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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.09.2018, RV/7101329/2018

Höhe der Geschäftsführerhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke als Vorsitzenden, den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. als beisitzenden Richter,  Kommerzialrat Ing. Friedrich Nagl als fachkundigen Laienrichter und Mag. Johannes Denk als fachkundigen Laienrichter über die Beschwerde des DI XY, Adr, vertreten durch Dr. Christine Riess, Kapuzinergasse 9, 3340 Waidhofen/Ybbs vom , gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom zur Steuernummer 04 4**/2*** nach der am  am Bundesfinanzgericht in Wien über Antrag der Partei (§ 78 BAO i. V. m. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO) im Beisein der Schriftführerin Romana Schuster sowie in Anwesenheit des Beschwerdeführers und von RA Dr. Christine Riess, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters des Finanzamtes abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Beschwerdeführer wird im Ausmaß von € 3.500 zur Haftung herangezogen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf / Sachverhaltsdarstellung:

Mit Schreiben vom gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer bekannt, dass am Abgabenkonto der Firma GmbH mit Sitz in Adr2, ein Abgabenrückstand in Höhe von € 80.053,04 aushafte, dessen Einbringung vergeblich versucht worden sei. Deshalb wurde der Beschwerdeführer ersucht, bekannt zu geben, ob Mittel zur Verfügung standen, welche die Entrichtung der Abgaben ermöglicht hätten. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er als Geschäftsführer gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden kann, es sei denn, er könne beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Dazu wurde er ersucht anzugeben, ob in dem Zeitraum, in dem er als Geschäftsführer für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich war, andere anfallende Zahlungen (z.B. Lieferantenzahlungen, Lohnzahlungen, Krankenkassenzahlungen, etc) geleistet worden sind. "Zur Erbringung dieses Beweises" wurde eine Frist von vier Wochen gewährt. Zusätzlich wurde der Beschwerdeführer ersucht, einen dem Schreiben beigelegten Fragebogen betreffend seiner wirtschaftlichen Verhältnisse auszufüllen.

Am langte der ausgefüllte Fragenbogen bei der belangten Behörde ein. In einem Begleitschreiben, das den Briefkopf der GmbH trägt, ersuchte der Beschwerdeführer um Fristerstreckung für die Angabe zu den "anderen Zahlungen (Lieferantenzahlungen, Lohnzahlungen, Krankenkassenzahlungen etc)".

Am erließ die belangte Behörde einen Haftungsbescheid für die aushaftenden Abgaben der GmbH im Ausmaß von € 34.673,99. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Abgaben zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Umsatzsteuer (U)
07/10
304,05
U
08/10
6.625,90
U
09/10
4.492,91
U
10/10
2.286,61
U
11/10
5.219,07
U
12/10
4.060,01
U
3/11
729,92
U
4/11
1.615,42
Einfuhrumsatzsteuer (EU)
8/10
337,78
EU
10/10
177,38
EU
11/10
16,26
EU
2/11
435,86
EU
3/11
241,12
Lohnsteuer (L)
9/10
1.005,17
L
10/10
1.005,17
L
11/10
1.527,05
L
12/10
1.022,70
L
1/11
981,63
Körperschaftsteuer
10-12/10
439,00
Dienstgeberbeitrag (DB)
09/10
525,05
DB
10/10
525,05
DB
11/10
56,42
DB
12/10
576,96
DB
1/11
467,50
 
Gesamt:
34.673,99

Der Haftungsbescheid enthält folgende Begründung:
"1., Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, daß Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet die werden.

2., Gemäß § 9 Abs 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

3., Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, daß der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, daß die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

5., Sie waren seit unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6., Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs 1 UstG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit.‚ selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.

7., In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgebenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, daß er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

8., Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer ist festzuhalten, daß gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehatten hat. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Sie hingegen haben die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, daß der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. clt. für den Fall, daß die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslchnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erk. des Zl 84/13/0085).

9., Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet wurden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf.

In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspfiicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgebenpflichtigen, sodaß er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des . Zl. 84/13/0198; vom , ZI. 85/17/0035 und vom . Zi. 87/14/0148). Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.

10., Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, daß durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft, die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Weiters sind Sie ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu ihrer Entlastung darzulun, nicht nachgekommen, daher war wie im Spruch zu entscheiden.

11., Durch das abgeschlossene Sanierungsverfahren ist der Abgabenrückstand bei der Firma uneinbringlich geworden."

Die Zustellung des Haftungsbescheides erfolgte am durch Hinterlegung. Gegen diesen Haftungsbescheid erhob der Beschwerdeführer am das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend an:
"Der gegenständliche Haftungsbescheid vom wird in allen Punkten des Bescheides angefochten.

Außer Streit gestellt wird, dass ich seit 1983 Geschäftsführer der Fa. GmbH, eingetragen zu FN ** im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien war und daher aufgrund meiner gesellschaftsrechtlichen Stellung als Geschäftsführer der GmbH auch haftungspflichtiger Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 BAO bin.

Über das Vermögen der Fa. GmbH -im Folgenden kurz Hauptschuldnerin genannt-wurde über Eigenantrag am D2 zu GZ des Handelsgerichtes Wien das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet.

Das Sanierungsverfahren endete mit der Annahme des Sanierungsplanes mit einer Quote von 20 %, der Sanierungsplan wurde im Jahr 2011 rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben.

Im Sanierungsverfahren wurde aufgezeigt, dass zum Zeitpunkt der materiellen Insolvenz die Mittel der Hauptschuldnerin nicht ausreichten, um die Verbindlichkeiten zu decken. Die Beschaffung von Fremdmitteln war der Hauptschuldnerin nicht möglich, da diese über keine Möglichkeiten zur dinglichen Besicherung verfügte und nach wie vor nicht verfügt.

Durch die Bestätigung des Sanierungsplanes war von einer objektiven Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten der Hauptschuldnerin auszugehen.

Beweis:
- Sanierungsverfahren GZ
- Anmeldeverzeichnis
- vorzulegende Kontoauszüge

1. Einwand der mangelnden schuldhaften Pflichtverletzung und Benachteiligung des Fiskus als Gläubiger

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Erforderlich ist, dass dem Vertreter die schuldhafte Verletzung von durch Abgabenvorschriften begründeten Pflichten vorgeworfen werden kann und die Hauptgesellschaft treffende Abgaben aufgrund dieser schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters nicht eingebracht werden können.

Eine schuldhafte Verletzung der mir als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten liegt nicht vor, auch nicht im Rahmen leichter Fahrlässigkeit, ich begründe dies wie folgt:

Trotz intensiver Vermarktungs- und Vertriebsbemühungen mit höchstem Einsatz, vor allem durch meine Person, brachen im 4. Quartal des Jahres 2010 und im 1. Quartal des Jahres 2011 die Umsätze und die Deckungsbeiträge ein, während vor allem fixe Kosten wie Personal und Mieten verzögert und in geringerem Maße wie die Deckungsbeiträge reduziert werden konnten.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht trat daher in dieser Zeit wegen der reduzierten Umsätze Kostenremanenz ein, was ein durchaus bekanntes und gängiges betriebswirtschaftliches Phänomen ist.

Aus den Konten und betriebswirtschaftlichen Auswertungen sowie aus den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen geht hervor, dass ich mangels erforderlicher Mittel den Fiskus im Verhältnis zu anderen Gläubigern nicht benachteiligt habe.

Im Einzelnen verweise ich dazu auf folgendes:

Bei den Sozialversicherungsanstalten wurde mindestens ein halbes Jahr vor Insolvenzeröffnung keine Saldoreduktion vorgenommen. Ebenso nicht beim Magistrat der Stadt Wien.

Bei den Dienstnehmern erfolgten teilweise Lohnzahlungen bis 01/2011, eine Saldoreduktion hat im Jahr 2011 bis zur Insolvenzeröffnung nicht stattgefunden.

Bei den Raummieten erfolgten die letzten Zahlungen für Oktober und November 2010.

Zahlungen an Lieferanten wurden im Halbjahr vor Insolvenzeröffnung nur mehr im Wege von Zug-um-Zug Geschäften getätigt, sodass der Saldo gegenüber den Lieferanten im Wesentlichen unverändert blieb. Es erfolgte keine Abschichtung von Verbindlichkeiten.

Die Hauptschuldnerin arbeitete ohne Bankkredit, es bestanden sohin keine Bankverbindlichkeiten.

Auch bei der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH erfolgten keine Saldoreduktionen.

Gegenüber dem Finanzamt ist festzuhalten, dass das Steuerkonto Nr. 3**/3*** der Hauptschuldnerin bis zum im Wesentlichen ausgeglichen war. Von September bis November 2010 erfolgten saldoreduzierende Zahlungen von in Summe rund € 37.000,00, was eher eine Begünstigung als eine Benachteiligung des Fiskus als Gläubiger darstellt.

Die im relevanten Zeitraum vorhandenen Mittel der Hauptschuldnerin bewegten sich in den Monaten vor Insolvenzeröffnung zwischen € 5.000,00 und € 30.000,00 und waren damit im Verhältnis zu den aufgelaufenen Verbindlichkeiten und in Ansehung der in diesem Zeitfenster zu gewärtigenden Ertragslage vollkommen unzulänglich, um Saldoreduktionen zu bewerkstelligen.

Es ist daher festzuhalten, dass die Abgabenverbindlichkeiten im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten jedenfalls nicht schlechter behandelt wurden.

2. Einwand der mangelnden Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit und Einwand der Mangelhaftigkeit des Verfahrens

Sollten - was ausdrücklich bestritten wird - die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches angenommen werden, wird nachstehendes vorgebracht:

Eine allfällige schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ist nicht kausal für die Uneinbringlichkeit der Haftungsbeträge. Die Behörde hat hiezu keinerlei Feststellungen getätigt.

Bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger hätte die Abgabenbehörde keinesfalls die mit Haftungsbescheid geltend gemachten Beträge erhalten. Bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits hätte die Abgabenbehörde lediglich eine minimale Quote bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger erhalten.

Weiters wird vorgebracht, dass die Geltendmachung einer allfälligen Haftung im Ermessen der Abgabenbehörde liegt. Eine Prüfung der Ermessensausübung ist im vorliegenden Bescheid nicht erfolgt.

Bei der Ermessensübüng wäre zu berücksichtigen, dass mein allfälliger Grad des Verschuldens äußerst gering ist und meine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist. Mein derzeitiges Jahreseinkommen beträgt lediglich rund € 10.000,00.

Weiters liegen die Haftungsansprüche vor der Insolvenzeröffnung und ist im Rahmen des § 20 BAO daher nach Billigkeit zu berücksichtigen, dass sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der Sanierungsquote zu orientieren hat. Aus dem vorliegenden Haftungsbescheid kann dies nicht nachvollzogen werden.

Beweis:
- Einzuleitendes Ermittlungsverfahren
- Sanierungsverfahren GZ
- vorzulegende Bankkontoauszüge
- vorzulegende Barzahlungsbelege
- vorzulegende Einkommensunterlagen
- meine Einvernahme
- Aufstellung betreffend liquide Mittel

3. Einwand der Einhebungsverjährung

Die Abgabenbehörde hat im Jahr 2011 im Insolvenzverfahren eine Forderungsanmeldung vorgenommen. Durch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens, insbesondere des Abschlusses des Sanierungsplanes im Jahr 2011 konnte die Abgabenbehörde erkennen, dass die Abgaben nicht (zur Gänze) einbringlich waren.

Hinsichtlich der im Jahr 2010 fälligen Abgabenschuldigkeiten ist daher mit Ablauf des Kalenderjahres 2015 und hinsichtlich der im Jahr 2011 fälligen Abgabenschuldigkeiten mit Ablauf des Kalenderjahres 2016 Einhebungsverjährung eingetreten.

Es wird daher eine Verjährung der Einhebung eingewendet.

Meine Inanspruchnahme als Vertreter durch Haftungsbescheid für die Abgabenschulden der Hauptschuldnerin stellt einen Einhebungsschritt dar und unterliegt daher nach § 238 BAO auch der Einhebungsverjährung. Meine Inanspruchnahme setzt daher voraus, dass das Einhebungsrecht gegenüber der Hauptschuldnerin noch nicht verjährt ist.

Angehängt war der Beschwerde folgende "Aufstellung betreffend liquide Mittel":

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Tatsache, dass Zahlungen an Lieferanten getätigt wurden und Löhne bezahlt wurden, eine ungleichmäßige Behandlung von Gläubigern und somit einen haftungsbegründenden Tatbestand darstellt. Aus der Sicht der belangten Behörde war damit eine schuldhafte Pflichtverletzung gegeben. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass das Ermittlungsverfahren mit dem Schreiben vom eingeleitet wurde und lediglich ein Vermögensverzeichnis retourniert wurde, jedoch die angekündigten Belege nicht übermittelt wurden.  

Vorlageantrag

Im Vorlageantrag vom wurde folgendes vorgebracht:
"Ergänzend zu der eingebrachten Beschwerde wird folgendes vorgebracht:

1.  Zum Beweis dafür, dass keine Benachteiligung des Fiskus stattgefunden hat, sowie allenfalls zur Ermittlung der Differenzquote, werden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

- Gegenüberstellung geleistete Zahlungen / nicht geleistete Zahlungen für den Zeitraum 05/2010 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens D2 betreffend Eingangsrechnungen, Lohn- und Gehaltszahlungen, Finanzamt

- Abstimmungsverzeichnis des Sanierungsverfahrens der Fa. GmbH

Ergänzend werden noch nachstehende Urkunden vorgelegt werden:
- Auflistung aller Gläubiger und Verbindlichkeiten
- Auflistung aller verfügbaren liquiden Mittel

Weiters wird zu diesem Beweisthema ausdrücklich die Abhaltung einer Berufungsverhandlung und die Einvernahme des Beschwerdeführers DI XY beantragt.

2. Zum Einwand der Einhebungsverjährung wird ergänzend vorgelegt:
- Schreiben Finanzamt vom

Gemäß der Beschwerdevorentscheidung ist das Ermittlungsverfahren mit diesem Schreiben vom eingeleitet worden. Dies ist aus dem vorliegenden Schreiben nicht abzuleiten.

Zudem wird zu diesem Schreiben vorgebracht, dass nach Erhalt dieses Schreibens und Abklärung der damals bestehende Abgabenrückstand am Steuerkonto abgebaut wurde, sodass zum lediglich ein Steuerrückstand von € 2.056,24 mehr bestand."

Dem Vorlageantrag angeschlossen waren eine acht Seiten lange "Gegenüberstellung der geleisteten Zahlungen /nicht geleisteten Zahlungen für den Zeitraum 5/2010 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens am D2" (sofern der Rechnungsbetrag über € 300 lag), eine fünf Seiten lange "Gegenüberstellung geleistete Zahlungen / nicht geleistete Zahlungen für den Zeitraum 5/2010 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens am D2", eine summenmäßige Gesamtübersicht, sowie das Abstimmungsverzeichnis des Insolvenzverfahrens.

Vorlagebericht

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt, wobei im Vorlagebericht des Finanzamtes vom als Beschwerdeführer die GmbH genannt ist. In ihrer Stellungnahme beantragt die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.

Der Vorlagebericht beschränkt sich in der Sache auf Folgende Ausführungen:

Bezughabende Normen

§§ 224 iVm 9 u. 80 BAO

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

siehe Akt und BVE

Beweismittel:

siehe Akt und BVE

Stellungnahme:

Die Beschwerde möge abgewiesen werden.

Richtigstellung

In einer Nachreichung vom hat die belangte Behörde einen Antrag auf Korrektur der Beschwerdevorlage, der vom Beschwerdeführer am bei der belangten Behörde eingebracht wurde, übermittelt. Darin wird ausgeführt, dass im Vorlagebericht die GmbH als Beschwerdeführer bezeichnet wurde und ihr auch eine Ausfertigung des Vorlageberichtes zugestellt wurde. Dies wäre insofern unrichtig, als der Beschwerdeführer nicht die GmbH, sondern DI XY ist.

Verfahrensleitende Beschlüsse

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die Differenzquoten bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitsstichtage der Abgaben bekannt zu geben und zu erklären, ob die nachgemeldeten Beträge für die lohnabhängigen Abgaben korrekt sind bzw. wann und an welche Dienstnehmer Löhne in welcher Höhe ausbezahlt wurden.

In der Beantwortung vom , eingelangt beim Bundesfinanzgericht am , wurde als Beilage eine Aufstellung über die Höhe der Differenzquoten vorgelegt und erklärt, dass die nachgemeldeten lohnabhängigen Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag [DB] und Dienstgeberzuschlage [DZ] korrekt sind. Kontoauszüge des Firmenkontos sowie Sachkontenblätter wurden nachgereicht.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde der belangten Behörde die Aufstellung des Beschwerdeführers über die ermittelten Differenzquoten zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Weiters wurde um Bekanntgabe ersucht,
-) ob die bezahlte Quote im Sanierungsverfahren der Primärschuldnerin berücksichtigt wurde
-) ob die Steuerschuld für die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern und Dienstgeberbeiträge nach Ansicht der belangten Behörde entstanden ist und
-) warum die Haftung für USt 3-4/2011 und EUSt 2-3/2011 nach Ansicht der belangten Behörde zu Recht bestehen soll.

In der Beantwortung vom hat die belangte Behörde angeführt, dass
-) die Haftung für USt 3-4/2011 und EUSt 2-3/2011 nicht zu Recht besteht
-) die Abgabenansprüche der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern und Dienstgeberbeiträge in voller Höhe entstanden sind und es sich um Meldungen der Abgabepflichtigen handelt und
-) dass die bezahlte Quote der Primärschuldnerin berücksichtigt wurde.
Zur Berechnung der Differenzquote führt die belangte Behörde aus, dass die vorgenommene Berechnung eine Schwäche dahingehend aufweist, dass jene Verbindlichkeiten, die zwischen den Fälligkeitsterminen der Abgaben (jeweils zum 15. eines Monats) gänzlich getilgt wurden, aus der Berechnung herausfallen und somit das Ergebnis massiv verfälschen würde.
Eine eigene Berechnung hat die belangte Behörde nicht vorgelegt.

Mündliche Verhandlung

Zur mündlichen Verhandlung am erschienen zwar der Beschwerdeführer und seine rechtsfreundliche Vertreterin, jedoch kein Vertreter der belangten Behörde.

Erörtert wurde, dass die Abgabenschulden betreffend U 03/11 und 04/11 sowie Einfuhrumsatzsteuer 02/11 und 03/11, Gesamtbetrag der Abgaben € 4.161,78 und in Höhe eines Haftungsbetrag von € 3.022,32 erst nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens am D2 fällig wurden und daher aus der Haftung auszuscheiden sind.

Die rechtsfreundliche Vertreterin führte aus, dass im November 2010 nur ein Teil der Löhne tatsächlich ausbezahlt worden sei, die darauf entfallende Lohnsteuer habe 567,22 € betragen. Im Dezember 2010 seien überhaupt keine Löhne ausbezahlt worden. Im Jänner 2011 sei nur teilweise Lohn ausbezahlt worden, darauf sei eine Lohnsteuer von 488,36 € entfallen.

Aus Sicht des Beschwerdeführers stehe außer Streit, dass der maximale Haftungsbetrag für September und Oktober jeweils 804,14 € wäre, für November 453,78 €, für Dezember 0 € und für Jänner 2011 390,69 €. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im bisherigen Verfahren sei bei den Beträgen betreffend Lohnsteuer 09-12/10 und 01/11 die Abgabenschuld zur Gänze und nicht um die Quote vermindert zur Haftung herangezogen worden.

Hinsichtlich der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben, die alle vom Gleichbehandlungsgrundsatz umfasst seien, verwies die rechtsfreundliche Vertreterin darauf, dass in der vom Beschwerdeführer zuletzt vorgelegten Tabelle die Schulden exakter als in der zuvor vorgelegten Unterlage ermittelt worden seien. Dies beruhe auf einer taggenauen Kontoanalyse, die ebenfalls vorgelegt worden sei. Die zum Teil große Differenz zur bisherigen Tabelle ergebe sich daraus, dass ein Förderungsdarlehen erst mit der Insolvenzeröffnung fällig gestellt worden sei.

Der Beschwerdeführer erläuterte, dass am ein Betrag von 9.675,11 € an das Finanzamt vom Unternehmen überwiesen worden sei. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass am ein Betrag von 10.821,60 € an das Finanzamt überwiesen worden sei. Außerdem sei am ein Betrag von 16.495,20 € direkt von einem Kunden dem Finanzamt überwiesen worden. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei auf alle Zahlungen und Belastungen innerhalb des Haftungszeitraumes abzustellen.

Außer Streit gestellt wurde, dass hinsichtlich dieser haftungsgegenständlichen Abgaben bei Nichtansatz von negativen Ergebnissen, sondern höchstens von € 0, sich ein Haftungsbetrag von € 1.338,73 als Differenzquote ergibt.

Seitens der rechtsfreundlichen Vertretung wurde auf die Einvernahme des zunächst geltend gemachten Zeugen verzichtet.

Seitens der beschwerdeführenden Partei wurde abschließend die Stattgabe ihrer Beschwerde in der Weise beantragt, dass im Rahmen der Ermessensübung von einer Haftung zur Gänze Abstand genommen werden sollte, hilfsweise die Haftung auf einen Betrag von 1.338,73 € zu begrenzen wäre.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist seit D1 Geschäftsführer der GmbH Bestimmte Abgabenforderungen der GmbH wurden nicht entrichtet.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom D2 zur Geschäftszahl GZ wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin, der GmbH, das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und in der Folge mit Beschluss desselben Gerichtes vom D3 der Sanierungsplan mit einer Quote von 20% rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht somit im Ausmaß von 80% fest. Die Quote wurde vollständig entrichtet.

Die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben waren zu folgenden Terminen in folgender Höhe fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
Umsatzsteuer
07/10
304,05
5.608,48
Umsatzsteuer
08/10
6.625,90
6.625,90
Umsatzsteuer
09/10
4.492,91
4.492,91
Umsatzsteuer
10/10
2.286,61
2.286,61
Umsatzsteuer
11/10
5.219,07
5.219,07
Umsatzsteuer
12/10
4.060,01
4.060,01
Umsatzsteuer
3/11
729,92
1.218,69
Umsatzsteuer
4/11
1.615,42
2.266,11
Einfuhrumsatzsteuer
8/10
337,78
337,78
Einfuhrumsatzsteuer
10/10
177,38
177,38
Einfuhrumsatzsteuer
11/10
16,26
16,26
Einfuhrumsatzsteuer
2/11
435,86
435,86
Einfuhrumsatzsteuer
3/11
241,12
241,12
Lohnsteuer
9/10
1.005,17
1.005,17
Lohnsteuer
10/10
1.005,17
1.005,17
Lohnsteuer
11/10
1.527,05
1.527,05
Lohnsteuer
12/10
1.022,70
1.022,70
Lohnsteuer
1/11
981,63
981,63
Körperschaftsteuervorauszahlung
10-12/10
439,00
439,00
Dienstgeberbeitrag
09/10
525,05
525,05
Dienstgeberbeitrag
10/10
525,05
525,05
Dienstgeberbeitrag
11/10
56,42
933,37
Dienstgeberbeitrag
12/10
576,96
576,96
Dienstgeberbeitrag
1/11
467,5
467,5
 
Gesamt:
34.673,99
41.994,83
 

Eine Reduktion der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden um die Insolvenzquote fand - abgesehen von der Umsatzsteuer 07/2010 und des Dienstgeberbeitrages 11/2010 - nicht statt.

Folgende Abgaben waren erst nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens (D2) fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
Umsatzsteuer
3/11
729,92
1.218,69
Umsatzsteuer
4/11
1.615,42
2.266,11
Einfuhrumsatzsteuer
2/11
435,86
435,86
Einfuhrumsatzsteuer
3/11
241,12
241,12
 
Gesamt:
3.022,32
4.161,78
 

Die Abgabenschuld für die Lohnsteuern der haftungsgegenständlichen Monate beträgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
Lohnsteuer
9/10
1.005,17
Lohnsteuer
10/10
1.005,17
Lohnsteuer
11/10
567,22
Lohnsteuer
12/10
0,00
Lohnsteuer
1/11
488,36
 
 
3.065,92
 

Zu den Fälligkeitstagen der Abgaben waren nicht ausreichend liquide Mittel vorhanden, um alle Verbindlichkeiten (Abgabenverbindlichkeiten und sonstige fällige Schulden) zu bezahlen.

Im Jahr 2014 hat die belangte Behörde das Haftungsverfahren gegen den Beschwerdeführer begonnen und ihn aufgefordert, seine wirtschaftliche Lage bekannt zu geben. Im Vorfeld wurde eine Firmenbuchabfrage hinsichtlich der GmbH und eine Meldeabfrage (beide vom ) hinsichtlich des Beschwerdeführers durchgeführt.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen zum Sanierungsverfahren beruhen einerseits auf Eintragungen im Firmenbuchauszug der GmbH und andererseits auf den Angaben des Beschwerdeführers und dem vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Firmenbuchauszug geht hervor, dass per bis D3 ein Masseverwalter bestellt war.

Aus dem Abstimmungsverzeichnis zum Sanierungsverfahren geht hervor, dass die Republik Österreich (vertreten durch das Finanzamt Wien 6/7/15) eine Forderung in Höhe von € 42.444,66 angemeldet hatte, die nicht bestritten wurde. Dabei handelt es sich um den Tagessaldo des Abgabenkontos der Primärschuldnerin vom D4, der sich aus den Beträgen des Rückstandsausweises vom sowie aus jenen Buchungen zusammensetzt, die bis zum D4 vorgenommen wurden. 
Der Haftungsbescheid lautet auf € 34.673,99, wobei keine Dienstgeberzuschläge, Säumniszuschläge, Pfändungsgebühren und Barauslagenersätze darin enthalten sind. Zusätzlich wurden noch die Umsatzsteuer März und April zum Teil in den Haftungsbescheid aufgenommen. Die relevanten Beträge stellen sich wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Abgabenschuld
 Haftungsbescheid 
U
Jul.10
      5.608,48
              304,05
Z (Versp.)
Jul.10
         448,68
                    -  
Z (Versp.)
Aug.10
         331,29
                    -  
U
Aug.10
      6.625,90
           6.625,90
U
Sep.10
      4.492,91
           4.492,91
U
Okt.10
      2.286,61
           2.286,61
U
Nov.10
      5.219,07
           5.219,07
U
Dez.10
      4.060,01
           4.060,01
SZB
2010
          56,08
                    -  
SZB
2010
          66,26
                    -  
SZA
2010
         131,10
                    -  
SZA
2010
         112,17
                    -  
SZA
2010
         132,52
                    -  
SZA
2010
          89,86
                    -  
SZA
2011
         104,38
                    -  
L
Sep.10
      1.005,17
           1.005,17
L
Okt.10
      1.005,17
           1.005,17
L
Nov.10
      1.527,05
           1.527,05
L
Dez.10
      1.022,70
           1.022,70
L
Jän.11
         981,63
              981,63
K
10-12/2010
         439,00
              439,00
K
01-03/2011
         437,00
                    -  
EU
Aug.10
         337,78
              337,78
EU
Okt.10
         177,38
              177,38
EU
Nov.10
          16,26
               16,26
EG
2011
         264,49
                    -  
EG
2011
         214,91
                    -  
DZ
Sep.10
          46,67
                    -  
DZ
Okt.10
          46,67
                    -  
DZ
Nov.10
          82,97
                    -  
DZ
Dez.10
          51,29
                    -  
DZ
Jän.11
          41,56
                    -  
DB
Sep.10
         525,05
              525,05
DB
Okt.10
         525,05
              525,05
DB
Nov.10
         933,37
               56,42
DB
Dez.10
         576,96
              576,96
DB
Jän.11
         467,50
              467,50
BAL
2011
            0,55
                    -  
BAL
2011
            3,75
                    -  
Zwischensumme Rückstandsausweis 
    40.495,25
 
SZA
2011
          81,20
                    -  
EU 2/11
Feb.11
         435,86
              435,86
EU 3/11
Mär.11
         241,12
              241,12
U 1/11
Jän.11
          91,90
                    -  
U 2/11
Feb.11
      1.099,33
                    -  
Angemeldete Forderungen
    42.444,66
          32.328,65
 
 
 
 
 
U 3/11
Mär.11
      1.218,69
              729,92
U 4/11
Apr.11
      2.227,37
           1.615,42
 
 
 
 
          34.673,99

Aus den vorgelegten Finanzamtsakten geht hervor, dass die Quote des Sanierungsverfahrens (in Höhe von 20 %, das sind € 8.488,93) vollständig bezahlt wurde.  

Die erste Quotenzahlung in Höhe von € 2.122,23 oder 5 % (Buchungstag ) wurde laut Finanzamtsakten gezielt mit der Umsatzsteuerforderung 7/2010 verrechnet. Für die zweite Quotenzahlung in Höhe von € 3.183,35 oder 7,5 % (Buchungstag ) ist keine Verrechnungsweisung ersichtlich. Die dritte und letzte Quotenzahlung in Höhe von € 3.183,35 oder 7,5 % wurde laut Finanzamtsakten mit dem Dienstgeberbeitrag November 2011 in Höhe von € 876,95 sowie vollständig mit den Dienstgeberzuschlägen (DZ) der Monate September 2010 bis Jänner 2011, Säumniszuschlägen 2010 und 2011, Verspätungszuschlägen Juli und August 2010, Barauslagenersätzen und Pfändungsgebühren 2011 von der belangten Behörde verrechnet.

Zu den lohnabhängigen Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag) hat der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Antwort vom bekannt gegeben, dass die (nach)gemeldeten Beträge korrekt wären. Auch die belangte Behörde geht in ihrer Stellungnahme vom davon aus, dass die haftungsgegenständlichen Dienstgeberbeiträge und Lohnsteuerbeträge korrekt sind, zumal es sich um Meldungen der Primärschuldnerin handelt. Allerdings hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig dargelegt, dass die gemeldeten Lohnsteuerbeträge der Monate November 2010 bis Jänner 2011 nicht stimmen, weil entweder nur ein Teil der Lohnforderungen ausbezahlt wurde oder überhaupt keine Lohnzahlungen erfolgten. Dieses Vorbringen steht auch im Einklang mit den Eintragungen im Abstimmungsverzeichnis aus dem Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin, in dem Forderungen der Dienstnehmer enthalten sind und auch festgestellt wurden.

Aus einem Vergleich des Datums der Eröffnung des Sanierungsverfahrens (D2) und dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuer bzw. Einfuhrumsatzsteuer (§ 21 UStG), nämlich ist ersichtlich, dass die Fälligkeit für diese Abgaben erst nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung lag.

Aus den vorgelegten Bankauszügen und Buchhaltungsunterlagen ist die Höhe der liquiden Mittel zu den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgaben ersichtlich.  

In den Verwaltungsakten findet sich ein Aktenvermerk vom betreffend den Beschwerdeführer: "geb. D5 vertritt seit selbständig". Unmittelbar darunter wurden die an diesem Tag fälligen Abgaben, nämlich als Summenberechnung die Beträge 32.262,57 und 47.790,47 AEB, die zusammen 80.053,04 ergeben, angeführt. Schließlich wurde am ein Schreiben an den Beschwerdeführer gerichtet, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass der Betrag von € 80.053,04 als offene Abgabenschuld aushaftet. Der Beschwerdeführer hat dieses Schreiben erhalten und den beigelegten Fragebogen ausgefüllt und retourniert. Dieser Aktenvermerk vom beruht auf einem - ebenfalls in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen - Firmenbuchauszug vom . Dies ist schon an der Formulierung "vertritt seit selbständig" erkennbar, die eindeutig aus dem Firmenbuchauszug stammt. Darüber hinaus ist auch eine Meldeabfrage vom in den Akten der belangten Behörde enthalten.

Rechtsgrundlagen

§ 9 BAO lautet:

§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 238 BAO lautet:

F. Verjährung fälliger Abgaben.

§ 238. (1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

§ 209a gilt sinngemäß.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

(3) Die Verjährung ist gehemmt, solange
a) die Einhebung oder zwangsweise Einbringung einer Abgabe innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist, oder
b) die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist, oder
c) einer Revision gemäß § 30 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, oder einer Beschwerde gemäß § 85 des Verfassungsgerichtshofgesetzes – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.

(4) Wenn fällige Abgaben durch Handpfand gesichert sind, findet § 1483 ABGB. sinngemäß Anwendung. Sind sie durch bücherliche Eintragung gesichert, so kann innerhalb von dreißig Jahren nach erfolgter Eintragung gegen die Geltendmachung der durch das Pfandrecht gesicherten Forderung die seither eingetretene Verjährung der Abgabe nicht eingewendet werden.

(5) Wird ein Bescheid, mit dem eine Abgabenschuldigkeit gelöscht (§ 235) oder nachgesehen (§ 236) wird, innerhalb von drei Jahren ab seiner Bekanntgabe (§ 97) abgeändert oder aufgehoben, so lebt dadurch der Abgabenanspruch wieder auf und beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Abänderungs- oder Aufhebungsbescheides neu zu laufen.

(6) Die Abs. 1 bis 5 gelten auch für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der im § 207 Abs. 4 bezeichneten gegen Abgabepflichtige gerichteten Ansprüche.

§ 9 IO lautet:

Verjährung

§ 9. (1) Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

(2) Wird ein Anspruch bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt die Verjährung vom Tage der Anmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruches bestimmten Frist als gehemmt.

Rechtliche Erwägungen

Verjährung

Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, (grundsätzlich) binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Die Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen. Einhebungsmaßnahmen sind nur auf Abgabenschuldigkeiten zulässig, die noch nicht "einhebungsverjährt" sind. Ergeht ein als Einhebungsmaßnahme zu qualifizierender Bescheid zu Unrecht nach Eintritt der Einhebungsverjährung, so ist er inhaltlich rechtswidrig (). Gemäß § 238 Abs 2 BAO wird die fünfjährige Einhebungsverjährung, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Ist eine solche Unterbrechung eingetreten, beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen.

Da § 224 Abs 3 BAO und § 238 Abs 1 BAO eine Abhängigkeit der Einhebungsverjährung vom Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 207 BAO) normieren, kommt der Festsetzungsverjährung auch in Bezug auf die Einhebungsverjährung Bedeutung zu. Normieren § 224 Abs 3 und § 238 Abs 1 BAO die Maßgeblichkeit des Ablaufes der Festsetzungsverjährung für das Einhebungsverfahren, ist im Einzelfall zu prüfen, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist oder nicht.

Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist zur Festsetzung einer Abgabe um ein Jahr, wenn innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen wurden. Schriftliche Erledigungen (zB Abgabenbescheide) verlängern die Verjährungsfrist dann, wenn sie zugestellt wurden. Abgabenbescheide dienen der Geltendmachung eines Abgabenanspruchs. Gemäß § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Die älteste im Haftungsbescheid angeführte Abgabe betrifft die Umsatzsteuer 2010.

Neben den im Gesetz selbst beispielsweise aufgezählten Maßnahmen (Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligung einer Zahlungserleichterung, Erlassung eines Haftungsbescheides) sind darüber hinaus Unterbrechungshandlungen auch Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen (), Amtshilfeersuchen, Sicherstellungsaufträge, Vollstreckungsbescheide, Widerruf von Zahlungserleichterungen oder Zahlungsaufforderungen ().

Nachweislich dokumentierte Firmenbuchabfragen sind nach ständiger Rechtsprechung nach außen erkennbare Amtshandlungen, wenn sie erkennen lassen, dass sie auf die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches gerichtet sind (; ). 

Ein Schreiben, mit welchem die Behörde dem zur Haftung für Abgabenschulden Herangezogenen detailliert die den einzelnen Jahren zugeordneten Beträge an aushaftender Steuer mit der Aufforderung mitteilt, im Falle des Anerkenntnisses den Rückstand zu begleichen, ist als Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs 2 BAO zu werten ().

Eine solche detaillierte Mitteilung ist im Schreiben vom jedoch nicht zu erblicken, weil dem Haftenden nur mitgeteilt wurde, dass Abgabenrückstände in Höhe von € 80.053,04 am Abgabenkonto der GmbH aushaften.

Allerdings ist zu bedenken, dass bereits im Jahr 2013 umfassende Korrespondenz hinsichtlich jener Abgaben geführt wurde, die vom Insolvenzverfahren betroffen sind, zumal im Jahr 2013 die Primärschuldnerin via FinanzOnline eine Bescheinigung ausdrucken wollte, dass keine fälligen Abgabenschulden vorliegen würden. Dies war jedoch über FinanzOnline nicht möglich. Am hat eine Bedienstete der belangten Behörde an den Beschwerdeführer ein E-Mail verfasst und eine Aufstellung der Konkurs- und Masseforderungen sowie der Quotenabrechnung übermittelt. Dem Beschwerdeführer mussten somit die detaillierten Abgabenschulden bekannt sein.

Dem Schreiben vom beigelegt war ein Formular mit der Überschrift "Feststellungen betr. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschäftsführers", das der Beschwerdeführer binnen vier Wochen ab Zustellung des Schreibens vom retournieren sollte. Tatsächlich wurde dieses Formular vom Beschwerdeführer ausgefüllt, unterschrieben und ist am bei der belangten Behörde eingelangt.

Selbst Meldeanfragen an die zuständige Meldebehörde stellen Unterbrechungshandlungen dar (), wobei auf solchen Meldeanfragen - soweit sie nicht automationsunterstützt erfolgen - schon aus Gründen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht keine Aufstellung der aushaftenden Abgaben enthalten ist. Insofern bedarf es keiner solchen Angabe im Zuge der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Haftungspflichtigen.

Sowohl eine nachweisbar dokumentierte Firmenbuchabfrage als auch eine dokumentierte Meldeabfrage aus dem Jahr 2014 liegen vor. Somit ist im Jahr 2014 eine Unterbrechung der Einhebungsverjährungsfrist eingetreten und die fünfjährige Frist, die mit Ablauf des Jahres 2014 neu zu laufen begonnen hatte, war zu Beginn des Jahres 2017 noch nicht abgelaufen. 

Haftung

Tatbestand:

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet (). 

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().  Aus der Tatsache der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann nicht bereits zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der Primärschuldnerin entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden; dies kann sich jedoch im Laufe des Insolvenzverfahrens herausstellen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB , ) stellt eine Restschuldbefreiung der Primärschuldnerin im Rahmen eines Zwangsausgleiches (nunmehr Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar, weshalb die rechtskräftige Bestätigung eines Sanierungsplanes der Primärschuldnerin der Geltendmachung der Haftung des Vertreters für den die Quote übersteigenden Teil der Abgabenschuldigkeiten nicht entgegensteht.

Pflichtverletzung:

Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Zu den Aufgaben eines Vertreters gehört auch die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten. Betraut der Vertreter andere Personen (Angestellte) mit den steuerlichen Agenden, so treffen ihn Auswahl- und Kontrollpflichten. Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden (Ressortverteilung), richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist auch er haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln ().

Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.

Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen dann zur Haftungsinanspruchnahme, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgte. Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (). Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuer nachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt.

Bereits aus der Überschrift zu § 1 IO ist ersichtlich, dass sowohl ein Konkurs- als auch ein Sanierungsverfahren ein Insolvenzverfahren ist. Gemäß § 74 Abs 1 IO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein Edikt öffentlich bekanntzumachen, wobei das Verfahren ausdrücklich entweder als Konkursverfahren oder als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom D2 zur Geschäftszahl GZ wurde das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über die GmbH eröffnet und mit Beschluss vom D3 der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. 

Gemäß § 2 IO treten die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Somit konnte der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt keine Zahlungen für die Primärschuldner mehr vornehmen. Für Abgaben, die nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, kann der Vertreter nicht zur Haftung herangezogen werden. Somit ist der Beschwerde für folgende Abgaben Folge zu geben und die Haftung entsprechend einzuschränken:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Fälligkeitstag
Umsatzsteuer
3/11
729,92
Umsatzsteuer
4/11
1.615,42
Einfuhrumsatzsteuer
2/11
435,86
Einfuhrumsatzsteuer
3/11
241,12
 
Gesamt:
3.022,32
 

Ausmaß der Haftung:

Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen, ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar ().

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, hat die Konkursordnung Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO (z.B. 90/14/0038). In seinem Erkenntnis , (bestätigt durch 2006/13/0071) hat der Unabhängige Finanzsenat darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf § 50 KO, wonach die Insolvenzforderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind, die Zahlung(en) des Masseverwalters anlässlich der Verteilung der Konkursmasse anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen wären. Diese Aussage hat auch für das Verhältnis zwischen  § 50 IO und § 214 BAO Geltung (zB ).

In einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, wird die Identität der Sache durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (zB § 9 BAO).

Im angefochtenen Bescheid wurden Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe - also ohne Reduktion um die Sanierungsplanquote von 20% - in Ansatz gebracht.

Bezüglich des die Quote umfassenden Betrages liegt aber keine Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vor, da es eben durch die Zahlungen im Sanierungsverfahren zu einer anteiligen Befriedigung aus der Masse gekommen war. Die Verrechnung der Quotenzahlungen durch die belangte Behörde mit Abgabenschuldigkeiten, die nicht zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides gemacht wurden, obwohl es sich um Insolvenzverbindlichkeiten gehandelt hat und insofern der Beschwerdeführer insgesamt "nur" in einem niedrigeren Ausmaß zur Haftung herangezogen wurde, bedeutet nicht, dass der Haftende auf Grund einer solchen Verrechnung für die anderen (übrigen) Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe zur Haftung herangezogen werden könnte.

Lohnsteuer / Gleichbehandlungsgrundsatz:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs 1 BAO darstellt. Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen (zB ). Eine Begrenzung der Haftung in Höhe des sogenannten Quotenschadens kommt diesbezüglich nicht in Betracht (Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 26. EL § 78 Anm 19; ).

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren  dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (; ). Die Abgabenschuld für die Lohnsteuern der Monate November 2010 bis Jänner 2011 wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert und ist der untenstehenden Tabelle zu entnehmen (Spalte "ursprüngliche Abgabenschuld").

Allerdings bewirken auch in Bezug auf die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern die Quotenzahlungen im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin ein Erlöschen der Abgabenschuld im Ausmaß der bezahlten Quote. Dies wurde jedoch im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt. Somit ist der Beschwerde hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuern in folgendem Ausmaß (Einschränkung der Haftung) Folge zu geben:


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Abgabenart
Zeitraum
ursprüngliche Abgabenschuld
abzügl. 20 % Quote
maximaler Haftungsbetrag
tatsächlicher Haftungsbetrag
Einschränkung
L
9/10
1.005,17
       201,03
             804,14
         1.005,17
              201,03
L
10/10
1.005,17
       201,03
             804,14
         1.005,17
              201,03
L
11/10
567,22
       113,44
             453,78
         1.527,05
            1.073,27
L
12/10
0,00
             -  
                   -  
         1.022,70
            1.022,70
L
1/11
488,36
         97,67
             390,69
            981,63
              590,94
 
 
 
 
          2.452,74
 
           3.088,98

Kausalität:

Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist es nicht relevant, ob geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().

Der Beschwerdeführer hat eine Berechnung vorgelegt, die jeweils auf den Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben Bezug nimmt. Damit hat er einen Nachweis erbracht, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Bei einer solchen Nachweisführung haftet der Vertreter nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag (; ). Somit ist der Beschwerde in diesem Beschwerdepunkt in folgendem Ausmaß (Einschränkung der Haftung) Folge zu geben:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
tatsächlicher Haftungsbetrag
Quotenbetrag
Einschränkung
U
09/10
    4.492,91
      312,82
    4.180,09
U
10/10
    2.286,61
      147,40
    2.139,21
U
11/10
    5.219,07
      398,40
    4.820,67
U
12/10
    4.060,01
      265,85
    3.794,16
EU
8/10
      337,78
        21,99
      315,79
EU
10/10
      177,38
        11,43
      165,95
EU
11/10
        16,26
         1,24
        15,02
K
10-12/10
      439,00
        30,57
      408,43
DB
09/10
      525,05
        34,18
      490,87
DB
10/10
      525,05
        36,56
      488,49
DB
11/10
        56,42
         3,64
        52,78
DB
12/10
      576,96
        44,04
      532,92
DB
1/11
      467,50
        30,61
      436,89
 
 
 
  19.180,00
    1.338,73
  17.841,27

Ermessen:

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer ist seit 2007 alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Das Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin wurde bereits Ende 2011 aufgehoben und die letzte Quotenzahlung ging im Jahr 2013 bei der belangten Behörde ein, wodurch das Ausmaß der Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin seit diesem Zeitpunkt feststand. Der Haftungsbescheid erging erst im Jänner 2017.

Dieser Umstand verbunden mit der mangelnden Mitwirkung der belangten Behörde während des Beschwerdeverfahrens (so wurde auf die ausführliche Argumentation in der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung kaum und auf jene im Vorlageantrag im Vorlagebericht gar nicht eingegangen), die sich letztlich auch in der Abwesenheit bei der mündlichen Verhandlung, in der sämtliche maßgebenden Umstände detailliert erörtert wurden, war in einem abschließenden Ermessensabschlag zu berücksichtigen, sodass ein Haftungsbetrag von € 3.500 zu Recht besteht. 

Darüber hinaus war im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer für die mündliche Verhandlung eine neue, detaillierte und - zu seinen Ungunsten - korrigierte Berechnung der Differenzquoten vorgelegt hat. Er hat somit im Rechtsmittelverfahren aktiv mitgewirkt und somit zu einer rechtsrichtigen Ergebnisfindung beigetragen.

Diesem Umstand war im Rahmen der Ermessensübung dahingehend Rechnung zu tragen, dass die Haftung (in Höhe der Differenzquote) für die Umsatzsteuer Juli und August 2010 entfallen konnte, zumal auch noch in zeitlicher Nähe des Entstehens dieser Abgabenansprüche Zahlungen an die belangte Behörde geleistet wurden. Da es sich um eine Reduktion im Rahmen der Ermessensübung handelt, kann auch dahingestellt bleiben, welche Abgabenschulden mit diesen zeitnahen Zahlungen entrichtet wurden.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden wie etwa dessen Vermögenslosigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit stehen nach der Rechtsprechung in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und können somit die Ermessensübung nicht beeinflussen (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftungspflichtigen schließt nämlich nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (). Die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens ist mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (). Soweit auf eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigt werden soll, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist ().

Ergebnis

Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:


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Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
 U    (Ermessen)
 07/10 
           0,00
 U    (Ermessen)
 08/10 
           0,00
U
09/10
          312,82
U
10/10
          147,40
U
11/10
          398,40
U
12/10
          265,85
EU
8/10
            21,99
EU
10/10
            11,43
EU
11/10
             1,24
L
9/10
          804,14
L
10/10
          804,14
L
11/10
          453,78
L
12/10
               0,00  
L
1/11
          390,69
K
10-12/10
           30,57
DB
09/10
            34,18
DB
10/10
            36,56
DB
11/10
             3,64
DB
12/10
            44,04
DB
1/11
            30,61
 
 
       3.791,47
 
- Ermessen
-                 291,47
 
 
               3.500,00

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu angeführten Rechtsprechung und Literatur. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Darüber hinaus wurde auf die Besonderheiten des Einzelfalles abgestellt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7101329.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at