Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 01.04.2005, RV/0058-G/05

Rückstellung für die Kosten des Abbruches und der Rekultivierung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0058-G/05-RS1
Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (zB Rückstellungen für Abbruch- bzw. Rekultivierungskosten auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung) sind nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden, auf Grund derer mit dem Vorliegen bzw. Entstehen der Verpflichtung zum maßgebenden Bilanzstichtag ernsthaft zu rechnen ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Alois Domian, 8720 Knittelfeld, Ghegastraße 5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Judenburg, vertreten durch HR Dr. Ernst Körner, vom betreffend Einkommensteuer 2002 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Bw. hat bis Ende Februar 2002 ein Sägewerk betrieben. In seiner zum erstellten, beim Finanzamt am eingereichten Aufgabebilanz wurden Rückstellungen fürRekultivierungskosten (Abbruchkosten) in Höhe von insgesamt € 66.666,07 gebildet. Dieser Betrag basierte auf zwei Kostenvoranschlägen, die der Bw. im Juli 2002 bei den Firmen K.GmbH und M.GmbH für Betonabbruchsarbeiten samt Entsorgung sowie die Demontage und Entsorgung von Sägewerksmaschinen eingeholt hatte.

Strittig ist nun im gegenständlichen Fall, ob es sich dabei um eine steuerlich zulässige Rückstellung für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (idF StRefG 1993) handelt (Auffassung des Bw.) oder nicht (Meinung des Finanzamtes).

Der Bw. hat zur Untermauerung seines Standpunktes ein Schreiben des Gemeindeamtes R. vom vorgelegt, worin ihm unter dem Titel "Abbruch- und Rekultivierungsmaßnahmen" die Auflage erteilt worden ist, "das Gebäude des eingestellten Betriebes mit den Befestigungen (Betonfundamenten) für Maschinen (Gatter usw.) abzubrechen und dem Gelände anzupassen, um zu verhindern, dass das Ortsbild im Aussehen wesentlich beeinträchtigt wird." Da der Bw.jedoch "derzeit die finanziellen Mittel für den Abbruch nicht aufbringen kann, wird der Zeitraum für dieses Vorhaben vorerst auf einen noch zu bestimmenden Zeitpunkt verschoben. Die Aufforderung zum Abbruch und zur Rekultivierung wird dadurch aber nicht beeinträchtigt."

In weiterer Folge wurde vom Bw. - über entsprechende Aufforderung durch das Finanzamt - ein Bescheid des Gemeindeamtes R., datiert mit , vorgelegt, worin dem Bw. auf Grund seines Ansuchens vom für das Sägewerk die Abbruchbewilligung erteilt worden ist. Gleichzeitig wurden nachstehende Auflagen erteilt:

1. Das Abbruchmaterial ist gemäß den gesetzlichen Bestimmungen ordnungsgemäß zu entsorgen.

2. Die Fläche ist einzuebnen und zu besamen.

3. Mit dem zuständigen Elektroversorgungsunternehmen ist vor Beginn der Abbrucharbeiten das Einvernehmen herzustellen.

4. Vor Durchführung der Abbrucharbeiten sind die maschinellen Teile zu entfernen.

Das Finanzamt hat dazu in der abweislichen Berufungsvorentscheidung argumentiert, dass auch eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung Gegenstand einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sein könne, wenn die Verpflichtung nach ihrem Inhalt und insbesondere ihrem Entstehungszeitpunkt hinreichend konkretisiert sei; dies sei anzunehmen, wenn die Verpflichtung unmittelbar auf dem Gesetz oder auf einem besonderen Verwaltungsakt beruhe und wenn an die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Sanktionen geknüpft seien. Da nun gegenständlichenfalls die vom Bw. beantragte Abbruchbewilligung ohne entsprechende Sanktionen erteilt worden sei, wäre daher die Bildung einer Rückstellung steuerlich nicht zulässig.

Dieser Auffassung hält der Bw. in seinem Vorlageantrag entgegen, dass der Bescheid vom jederzeit erzwingbare Auflagen enthalte und die Verwaltungsbehörde im Bedarfsfall "mit allen Rechten und Zwangsmaßnahmen auf die Einhaltung der Auflagen achten muss." Es sei davon auszugehen, dass das Gemeindeamt "für den Fall einer nicht beantragten Abbruchbewilligung zwangsweise einen Abbruchbescheid erlassen hätte müssen."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 können Rückstellungen nur gebildet werden für

1. Anwartschaften auf Abfertigungen,

2. laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen,

3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten,

4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

Gegenstand einer Verbindlichkeitsrückstellung (§ 9 Abs. 1 Z 3) muss stets eine Verpflichtung gegenüber Dritten sein; darunter fallen ua. Rückstellungen, die auf Grund einer öffentlich-rechtlichenVerpflichtung gebildet werden können.

Nach Absatz 3 der angeführten Bestimmung dürfen Rückstellungen im Sinne des Absatzes 1 Ziffer 3 und 4 nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von derartigen Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.

Bei diesen im § 9 Abs. 3 EStG für die Rückstellungsbildung genannten Voraussetzungen handelt es sich um solche, die bereits zum maßgebenden Bilanzstichtag vorgelegen sein müssen. Die Verpflichtung selbst muss zwar nicht bereits am Bilanzstichtag entstanden sein (), ihr Entstehen muss aber nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zumindest ernsthaft drohen ().

Wie der VwGH in seinem (grundsätzlichen) Erkenntnis vom , 94/15/0089, erkannt hat, kann eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung dann Gegenstand einer Rückstellung sein, wenn sich die Verpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz bzw. einer Verordnung ergibt oder durch einen Bescheid konkretisiert ist und wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Steuerpflichtige zur Einhaltung der Verpflichtung gezwungen wird. Dazu muss die Behörde noch gar nicht Kenntnis davon haben, dass den konkreten Steuerpflichtigen eine Verpflichtung trifft; es reicht aus, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Behörde die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Pflicht bekannt werden.

Unter Bedachtnahme auf diese Erwägungen gelangt nun der unabhängige Finanzsenat zur Auffassung, dass die Aufnahme der Rückstellung (zur Erfüllung der in der Abbruchbewilligung erteilten behördlichen Auflagen) in die Abschlussbilanz zum aus nachstehenden Überlegungen steuerlich nicht zulässig war:

Zum Bilanzstichtag für die Aufgabebilanz () war nicht nur nicht ernsthaft, sondern überhaupt nicht mit dem Entstehen einer Verbindlichkeit zu rechnen, da für ein amtswegiges baubehördliches Abbruchverfahren gar keine rechtlichen Grundlagen vorhanden sind. Es hätte daher schon allein deshalb zu diesem Zeitpunkt weder einen behördlichen Auftrag für eine Leistungspflicht (eine "öffentlich-rechtliche Verpflichtung") geben können, geschweige denn hätten die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Pflicht der Behörde bekannt sein oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bekannt werden können.

Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung vermag auch die im Schreiben der Gemeinde vom angesprochene, im "Aufforderung zum Abbruchund zur Rekultivierung" nicht zu ersetzen. Das Ortsbildgesetz 1977 (LGBl. Nr. 54/1977 idF Nr. 71/2001) kennt eine derartige Bestimmung für bereits bestehende Objekte nicht. Die maßgeblichen Vorschriften der §§ 7 und 8 regeln nur Neu-, Zu- und Umbauten im Schutzgebiet und die Sanktionen im Falle des Zuwiderhandelns. In einem Schutzgebiet dürfen bestehende Gebäude nur abgerissen werden, wenn sie nicht als geschützte Objekte ausgewiesen sind. Für die übrigen Objekte - wie auch den gegenständlichen Sägewerksbetrieb - kann (nur) um die Abbruchbewilligung angesucht werden. Ein "Zwang" zum Abbruch wurde jedenfalls nicht normiert.

Auch die Tatsache, dass der Bw. schließlich im Dezember 2004 (!) seinerseits um die Abbruchbewilligung angesucht hat (welche bescheidmäßig unter Erteilung diverser Auflagen am erteilt worden ist), vermag nicht zu einer steuerlichen Anerkennung der Rückstellung zu führen: Abgesehen davon, dass für den Fall der Nichterfüllung dieser Auflagen keine Sanktionen angedroht worden sind (und es somit dem Bw. - mangels gesetzlicher Grundlagen - nach wie vor unbenommen bleibt, den Abbruch in die Wege zu leiten oder nicht), ließe sich jedenfalls aus diesem "Tätigwerden" durch den Bw. im Dezember 2004 (!) keineswegs ableiten, dass bereits zum maßgebenden Bilanzstichtag () mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen gewesen wäre (§ 9 Abs. 3).

Schließlich vermag auch dem Vorbringen im Vorlageantrag, wonach die Gemeinde für den Fall einer nicht beantragten Abbruchbewilligung zwangsweise einen Abbruchbescheid erlassen hätte müssen, nicht zu überzeugen, da es für solche behaupteten "Zwangsmaßnahmen" - wie oben ausgeführt - keine gesetzlichen Grundlagen gibt.

Auf Basis dieser Sach- und Rechtslage war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Rückstellung
Abbruchkosten
Rekultivierungskosten
Verpflichtung
maßgebender Bilanzstichtag
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at