Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 21.11.2011, RV/1416-W/05

Student mit türkischer Staatsbürgerschaft (alte Rechtslage)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des I. Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X. vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab April 2004 (bis Dezember 2005) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der am 1980 geborene Berufungswerber (im Folgenden Bw.) beantragte im April 2004 die Gewährung der Familienbeihilfe für sich selbst. Über Anfrage des Finanzamtes bezüglich der Finanzierung seiner Lebenshaltungskosten gab der Bw. mit Schreiben vom u.a. bekannt, dass er von seinen in der Türkei lebenden Eltern und vom Verein "Y" überstützt werde.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Bw. - mit Verweis auf § 2 Abs.8 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 - ab April 2004 mit folgender Begründung ab:

"... Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Es wurde Ihnen die Aufenthaltsgenehmigung ausschließlich für Studienzwecke erteilt und Ihre Eltern leben in der Türkei. Aus diesem Grund kann Ihnen die Familienbeihilfe nicht gewährt werden bzw. ist auf Grund der Sachlage der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen nach wie vor in der Türkei gelegen."

Der Bw. erhob gegen den Abweisungsbescheid Berufung wie folgt:

"Ich erhebe gegen den Abweisungsbescheid vom Berufung wegen Verfahrensmängel und wegen unrichtiger Rechtsbeurteilung.

Ich bekämpfe die Tatsachen- und Rechtsbehauptung, daß der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in der Türkei und nicht in Österreich liegen würde.

Allfällige Zweifel darüber, wo der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen liegt, hätten weitere Ermittlungen erfordert. Diese wurden unterlassen. Wären diese angestellt worden, hätte sich ergeben, daß mein Hauptwohnsitz in Wien ist.

Darin daß ich mich "nur" zu Studienzwecken in Österreich befinde, ist keinesfalls ausgeschlossen, daß Österreich nicht der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen ist.

Mein Aufenthalt in Österreich ist nicht, wie das Finanzamt erster Instanz annimmt, "nur" zu Studienzwecken, sondern in der Absicht, nach Absolvierung meines Studiums auf Rechtsgrundlage des FremdenG 1997 auch in Österreich zu bleiben. Infolgedessen ist der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen nicht nur derzeit sondern auch in der Zukunft ausschließlich in Österreich.

Meine gesamten persönlichen Interessen und Bindungen beziehen sich auf Österreich und mein Studium, das ich hier absolviere. Daneben habe ich keine anderen Interessen, vor allem nicht in die Türkei. Durch mein Studium vertiefen sich die Kenntnisse der deutschen Sprache sowohl als Unterrichts- wie als Umgangssprache. Das Studium nimmt mich ganzjährig zu 100% in Anspruch, und ich kann mir keine intensivere oder gehaltvollere Beziehung und Bindung zu Österreich vorstellen, als mein Universitätsstudium. Mit dem Fortschritt meines Studiums vertieft sich auch meine kulturelle Bindung an Österreich zunehmend. Ich habe nur einen Hauptwohnsitz, und der ist mein Studienort in Wien.

Ich habe jedenfalls gem. § 2 Abs 8 FLAG den Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in Österreich. Ausreichende Feststellungen dazu hat das Finanzamt in Verkennung der Rechtslage nicht getroffen.

Außerdem hat das Finanzamt nicht erkannt, daß gemäß dem Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit BGBL. 428/1977 türkische Staatsbürger bei der Gewährung der Familiebeihilfe den österreichischen Staatsbürgern gleich gestellt sind.

Ich beantrage daher meiner Berufung Folge zu geben und die beantragte Familienbeihilfe ab Antragstellung zu gewähren, hilfsweise die Rechtssache zur allfälligen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Finanzamt erster Instanz zurückzuverweisen."

Das Finanzamt wies die Berufung - nach Zitierung der §§ 6 Abs.5 und Abs.6 sowie 2 Abs.8 FLAG 1967 - wie folgt als unbegründet ab:

"... Demnach wird bei Personen, die auch einen ausländischen Wohnsitz haben, in der Regel der Mittelpunkt der Lebensinteressen dann in Österreich angenommen werden können, wenn sie sich hier aufgrund einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit aufhalten (z.B. Wanderarbeitnehmer, Gastarbeiter) und dies mit einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung und einer Arbeitserlaubnis nachweisen - bzw. trifft dies auch auf deren Familienangehörige (Ehegatten u. Kinder) zu, denen gleichermaßen aus Gründen der Familiengemeinschaft ein befristeter oder dauernder Aufenthalt bewilligt wurde.

Da Sie jedoch bisher weder eine Niederlassungsbewilligung - noch eine Arbeitserlaubnis nachgewiesen haben und Ihr Aufenthaltsrecht tatsächlich nur für Studienzwecke erhalten haben, Ihre Eltern auch nicht in Österreich ansässig sind, kann daher allein nur wegen der Absicht (Vorstellung), in Österreich bleiben zu wollen, nicht abgeleitet werden, dass sich der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen im Inland befindet.

Die österreichische Rechtssprechung beurteilt nämlich die Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person nach ihren persönlich. Beziehungen, die sich aufgrund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigung kultureller und religiöser Art zu einem Land ergeben. Das heißt, vor allem nach all jenen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen (siehe z.B. das VwGH-Erkenntnis v. , Z.89/14/0054) u. die betreffende Person daher an ein bestimmtes Land binden. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt daher auch nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zu.

Letztlich wird noch auf den Umstand hingewiesen, dass Ihnen die Eltern gut die Hälfte Ihrer monatlichen Lebenshaltungskosten beisteuern und der Rest bisher von einem Verein Wonder als Unterstützung geleistet wurde, welcher (soweit beim Finanzamt bisher bekannt) durchwegs bedürftige türkische Studenten unterstützt, sodass daraus auch abgeleitet werden kann, dass Sie als türk. Staatsbürger zum Heimatland eine intakte und wesentlichere Beziehung haben als zu Österreich."

Der Bw. beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und ergänzte sein Vorbringen wie folgt:

"... Zur angesprochenen Frage des Ortes des Mittelpunktes meiner Lebensinteressen weise ich darauf hin, daß die Absolvierung eines Universitätsstudiums in Österreich, beginnend mit einem vorangegangenen Deutschkurs in Österreich eine kulturelle Betätigung im Sinne der zit. VwGH Entscheidung ist. In der Bezahlung der gegenüber Inländern verdoppelten Studiengebühren liegt nichts anderes als eine wirtschaftliche Beziehung, nämlich der ökonomische Preis für die Hörerschaft an einer österreichischen Universität. Insofern ist das zit. VwGH Erkenntnis nicht fallgleich, weil es 1990 noch keine Studiengebührenregelung dieser Art gab. Der Verein Y ist ein österreichischer Verein nach österr. Recht. Seine Ausrichtung auf Studenten türkischer Nationalität beeinflusst die Lebensmittelpunktfrage mE nicht."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familien-beihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben minderjährige Kinder (bzw. Vollwaisen) Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Kinder haben nach § 6 Abs. 2 lit. a leg.cit. Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraus¬setzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen, sie das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sie für einen Beruf ausgebildet werden, wobei § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 anzuwenden sind.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gilt bei Kindern, die eine in § 3 des Studien¬förderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Ein¬richtung besuchen, die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchs¬voraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht, wenn für ein vorgehendes Studien¬jahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtum¬fang von acht Semesterwochenstunden nachge¬wiesen wird. Eine Berufsaus¬bildung ist nur dann anzu¬nehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben.

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben zudem die Voraussetzungen nach § 3 FLAG 1967 zu erfüllen. § 3 FLAG 1967 idF BGBl.Nr. 367/1991 (im strittigen Zeitraum in Geltung bis ) lautet:

(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.

In der Fassung BGBl. I Nr. 142/2004 (anzuwenden für den Zeitraum vom bis ) erfuhr § 3 Abs.1 FLAG 1967 keine Änderung, Abs. 2 leg cit keine für den gegenständlichen Fall wesentliche Änderung. (Der Bw. ist weder Flüchtling noch Asylwerber, sondern hielt sich nach § 7 Abs.4 Z.1 Fremdengesetz* (FRG) in Österreich auf.).

*Gemäß § 7 Abs.4 Z.1 FRG idF BGBl. 75/1997 brauchen Drittstaatsangehörige eine Aufenthaltserlaubnis, wenn ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck einer Schulausbildung oder eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums (Ausbildung) dient und der Besuch von Universitätslehrgängen nicht ausschließlich der Vermittlung der deutschen Sprache dient.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Antrag des Bw. für den Zeitraum "ab April 2004" abgewiesen. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (). Die mit dem Fremdenrechtspaket erfolgte Neu¬fassung der für den gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des § 3 FLAG 1967 (BGBl I 100/2005, Anspruch nunmehr bei rechtmäßigem Aufenthalt nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthalts-gesetzes) trat mit in Kraft. Im Hinblick auf die durch diese Fassung geänderte Rechtslage ergibt sich im vorliegenden Fall für den strittigen Zeitraum, dass der Bescheidzeitraum des angefochtenen Bescheides mit begrenzt ist.

Im gegenständlichen Berufungsfall ist laut den vom Bw. vorgelegten Unterlagen bzw. laut den schriftlichen Angaben des Bw. im Zuge seiner Eingaben folgender Sachverhalt vorgelegen: Der im strittigen Zeitraum bereits volljährige Bw.

- ist laut den Angaben auf dem Antragsformular türkischer Staatsbürger und wohnt seit in Österreich, seine Eltern leben (laut Ergänzungsschreiben vom ) in der Türkei (als Familienwohnort wurde auch auf dem Antragsformular eine Adresse in der Türkei angegeben),

- besuchte laut vorgelegtem Studienblatt (für das Sommersemester 2004) im Sommersemester 2001 einzelne Lehrveranstaltungen, im Wintersemester 2001 einen Universitätslehrgang (Vorstudienlehrgang) und studierte ab dem Sommersemester 2002 die Studienrichtung "A." (AHStG),

- hat den Nachweis über den nach § 2 Abs.1 lit b FLAG 1967 erforderlichen Studienerfolg nach dem ersten Studienjahr laut vorgelegter "Bestätigung des Studienerfolges" vom erbracht,

- war laut vorgelegtem Studienblatt nach Unterstellung unter den neuen Studienplan (nach dem UniStG) im Sommersemester 2004 in der Studienrichtung StudienrichtungA zur Fortsetzung gemeldet (die erste Diplomprüfung in der genannten Studienrichtung wurde laut vorgelegtem Zeugnis am abgelegt),

- bezog laut Vorhaltsbeantwortung vom im Jahr 2004 monatliche Unterstützung in Höhe von € 165,- durch den Verein Y, sowie ca. € 2.000,- jährlich Unterstützung durch die Eltern und hatte Ausgaben für Miete € 85 sowie ca. € 18 für Versicherungskosten,

- ist laut vorgelegter Heiratsurkunde verheiratet seit November 2009 und lebt mit seiner Ehegattin in Österreich,

- lebte vor seiner Verehelichung in einem Studentenheim bzw. in verschiedenen Wohngemeinschaften,

- war im strittigen Zeitraum laut Versicherungsdatenauszug vom bis in der Krankenversicherung nach § 16 ASVG selbstversichert,

- war laut Versicherungsdatenauszug (Stand ) vom bis und ab geringfügig beschäftigt sowie vom bis als Arbeiter und ist seit laufend als Angestellter beschäftigt.

Strittig ist, ob der Bw. für sich selbst nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe hat. Nach der vorstehend ausgeführten innerstaatlichen Rechtslage müssten im Berufungsfall folgende Voraussetzungen vorliegen:

1. Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich (§ 2 Abs.8 FLAG 1967)

Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen, insbesondere auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, an ein bestimmtes Land binden (u.a. ).

Wenn der Bw. vorbringt, er habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich und der Umstand, dass er sich zu Studienzwecken in Österreich befinde, schließe dies keinesfalls aus, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Laut Rechtsprechung () steht eine zu Studienzwecken erteilte Aufenthaltsbewilligung der Annahme des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Studierenden in Österreich nicht entgegen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann auch dann in Österreich liegen, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen. Ein Zuzug für immer ist nicht erforderlich. Der Bw. ist laut Aktenlage zwischenzeitlich in Österreich verheiratet, lebt und arbeitet in Österreich, sodass auch für den im Berufungsfall strittigen Zeitraum der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bw. als in Österreich gelegen angesehen werden kann.

2. Unterhaltsleistung durch die Eltern nicht überwiegend (§ 6 Abs.5 FLAG 1967)

Laut Vorhaltsbeantwortung vom (vorgelegte Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben des Bw.) haben die Eltern mit € 2000 jährlich den Lebensunterhalt des Bw. im strittigen Zeitraum überwiegend finanziert. Dieser (auch in der Berufungsvorentscheidung vorgehaltenen Feststellung des Finanzamtes) ist der Bw. nicht weiter entgegengetreten, sodass die Voraussetzungen nach § 6 Abs.5 FLAG 1967 nicht vorliegen. Allerdings ist laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. ) die Abhängigkeit von Alimentations¬zahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend, wenn die stärkste persönliche Beziehung zu Österreich besteht.

3. Vorliegen einer Berufsausbildung (§ 6 Abs.2 lit.a iVm § 2 Abs.1 lit. b FLAG 1967)

Eine Berufsaus¬bildung ist nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird. Das vom Bw. betriebene Diplomstudium der A an der Universität Wien dauert 8 Semester (Regelstudienzeit); es gliedert sich in zwei Studienabschnitte von je 4 Semestern. Aus den (im Zuge einer späteren Antragstellung des Bw.) vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass der Bw. die erste Diplomprüfung der Studienrichtung StudienrichtungA am abgeschlossen hat. Nachdem der Bw. sein Studium im Sommersemester 2002 (noch nach dem AHStG) begonnen hat, in dieser Studienrichtung laut Studienplan vier Semester für den ersten Studienabschnitt zur Verfügung standen, befand sich der Bw.- inklusive dem in § 2 Abs.1 lit.b FLAG 1967 vorgesehenen "Toleranzsemester" - bis zum Ende des Sommersemesters 2004 in Berufsausbildung. Mit Beginn des sechsten Semesters (ab Oktober 2004) hatte der Bw. die vorgesehene Studienzeit (Studiendauer des ersten Studienabschnittes unverändert laut Studienplan nach UniStG) bereits um mehr als ein Semester überschritten, sodass ab Oktober 2004 keine Berufsausbildung mehr vorlag und damit kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand.

4. Beschäftigung in Österreich bzw. fünfjähriger ständiger Aufenthalt (§ 3 FLAG)

Dass der Bw. im strittigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 3 Abs.1 bzw. Abs.2 FLAG 1967 nicht erfüllt, ist unstrittig. Der Bw. war im strittigen Zeitraum weder bei einem Dienstgeber im Bundesgebiet länger als drei Monate beschäftigt noch hatte er im genannten Zeitraum Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sodass die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs.1 FLAG 1967 in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung nicht vorlagen. Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 FLAG 1967, wonach ein 5 jähriger, ständiger Aufenthalt in Österreich zum Anspruch führt, ist für den im gegenständlichen Verfahren strittigen Zeitraum ebenfalls nicht vorgelegen, da sich der Bw. unbestritten erst seit März 2001 in Österreich aufhält.

Nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften sind - unabhängig von der Staatsbürgerschaft - nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen. Der Bw. befand sich, wie bereits ausgeführt, ab Oktober 2004 nicht mehr in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 und aus diesem Grund sind die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe jedenfalls nicht vorgelegen. Somit ist nur mehr für den Zeitraum April 2004 bis September 2004 zu prüfen, ob für die Berufung mit dem Vorbringen des Bw, türkische Staatsbürger wären gemäß dem Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit BGBI. 428/1977 bei der Gewährung der Familienbeihilfe den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt (und damit wäre § 3 FLAG 1967 nicht anwendbar), etwas gewonnen ist.

Nach Art. 8 dieses Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) stehen Personen, die im Gebiet eines Vertragsstaates wohnen und für die dieses Abkommen gilt, hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus den Rechtsvorschriften jedes Vertragsstaates, dessen Staatsangehörigen gleich (soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt). Nach Art. 58 des genannten Abkommens hängt die Anwendung der Abschnitte 1 (Familien-beihilfen) und 2 des Kapitels 6 (betreffend Familienleistungen) jedoch vom Abschluss von zwei- oder mehrseitigen Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten ab, die auch Sonderregelungen enthalten können.

Das Abkommen über soziale Sicherheit "Österreich - Türkei" vom , BGBl 91/1985, (angeführt im Anhang III des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) wurde mit (BGBl. 349/1996) gekündigt und durch ein neues Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und der Türkei ersetzt. (Mit BGBl III 67/2002 wurde der ursprünglich geltende Wortlaut im Anhang V des Europäischen Abkommens gestrichen; ebenso wurde im Anhang V zur Zusatzvereinbarung hinsichtlich "Österreich - Türkei" der geltende Wortlaut ersetzt durch "Vereinbarung vom zur Durchführung des Abkommens über soziale Sicherheit vom ").

Dieses zweiseitige Nachfolgeabkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und der Türkei (BGBl III 67/2002) enthält keine Regelungen über Familien¬leistungen und somit kommt nach Art 58 des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) letztgenanntes Abkommen zwischen Österreich und der Türkei hinsichtlich der Familienbeihilfe für den strittigen Zeitraum nicht mehr zur Anwendung.

Gemäß Art. 6 des Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit (BGBl 428/1977) berührt letztgenanntes Abkommen jedoch nicht die Bestimmungen über Soziale Sicherheit im Vertrag vom zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die in diesem Vertrag vorgesehenen Assoziierungsabkommen und die Maßnahmen zur Durchführung dieser Bestimmungen.

Im Hinblick auf das im Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei (Beschluss Nr.3/80 des Assoziationsrates vom über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf türkische Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige) enthaltene Gleichbehandlungsgebot ist auch noch zu prüfen, ob der Bw. in den persönlichen Geltungsbereich des genannten Assoziationsabkommens fällt: " Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr. 3/80 stellt im Geltungsbereich dieses Beschlusses einen eindeutigen, unbedingten Grundsatz auf, der ausreichend bestimmt ist, um von einem nationalen Gericht angewandt werden zu können und der daher geeignet ist, die Rechtsstellung des Einzelnen zu regeln" (, Sema Sürül).

Nach Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr. 3/80, der die Überschrift "Gleichbehandlung" trägt (und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 entspricht), haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die dieser Beschluss gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit dieser Beschluss nichts anderes bestimmt.

Nach Artikel 2 des Beschlusses Nr. 3/80 ("Persönlicher Geltungsbereich") gilt dieser Beschluss:

- für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, und die türkische Staatsangehörige sind;

- für die Familienangehörigen dieser Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen;

- für Hinterbliebene dieser Arbeitnehmer."

Das im Verhältnis zur Türkei assoziationsrechtlich geltende Gleichbehandlungsgebot kommt somit nicht schlechthin türkischen Staatsbürgern, sondern nur türkischen Arbeitnehmern sowie deren Familienangehörigen, die sich in einem Mitgliedstaat aufhalten, zugute (). Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt allerdings die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten grundsätzlich nicht für Familienleistungen (vgl. ). Dass für einen Elternteil des Bw. die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sodass der noch unterhaltsberechtigte Bw., um in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses 3/80 zu fallen, seine Stellung als Familienangehöriger von diesem Elternteil ableiten könnte, ist laut Aktenlage nicht zutreffend.

Der Bw. selbst ist als Student kein Arbeitnehmer im Verständnis des Beschlusses 3/80, weil dazu nur Personen gehören, die gegen eines der Art. 1 lit. b des genannten Beschlusses iVm der VO (EWG) 1408/71 genannten Risiken versichert sind. Eine Person besitzt die Arbeitnehmer¬eigenschaft im Sinne der VO 1408/71, wenn sie gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer (oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte) erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist (EuGH Rs C-542/03).

Ein Studierender dagegen ist nach Artikel 1 Buchstabe ca der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 jede Person außer einem Arbeitnehmer, einem Selbständigen oder einem seiner Familien-angehörigen oder Hinterbliebenen im Sinne dieser Verordnung, die ein Studium oder eine Berufsausbildung absolviert, das/die zu einem von den Behörden eines Mitgliedstaats offiziell anerkannten Abschluss führt, und die im Rahmen eines allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit oder eines auf Studierende anwendbaren Sondersystems der sozialen Sicherheit versichert ist.

Der Bw. war im strittigen Zeitraum nach § 16 ASVG in der Krankenversicherung selbst versichert. Nur ordentliche Studierende, die nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind und die an einer Lehranstalt im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 bis 7 des StudFG 1992 sind (bzw. die Lehrveranstaltungen oder Hochschullehrgänge, die der Vorbereitung auf das Hochschulstudium dienen, besuchen), können sich nach § 16 ASVG in der Krankenversicherung auf Antrag selbst versichern. Diese Selbstversicherung für Studenten nach § 16 ASVG ist somit nicht gleichzusetzen einer freiwilligen (Weiter)Versicherung für Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a Z i der VO 1408/71, wie z.B. freiwillige Weiterversicherungen nach § 17 ASVG oder nach §19a ASVG, setzten letztgenannte Bestimmungen doch voraus, dass die Person bereits beschäftigt war bzw. ist.

Der Bw fällt somit nach den vorstehenden Ausführungen als Studierender nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei (im Zeitraum, in dem der Bw. eine geringfügige Beschäftigung ausübte, befand sich der Bw. sich nicht mehr in Berufsausbildung).

Da die Anspruchsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht - wie bereits ausgeführt - nicht vorlagen, war wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at