Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gebäuden
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0042 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Michael Kulmburg, 8010 Graz, Glacisstraße 43, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 (4) BAO hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 2002 und 2003 und Umsatzsteuer für die Jahre 2002 uns 2003 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Im Bericht vom gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung wurde die Feststellung getroffen, dass die Berufungswerberin (Bw.) im Jahr 2002 ein Grundstück erworben und darauf in den Jahren 2002 und 2003 ein Gebäude errichtet habe. Ein im Erdgeschoß befindliches Arbeitszimmer (7m²) und eine im Kellergeschoß gelegene Kleinwohnung (20m²), das seien 15% der gesamten Nutzfläche, werden vermietet. Das Gebäude werde zu 100% dem Unternehmen zugeordnet und die bisher im Zuge der Errichtung angefallenen Vorsteuerbeträge seien in den Umsatzsteuererklärungen 2002 und 2003 geltend gemacht worden. Da gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 in Verbindung mit §20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 Lieferungen und sonstige Leistungen des privat genutzten Teiles nicht für das Unternehmen ausgeführt gelten, werde der Vorsteuerabzug von der Betriebsprüfung nur in Höhe des unternehmerisch genutzten Teiles des Gebäudes anerkannt.
Das Finanzamt folgte in den im wieder aufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheiden der Ansicht der Betriebsprüfung und ließ in den angefochtenen Bescheiden lediglich die auf den unternehmerisch genutzten Anteil (15%) des gemischt genutzten Gebäudes entfallenden Vorsteuern aus den Herstellungskosten zum Abzug zu.
Die Bw. hingegen begehrte unter Hinweis auf das , Seeling, auch den Abzug der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Vorsteuern.
Mit Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom wurde die Entscheidung über die Berufungen im Hinblick auf die beim Verwaltungsgerichtshof unter den Geschäftszahlen 2005/15/0067 (nunmehr 2009/15/0103), 2005/15/0064 (nunmehr 2009/15/0102), 2005/15/0044 (nunmehr 2009/15/0101), 2006/15/0231 und 2005/14/0035 (nunmehr 2009/15/0100) betreffend den Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gebäuden anhängigen Verfahren gemäß § 281 BAO ausgesetzt. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens 2005/14/0035 hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , EU 2007/0008, ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 234 EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gerichtet. Dazu ist in der Rs. Sandra Puffer, C-460/07 am das Urteil des EuGH ergangen. Mit Erkenntnis vom , 2009/15/0100, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde im Ausgangsverfahren abgewiesen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Wiederaufnahme des Verfahrens
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. ). Das Neuhervorkommen von Tatsachen bezieht sich damit auf den Wissenstand, der sich auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen ergibt (vgl. ).
Die Bw. führt zur Bekämpfung der Wiederaufnahme am Ende ihrer Berufung ins Treffen, dass im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung 2002-2003, die der Ausgangspunkt für die bekämpften Umsatzsteuerbescheide gewesen sei, keine anderen Feststellungen getroffen worden seien und sich nach Stattgabe der Berufung keine steuerlichen Auswirkungen ergeben.
Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch im wieder aufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheide mit Berufung bekämpft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden.
Entscheidend für die Beurteilung der Frage ist jedoch, ob im gegenständlichen Fall das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln zu bejahen ist. Aus den Inhalten der jeweiligen Abgabenerklärungen und ihren Beilagen, in welchen die Bw. ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und den Gesamtbetrag der abziehbaren Vorsteuer erklärte, war das Ausmaß der privaten Nutzung nicht ersichtlich, sodass sich die Abgabenbehörde erst nach durchgeführter Betriebsprüfung ein vollständiges Bild über den relevanten Sachverhalt verschaffen konnte.
In Anbetracht der Tatsache, dass die steuerlichen Auswirkungen im gegenständlichen Fall nicht geringfügig sind, ist die Ermessensentscheidung des Finanzamtes, die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2002 und 2003 zu verfügen und damit dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit Vorrang vor dem der Billigkeit einzuräumen, nicht zu beanstanden, weshalb die angefochtenen Bescheide nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates zu Recht ergangen sind.
Umsatzsteuer
Zur strittigen Rechtsfrage des Umfanges des Vorsteuerabzuges bei gemischt genutzten Gebäuden hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2009/15/0100, Nachstehendes zu Recht erkannt:
"Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen und sonstige Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 sind, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Dieselbe Regelung fand sich in § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1972.
§ 20 Abs. 1 EStG 1988 erfasst in Z 1 "die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge" und in Z 2 lit. a "Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung". Aufwendungen des Unternehmers für die seinen privaten Wohnzwecken dienende Wohnung stellen nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung dar.
Werden räumliche Bereiche eines Gebäudes unterschiedlich genutzt, die einen betrieblich, die anderen privat, so erfolgt aus einkommensteuerlicher Sicht eine Aufteilung des Gebäudes in einen betrieblichen und einen privaten Teil.
Wird wie im Beschwerdefall ein Gebäude nur zum Teil vermietet und zum anderen Teil für eigene Wohnzwecke genutzt, richtet sich die Ermittlung des zu nicht abziehbaren Aufwendungen führenden Anteils grundsätzlich wie im betrieblichen Bereich nach der anteiligen Nutzfläche.
Der Anordnung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 EStG 1988 zufolge sind in Bezug auf ein Gebäude, bei welchem einzelne Teile (im Sinne der einkommensteuerlichen Aufteilungsgrundsätze) überwiegend Wohnzwecken des Unternehmers gewidmet sind, die Umsatzsteuern, welche auf eben diese Räume entfallen, vom Vorsteuerausschluss erfasst.
§ 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ist unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit. also - um mit den Worten des EuGH zu sprechen (Rn 95) - autonom anwendbar. Soweit die gemischte Nutzung eines Gebäudes darauf zurückzuführen ist, dass ein Teil des Gebäudes als private Wohnung des Unternehmers Verwendung findet, ergibt sich der anteilige Vorsteuerausschluss (auch abschließend) aus § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994. Einer Bezugnahme auf § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit. bedarf es nicht.
Allerdings führen bei einem Gebäude, das zum Teil für private Wohnzwecke des Unternehmers gewidmet ist, § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 einerseits und § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit. andererseits unabhängig voneinander zu jeweils gleichartigen Rechtsfolgen. In diesem Sinne sind die beiden Bestimmungen im Vorlagebeschluss als "überlappend" beurteilt worden. Und in diesem Sinne ist es für die Art der Rechtsfolge unerheblich, ob sich der Rechtsanwender (in der Vergangenheit) auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 oder auf § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit. (dessen gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit fingiert) gestützt hat.
Im Beschwerdefall ergibt sich - wie bereits im Vorlagebeschluss ausgeführt - der Vorsteuerausschluss hinsichtlich des privaten Wohnzwecken der Beschwerdeführerin dienenden Gebäudeteils bereits als Rechtsfolge der Anwendung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994. Diese Bestimmung ist unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit. anwendbar. Im Beschwerdefall ergibt sich der strittige Vorsteuerausschluss, ohne dass es eines Rückgriffes auf § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 bedarf, aus der durch Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. RL gedeckten Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994."
Somit sind die auf die privat genutzten Gebäudeteile entfallenden Vorsteuern - das Aufteilungsverhältnis ist unbestritten - vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Vorsteuerabzug Gebäude Sachbescheid gemischt genutztes Gebäude |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
PAAAC-87257