Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Vermietungsgemeinschaft Bw., Plz.1, Str., vertreten durch Stb., gegen den Bescheid des Finanzamtes AA betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2007 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) ist eine Vermietungsgemeinschaft. Die Restnutzungsdauer des Vermietungsgegenstandes (Gebäude) wurde unter Heranziehung eines Sachverständigengutachtens mit 32 Jahren angenommen und der Absetzung für Abnutzung gem. § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 zugrunde gelegt.
Das Finanzamt erließ am einen erklärungsgemäßen Feststellungsbescheid für das Jahr 2007.
In einem Ersuchen um Ergänzung vom führte das Finanzamt folgende Ergänzungspunkte an: "1. Wie viele Wohneinheiten werden vermietet und an wen wird vermietet? Handelt es sich bei der A.str. 50A und 52 um zwei getrennte Gebäude? 2. Um Bekanntgabe der Afa-Bemessungsgrundlage und des Afa-Satzes wird ersucht. 3. Es wird ersucht einen Nachweis über den Kreditbeschaffungsaufwand und die Schuldzinsen zu übermitteln. Um Vorlage des Kreditvertrages wird ersucht."
In Beantwortung dieses Ersuchens um Ergänzung führte die steuerliche Vertretung der Bw. wie folgt aus: "Bezugnehmend auf Ihr Ersuchen um Ergänzung vom teile ich Ihnen folgenden Sachverhalt mit: 1. Bei dem Gebäude A.straße 50A handelt es sich um das private Wohnhaus von Frau X. und Herrn Y.. Die Vermietung betrifft nur das Gebäude A.straße 52, dieses gliedert sich in 3 Wohneinheiten die an Privatpersonen vermietet sind, eine Wohneinheit die von einem gemeinnützigen Verein für Schulungen verwendet wird und ein Lebensmittelgeschäft. 2. Die Afa-Bemessungsgrundlage und -Satz entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Anlagenverzeichnis. Das Sachverständigengutachten betreffend die Restnutzungsdauer des Gebäudes von 32 Jahren liegt ebenfalls bei. ...".
In einem weiteren Ersuchen um Ergänzung vom wird vom Finanzamt Folgendes ausgeführt: "Das vorgelegte Gutachten, das die Nutzungsdauer ohne nachvollziehbare Begründung lediglich annimmt, den Bauzustand nicht detailliert beschreibt und auch die ziffernmäßigen Ausgangswerte nicht nennt, ist kein taugliches Beweismittel für eine kürzere Nutzungsdauer. Ein Gutachten muss, um als schlüssig und nachvollziehbar gelten zu können, die maßgeblichen ziffernmäßigen Ausgangswerte nennen sowie die konkreten Überlegungen und Berechnungsmethoden darstellen. Unzulässig ist es, bloß schematisch von einer geschätzten Gesamtnutzungsdauer auszugehen und davon die bisherige Nutzungsdauer abzuziehen, ohne dabei auf die individuellen Gegebenheiten der Liegenschaft einzugehen."
Dieses Ergänzungsersuchen wurde von der Bw. nicht beantwortet. Mit Bescheid gemäß § 299 BAO vom wurde der Feststellungsbescheid vom aufgehoben, ein neuer Sachbescheid erlassen und ein Abschreibungssatz gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988 in Höhe von 1,5% in Ansatz gebracht. Begründend wird ausgeführt, das vorgelegte Gutachten, das die Nutzungsdauer ohne nachvollziehbare Begründung lediglich annehme, den Bauzustand nicht detailliert beschreibe und auch die ziffernmäßigen Ausgangswerte nicht nenne, sei kein taugliches Beweismittel für eine kürzere Nutzungsdauer. Die Afa sei daher gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e mit 1,5% angesetzt worden (für 2007 Halbjahres-Afa).
In der gegen den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für das Jahr 2007 vom eingebrachten Berufung wird wie folgt ausgeführt:
"Die Berufung richtet sich gegen die Festsetzung der Afa mit 1,5%. Begründung: Mein Mandant hat ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen vorgelegt, in dem der Bauzustand analysiert wurde und als Ergebnis eine Nutzungsdauer ermittelt wurde, die unter dem laut § 16 Absatz 1 Ziffer 8e 1,5%iger Abschreibung liegt. Die Begründung im Bescheid ist dahingehend formuliert, dass keine detaillierte Aufzeichnung im sogenannten Gutachten erfolgt ist. Aus meiner Sicht ist davon auszugehen, dass ein jahrelang anerkannter gerichtlich beeideter Sachverständiger, hier Herr Ing. N.N., mit der Ortskenntnis der Wohnung in D. und der Kenntnis der Liegenschaften in D., natürlich von der Finanzbehörde einer kritischen Haltung unterzogen wird. Das Wohnhaus wurde im Jahr 1959 also in der Nachkriegszeit auf billigste Art und Weise gebaut. Das Gutachten ergibt ein Gebäudealter von 48 Jahren aus technischer Sicht und eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer von 32 Jahren. Der Sachverständige gibt als Grundlagen bzw. Unterlagen für seine Bewertung eine Vielzahl von Dokumenten an. Ohne dass sich die Finanzbehörde eine Kenntnis der Sachlage verschafft hat, ohne Besichtigung des Bauwerkes, ohne Beauftragung eines eigenen Sachverständigen wird im Bescheid das Gutachten negiert. Mein Mandant hat sich im Hinblick auf die Bewertung an die Einkommensteuerrichtlinien insofern gehalten, als er einen Auftrag an einen gerichtlich beeideten Sachverständigen gegeben hat. Sollte nun dieser Auftrag dazu führen, dass eine Verbesserung bzw. eine Nachreichung von Unterlagen erforderlich ist, so ist dies im Bescheid anzugeben, Jedenfalls kann es nicht sein, dass das Gutachten negiert wird. Ich beantrage daher die Anerkenntnis der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer von 32 Jahren."
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 zählen zu den Werbungskosten auch die Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung.
Nach dem ersten Absatz der verwiesenen Vorschrift des § 7 EStG 1988 sind bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (abnutzbares Anlagevermögen), die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen (Absetzung für Abnutzung), wobei sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nach der Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung bemisst.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988 können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (lit. a bis d) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden.
Mit dieser Vorschrift stellt das Gesetz im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO die Vermutung auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus der im § 2 Abs. 3 Z 6 EStG 1988 genannten Einkunftsart dient, 66,6 Jahre und nicht weniger beträgt; die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung mit der Behauptung des Vorliegens einer kürzeren Restnutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen, wobei ein solcher Beweis im Regelfall durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erbringen ist (siehe etwa die VwGH-Erkenntnisse vom , 2001/13/0135 und vom , 2002/14/0042).
Die gesetzliche Nutzungsdauer gilt in gleicher Weise für neu errichtete wie für vom Steuerpflichtigen erworbene und bereits gebrauchte Gebäude. Eine vom gesetzlich vorgesehenen Afa-Satz abweichende Afa kann bei einem Wohngebäude grundsätzlich nur bei Nachweis einer kürzeren technischen Nutzungsdauer geltend gemacht werden. Diese hängt bei neu errichteten Gebäuden in erster Linie von der Bauweise ab, während bei einem erworbenen Gebäude der Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbes maßgebend ist ().
Soll eine kürzere Nutzungsdauer angesetzt werden, so trifft die Beweislast den Steuerpflichtigen. Der Nachweis kann grundsätzlich nur mit einem Sachverständigengutachten erfolgen (vgl. Zorn in Hofstätter-Reichel, EStG-Kommentar, § 16 Abs. 1 Z 8 Anm 7).
Wegen der vom Gesetzgeber aufgestellten Vermutung eines Afa-Satzes von 1,5% ist die Abgabenbehörde nicht gehalten, von sich aus Ermittlungen anzustellen, ob eine kürzere Nutzungsdauer des Gebäudes vorliegt (vgl. Zorn in Hofstätter-Reichel, EStG-Kommentar, § 16 Abs. 1 Z 8 Anm 7; ).
Ein Sachverständigengutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung (Doralt, EStG13, § 16 Tz 159/1). Um als Nachweis für eine kürzere als die gesetzlich vermutete Nutzungsdauer anerkannt zu werden, muss es den konkreten Bauzustand im Zeitpunkt des Ankaufes des Altgebäudes erfassen (). Finden sich in einem Gutachten keine hinreichenden (konkreten) Aussagen über den Bauzustand, keine Feststellungen zur Qualität der Bauausführung oder zu allenfalls bestehenden Schäden, etwa als Folge aufsteigender Feuchtigkeit oder eines vermuteten Schädlingsbefalls, ist es nicht geeignet, einen höheren Afa-Satz zu stützen () Schließlich muss ein Gutachten auch einen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten angenommenen Restnutzungsdauer herstellen (). Dies schließt ziffernmäßige Berechnungen mit ein, die nicht nur die Ausgangswerte, sondern auch konkrete Überlegungen samt Berechnungsmethoden enthalten (vgl. Kotschnigg, SWK 29/2004, 852 ff.).
Die Ermittlung einer fiktiven Gesamtnutzungsdauer, von der das Alter eines Gebäudes abgezogen wird, bildet keine taugliche Grundlage zur Schätzung der Restnutzungsdauer.
Das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für die Bewertung und Schätzung u.a. von Wohngebäuden, Grundstücken und Wohnungseigentum erstellte Sachverständigengutachten für die Feststellung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer des Gebäudes auf der Liegenschaft: Grundbuch 0X, EZ 00, Grundstück Nr. 000, Plz.1, A.straße 50a hat folgenden Inhalt:
"Auftraggeber: Hausgemeinschaft Y. - X., A.straße 50a, Plz.1 Zweck der Bewertung Feststellung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer der Baulichkeit: Grundbuch 0X, EZ 00 Grundstück Nr. 000 in Plz.1, A. Straße 50a. Datum der Bewertung: , Tag der Besichtigung durch den unterzeichneten Sachverständigen. Grundlagen bzw. Unterlagen für die Bewertung: 1. Besichtigung der Liegenschaft durch den unterzeichneten Sachverständigen am in Anwesenheit von Frau B.X.. 2. Einsichtnahme in den Bauakt beim Stadtgemeindeamt D. am . 3. Grundbuchauszug vom . 4. Lageplan 5. Bescheide a) Bescheid vom 010 Baubewilligung b) Bescheid vom 020 Benützungsbewilligung Bewertung Aufgrund der Bauweise und des festgestellten Gebäudezustandes kann eine wirtschaftliche Gesamtlebensdauer von 80 Jahren erwartet werden. Das Wohnhaus wurde 1959 erbaut, ergibt daher ein Gebäudealter von 48 Jahren und eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer von 32 Jahren. D., am " Sachverständigenstempel und Unterschrift des Sachverständigen
Im Gutachten wird als zu bewertende Baulichkeit das Gebäude mit der Grundstücksadresse A. Straße 50a angegeben. Aus der Beantwortung eines Ergänzungsersuchens geht allerdings hervor, dass die Vermietung nur das Gebäude A. Straße 52 betrifft. Da es sich beim Gebäude A. Straße 50a um das private Wohnhaus der Vermieter handelt, wird davon ausgegangen, dass sich das Sachverständigengutachten auf das Gebäude A. Straße 52 bezieht.
Das gegenständliche Gutachten enthält keine exakten, detaillierten Tatsachenfeststellungen über den tatsächlichen Bauzustand des gegenständlichen Gebäudes (insbesondere bezogen auf die maßgeblichen konstruktiven und haltbaren Bauteile, das sind Mauern und Decken) beziehungsweise keine exakten nachvollziehbaren Ausführungen hinsichtlich der die Lebensdauer des Gebäudes beeinflussenden Faktoren, wie zum Beispiel die Wahl der Baustoffe und die Güte der Ausführungen, die Qualität der Planung, der Statik und der Bauausführung, allfällig bereits bestehende Schäden (insbesondere bezogen auf tragende Bauteile des Gebäudes), die laufende Unterhaltung und die äußeren Einflüsse (vgl. dazu Ross-Brachmann-Holzner28, Ermittlung des Bauwertes von Gebäuden und des Verkehrswertes von Grundstücken, Seiten 255 und 261), und auch im Anschluss keine entsprechende genaue Dokumentation der Auswirkung beziehungsweise Wertung solcher Befundergebnisse auf die Restnutzungsdauer.
Da das vorgelegte Gutachten somit weder auf den konkreten Bauzustand des Gebäudes eingeht noch ein nachvollziehbarer Bezug zwischen dem "Befund" und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer hergestellt wird, liegt kein zur Entkräftung der gesetzlichen vermuteten Nutzungsdauer erstelltes Gutachten vor. Die Ermittlung der fiktiven Gesamtnutzungsdauer, von der das Alter des Gebäudes abgezogen wird, bildet - wie oben ausgeführt - keine taugliche Grundlage zur Schätzung der Restnutzungsdauer. Das vorgelegte Sachverständigengutachten ist daher zum Nachweis der von der Bw. angesetzten kürzeren Restnutzungsdauer nicht geeignet.
Daher war gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988 bei dem Gebäude, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung in Ansatz zu bringen.
Da die Nachweispflicht einer kürzeren Restnutzungsdauer die Berufungswerberin traf, war der Unabhängige Finanzsenat auch nicht zu weiteren Ermittlungsschritten verpflichtet. Zudem sind entsprechende Vorhaltungen das Gutachten betreffend durch das Finanzamt erfolgt, sodass das Parteiengehör insoweit gewahrt wurde.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | VwGH, 2000/15/0074 VwGH, 2001/13/0135 VwGH, 2001/13/0162 VwGH, 2001/13/0277 VwGH, 2002/14/0042 VwGH, 2004/13/0052 Zorn in Hofstätter-Reichel, EStG-Kommentar, § 16 Abs 1 Z 8 Anm 7 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at