Nachträgliche Änderung des Übergabezeitpunktes einer Liegenschaft um zum Entstehen der Schenkungssteuerschuld nach Aufhebung des Grundtatbestandes zu gelangen (Abweisung).
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Miterledigte GZ: |
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RV/789-W/09 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der V, gegen die Bescheide des Finanzamtes A vom , Steuernummer, betreffend 1. Schenkung von G und 2. Schenkung von H, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schenkungsvertrag vom haben Herr G und Frau H die Liegenschaft XY, mit allen Rechten und Pflichten zu je einer Hälfte an ihre Kinder, Frau V. und Herrn B., übergeben und erklären diese die Vertragsannahme.
Punkt Fünftens des Schenkungsvertrages lautet:
"Die Übergabe und Übernahme der Vertragsobjekte in den Besitz und Genuss der Geschenknehmer, gleichzeitig mit dem Übergang von Gefahr und Zufall, sowie Nutzungen und Lasten ist bereits am (ersten Juli zweitausendacht) erfolgt.
Dieser Tag gilt auch als Stichtag für die Verrechnung von Nutzungen und Lasten."
Der Vertrag wurde durch die steuerliche Vertretung mit Schreiben vom angezeigt und dezidiert ausgeführt: "...Die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes in den Besitz und Genuss der Geschenknehmer erfolgte bereits am ...."
Mit den berufungsgegenständlichen Bescheiden wurde der Berufungswerberin (Bw) jeweils für die vorangeführten Rechtsvorgänge Schenkungssteuer vorgeschrieben.
Fristgerecht wurde Berufung eingebracht. Die Bw bringt vor, mit Nachtrag zum Schenkungsvertrag vom , ausgefertigt am , sei die Klarstellung erfolgt, dass die Übergabe nicht mit erfolgt sei, sondern mit dem Tag der Vertragsunterfertigung.
Beigelegt wurde der Notariatsakt vom , worin ausgeführt wird:
"NACHTRAG
ZUM
SCHENKUNGSVERTRAG
Erstens
Mit Schenkungsvertrag vom ....haben Herr G. und Frau H. die Liegenschaft XY. an ihre Kinder Frau V- und Herrn B- geschenkt.
Im Punkt "Fünftens" dieses Schenkungsvertrages wurde irrtümlich festgelegt, dass die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes bereits am (ersten Juli zweitausendacht) erfolgt ist. Richtig ist, dass die Übergabe und Übernahme anlässlich der Unterfertigung des Schenkungsvertrages stattgefunden hat. Der Punkt "Fünftens" wird daher berichtigt wie folgt:
Fünftens
Die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes in den Besitz und Genuss der Geschenknehmer, gleichzeitig mit dem Übergang von Gefahr und Zufall, sowie Nutzungen und Lasten erfolgt mit dem Tag der Vertragsunterfertigung. Dieser Tag gilt auch als Stichtag für die Verrechnung von Nutzungen und Lasten.
Zweitens
Sämtliche übrigen Punkte bleiben unverändert...."
Mit Berufungsvorentscheidungen, je vom , wies das Finanzamt die Berufung mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 12 (1) Zi. 2 ErbStG entsteht bei Schenkungen unter Lebenden die Steuerschuld mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Diese einmal entstandene Steuerpflicht kann auch durch nachträgliche Ereignisse - wie im gegenständlichen Fall durch den in der Berufung erwähnten am errichteten Nachtrag zum Schenkungsvertrag - nicht wieder beseitigt werden. Da im Notariatsakt vom sowie auch im begleitenden Anzeigenschreiben vom definitiv erklärt wurde, dass die Übergabe des Vertragsobjektes bereits am erfolgt ist, konnte dem Berufungsbegehren daher nicht entsprochen werden."
Dagegen wurde der Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.
Auch im Vorlageantrag brachte die Bw nichts Substantielles vor um die Irrtumsgründe näher zu erläutern sondern führte erneut aus, der Nachtrag zeige, dass die tatsächliche Übergabe erst am erfolgt sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist in vorliegendem Fall, ob die Vertragsparteien die Übergabe und Übernahme der vertragsgegenständlichen Liegenschaft zu dem im Schenkungsvertrag bedungenen Stichtag oder, wie im Nachtrag abgeändert, erst am Tag der Unterfertigung des Schenkungsvertrages, dem beabsichtigt haben.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG 1955 entsteht die Steuerschuld bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.
Die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB können auf den vorliegenden Fall keine unmittelbare Anwendung finden, da der Vertragstext weder undeutlich noch doppeldeutig ist, sondern eindeutig und unmissverständlich den " (ersten Juli zweitausendacht)" als Übergabestichtag festlegt und der Vertragstext eine andere Deutung nicht zulässt.
Im Nachtrag zum Schenkungsvertag wird nun ausgeführt, im Schenkungsvertrag sei irrtümlich festgelegt worden, dass die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes bereits am erfolgt sei.
Ob der Wille der Beteiligten daher tatsächlich auf eine Übergabe der Liegenschaft wie im Schenkungsvertrag vom oder aber wie im Nachtrag zum Schenkungsvertrag vom beurkundet, gerichtet war, ist eine nach der Lage des Falles zu lösende Beweisfrage, wobei die Abgabenbehörde nach § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, hie bei von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt ().
Bei den Verkehrsteuern gilt der Grundsatz, dass die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden kann, insbesondere nicht durch eine nachträgliche Parteienvereinbarung, mag dieser von den Parteien auch Rückwirkung beigelegt worden sein (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, § 1 Rz 58, ).
Die Bw wendet im Vorlageantrag ein, die Berufungsvorentscheidung führe aus, die Schenkung sei am erfolgt. Das sei, wie der errichtete Nachtrag eindeutig zeige, unrichtig, da die tatsächliche Übergabe erst am erfolgt sei.
Nach § 23 Abs. 4 BAO ist die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes für die Erhebung einer Abgabe insoweit und so lange ohne Bedeutung, als das Rechtsgeschäft nicht mit Erfolg angefochten wurde.
Die Vertragsparteien können auf Grund der im Zivilrecht verankerten Gestaltungsautonomie jederzeit von einem geschlossenen Vertrag wieder abgehen und diesen unter gewissen Voraussetzungen - insbesondere auch bei Vorliegen eines gemeinsamen Irrtums - anfechten, sodass der geschlossene Vertrag zur Gänze beseitigt wird, oder diesen anpassen.
Wurde auf Grund des Vertrages eine Sache übereignet, so fällt durch die Anfechtung der Titel mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Übereignung weg (vgl. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, 12. Aufl., Band I, 141 ff in ).
Der gegenständliche Nachtrag zum Schenkungsvertrag sollte dem Vertragstext nach keine Aufhebung des ursprünglichen Schenkungsvertrages, sondern nur die oben bezeichnete Korrektur des Vertragspunktes Fünftens hinsichtlich Übergabe und Übernahme der Vertragsobjekte bewirken.
Ob darin eine Vertragsrichtigstellung oder eine nach Festsetzung der Steuer erfolgte nachträgliche Anpassung aus steuerlichen Gründen zu sehen ist, ist nach der Beweislage in freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 23/07 ua. den Grundtatbestand der Schenkungssteuer nach § 1 Abs. 1 Z 2 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben und im Spruch bestimmt, dass diese Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt.
Nach Art. 140 Abs. 5 B-VG tritt die Aufhebung eines Gesetzes mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Diese Frist darf 18 Monate nicht überschreiten.
Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Als Anlassfall gelten nur jene Fälle, die entweder tatsächlich Anlass für die Einleitung des Normprüfungsverfahrens gewesen sind, oder die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung oder bei Beginn der nicht öffentlichen Beratung des VfGH beim Gerichtshof anhängig gewesen sind.
Das heißt für gegenständlichen Fall, dass auf diesen die Bestimmungen des Schenkungssteuergesetzes noch "knapp" anzuwenden waren (Übergabestichtag laut Vertrag ursprünglich ).
Der "Irrtum" hinsichtlich des Übergabestichtages ist beinahe drei Monate lang nicht aufgefallen. Der Nachtrag zum Schenkungsvertrag wurde sodann nach der Erlassung der Schenkungssteuerbescheide errichtet. Bereits diese zeitliche Abfolge erweckt den Anschein, dass andere Gründe als die Kenntnis der steuerlichen Auswirkungen - welche bei Abschluss des Schenkungsvertrages wohl übersehen worden sind - für die Errichtung des Nachtrages nicht vorgelegen sind. Möglicherweise bestand die Annahme, dass mit Aufhebung des Grundtatbestandes mit Wirksamkeit zum Vertragsabschlusszeitpunkt am keine Schenkungssteuerpflicht mehr gegeben sei. Übersehen wurde dabei jedoch, dass die Steuerschuld mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung, welcher nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sein muss, entsteht; dieser ist im Schenkungsvertrag eben mit beurkundet worden, womit das Schenkungssteuergesetz hierauf noch (bis ) anzuwenden war.
Wenngleich die Steuerpflichtige grundsätzlich nicht gehindert ist, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes so einzusetzen, dass sie die geringste Steuerbelastung erzielt (), ist im vorliegenden Fall in Anbetracht des dargestellten Sachverhaltes in freier Beweiswürdigung als erwiesen anzunehmen, dass als Zeitpunkt der Liegenschaftsübertragung von den Parteien einvernehmlich und frei von Irrtum, wie ursprünglich beurkundet, der festgelegt worden ist und der Nachtrag vom in Reaktion auf die Schenkungssteuerbescheide vom ausschließlich zum Zwecke der Steueroptimierung verfasst worden ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Bw bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages "Adresse" als Wohnadresse angegeben hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bw bereits zu diesem Zeitpunkt durch regelmäßiges Betreten Besitz erlangt hat, sodass die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes, wie in Punkt Fünftens des Schenkungsvertrages angeführt, tatsächlich bereits vor Vertragsunterfertigung erfolgt ist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | §§ 914 f ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 23 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 140 Abs. 5 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 Art. 140 Abs. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
ZAAAC-87715