Zurückweisung eines neuerlichen Antrages auf Gewährung von erhöhter Familienbeihilfe wegen entschiedener Sache.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., V, gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Baden Mödling betreffend erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum bis entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) hat mit Schreiben vom beim Finanzamt einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung seiner Tochter I., geb. 2000, ab dem Jahr 2000 gestellt.
In dem über Aufforderung des Finanzamtes und nach Untersuchung der Tochter erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde der Gesamtgrad der Behinderung der Tochter mit 50 vH festgestellt. Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung wurde mit aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde vorgenommen (siehe untenstehendes Gutachten).
Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten Untersuchung am: 2004-06-28 14:15 Im Bundessozialamt Niederösterreich
Anamnese:
Seit dem 3. Lebensjahr fällt den Eltern auf, dass I. beim Laufen/Gehen ungeschickt ist, öfter stürzt. Da das Kind geschielt hatte, wurde zuerst eine Schielbrille angelegt, später auch operiert, alles zusammen hat aber keine Besserung der Beschwerden gebracht. Über den Arzt für Allgemeinmedizin erfolgt eine Vorstellung im sozialpädagogischen Ambulatorium Fernkorngasse, wo eine psychomotorische Entwicklungsretardierung festgestellt wird. Eine Frühförderung wurde eingeleitet, der frühzeitige Besuch des Kindergartens wurde veranlasst, wo I. seit 1 Monat geht (Mutter muss dabei sein). Der weitere Betreuungsplan wird noch diskutiert.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
Frühförderung, Kindergarten, St. p. Schieloperation
Untersuchungsbefund:
Aus Angst wird vom Kind die Untersuchung abgelehnt, sodass eine Exploration nicht möglich ist. Das Gangbild erscheint unauffällig, die Pupillen sind isokor, kein Schielen, Gesichtszüge: prominente Stirn, proportionierter Habitus.
Status psychicus / Entwicklungsstand:
spricht nicht, schaut verängstigt, direkter Kontakt ist nicht möglich
Relevante vorgelegte Befunde:
2004-04-02 SOZIALPÄDAGOGISCHES AMBULATORIUM FERNKORNGASSE
psychomotorische Retardierung, Frühförderung, Physiotherapie
2000-01-24 PREYER KH, KINDERABTEILUNG
kong. Pneumonie, Oligurie, 41. SSW
Diagnose(n):
psychomotorische Entwicklungsretardierung
Richtsatzposition: 579 Gdb: 050% ICD: F79.0
Rahmensatzbegründung:
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Eine Nachuntersuchung in 3 Jahren ist erforderlich.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2004-04-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
erstellt am 2004-06-28 von Z
Facharzt für Kinderheilkunde
zugestimmt am 2004-06-28
Leitender Arzt: D
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis ab und führte unter Verweis auf die §§ 8 Abs. 4, 5 und 6 FLAG aus, dass nach dem vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellten Sachverständigengutachten die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung von 50 vH auf Grund der vorgelegten relevanten Befunde erst ab festgestellt worden sei. Der Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe sei daher für den Zeitraum bis abzuweisen.
Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Schreiben vom stellte der Bw. neuerlich einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab .
Das Finanzamt ersuchte das Bundessozialamt um Erstellung eines weiteren Gutachtens.
Die Tochter wurde am von einem Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde untersucht und folgendes fachärztliche Sachverständigengutachten erstellt:
Untersuchung am: 2005-07-22 14:00 Im Bundessozialamt Niederösterreich
Anamnese:
Die motorische Entwicklung war schon nach dem 1. Lebensjahr vermindert. Die Geburt erfolgte nach unauffälliger SS in der 41. SSW mit 4368g, 50 cm KL, APGAR 7/8/8, postpartal war sie wegen einer Pneumonie 2 Wochen in stationärer Pflege. I. erlernte mit 12 Monaten sitzen, mit 24 Monaten ging sie frei. Nun im Alter 5 6/12 geht sie noch unsicher, breitbeinig tapsend, und stürzt häufiger. Eine Schieloperation erfolgte mit 2 Jahren. Ein weiterführende Diagnostik hat bislang, auch auf Wunsch der Eltern; nicht stattgefunden. Die Eltern baten nun um eine neue Begutachtung (zuletzt ), da die Behinderung ihrer Tochter seit Geburt bestanden hat. Neue Befunde werden nicht vorgelegt, jedoch die Erstvorstellung 4/2003 in der Fernkorngasse schriftlich vorgelegt.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz): FF, PT
Untersuchungsbefund:
5 6/12 Jahre altes Mädchen, 110 cm KL, 18 kgKG, keine Gesichtsdysmorphie, geringe Mittelgesichts (OK) hypoplasie, HNO frei, COR/PULMO/ABDOMEN frei.
Status psychicus / Entwicklungsstand:
motorische Entwicklungverzögerung, im Verhalten sehr ängstlich, scheu, zurückgezogen, vermeidet jeden Kontakt, antwortet aber aus sicherer Entfernung freundlich und bereitwillig. Laut Kindesaltern hat sie eine normale Sprachentwicklung in ihrer Muttersprache. Zwei Brüder 11 und 13 Jahre alt sind gesund.
Relevante vorgelegte Befunde:
2000-04-21 PREYER KISPI
obstruktive Bronchitis, Strabismus convergens
2004-04-02 AMBULATORIUM FERNKORNGASSE
psychomotorische Entwicklungsverzögerung, Erstvorstellung 4/2003; FF, PT
Diagnose(n):
kombinierte Entwicklungsstörung, v.a. motorische
Richtsatzposition: 579 Gdb: 050% ICD: F83.-
Rahmensatzbegründung:
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Eine Nachuntersuchung in 3 Jahren ist erforderlich.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2003-04-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Erstvorstellung in einem Spezialambulatorium, auf eine kongenitale Ursache kann aufgrund der Befunde derzeit nicht rückgeschlossen werden.
erstellt am 2005-07-22 von S
Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
zugestimmt am 2005-07-25
Leitender Arzt: R
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den neuerlichen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum bis unter anderem mit der Begründung ab, dass das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Sachverständigengutachten vom die rückwirkende Anerkennung der erhöhten Familienbeihilfe erst ab vorgenommen habe, weshalb der Antrag für die Zeit bis abzuweisen sei.
Dieser Bescheid ist ebenfalls in Rechtskraft erwachsen.
Am langte ein weiterer Antrag (dritter Antrag) auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ein.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit folgender Begründung zurück:
"Laut dem Erkenntnis des GZ. 97/16/0024, sind auch im Abgabenverfahren neuerliche (wiederholte) Anträge, denen die materielle Rechtskraft einer bereits vorliegenden Entscheidung entgegensteht, unzulässig (so genanntes Wiederholungsverbot, Hinweis Stoll, BAO-Kommentar 944 Abs. 4). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt wird. Abgesehen von der Identität des Begehrens und der Partei muss Identität des Anspruch erzeugenden Sachverhaltes gegeben sein, damit das Verfahrenshindernis der res iudicata vorliegt.
Im vorliegenden Fall wurde die erhöhte Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes I. für den Zeitraum - bereits mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen, da laut einem ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom der Grad der Behinderung von 50 vH rückwirkend erst ab festgestellt wurde.
Das mit dem Bescheid vom bereits rechtskräftig entschiedene Begehren ist ident mit dem Begehren, welchem der nunmehrige neuerliche Antrag zugrunde liegt. Abgesehen von der Identität des Begehrens liegt auch die Identität des Anspruch erzeugenden Sachverhaltes (rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung von 50 vH) sowie die Identität der Partei vor."
Der Bw. erhob gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom fristgerecht Berufung und führte dazu aus, dass er nun die von den Ärzten benötigten Unterlagen (seit der Geburt) besorgt habe.
Das Finanzamt legte die Berufung - nach Einholung eines dritten fachärztlichen Sachverständigengutachtens - der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten
Untersuchung am: 2006-11-09 11:00 im Bundessozialamt Niederösterreich Anamnese:
Nachuntersuchung, im April 2003 erstmalige Diagnosestellung einer psychomotorischen Retardierung, Sitzem mit ca 1 Jahr, Gehen mit ca 18 Monaten (unsicher), Ergotherpie, Physiotherpie, seit heuer in 1. Klasse VS (Intergrationskind- sonderpädagogischer Förderbedarf), Besserung sowohl in motorischer als auch sozialer Sicht Besserung eingetreten, neue Befunde werden vorgelegt (postpartal Infekt mit passagärer Oligurie(Preyer'sches Kinderspital 1/2000), obstr. Bronchitis 4/00), fährt Fahrrad mit Stützen, Stiegensteigen nach unten fällt ihr schwer, Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz): Ergotherpie,
Untersuchungsbefund:
intern ob, Hüpfen auf 1 Bein kaum möglich, Status psychicus / Entwicklungsstand:
freundlich, jedoch an Mutter gekuschelt, Kontaktaufnahme möglich, antwortet auf kurze Fragen mit wenigen Worten
Relevante vorgelegte Befunde:
2000-01-31 PREYER'SCHES KINDERSPITAL
con. Infekt, Oligurie, resp. Infekt
2006-06-26 LSR FÜR NIEDERÖSTERREICH
sonderpädagogischer Förderbedarf
Diagnose(n):
Entwicklungsverzögerung
Richtsatzposition: 579 Gdb: 050% ICD: F83.-
Rahmensatzbegründung:
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Da primär die Meilensteine der motorischen Entwicklung noch in der Altersnorm liegen, kann durch die vorgelegten Befunde auf eine congenitale Ursache nicht rückgeschlossen werden
Eine Nachuntersuchung in 3 Jahren ist erforderlich.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2003-04-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
erstellt am 2006-11-23 von K
Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
zugestimmt am 2006-11-30
Leitender Arzt: SG
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) erhöht sich die Familienbeihilfe für ein Kind, das erheblich behindert ist, um monatlich EUR 138,30.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetz 1958, BGBl. Nr. 152, in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Aus den nun vorliegenden Gutachten geht hervor, dass die erhebliche Behinderung der Tochter frühestens ab eingetreten ist.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (sh. zB Erkenntnis vom , 2002/07/0016) bewirkt die Rechtskraft bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache. Ist ein Bescheid unanfechtbar und unwiderrufbar geworden, so entfaltet er die Wirkung, dass die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann; diese Rechtswirkung wird Unwiederholbarkeit genannt (sh. auch ).
Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Gewährung erhöhter Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes I. für den Zeitraum vom bis bereits mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen, da laut dem ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom der Grad der Behinderung von 50 vH rückwirkend erst ab festgestellt wurde.
Das mit dem Bescheid vom bereits rechtskräftig entschiedene Begehren ist ident mit dem Begehren, dem der nunmehrige neuerliche Antrag zugrunde liegt. Wie das Finanzamt bereits zutreffend festgestellt hat, liegen Identität des Begehrens, Identität des ansprucherzeugenden Sachverhaltes sowie Identität der Partei vor.
Das Finanzamt hat somit zu Recht den neuerlichen Antrag des Bw. wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | res iudicata |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at