitsstätte einzutreffen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck, vertreten durch Dr. Günther Philipp, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe ist der Berufungsvorentscheidung zu entnehmen, die insoweit einen integrierenden Bestandteil dieser Entscheidung bildet.

Entscheidungsgründe

Die Abgabepflichtige bezog im Berufungszeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und beantragte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2005 neben anderen Werbungskosten die Berücksichtigung des Pendlerpauschales (lt Eintrag in KZ: 718: 1.071 €)

Mit Vorhalt vom wurde die Abgabepflichtige vom Finanzamt u.a. ersucht, mitzuteilen, wie sich der Betrag von 1.071 € zusammensetze, wo der Dienstort gelegen sei, und wieviel Zeit benötigt werde, um eine einfache Wegstrecke mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zurückzulegen.

Mit Eingabe vom (Telefax) übermittelte die Abgabepflichtige eine Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales ab 2006 (L 34) und führte darin aus, dass die kürzeste Strecke (Autokilometerangabe) zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 31,5 Kilometer betrage.

Weiters wurde die Rubrik angekreuzt, wonach zu Arbeitsbeginn oder Arbeitsende die Fahrzeit bei Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar lang ist.

In weitere Folge berücksichtigte das Finanzamt im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag in Höhe von 450 € (Pendlerpauschale) mit der Begründung, die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittel sei zumutbar.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom wurde dagegen eingewendet,

  • die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte betrage mehr als 20 Kilometer,

  • für die Zurücklegung der Strecke benötige man fast 4 Stunden,

  • und die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht ausreichend gegeben.

Die Wegstrecke wurde dabei wie folgt beschrieben:

Fußweg bis zur Bushaltestelle ca. 30 Minuten (laut Routenplaner beträgt diese Strecke 928 Meter - Anmerkung des UFS),

der erste Bus geht um 6.36 Uhr und ist um 6.50 Uhr am Bahnhof,

der Zug fährt um 7.02 Uhr ab und trifft um 7.21 Uhr am Hauptbahnhof ein,

die nächst mögliche Busverbindung um 7.30 Uhr benötigt bis 7.52 Uhr zur Arbeitsstätte.

Weiters wurde beantragt Reisekosten im Ausmaß von 1.300 € sowie Kosten für Skripten und CD's im Ausmaß von 300 € (KZ 722 der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) als weitere Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mit teilweise stattgebender Berufungsvorentscheidung vom wurden die weiteren Werbungskosten in Höhe von 1.600 € anerkannt, während sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag (Pendlerpauschale) weiterhin lediglich in Höhe von 450 € Berücksichtigung fanden.

In weiterer Folge stellte die Abgabepflichtige mit Eingabe vom den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind nach Z. 6 dieser Gesetzesstelle auch die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wobei für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.

b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden für den Berufungszeitraum (StReformG 2005, BGBl. I 57/2004) zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt ("kleines Pendlerpauschale"):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bei einer einfachen Fahrtstrecke von
20 km bis 40 km
450 Euro
Jährlich
40 km bis 60 km
891 Euro
Jährlich
über 60 km
1.332 Euro
Jährlich

c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt ("großes Pendlerpauschale:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bei einer einfachen Fahrtstrecke von
2 km bis 20 km
243 Euro
Jährlich
20 km bis 40 km
972 Euro
Jährlich
40 km bis 60 km
1.692 Euro
Jährlich
Über 60 Km
2.421 Euro
Jährlich

Es ist sohin die Frage zu klären, ob im konkreten Fall die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke zumutbar ist.

Wann die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, wird in § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 nicht näher geregelt und ist somit im Wege der Gesetzesinterpretation zu lösen. In Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird in der Verwaltungspraxis die Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit anhand einer entfernungsabhängigen Zeitstaffel geprüft, wobei nachstehende Zeiten für die Zurücklegung der einfachen Wegstrecke durchschnittlich als zumutbar angesehen werden:

  • unter 20 km 1,5 Stunden

  • ab 20 km 2 Stunden

  • ab 40 km 2,5 Stunden

Die Wegzeit umfasst nach herrschender Lehre (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch EStG 1988, Tz 53 zu § 16; Doralt, EStG9, § 16 Tz 108, ÖStZ 1988, 317) die Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zum Arbeitsbeginn oder vom Verlassen der Arbeitsstätte bis zur Ankunft in der Wohnung, also Gehzeit oder Anfahrtszeit zur Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels, Fahrzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, Wartezeiten usw. Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, dann ist von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels auszugehen; darüber hinaus ist eine optimale Kombination von Massenbeförderungs- und Individualbeförderungsmittel (z.B. Park and Ride) zu unterstellen, und zwar auch dann, wenn dadurch die Fahrtstrecke länger wird (vgl. ; , RV/0463-G/02; , RV/0192-F/05; , RV/0286-F/05).

Insoweit geht der Einwand im Vorlageantrag, der Weg bis zur Bushaltestelle müsse zu Fuß zurückgelegt werden (ca. 30 Min), weshalb die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar sei, in zweierlei Hinsicht ins Leere:

Einerseits ist wie oben ausgeführt, eine optimale Kombination von Massenbeförderungs- und Individualbeförderungsmittel (z.B. Park and Ride) zu unterstellen und andererseits ist für die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales erforderlich, dass die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar.

Nach den Ausführungen der Berufungswerberin war der Arbeitsbeginn um 7.30 Uhr. Unter Berücksichtigung der Anfahrtszeit mit dem Zug sowie in weiterer Folge mit einer innerstädtischen Verkehrslinie zum Arbeitsplatz, musste die Berufungswerberin mit dem Zug um 6.32 Uhr abreisen (Ankunft um 6.50 Uhr - 18 Tarifkilometer mit einer Reisedauer von 18 Minuten), um in weiterer Folge mit der innerstädtischen Verkehrslinie zeitgerecht an ihrem Arbeitsplatz einzutreffen (rund 20 Minuten). Da die Berufungswerberin im Berufungszeitraum ein Kraftfahrzeug besessen hat, war ihr zumutbar, die Strecke von der Wohnung bis zum Bahnhof mit dem PKW zurückzulegen (laut Routenplaner rund 7,3 Kilometer - Fahrzeit höchstens 25 Minuten).

Kann - wie im vorliegenden Fall - auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (KFZ und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen. Da im vorliegenden Fall die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln jedenfalls hinsichtlich der halben Fahrtstrecke zumutbar ist (Wohnadresse bis Bahnhof ca. 7,3 Kilometer - Bahnhof bis Arbeitsstätte ca. 21,5 Kilometer) und unter optimaler Kombination von Massen- und Individualbeförderungsmittel die Strecke jedenfalls unter 2 Stunden bewältigbar ist (Autofahrt Wohnhaus - Bahnhof ca. 25 Minuten, Zugfahrt 18 Minuten, Busfahrt in Innsbruck ca. 20 Minuten, in Summe sohin rund 63 Minuten), sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung des großen Pendlerpauschales nicht erfüllt.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Pendlerpauschale
Verweise
-F/05
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2008, 121

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at