Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2018, RV/7101530/2013

Schätzung eines Kleinunternehmers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke über die als Beschwerden weitergeltenden Berufungen des H***** R***** F*****, 2***** K*****, AS***** 5, vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Waldviertel, 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58, vom und vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 sowie Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2009, alle zur Steuernummer 1234, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch der angefochtenen Bescheide bleibt jeweils unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Vorlage vom

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Berufungen des Berufungswerbers (Bw) und späteren Beschwerdeführers (Bf) H***** R***** F***** gegen die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009 sowie gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor (erfasst zu RV/1530-W/13 und RV/1532-W/13) und führte unter anderem aus:

Umsatzsteuer:

USt-rechtlich strittig ist, ob für die Berufungsjahre 2008 u. 2009 ein aufrechter Regelbesteuerungsantrag vorliegt und daher die jeweiligen Umsätze steuerpflichtig oder steuerfrei sind.

Mit aktenkundiger Erklärung gem. § 6 Abs. 3 UStG v. hat der Berufungswerber (Bw) beim damals zuständigen Finanzamt Hollabrunn-Korneuburg-Tulln einen Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab dem Kalenderjahr 2005 abgegeben - s. diesbezügl. auch Schreiben des steuerlichen Vertreters v. im Veranlagungsakt, Jahr 2005. (Allgemeiner Hinweis: 2007 erfolgte eine Aktenabtretung an das Finanzamt Waldviertel infolge Änderung der örtlichen Zuständigkeit).

Lt. Feststellungen der Betriebsprüfung (s.Bp.-Bericht v. ) wurden bis einschließlich dem Jahre 2010 Nettoumsätze in folgender Höhe festgestellt: 2008: 18.736,51; 2009: 14.801,30; 2010: 4.432,04. (Lt. Prüferin wurden die Umsätze„Verkauf v. Antirutschmitteln" aus den vorgelegten Ausgangsrechnungenbzw. Bankbelegen ermittelt). 

Da § 6 Abs. 3 UStG eine Mindestbindefrist von 5 Jahren vorgesehen ist (Mindestbindung somit bis einschließlich 2009) wurden die Umsätze 2008 u. 2009 seitens des Finanzamtes steuerpflichtig behandelt.

Aufgrund der vorliegenden Fakten kann im berufungsgegenständlichen Zeitraum weder eine Betriebsaufgabe erblickt werden, noch kann ein allfälliger Widerrufsantrag aufgrund der Mindestbindefrist in diesem Zeitraum rechtswirksam geworden sein. (Anm.: Die Verzichtserklärung wurde auch nicht bis zur Rechtskraft des Bescheides2005 zurückgenommen!).

Dem Vorbringen des Bw im Vorlageantrag v. , dass die Richtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Beharrung auf einer Regelbesteuerung als einziger Grundlage für die vorgeschriebenen Abgaben - trotz amtsbekannter widerrechtlicher Hinderung der Gewerbeausübung des Bw, Entzug der Betriebsmittel,... ab Oktober 2006 - vom Bw bestritten würde, wird vom Finanzamt Waldviertel insofern entgegnet, als auf Basis der Prüfungshandlung sehr wohl das tatsächliche Vorliegen von Umsätzen überprüft bzw. letztendlich festgestellt wurde u. somit die Vorschreibung aufgrund des eingebrachten Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung nach Ansicht des Finanzamtesrechtmäßig erfolgte.

Vollständigkeitshalber werden als Untermauerung für das Vorliegen eines Unternehmens-im iSd UStG und die somit rechtmäßig erfolgte Vorschreibung der Abgaben noch folgende Fakten dargelegt:

1) Im Anbringen des (damaligen) steuerlichen Vertreters vom über FinOnline, mit welchem gegen die Begrenzung der UID berufen wurde, wird ua auch angeführt, dass der Betrieb nach wie vor weitergeführt werde und lt. Auskunft des Herrn F***** dieser weder einen Antrag gestellt noch eine Mitteilung gemacht habe, die auf die Begrenzung der UID-Nummer hinzielen würden.

2) Der formelle Widerruf der Regelbesteuerung erfolgte nachweislich erst am .

Einkommensteuer:

Da weder mit den Berufungen gegen die ESt-Bescheide 2008 u. 2009 noch im Vorlageantrag entsprechende Abänderungs-Anträge eingebracht wurden wird seitens des Finanzamtes Waldviertel an den Ziffern lt. Bescheiden v. festgehalten - s. auch Begründung in den Berufungsvorentscheidungen jeweils v. . (Anmerkung: Einkommensteuer lt. Bescheiden jeweils 0)

Bescheide

Folgende angefochtene Bescheide sind aktenkundig:

Umsatzsteuer 2008 ()

Umsatzsteuer 2009 ()

Einkommensteuer 2008 ()

Einkommensteuer 2009 ()

Die Begründung lautet jeweils:

Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind.

Berufung vom

Mit Schreiben vom erhob der Bf Berufung wie folgt:

Berufung:

Einkommensteuerbescheid 2008
Verspätungszuschlagbescheid 2008
Umsatzsteuerbescheid 2008
Verspätungszuschlagbescheid 2008
Einkommensteuerbescheid 2009
Umsatzsteuerbescheid 2009
Verspätungszuschlagbescheid 2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erhebe ich fristgerecht

Berufung

gegen die oben genannten Bescheide des Finanzamts Waldviertel vom , eingelangt am .

Ich habe bereits am Berufung gegen die Buchungsmitteilung Nr. 3 erhoben, welche aber abgelehnt wurde und Einspruch hinsichtlich der Bezug habenden, nun oben näher genannten Bescheide, eingebracht, welcher nicht abgelehnt wurde.

Sofern sich der hieraus ergebende Saldo aus Kosten, Gebühren oder Zinsen zusammensetzt, insbesondere auf der Basis von nunmehr aufgehobenen Schätzungen, richtet sich diese Berufung auch hiergegen.

Weiterhin stelle ich den

Antrag

auf Nachsicht der Abgabenschuld auf dem Wege der Abschreibung gemäß § 236 Abs. 1 BAO, da die Einhebung nach der Lage des Falles sowohl sachlich als auch persönlich unbillig wäre.

Begründung:

Der ausgewiesene Rückstand in Höhe von € 6.132,77 ist weitaus überhöht und deckt sich insbesondere nicht mit den Erhebungen und dem Ergebnis der durch das Finanzamt Krems durchgeführten Betriebsprüfung. Diesen Umstand habe ich bereits mit beeinsprucht.

Meine Familie und ich wurden im Herbst 2006 rechtswidrig aus meinen damaligen Liegenschaften (Betriebs- und Wohnstätte) ausgesperrt und ich konnte ab diesem Zeitpunkt meiner gewerblichen Tätigkeit als Einzelunternehmer nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt nachkommen. Darüber hinaus wurden meine Einnahmen durch manipulierte Rechnungen meinem Unternehmen entzogen und auf ein Fremdkonto umgeleitet, wodurch es zu Umsatzeinbrüchen von fast 80% kam.

Diese Umstände wurden bereits mehrmals auch dem Finanzamt Krems schriftlich und mündlich mitgeteilt und sind auch gerichtsbekannt.

Die Umsatzsteuerschuld entsteht letztendlich nicht infolge tatsächlicher steuerpflichtiger Umsätze, sondern lediglich infolge einer Option, die vor Jahren ohne Kenntnis anderer Hintergründe in gutem Glauben abgegeben wurde.

Sohin war für mich nicht vorhersehbar, dass eine Umsatzsteueroption sich infolge Wegbrechen des Unternehmens absolut zu meinem Nachteil wendet und ad absurdum führt. Darauf formal aber zu bestehen, stellt eine ungerechtfertigte Härte und zusätzliche Bestrafung dar, die so vom Gesetzgeber wohl nicht gewollt ist.

Die Einhebung des ausgewiesen Offenstandes würde die Existenz meiner Familie und mir gefährden, sowie einen "Neuanfang" zunichte machen und die im Wiederaufbau befindliche Erwerbstätigkeit zerstören.

Daher ersuche ich das Finanzamt, meiner Berufung bzw. meinem Antrag stattzugeben.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Berufungsergänzung vom

Mit Schreiben vom wurde auf Grund eines Mängelbehebungsauftrags vom die Berufung vom wie folgt ergänzt:

Berufung:

Einkommensteuerbescheid 2008
Verspätungszuschlagbescheid 2008
Umsatzsteuerbescheid 2008
Verspätungszuschlagbescheid 2008
Einkommensteuerbescheid 2009
Umsatzsteuerbescheid 2009
Verspätungszuschlagbescheid 2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

auftragsgemäß ergänze ich hiermit in offener Frist meine Berufung vom wie folgt:

Die Berufung richtet sich gegen die Höhe und den Grund der oben genannten Bescheide.

Hinsichtlich der Einkommenssteuer 2.008 und 2009 ist festzuhalten. dass eine Betriebsprüfung eine (formale) Steuerschuld von € 3.860,94 ermittelt hat, nämlich € 1.820,44 für 2008 und € 2.040,50 für 2009. Die bezug habende Buchungsmitteilung Nr. 2 bzw. 3 weisen aber andere, falsche Beträge aus, sodass ein Saldo von € 6.132,77 nach Berichtigung der Schätzungen übrig bleibt.

Sofern sich dieser Saldo aus Kosten, Gebühren oder Zinsen infolge der zu hohen Schätzungen zusammensetzt, richtet sich diese Berufung auch hiergegen. Ich stelle daher den

Antrag

die entsprechenden Bescheide, Zuschlage, Kosten, Gebühren und Zinsen mögen auf Grundlage der Betriebsprüfung bzw. deren Ergebnis aufgehoben, berichtigt bzw. reduziert werden.

Wie bereits mehrfach mitgeteilt, führe ich seit 2006 keinen Gewerbebetrieb mehr. Ich wurde aus meinen Geschäftsräumlichkeiten widerrechtlich und gewaltsam ausgesperrt. Meine Einnahmen wurden unterschlagen. Die verbliebenen geringfügigen Einnahmen, die ausschließlich zur Deckung des täglichen Lebens verwendet wurden. sind ohne Mehrwertsteuer vereinnahmt worden.

Die bescheidmäßig vorgeschriebenen Umsatzsteuern wurden also tatsächlich nie kassiert und können daher nicht abgeführt werden. Die Steuerschuld ergibt sich lediglich aufgrund der im Rahmen der Betriebsprüfung unvermittelt aufgetauchten Option, die angeblich abgegeben wurde und mir heute nicht mehr in Erinnerung ist. Durch die Vorschreibung bzw. Forderung einer nicht eingenommen Mehrwertsteuer entsteht mir ein Schaden bzw.  Verlust, den ich nicht bewältigen kann.

Daher stelle ich, wie bereits am eingebracht, den

Antrag

auf Nachsicht der Abgabenschuld auf dem Wege der Abschreibung gemäß § 236 Abs. 1 BAO, da die Einhebung nach der Lage des Falles sowohl sachlich als auch persönlich unbillig wäre. Die entsprechenden Begründungen habe ich bereits vorqebracht und behalte mir Ergänzungen, schriftlich oder insbesondere in Form von persönlichen Einvernahmen, vor.

Ich ersuche das Finanzamt, meiner Berufung bzw. meinen Anträgen stattzugeben.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Vorlageantrag vom

Mit Schreiben vom stellte der Bf Vorlageantrag:

Berufung:

Antrag an die Finanzbehörde zweiter Instanz wegen Abweisung vom des Finanzamts Krems aufgrund einer Berufung vom (Ergänzung vom ) zur Festsetzung der Umsatzsteuer 2008 und 2009, sowie der Einkommensteuer 2008 und 2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

innerhalb offener Frist stelle ich unter Bezugnahme auf die Berufung vom und der Ergänzung vom unter Neuantrag des dort geäußerten Vorbringens den

Antrag

zur Vorlage und Entscheidung hinsichtlich oben bezeichneter Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Begründung:

Die in der aufgetragenen Ergänzung vom weiteren Angaben, sowie die amtsbekannten Umstände zum Sachverhalt wurden nicht berücksichtigt.

Die Richtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Beharrung auf einer Regelbesteuerung als einziger Grundlage für die vorgeschriebenen Abgaben trotz amtsbekannter widerrechtlicher Hinderung meiner Gewerbeausübung, Entzug der Betriebsmittel, der Betriebsliegenschaften und sämtlicher Betriebsunterlagen ab Oktober 2006 wird bestritten und wäre gesondert zu prüfen.

Ich stelle weiterhin den

Antrag

auf Nachsicht gemäß § 236 Abs. 1 BAO infolge persönlicher und sachlicher Unbilligkeit.

Der diesbezügliche Sachverhalt ist bereits seit Jahren amtsbekannt und ergibt sich weiterhin aufgrund der vorliegenden Aktenlage.

Ich ersuche die Finanzverwaltung meinen Berufungen bzw. Anträgen stattzugeben.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Erklärung gemäß § 6 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz 1994

Aktenkundig ist eine gegenüber dem Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tull an am abgegebene Erklärung des Bf betreffend das Unternehmen in 34***** E***** am K*****, Unterer Markt 84-85, wonach der Bf ab dem Kalenderjahr 2005 auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verzichte und seine Umsätze nach den allgemeinen Bestimmungen des UStG 1994 versteuern werde (Eingangsstempel des Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom ). Die auf dem Formular dieser Erklärung (U 12) befindlichen Erläuterungen enthalten unter anderem den (teilweise fett gedruckten) Hinweis:

Die Erklärung bindet die Unternehmerin/den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Möchte der Kleinunternehmer nach Ablauf dieser Frist wieder auf die Steuerbefreiung übergehen, so muss er die Verzichtserklärung ausdrücklich widerrufen. Der Widerruf ist nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an möglich und muss bis spätestens 31. Jänner dieses Kalenderjahres eingebracht werden. Ansonsten gilt der Verzicht auf die Steuerbefreiung auch nach Ablauf der fünf Jahre weiter.

Diesbezüglich befindet sich auch ein Schreiben, das vom steuerlichen Vertreter und vom Bf unterzeichnet ist, vom an das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln im Finanzamtsakt, wonach in der Anlage unter anderem der Regelbesteuerungsantrag übermittelt werde.

Widerruf vom

Mit Schreiben vom widerrief der Bf gegenüber dem Finanzamt Waldviertel den Regelbesteuerungsantrag:

Widerruf: Regelbesteuerung

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit widerrufe ich formal einen scheinbar beim Finanzamt Krems erliegenden Regelbesteuerungsantrag mit sofortiger Wirkung, sofern dieser infolge Betriebsaufgabe nicht ohnehin bereits obsolet ist.

Ich ersuche um Kenntnisnahme und Veranlassung.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mitteilung des steuerlichen Vertreters

Aktenkundig ist eine Eingabe des steuerlichen Vertreters in FinanzOnline vom :

Bescheiddatum: 01122009

Zeitraum: 2009

Bescheidbezeichnung: Begrenzung der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

Text:

Laut Auskunft des Herrn F***** hat er weder einen Antrag gestellt noch eine Mitteilung gemacht, die auf die Begrenzung der UID Nummer hinzielt. Er führt weiter seinen Betrieb und ersucht daher die Gültigkeit wieder in Kraft zu setzen.

Stellungnahme vom

In einer Stellungnahme zum Vorlageantrag vom verwies die Prüferin am darauf, dass der amtsbekannte Sachverhalt ("dass Herr F***** von seinen eigenen Eltern betrogen wurde - Einnahmen wurden vom Vater unterschlagen, Entschädigungszahlungen bzgl. Hochwasserschäden wurden von der Mutter vereinnahmt und nicht an den Sohn weitergeleitet. Siehe auch Urteil im Prüfungsteil.") berücksichtigt worden sei.

Die Umsätze seien auf Grund der vorgelegten Ausgangsrechnungen und Bankbelege ermittelt worden, ebenso die Ausgaben.

Die Einkünfte hätten sich aus dem Verkauf eines vom Bf selbst hergestellten Antirutschmittels ergeben.

Der Regelbesteuerungsantrag sei mit ab dem Kalenderjahr 2005 gestellt worden.

Der Betriebssitz in R***** sei im August 2010 zwangsversteigert worden. er Wohnsitz habe von 1981 bis 2011 in E***** und seit 2011 in K***** bestanden.

Die Lebensgefährtin verfüge über Einkünfte von jährlich knapp unter 10.500 € (2008, 2009) bzw. knapp unter 11.500  (2010), hinzu kämen die Gewinne aus dem Einzelunternehmen (2008: 9.358,0 €, 2009: 5.658,00 €, 2010: 183,00 €).

Vorlage vom

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Berufungen gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2010 dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor (erfasst zu RV/2601-W/13) und führte unter anderem aus:

2010:

USt-rechtlich ist strittig, ob für das Berufungsjahr 2010 ein aufrechter Regelbesteuerungsantrag vorliegt und ob daher die Umsätze steuerpflichtig oder steuerfrei sind. (Hingewiesen wird, dass gleiche Thematik für die Jahre 2008 u. 2009 dem UFS Wien bereits mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt wurde.)

Sachverhalt u. umsatzsteuerliche Würdigung seitens des Finanzamtes Waldviertels. beil. Bescheid-Begründung zum Umsatzsteuer-Bescheid 2010 v. .

Antrag:

Da in der Berufung keine Angaben/Vorbringen gemacht wurden welche zu einer anderen umsatzsteuerlichen Beurteilung führen können, wird seitens des Finanzamtes an der Steuerpflicht der Umsätze des Jahres 2010 festgehalten.

2007:

Strittig ist, ob der Ansatz eines Entnahmewertes für das Fahrzeug Chrysler Grand Voyager u. die umsatzsteuerliche Beurteilung als steuerbaren u. steuerpflichtigen Eigenverbrauch gem. § 3 Abs. 2 UStG (USt-Satz 20%) seitens des Finanzamtes Waldviertel zu Recht erfolgt ist.

Sachverhalt u. umsatzsteuerliche Würdigung seitens des Finanzamtes Waldviertel s. beil. ausführliche Bescheid-Begründung zum Umsatzsteuer-Bescheid 2010 v. .

• Wie aus der Bescheid-Begründung ableitbar, kann dem Finanzamt Waldviertel eine mangelnde amtswegige Ermittlung sicherlich nicht vorgehalten werden (s. die dort angeführten Dokumentationen der "Ermittlungs-Versuche").

• Auch das Vorbringen des Berufungswerbers, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer 2007 per Bescheid vom infolge Zeitablaufs verjährt, dieser Bescheid rechtswidrig ergangen u. somit nichtig sei, kann seitens des Finanzamtes Waldviertel durch einen Auszug aus dem Verfahrensablauf der EDV-Daten leicht widerlegt werden:

ERLEDIGUNGEN (Jahresbescheide)

Datum Anbringen/Erledigung

> Erklärung eingelangt

> Erstbescheid mit vorläufiger Festsetzung

> Endgültigerklärung d. vorl. Fests. v.

> § 299 (1) zu Bescheid v.

> Erstbescheid (neue Sachentscheidung)

> Berufung g. Bescheid v. eingelangt (Fristverlängerung bis bewilligt)

Antrag:

Da in der Berufung (weiterhin) keine exakten Angaben zum Zeitpunkt der Entnahme des Fahrzeuges bzw. keine konkreten Angaben zum Fahrzeugzustand zu diesem Zeitpunkt gemacht wurden, wird seitens des Finanzamt sowohl am Entnahmezeitpunkt im Jahr 2007 als auch an der Wertermittlung (=im Schätzungsweg gem.§ 184 BAO - unter Zuhilfenahme der Eurotax-Fahrzeugbewertung) festgehalten.

Berufung vom

Mit Schreiben vom erhob der Bf Berufung wie folgt:

Berufung:

Umsatzsteuerbescheid 2007 vom
Umsatzsteuerbescheid 2010 vom

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die von Ihnen gewährte Fristverlängerung. Nunmehr erhebe ich fristgerecht

Berufung

gegen die obgenannten Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2010 und ersuche um Vorlage bei der Abgabenbehörde II. Instanz und stelle den

Antrag

auf Aufhebung bzw. Berichtigung der Bescheide.

Begründung:

Sämtliches Vorbringen der Finanzverwaltung wird hiermit dem Grund und der Höhe nach bestritten, sofern diese nicht außer Streit gestellt werden können.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer 2007 per Bescheid vom ist infolge eingetretenen Zeitablaufs verjährt. Sohin ist dieser Bescheid rechtswidrig ergangen und nichtig.

Der ebenfalls, wie die Bescheide für 2007, 2008 und 2009, zu bekämpfende Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 22.07 .2013 ist ebenfalls rechtswidrig und daher nichtig.

Wie bereits ausführlichst mündlich und in schriftlichen Erklärungen und Sachverhaltsdarstellung an die Finanzbehörde mitgeteilt, wurde infolge rechtswidriger Aneignung meines Eigentums durch meine Eltern P***** und U***** F***** und meine Schwester I***** F*****, nämlich meiner (ehemaligen) Betriebsliegenschaft in 37***** R***** und meinem (ehemaligen) Wohnhaus in 34***** E*****, sowie meines gesamten betrieblichen Inventars im Oktober 2006, meine gewerbliche (und auch private) Existenz unerwartet und gewaltsam beendet. Beide Liegenschaften wurden mit fremden Schlössern verbarrikadiert, jeglicher Zugang unter Gewaltandrohung vereitelt. Selbst die herbeigerufene Polizei konnte nicht helfen.

In weiterer Folge wurden meine sämtlichen betrieblichen Unterlagen, u.a. auch Kunden- und Lieferantenlisten und wichtige Produktionsmittel aus meiner betrieblichen Liegenschaft gestohlen und zum unternehmerischen Grundstock für die (namensgleiche) Gründung des Einzelunternehmens „S***** international" meiner Schwester I***** F***** am ....11.2006. Außerdem kam es zu erheblichen „Vermögensverschiebungen" zu meinem Nachteil und gleichzeitigen „Vermögenszuwächsen" bei meinen Eltern P***** und U***** und meinen Schwestern I***** F***** und J***** St*****. Die beiden letzteren haben als Geringverdiener meine Liegenschaften in 34***** E***** und 37***** Z***** ohne jegliche Fremdmittel für rund knapp€ 320.000,00 ersteigert. Ich habe hierzu auch über Aufforderung der Finanzverwaltung eine Sachverhaltsdarstellung übergeben (). Inzwischen hat sich meine Schwester J***** auch noch mit einem Fußpflegegeschäft in Wien selbständig gemacht, natürl ich ohne Fremdmittel.

Weiterhin wurde mir mit Gerichtsurteil des Landesgerichts Korneuburg zur Aktenzahl 1 Cg 4*****/07 z vom jegliche Benützung der vielen Jahren hergestellten chemisch-technischen Produkte zur A***** und die Verwendung der Marke „S*****" untersagt.

Infolge unfreiwilliger, zwangsläufiger Aufgabe meines Gewerbebetriebes ist daher auch die einmal gestellte Regelbesteuerung sofort beendet zu Gunsten der üblichen Kleinunternehmerregelung. Daher besteht für die angeführten Jahre spätestens ab 2007, auch keine Pflicht zur Abführung der Mehrwertsteuer mehr. Die Bescheide für 2007 und 2010 sind daher falsch und aufzuheben. Eine Berufung hinsichtlich der ebenfalls falschen Umsatzsteuerbescheide für 2008 und 2009 ist noch anhängig.

Das bloße Vorhandensein einer Umsatzsteueridentifikationsnummer oder aber der schriftliche Widerruf eines Regelbesteuerungsantrag, welcher nur formale Zwecke wegen der bisherigen Nichtbeachtung einer Betriebsaufgabe war, sind keine Hinweise für eine Umsatzsteuerpflicht.

Zur Thematik um das Fahrzeug Chrysler Grand Voyager ist zu erwähnen, dass ohne Vorliegen konkreter Informationen, wie etwa technischer und optischer Zustand, Kilometerstand, Investitions- und Reparaturrückstau, usw., ein Versuch einer Fahrzeugbewertung scheitern muss. Der von der Behörde angenommene Wert ist daher jedenfalls illusorisch, auch angesichts des auch zu berücksichtigten allgemein bekannten rapiden Wertverfalls bei großen Vans. Insofern diese Frage überhaupt noch Gegenstand von weiteren Fragen sein sollte, beantrage ich die Hinzuziehung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen.

In eventu beantrage ich ergänzend die

Nachsicht

infolge persönlicher und sachlicher Unbilligkeit in Höhe der gesamten allenfalls geschuldeten Summe mit den bereits vorgebrachten Begründungen.

Weiterhin beantrage ich vorsorglich die Aussetzung der Einbringung.

Umsatzsteuerbescheid 2007

Der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom wurde wie folgt begründet:

Sie haben lt. Rechnung vom das Fahrzeug Chrysler Grand Voyager um 19.800,00 (16.500,00 zuzüglich 3.300,00 USt) erworben. Mit Berufung vom gegen den UStBescheid 2005 wurde die angeführte Rechnung vorgelegt und - offenbar wegen unternehmerischer Nutzung - die Berücksichtigung der Vorsteuer beantragt. Der Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung v. vollinhaltlich stattgegeben.

Am haben Sie das Fahrzeug abgemeldet.

Mit Vorhalten des Fachbereiches des Finanzamtes Waldviertel (per Mail) v. , bzw. v. wurden Sie um Bekanntgabe ersucht, bis zu welchem Zeitpunkt das Fahrzeug in Ihrem Unternehmen genutzt wurde.

» In Ihrer Vorhaltsbeantwortung am schreiben Sie u.a. ,,Ich habe mein seinerzeitiges Privatfahrzeug im Jahr 2010 unentgeltlich der Firma Re***** übergeben. Es wurde demnach keine Rechnung erstellt und kann eine solche daher auch nicht übermittelt werden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmals darauf hinweisen dass ich de facto und de jure meine gewerbliche Tätigkeit 2006/2007 beenden musste. Dies ist durch Aussperrungen (Räumungsklage, Besitzstörungsklage), Diebstahl (Anzeige), Gerichturteile (Unterlassungsklage) bzw. durch die „Übernahme" der Geschäfte durch Frau I***** F*****, Un*****, 34***** E***** (Gewerbeanmeldungen / unter derselben Firmenbezeichnung) belegt und amtlich festgestellt."

» In der Vorhaltsbeantwortung am schreiben Sie u.a. „Leider habe ich daher keinerlei Unterlagen mehr, die ich vorlegen könnte. Ich kann mich nach den Jahren auch nicht mehr an die Vorgänge im Einzelnen erinnern..."

» In der Vorhaltsbeantwortung am schreiben Sie u.a. „zu den bereits getätigten Aussagen kann ich leider nichts hinzufügen. Ich habe keinerlei Unterlagen u. kann mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern, das ist einfach zu lange her. Leider gewähren Sie mir keine Akteneinsicht bzw. übermitteln mir Unterlagen, zu denen ich mich allenfalls äußern könnte."

Mit Mail v. hat der Fachbereich des Finanzamtes Waldviertel folgendes ausgeführt:

„Für die Beantwortung meiner Fragen in den Mails v. 2.7. u. sind für Sie keine Unterlagen vom Finanzamtsakt erforderlich. (Eine Akteneinsicht Ihrerseits diesbezügl ist lt. Ansicht des Finanzamtes für Sie nicht aufschlussreich -s. auch untenstehende Ausführungen.) Fakt ist, dass Sie

1) 2005 einen Chrysler Grand Voyager gekauft u. lt. Ihrer damals eingebrachten Berufung das Kfz unternehmerisch genutzt haben u.

2) dieses Kfz 2010- wie Sie in Ihrer Mail v. schreiben - unentgeltlich der Firma Re***** übergeben haben.

Gerade eben, weil aus der Aktenlage nicht klar zu entnehmen ist, wie lange Sie das Kfz unternehmerisch genutzt haben, werden Sie gebeten diese Frage zu beantworten. Außerdem werden Sie gebeten das Dokument/die Urkunde,... „ für den zivilrechtlichen Übergang des Kfz an die Fa. Re***** vorzulegen. (Nachdem eine behördliche Zulassung des Kfz auf die Fa. Re*****vorliegt, muss ein Dokument existieren!)"

Auf die Mail vom 16.7 .2013 haben Sie bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht reagiert.

Abschließende umsatzsteuerliche Würdigung:

Bei der Entnahme des Fahrzeuges liegt ein steuerbarer und steuerpflichtiger Eigenverbrauch (20% USt) gem. § 3 Abs. 2 UStG vor.

Dem Finanzamt ist lediglich bekannt, dass Sie das Fahrzeug seit dem Jahr 2005 unternehmerisch genutzt haben u. Vorsteuern geltend gemacht haben. Über den Zeitpunkt der Entnahme ins Privatvermögen haben Sie keine konkreten Angaben gemacht.

Fakt ist, dass Sie lt. Berechnungsunterlagen der Prüfung zum Prüfungsbericht v. für die Jahre 2008-2010 keinerlei Aufwendungen bezüglich dieses Fahrzeuges mehr geltend gemacht haben.

Fakt ist weiters, dass Sie in der Vorhaltsbeantwortung v. u.a. ausführen: „Ich habe mein seinerzeitiges Privatfahrzeug im Jahr 2010 unentgeltlich der Firma Re***** übergeben."

Sind dem Finanzamt - trotz umfangreicher Ermittlungen - keine konkreten Anhaltspunkte bekannt, hat sie den für die Abgabenfestsetzung wahrscheinlichsten Zeitpunkt heranzuziehen.

Aufgrund Ihrer weiteren Ausführungen in der Vorhaltsbeantwortung v. kommt das Finanzamt Waldviertel zum Schluss, dass der wahrscheinlichste Zeitpunkt der Entnahme ins Privatvermögen im Jahr 2007 war.

Mangels weiterer Anhaltspunkte wurde der Entnahmewert im Schätzungswege per ermittelt( =unter Heranziehen des Eurotax-Mittelwertes abzüglich USt-Komponente).

Die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage 2007 für den steuerpflichtigen Eigenverbrauch zu 20% beträgt lt. Berechnungen netto: 10.000,00.

Umsatzsteuerbescheid 2010

Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom wurde wie folgt begründet:

Mit aktenkundiger Erklärung gem. § 6 Abs. 3 UStG v. haben Sie beim damals zuständigen Finanzamt Hollabrunn-Korneuburg-Tulln einen Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab dem Kalenderjahr 2005 abgegeben - s. diesbezügl. auch Schreiben des steuerlichen Vertreters v. im Veranlagungsakt, Jahr 2005. (Allgemeiner Hinweis: 2007 erfolgte eine Aktenabtretung an das Finanzamt Waldviertel infolge Änderung der örtlichen Zuständigkeit).

Lt. Feststellungen der Betriebsprüfung (s.Bericht v. ) wurden im Jahr 2010 Nettoumsätze in Höhe von 4.432,04 und Vorsteuern in Höhe von 174,80 festgestellt (Lt. Prüferin wurden die Umsätze „Verkauf v. Antirutschmitteln" aus den vorgelegten Ausgangsrechnungen bzw. Bankbelegen ermittelt).

Weder wurde die oa. Verzichtserklärung bis zur Rechtskraft des Bescheides 2005 zurückgenommen noch kann aufgrund der Aktenlage bis einschließlich 2010 eine Betriebsaufgabe erblickt werden.

Als Untermauerung für das Vorliegen eines Unternehmens im iSd UStG und die nunmehr  rechtmäßige Vorschreibung der Umsatzsteuer im Jahr 2010 werden noch folgende Fakten  dargelegt:

1) Im Anbringen des (damaligen) steuerlichen Vertreters vom über FinOnline, mit welchem gegen die Begrenzung der UID berufen wurde, wird ua auch angeführt, dass der Betrieb nach wie vor weitergeführt werde und lt. Auskunft des Herrn F***** dieser weder einen Antrag gestellt noch eine Mitteilung gemacht habe, die auf die Begrenzung der UID-Nummer hinzielen würden.

2) Der formelle Widerruf der Regelbesteuerung erfolgte nachweislich erst am .

Weitere Ausführungen siehe auch Vorlagebericht an den betreffend Umsatzsteuer 2008 u. 2009 welcher Ihnen nachweislich zugegangen ist.

Aus dem dem Bundesfinanzgericht übermittelten Veranlagungsakt ergibt sich ferner:

Außenprüfungsbericht

Beim Bf fand eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2008 bis 2010 statt.

Die Niederschrift über die Schlussbesprechung gem. § 149 Abs. 1 BAO und der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gem. § 150 BAO vom führen hierzu unter anderem aus:

Betriebsgegenstand / Art der Tätigkeit

EH m. kosmet. Erz., Wasch-, Reinigungs-, Putzmitteln, Chemikalien

Steuerliche Feststellungen

Tz. 1 Umsatzsteuer

Tz. 2 Einkommensteuer

[ohne Inhalt:]

UMSATZSTEUER

Tz. 1: Feststellung der Bemessungsgrundlagen

Auf Grund der vorgelegten Unterlagen werden folgende Bemessungsgrundlagen festgestellt:


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2008
2009
2010
 
Umsatz brutto
22.483,81
17.761,56
5.318,45
 
Umsatz netto
18.736,51
14.801,30
4.432,04
 
USt
3.747,30
2.960,26
886,41
 
Vost
-1.926,86
-916,76
-174,80
 
 
1.820,44
2.040,50
711,61
3.860,94

Per wurde ein Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ab dem Jahr 2005 beantragt.

Im Jahr 2010 endet die Kleinunternehmerregelung.

EINKOMMENSTEUER

Tz. 2: Gewinn

Auf Grund der vorgelegten Unterlagen wurden die Einnahmen den Ausgaben gegenübergestellt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Umsatz netto
18.736,51
14.801,30
4.119,45
abzügl. Ausgaben
9.378,74
9.142,39
3.936,13
Gewinn
9.357,77
5.658,91
132,32

Prüfungsabschluss

Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO

Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gern. § 303 Abs.4 SAO erforderlich machen:

Abgabenart Zeitraum Feststellung

Umsatzsteuer 2008 Tz 1

Einkommensteuer 2008 Tz 1

Die Wiederaufnahme erfolgt unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall können die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen lnteressensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen.

Firmenbuch

Laut Firmenbuchauszügen wurde das Einzelunternehmen "S***** e.U.", Inhaber H***** R***** F*****, im April 2007 in das Firmenbuch eingetragen.

Im März 2009 wurde die Firma in "P***** R. F***** e.U." geändert.

Geschäftsanschrift war 37***** Z*****, R***** 89, eine Zweigniederlassung bestand in 34***** E*****.

Im August 2011 erfolgte eine amtswegige Löschung.

Der Bf war unter anderem (als H***** P***** F*****, gleiches Geburtsdatum wie H***** R***** F*****) gewerberechtlicher Geschäftsführer der Re***** Vertriebsgesellschaft m. b. H.

Mitteilung vom

In einem Telefax an das Finanzamt vom teilte der Bf dem Finanzamt mit, dass es sich bei "S***** e.U." lediglich um eine Änderung des Firmenwortlauts des bestehenden Einzelunternehmens H***** R***** F***** handle.

Mitteilung vom

Der steuerliche Vertreter teilte dem Finanzamt am mit:

Herr F***** wurde von seinen Eltern aus dem Betrieb in Z***** und den Räumen in E***** widerrechtlich ausgesperrt (Beweis: beiliegendes Schreiben der Rechtsanwältin an das Landesgericht Klosterneuburg).

Nach wenigstens Ende Jänner ein Teil der Schlüssel für Z***** zurückgegeben wurden, hat HerrF***** feststellen müssen, dass alle Unterlagen verschwunden sind. Eventuell sind sie in E*****, aber dort Herr F***** noch keine Zutritt. Es ist Herrn F***** daher derzeit unmöglich, Unterlagen nachzureichen.

Das angeführte Schreiben einer Rechtsanwältin war beigefügt.

Nachschau vom

Anlässlich einer Nachschau gemäß § 144 BAO wurden am die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2005 und 2006 mit jeweils 32.000 € Umsätze und 2.000 € Vorsteuer geschätzt. Der Bf sei von seinem Vater ausgesperrt "und alle Unterlagen seien weg".

Antrag auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

Aktenkundig ist ein Antrag des Bf vom mit dem Formular U 15 an das Finanzamt Hollabrunn, wonach dieser um Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ersuche, da die innergemeinschaftlichen Erwerbe die Erwerbsschwelle von 150.000 S im vorangegangenen Kalenderjahr überstiegen haben bzw. im Kalenderjahr voraussichtlich übersteigen werden sowie weil innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt werden. Gleichzeitig wurden mit dem Formular Verf 3 dem Finanzamt Daten zur Identitätsprüfung bekannt gegeben.

Zuvor zeigte der Bf am (eingelangt ) dem Finanzamt die Eröffnung eines Gewerbebetriebes ("Erzeugung chemisch-technischer Erzeugnisse") in 37***** Z*****, R***** 89 an.

Am wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn das Gewerbe der Erzeugung von chemisch-technischen Produkten angezeigt.

Ebenfalls am fand eine Nachschau im Betrieb des Bf statt. Der hierüber aufgenommenen Niederschrift ist zu entnehmen, dass das Objekt in 37***** Z*****, R***** 89 vom Bf um 2.600.000 S gekauft worden sei. Der Bf sei in 34***** E***** wohnhaft. Außerdem sei der Bf Geschäftsführer der N***** D***** GmbH, die jedoch derzeit keine Geschäftstätigkeit entfalte.

Rechnung Chrysler Voyager

Mit einem Vorlageantrag betreffend Umsatzsteuer 2005 vom wurde eine Rechnung vom vorgelegt, wonach ein Autohändler dem Bf einen Chrysler Voyager, Erstzulassung , Kilometerstand 60364, zum Preis von 16.500,00 € netto bzw. 19.800,00 € brutto verkauft. Diesbezüglich werde die Vorsteuer geltend gemacht.

Schätzung 2005 und 2006

Nach der Aktenlage wurden die Umsätze der Jahre 2005 und 2006 - über Antrag des Bf bzw. seine steuerlichen Vertreters - gemäß § 184 BO im Wege eines inneren Betriebsvergleichs geschätzt, da keine Voranmeldungen abgegeben und weder zweckdienliche Auskünfte noch Unterlagen vorgelegt worden seien.

Selbstanzeige

Am wurde vom steuerlichen Vertreter dem Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln gegenüber Selbstanzeige erstattet, da in den Jahren 2003 bis 2006 Provisionseinkünfte zwischen 3.916,75 € netto und 21.579,41 € netto (jährlich ansteigend) bisher nicht erklärt worden seien.

Mitteilung vom

In einer E-Mail vom an das Finanzamt Waldviertel teilte der Bf betreffend Chrysler Voyager mit, er habe sein "seinerzeitiges Privatfahrzeug im Jahre 2010 unentgeltlich der Firma Re***** übergeben. Es wurde demnach keine Rechnung erstellt und kann eine solche daher auch nicht übermittelt werden".

Mitteilung vom

Über Vorhalt der Geltendmachung von Vorsteuer im Jahr 2005 durch das Finanzamt verwies der Bf in einer E-Mail vom allgemein auf die Entwendung von Unterlagen und diesbezügliche Gerichtsverfahren.

Mitteilung vom

Über neuerliche Nachfrage des Finanzamts gab der Bf am an, er habe keine Unterlagen und könne sich nicht mehr erinnern.

Eine erneute Nachfrage des Finanzamts vom blieb unbeantwortet.

Nichterledigung durch den UFS

Die Berufungen wurden vom Unabhängigen Finanzsenat nicht erledigt.

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen:

§ 184 BAO lautet:

§ 184. (1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

§ 4 Abs. 1 BAO lautet:

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§§ 207 ff. BAO lauten in der für den Streitzeitraum maßgebenden Fassung:

§ 207. (1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

(3) Das Recht zur Verhängung von Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie zur Anforderung von Kostenersätzen im Abgabenverfahren verjährt in einem Jahr.

(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren.

§ 208. (1) Die Verjährung beginnt

a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;

b) in den Fällen des § 207 Abs. 3 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Voraussetzung für die Verhängung der genannten Strafen oder für die Anforderung der Kostenersätze entstanden ist;

c) in den Fällen des § 207 Abs. 4 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden;

d) in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewißheit beseitigt wurde;

e) in den Fällen des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses im Sinn des § 295a mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist.

(2) Bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegenden Erwerben von Todes wegen oder Zweckzuwendungen von Todes wegen beginnt die Verjährung frühestens mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde vom Erwerb oder von der Zweckzuwendung Kenntnis erlangt.

§ 209. (1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

(2) Die Verjährung ist gehemmt, solange die Geltendmachung des Anspruches innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist.

(3) Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4). In den Fällen eines Erwerbes von Todes wegen oder einer Zweckzuwendung von Todes wegen verjährt das Recht auf Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Anzeige.

§ 3 Abs. 1 und 2 UStG 1994 lauten (in der für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Fassung):

§ 3. (1) Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden.

(2) Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen

- für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,

- für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, oder

- für jede andere unentgeltliche Zuwendung, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.

Eine Besteuerung erfolgt nur dann, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sowie § 6 Abs. 3 UStG 1994 lauten i. d. F. BGBl. I Nr. 101/2006:

§ 6. (1) Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

...

27. die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen die Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 und 5 besteuert werden;

...

(3) Der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 befreit sind, kann bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, daß er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären.

§ 19 Abs. 2 UStG 1994 lautet:

(2) Die Steuerschuld entsteht

1. für Lieferungen und sonstige Leistungen

a) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschiebt sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist.

Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes vereinnahmt, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist;

b) in den Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (Istbesteuerung). Wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet (Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a und Abs. 1b), entsteht abweichend davon die Steuerschuld für vereinbarte, im Zeitpunkt der Leistungserbringung noch nicht vereinnahmte Entgelte, mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Dieser Zeitpunkt verschiebt sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist;

c) in den Fällen der Einzelbesteuerung nach § 20 Abs. 4 im Zeitpunkt des Grenzüberganges;

2. für die Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 2, § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 1a mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Aufwendungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 getätigt worden sind, in dem die Gegenstände für die im § 3 Abs. 2 bezeichneten Zwecke entnommen oder die Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 1a ausgeführt worden sind.

Beschwerdepunkte

Der Bf sieht in seinen als Beschwerden weiterwirkenden Berufungen sowie in seinen sonstigen Eingaben in den Verwaltungsverfahren die Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) der angefochtenen Bescheide zusammengefasst darin,

1. dass der Bf Kleinunternehmer sei und seine Umsätze in den Streitjahren daher gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 steuerfrei seien, wobei der Regelbesteuerungsantrag gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 ("Option") "vor Jahren ohne Kenntnis anderer Hintergründe in gutem Glauben abgegeben wurde."

2. dass der Bf seit 2006 keinen Gewerbebetrieb mehr führe, Einnahmen unterschlagen worden seien, wobei die "verbliebenen geringfügigen Einnahmen" "ohne Mehrwertsteuer" "ausschließlich zur Deckung des täglichen Lebens verwendet" worden seien;

3. dass der Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2007 mit Bescheid vom der Eintritt der Verjährung entgegenstehe;

4. dass der bei der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 2007 angesetzte Entnahmewert des Chrysler Grand Voyager "angesichts des auch zu berücksichtigten allgemein bekannten rapiden Wertverfalls bei großen Vans" "jedenfalls illusorisch" sei.

Kleinunternehmer

Nach der Aktenlage hat der Bf am , eingelangt am Finanzamt am , mit dem Formular U 12 einen Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 ab dem Kalenderjahr abgegeben.

Die Erklärung enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf die Bindungsfrist sowie auf das Erfordernis eines ausdrücklichen Widerrufs nach Ablauf der Bindungsfrist, sollte die Regelbesteuerung nicht mehr gewünscht werden.

Der Regelbesteuerungsantrag wurde mit Schreiben vom widerrufen.

Da der Bf am  ab dem Kalenderjahr 2005 gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 verzichtet und diesen Verzicht erst am widerrufen hat, kann für die strittigen Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nicht angewandt werden.

Dass die Regelbesteuerungsoption "vor Jahren ohne Kenntnis anderer Hintergründe in gutem Glauben abgegeben wurde", wie vom Bf behauptet, trifft angesichts der klaren Darstellung der Rechtslage in dem vom - der deutschen Sprache mächtigen - Bf unterfertigten Formular U 12 nicht zu.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 sind daher nicht rechtswidrig, weil die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nicht angewandt wurde.

Schätzung

Die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung stützt sich auf die von der Außenprüfung vorgefundenen Belege. Ein Sicherheitszuschlag wurde vom Finanzamt nicht verhängt.

Gegen die Höhe der Schätzung gemäß § 184 BAO bringt der Bf nichts Konkretes vor.

Dass der Geschäftsbetrieb durch die Auseinandersetzungen mit den Verwandten des Bf beeinträchtigt war, hat den Bf nach seinen eigenen Unterlagen nicht gehindert, in geringem Umfang weiterhin Geschäfte zu betreiben.

Dass die "verbliebenen geringfügigen Einnahmen" "ausschließlich zur Deckung des täglichen Lebens verwendet" worden seien, schließt weder umsatzsteuerlich noch ertragsteuerlich eine Versteuerung aus.

Es ist auch nicht von Bedeutung, wenn Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis gelegt worden sein sollen, da im gegenständlichen Fall die Steuerpflicht auf erfolgte Lieferungen gestützt wurde und die Ausstellung einer Rechnung hierüber auf die Steuerpflicht grundsätzlich keinen Einfluss hat.

Bei der Einkommensteuer wurde dem Umstand, dass die Gewinne zur Finanzierung des notwendigen Lebensunterhalts herangezogen wurden, dadurch Rechnung getragen, dass die jeweilige Besteuerungsgrenze nicht erreicht und die Einkommensteuer jeweils mit 0,00 € festgesetzt wurde.

Verjährung

Gemäß § 19 Abs. 2 UStG 1994 entstand die Steuerschuld mit Ablauf des jeweiligen Kalendermonats.

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO grundsätzlich fünf Jahre.

Allerdings verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist durch nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches um ein Jahr sowie jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Derartige Amtshandlungen sind, wie das Finanzamt im Vorlagebericht detailliert dargestellt hat, erfolgt.

Der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2007 vom stand daher der Eintritt einer Verjährung nicht entgegen.

Entnahmewert

Das Finanzamt hat den Entnahmewert des im Jahr 2005 zu einem Preis von 16.500,00 € netto bzw. 19.800,00 € brutto mit einem Kilometerstand von rund 60.000 angeschafften und im Jahr 2002 erstzugelassenen Chrysler Grand Voyager für das Jahr 2007 mit 10.000 € geschätzt.

Dass dieser Wert "angesichts des auch zu berücksichtigten allgemein bekannten rapiden Wertverfalls bei großen Vans" (Bf) zu hoch sei, vermag das Bundesfinanzgericht mangels konkreter Angaben des Bf zum Fahrzeug im Entnahmezeitpunkt nicht zu finden.

Zum Beweisantrag der "Hinzuziehung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen" in Bezug auf die Bewertung des Chrysler Grand Voyager ist zu sagen, dass der Bf nähere Angaben (wie er selbst schreibt "wie etwa technischer und optischer Zustand, Kilometerstand, Investitions- und Reparaturrückstau, usw") zum Fahrzeug im Entnahmezeitpunkt nicht getätigt hat. Es ist daher nicht ersichtlich, wie ein Sachverständiger ohne diese Angaben zu einem genaueren Ergebnis als das Finanzamt kommen sollte, zumal nicht einmal der Bf selbst sagt, wie viel seiner Ansicht nach das Fahrzeug im Entnahmezeitpunkt wert gewesen sein soll.

Nachsicht

Eine allfällige Nachsicht gemäß § 236 Abs. 1 BAO, die der Bf wiederholt anspricht, ist nicht Gegenstand dieser Beschwerdeverfahren.

Keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide

Da der Bf mit seinem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) der angefochtenen Bescheide nicht aufzeigt und eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich ist, sind die als Beschwerden weiterwirkenden Berufungen gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Nichtzulassung der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 19 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7101530.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at