Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 07.03.2008, RV/0633-G/05

Pendlerpauschale für die zweckmäßigste Strecke

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0633-G/05-RS1
Bei der Gewährung des Pendlerpauschales sind zur Auslegung des Tatbestandsmerkmales "Fahrtstrecke" auch die öffentlichen Interessen (etwa nach Vermeidung von Lärm und Abgasbelastung für die Wohnbevölkerung) zu berücksichtigen. Unter Fahrtstrecke ist deshalb jene zu verstehen, deren Benutzung mit dem Kfz nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für die täglichen Fahrten eines Pendlers sinnvoll ist. Dies muss nicht immer die kürzeste Strecke sein.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Frau L in XY, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldbach vom und betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für den Zeitraum 2001 bis 2003 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Nachdem vom Arbeitgeber dem Finanzamt ein berichtigter Lohnzettel vorgelegt wurde, wurde im Zuge des Überprüfungsverfahrens (nach Wiederaufnahme des Verfahrens der Jahre 2001 bis 2003) die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Pendlerpauschales für eine Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km für die oa. Jahre neu berechnet und nachgefordert.
Gegen diese Bescheide hat die Berufungswerberin mit Schreiben vom fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und wie folgt begründet:

Die Berufung richtet sich gegen folgenden Punkt des Bescheides:
Laut Bescheid würde die Fahrtstrecke von zu Hause in die Firma 34 km betragen. Richtig ist, dass die Fahrtstrecke laut meinem Kilometerzähler 41 km beträgt (It. Routenplaner zwischen 40,45 und 41,5 km), da es für mich nicht zumutbar ist, dass ich jeden Tag den direkten Weg durch die Stadt Fürstenfeld und Gleisdorf wegen des starken Verkehrs (Stau, Umweltbelastung, längerer Anreiseweg) benützte.
Da die Firma außerhalb von Gleisdorf liegt, benützte ich immer die Abfahrt Gleisdorf West.

Gleichzeitig war mein Wohnsitz bis (laut Meldezettel), A (außerhalb von Fürstenfeld), und ab die oben genannte Adresse, wobei es richtig ist, dass die Wegstrecke von der neuen Adresse unter 40 km liegt. (diese wurde von mir rückwirkend mit 2005 bei der Firma berichtigt).
Den offenen Betrag laut Einkommenssteuerbescheid 2004 werde ich selbstverständlich bezahlen.
Ich bitte Sie nochmals alles zu überprüfen und beantrage, meine Angaben zu berücksichtigen und einen neuen Bescheid zu erlassen.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom wies das Finanzamt Oststeiermark die Berufung ab und führte als Begründung Folgendes aus:
In Ihrer Berufung bzgl. der Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales wird behauptet, dass von Ihrer seinerzeitigen Wohnadresse die einfache Wegstrecke mehr als 40 km zur Arbeitsstelle betragen hat. Die seitens des Finanzamtes zur Ermittlung herangezogenen Routenplaner (Map24) und Straßenkarte (1:100000) weisen die zweckmäßige Route mit ca. 35 Kilometer (auch von der ehemaligen Wohnadr., A) aus. Auch die seitens des Finanzamtes durchgeführte Berechnung der Wegstrecke über Gleisdorf West, die sachlich nicht klar begründet wird, führte zu einem Ergebnis von weniger als 40 km. Da weder eine Fahrtstrecke von über 40 km errechnet werden konnte, noch schlüssige Argumente für die ihrerseits gewählte Wegstrecke sprechen, musste die Berufung als unbegründet abgewiesen werden.

Nach der Aktenlage liegt dieser Begründung eine Route zu Grunde, die nach dem aufliegenden Routenplaner-Ausdruck ebenfalls ein Verlassen der Umfahrungsstraße und Befahren von Innenstadtstraßen voraussetzt. Diese Route wird als kürzeste Route mit einer Streckenlänge von 34,40 km bezeichnet. Des Weiteren findet sich im Akt eine Route mit einer gesamten Streckenlänge von 39,91 km über Gleisdorf West. Festzuhalten ist, dass auch diese Route zu einem Teil durch das Stadtgebiet von Fürstenfeld führt.
Der von der Berufungswerberin vorgelegte ÖAMTC-Routenplaner weist eine Fahrtstrecke von 41,52 km auf.

Gegen die Berufungsvorentscheidung wurde fristgerecht () ein Vorlagenantrag eingebracht. In der Begründung wurden die in der Berufung angeführten Argumente wiederholt.

Mit Bericht vom (ohne Datum), eingelangt am , legte das Finanzamt Oststeiermark die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zu Entscheidung vor.


Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach Z 6 dieser Gesetzesstelle zählen zu den Werbungskosten die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Arbeitsweg) sind grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.
Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 stehen grundsätzlich nur dann zu, wenn entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (kleines Pendlerpauschale) oder die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (großes Pendlerpauschale).

Intention des Gesetzgebers des EStG 1988 war es, durch Neuregelung der Absetzbarkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den bis dahin steuerlich begünstigten, aus umweltpolitischer Sicht aber unerwünschten Individualverkehr einzudämmen und die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen (, 0003). Unter diesem Hintergrund wurde
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 geschaffen und ist diese Bestimmung daher zu verstehen und auszulegen. Bei Entfernungen zwischen Wohnort und Arbeitsstätte von mehr als 20 km hat danach, wenn die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel grundsätzlich möglich und auch zumutbar ist, das kleine Pendlerpauschale (Entfernungspauschale) zur Anwendung zu kommen. Damit sollen jene Mehraufwendungen abgegolten werden, die Arbeitnehmern auf Grund großer Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsstätte (im Vergleich zu Arbeitnehmern, die weniger als 20 km vom Arbeitsplatz entfernt wohnen) zwangsläufig erwachsen. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges überwiegend nicht möglich oder zumutbar, der Arbeitnehmer also auf die Verwendung eines Kraftfahrzeuges tatsächlich angewiesen ist, und der Arbeitsweg außerdem mindestens 2 km beträgt, sollen die durch Benützung des KfZ verursachten Mehrkosten auch im Anwendungsbereich des EStG 1988 im Wege der Gewährung des großen Pendlerpauschales (Zumutbarkeitspauschale) weiterhin steuerliche Berücksichtigung finden. In zeitlicher Hinsicht müssen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 6 lit. b oder lit. c leg.cit. im Lohnzahlungszeitraum überwiegend gegeben sein.

Unstrittig ist, dass der Berufungswerberin das große Pendlerpauschale dem Grunde nach zusteht.
Strittig ist, in welcher Höhe das Pendlerpauschale nach
§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 bei der Berufungswerberin zu berücksichtigen ist.

Das große Pendlerpauschale für den gegenständlichen Zeitraum 2001 beträgt für eine Strecke von 20 km bis 40 km nach § 124b Z 52 EStG 1988 14.400 S und von
40 km bis 50 km 24.480 S jährlich.

Für die Jahre 2002 und 2003 sind die Pauschalbeträge des Pendlerpauschales von 20 km bis 40 km 840 Euro und von 40 km bis 60 km 1.470 Euro zu berücksichtigen.

Zur Fahrtstrecke ist vorerst anzumerken, dass bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales "Fahrtstrecke" auch die öffentlichen Interessen (etwa nach Vermeidung von Lärm und Abgasbelastung für die Wohnbevölkerung) zu berücksichtigen sind. Unter "Fahrtstrecke" ist deshalb jene zu verstehen, deren Benutzung mit dem Kfz nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für die täglichen Fahrten eines Pendlers sinnvoll ist. Es ist dies die kürzeste Strecke, die ein Arbeitnehmer für tägliche Fahrten vernünftigerweise wählt, wobei auch auf die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sowie auf die Vermeidung von Lärm und Abgasen im Wohngebiet Bedacht zu nehmen ist. Überflüssige Umwege oder bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvarianten haben dabei außer Betracht zu bleiben. Demzufolge ist also die sinnvollerweise benützte Verbindung maßgebend.

Der unabhängige Finanzsenat merkt an, dass er dem Berufungsvorbringen unter Berücksichtigung der oben angeführten Prämisse insofern folgt, als die kürzeste Fahrtstrecke, welche 34,40 km beträgt und von der Wohnung über die Bergkammstraße, Gerichtsbergenstraße, Ullreichgasse und in weiterer Folge durch den Ortskern von Fürstenfeld und Gleisdorf führt, auf Grund der gegebenen Umstände, nämlich Wohngebiet, enge Straßen, langsames Weiterkommen, nicht sinnvoll erscheint.

Die Berufungswerberin hat im Rahmen des Berufungsverfahrens einen Auszug aus dem ÖAMTC-Routenplaner vorgelegt, welcher für die Fahrt eine Strecke von 41,52 km aufweist und diese Strecke über die Umfahrungsstraße Fürstenfeld und auch Umfahrungsstraße bzw. Autobahn zur Abfahrt Gleisdorf West führt.

Mit Schriftsatz vom wurde von der Berufungswerberin eine weitere Stellungnahme mit einem Auszug aus dem Routenplaner Map 24 (welcher auch vom Finanzamt Oststeiermark bevorzugt wird) über die gewählte Fahrtstrecke vorgelegt. Die diesbezügliche Fahrtstrecke beträgt 41,03 km.
Die Fahrtroute verläuft vom Wohnhaus zur Fehringerstraße (Fürstenfeld wird nach 1,9 km verlassen), zum Kreisverkehr, Fehringer Landesstraße, Bundesstraße (B 65),
Autobahn (A 2) und Abfahrt Gleisdorf West, Gleisdorfer Bundesstraße (B 65), Wechsel Bundesstraße (B 54), Weizerstraße, Rechberg Bundesstraße (B 64) und zur Arbeitsstätte.

Die Stellungnahme und der Auszug aus dem Routenplaner wurden dem Finanzamt Oststeiermark zwecks Wahrung des Parteiengehörs mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht.

Zur Fahrtroute bzw. der gewählten Abfahrt Gleisdorf West wurde Herr Ing. Brunner Adolf, Bausachverständiger der Stadtgemeinde Gleisdorf, Verantwortlicher für Straßenbau und Projekte der Stadtgemeinde Gleisdorf telefonisch am befragt, ob es zweckmäßiger ist bei Gleisdorf Süd abzufahren und durch das Stadtgebiet zur Ziegelgasse zu fahren oder ob die Abfahrt Gleisdorf West zu bevorzugen bzw. sinnvoller ist.
Herr Ing. Brunner gab dazu an, dass es wohl selbstverständlich und zweckmäßig ist, dass die Abfahrt Gleisdorf West zu bevorzugen ist.

Der unabhängige Finanzsenat sieht keinen Anlass dafür, warum daher die Route über die Umfahrung Fürstenfeld bzw. auch über die Autobahnabfahrt Gleisdorf West vernünftigerweise nicht zumutbar ist, muss die Berufungswerberin bei dieser Route doch nicht durch den Ortskern von Fürstenfeld und Gleisdorf durchfahren.
Gemäß § 16 Abs. 1 lit. c ist das große Pendlerpauschale für die Fahrtstrecke ab 40 Kilometer zu berücksichtigen.

Der Berufung war daher, wie im Spruch angeführt, vollinhaltlich stattzugeben.

Beilage: Berechnungsblätter für die Jahre 2001, 2002 und 2003

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Pendlerpauschale
kürzeste Strecke
zweckmäßigste Strecke
Stadtgebiet
Umfahrungsstraße
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2008, 96
Stöger-Frank in BFGjournal 2017, 448

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at