Säumniszuschlag zu Lohnabgaben wegen verspäteter elektronischer Einreichung einer UVA mit Vorsteuerüberschuss
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache der Bf, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin einen Säumniszuschlag in Höhe von EUR 5.585,13 von der Lohnsteuer für Februar 2009 mit der Begründung fest, dass diese Abgabe nicht bis entrichtet worden sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Umsatzsteuervoranmeldung für Jänner 2009 einen aus einem Liegenschaftskauf resultierenden Vorsteuerüberhang in Höhe von EUR 620.496,92 ergeben habe, diesbezügliche Belege seien dem Finanzamt am überreicht worden. Bei der elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldung sei der Beschwerdeführerin ein Fehler unterlaufen, weil dem Finanzamt nur die mit dem Überschuss zu verrechnende Lohnsteuer für Februar 2009 (EUR 279.256,63) bekannt gegeben worden sei, während die Daten der Umsatzsteuervoranmeldung versehentlich nicht übermittelt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe keine Zahlung geleistet, weil das zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer für 2009 bereits entstandene "USt-Guthaben" wesentlich höher als der geschuldete Lohnsteuerbetrag gewesen sei. Da die Daten der Umsatzsteuervoranmeldung zwar eingegeben bzw elektronisch erfasst, jedoch "nicht richtig übermittelt" worden seien, werde das Finanzamt ersucht, den Säumniszuschlag nachzusehen.
Das Finanzamt wertete diese Eingabe zunächst als Nachsichtsansuchen und wies dieses mit Bescheid vom ab. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen am Berufung und beantragte "alternativ" die Aufhebung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs 7 BAO. Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung ab, worauf die Beschwerdeführerin am die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte. Das Bundesfinanzgericht hob den Bescheid vom mit Erkenntnis vom zu GZ RV/3100270/2012 wegen Unzuständigkeit des Finanzamtes auf und wies die Berufung vom als unzulässig geworden zurück. In der Begründung vertrag es die Rechtsauffassung, dass sich die Eingabe vom nicht gegen die Einhebung, sondern gegen die Festsetzung des Säumniszuschlages richtet. Das Begehren war dahin auszulegen, dass mangels Vorliegens eines groben Verschuldens an der Säumnis die Voraussetzungen für die Anwendung des § 217 Abs 7 BAO gegeben seien. Ein solcher Antrag kann nach herrschender Auffassung auch in einem Rechtsmittel gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (Ritz, BAO, 6.A., Rz 65 zu § 217).
Das Finanzamt wies daraufhin am die (nunmehr als Beschwerde behandelte) Eingabe der Beschwerdeführerin vom samt Ergänzung vom ab. In der Begründung ging es darauf ein, dass der Beschwerdeführerin grobes Verschulden anzulasten sei, da die verfahrensgegenständliche Verrechnung der Selbstberechnungsabgaben mittels FinanzOnline für den Sachbearbeiter der Beschwerdeführerin die erste derartige Verrechnung gewesen sei. Gerade wenn ein neues Verfahren zum ersten Mal angewendet werde, sei auch ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzuwenden. Insbesondere erscheine eine Nachkontrolle ca 14 Tage nach dem Fälligkeitstag in diesem Zusammenhang nicht zielführend, da zu diesem Zeitpunkt keinerlei Maßnahmen mehr gesetzt werden hätten können, um Säumnisfolgen zu verhindern. Die Nachkontrolle hätte bereits am nächsten Tag stattfinden müssen.
In ihrem Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, das Finanzamt würde den Maßstab für leichte Fahrlässigkeit so hoch anlegen, dass nur ein Säumnisfolgen gänzlich ausschließendes Verhalten diesem entsprechen würde. In der Vergangenheit gegenüber der Beschwerdeführerin festgesetzte Säumniszuschläge seien allesamt unvermeidlich gewesen bzw. aufgeklärt worden, und in den vergangenen knapp 6 Jahren sei kein weiterer Säumniszuschlag gegen die Beschwerdeführerin verhängt worden.
Mit der nunmehr als Beschwerdeergänzung behandelten Eingabe vom legte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ihres Sachbearbeiters vom vor, in dem dieser die Abläufe rund um die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum Jänner 2009 und die Meldung der abzuführenden Lohnabgaben für Februar 2009 darstellt. Für ihn sei es das erste Mal gewesen, dass er eine Verrechnung der Selbstbemessungsabgaben mittels FinanzOnline zu melden gehabt habe. Die abzuführenden Lohnabgaben hätten EUR 279.919,30 betragen, in der Umsatzsteuervoranmeldung sei ein Vorsteuerguthaben von EUR 620.496,92 auszuweisen gewesen. Er habe beide Meldungen am gleichzeitig eingegeben und (vermeintlich) versendet. Er habe sich dann 14 Tage später eine Nachkontrolle auf Termin gelegt, um die Buchhaltung zu kontrollieren. Anlässlich dieser Nachkontrolle sei ihm aufgefallen, dass die Umsatzsteuervoranmeldung nicht verbucht worden sei. Es sei für ihn damals neu gewesen, dass beide Meldungen "separat" zu übermitteln seien, da "die Verrechnung von SB-Abgaben immer integrierender Bestandteil des UVA-Formulars" gewesen sei. Ebenso legte sie zwei jeweils mit datierte Ausdrucke aus dem Finanz Online-Konto der Beschwerdeführerin, die dem Postausgangsbuch der Beschwerdeführerin entnommen wurden. Der erste Ausdruck enthält die Daten der Umsatzsteuervoranmeldung 01/2009 ("U30 Druck"). Der zweite Ausdruck ist mit "Buchung von Selbstbemessungsabgaben" überschrieben, bezeichnet die abzuführende Abgabenart Lohnsteuer für den Zeitraum 02/2009 in Höhe von EUR 279.919,30 und enthält folgenden Vermerk: "Der mit der UVA geltend gemachte Überschuss ist wie folgt zu verrechnen: Zeitraum der Umsatzsteuervoranmeldung 012009". Am Textende findet sich der Satz "Der Antrag wurde eingebracht."
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Beschwerdevorbringen, dem das Finanzamt auf Sachverhaltsebene nicht entgegengetreten ist.
Rechtslage
Gemäß § 217 Abs 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach den Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Erwägungen
Strittig ist im Beschwerdeverfahren, ob der Beschwerdeführerin grobes Verschulden an der verspäteten Entrichtung der Lohnsteuer für den Zeitraum Jänner 2009 vorzuwerfen ist.
Gemäß § 217 Abs 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob ihn an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (Ritz, BAO, 6.A., Rz 44 zu § 217 und Rz 14 ff zu § 308). Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des schädigenden Erfolges als wahrscheinlich und nicht bloß möglich vorhersehbar war (). War die Säumnis voraussehbar und hätte sie durch ein zumutbares Verhalten abgewendet werden können, liegt grobe Fahrlässigkeit vor.
Bei der Beurteilung des Verschuldens sind im Beschwerdefall folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Das Finanzamt wendet zu Recht ein, dass eine Nachkontrolle ca 14 Tage nach dem Fälligkeitstag der beiden Abgaben nicht zielführend sei, da Säumnisfolgen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr abgewendet hätten werden können. Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeergänzung vom darstellt, wurden bis zur hier verfahrensgegenständlichen Säumnis alle verhängten Säumniszuschläge zu Lohnabgaben nachträglich wieder gutgeschrieben wurden bzw. hatten ihre Ursache in einer Abwicklung, die tatsächlich eine Verwaltungsvereinfachung für die Finanzverwaltung mit sich bringt. Es zeigt sich, dass der Beschwerdeführerin in den Jahren vor der verfahrensgegenständlichen Säumnis keine grobe Nachlässigkeit bei der Bezahlung von Lohnabgaben anzulasten war. Angesichts des insgesamt gesetzeskonformen Verhaltens der Beschwerdeführerin begründet die fehlende zeitnahe Nachkontrolle daher für sich gesehen noch kein grobes Verschulden.
Der zuständige Mitarbeiter der Beschwerdeführerin übermittelte die Umsatzsteuervoranmeldung und die Meldung der Lohnsteuer zum ersten Mal über Finanz Online. Die vorgelegten Ausdrucke aus den Finanz Online-Masken geben keinen Hinweis darauf, dass die Umsatzsteuervoranmeldung zwischengespeichert, nicht aber übermittelt wurde. Nur der die Selbstbemessung der Lohnsteuer betreffende Ausdruck enthält den Satz: "Der Antrag wurde eingebracht." Aus der Darstellung in Finanz Online ist aber nicht zweifelsfrei erkennbar, ob "Der Antrag wurde eingebracht." sich auf die Umsatzsteuervoranmeldung, die Verrechnungsweisung ("Der mit der UVA geltend gemachte Überschuss ist wie folgt zu verrechnen...") oder auf die Buchung der Lohnsteuer bezieht. Der zuständige Mitarbeiter hat sich nach bester Kenntnis am dessen vergewissert und hat seine Überzeugung auch durch entsprechende Ausdrucke aus Finanz Online dokumentiert, dass die Daten betreffend Umsatzsteuer 01/2009 und Lohnabgaben 02/2009 richtig eingegeben und übermittelt wurden. Daher kann im Versäumnis, die Umsatzsteuervoranmeldung auch tatsächlich zu übermitteln, kein grobes Verschulden erblickt werden. Vielmehr ist angesichts der Gesamtumstände von einem minderen Grad des Versehens auszugehen.
Zugunsten der Beschwerdeführerin ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass dem Abgabengläubiger bei einer saldierten Betrachtungsweise kein Schaden entstanden ist. Die Beschwerdeführerin hat den aus der Umsatzsteuervoranmeldung entstehenden Rückforderungsanspruch zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht, als dies nach den Abgabenvorschriften möglich gewesen wäre. Auch wenn dieser Rückforderungsanspruch am Fälligkeitstag der Lohnsteuer 02/2009 noch nicht zu Tilgungszwecken zur Verfügung stand, hatte sie doch zu diesem Zeitpunkt bereits einen latenten Anspruch auf die Gutschrift des Vorsteuerüberhanges aus der Umsatzsteuervoranmeldung 01/2009 (siehe auch GZ RV/3100244/2012).
Das irrtümliche Unterbleiben des Absendens der Umsatzsteuervoranmeldung ist einer irrtümlich unterlassenen Postaufgabe vergleichbar. Der VwGH fordert im Zusammenhang mit der reinen Postaufgabe keine gesonderte Beaufsichtigung des damit betrauten Mitarbeiters (). Daher war ein Überwachungsverschulden seitens der Organe der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nicht weiter zu prüfen.
Insgesamt liegen daher die Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung des beschwerdegegenständlichen Säumniszuschlages vor (siehe auch GZ RV/5100868/2015).
Zulässigkeit einer Revision
Diesem Erkenntnis liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde. Das Bundesfinanzgericht konnte sich bei der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhaltes auf die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.3100421.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at