Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt, 1080 Wien, Wickenburggasse 3/9, gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer 2003 sowie Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer 2005 entschieden:
1) Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
2) Der Berufung gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2005 wird Folge gegeben.
Die Vorauszahlungen werden mit Null festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Einem Beiblatt der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 ist Folgendes zu entnehmen:
Der Rechtsvertreter der Berufungswerberin (Bw.) bringt vor, seine Mandantin sei im August 2003 oberschenkelamputiert worden. Sie habe daher behinderungsbedingt die im dritten Oberschoß - ohne Lift - liegende bisherige Wohnung verlassen und in eine behindertengerechte Wohnung übersiedeln müssen, wobei Investitionen erforderlich gewesen seien, die als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht würden.
Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Vermittlungsprovisionen und Gebühren anlässlich des Abschlusses des neuen Mietvertrages, Übersiedlungsspesen sowie Umbauarbeiten an Küche und Bad, die damit zusammenhängenden Elektro- und Wasserinstallationen sowie Gehhilfen.
Der Gesamtbetrag der geltend gemachten Aufwendungen betrug € 34.067,57.
Das Finanzamt anerkannte hiervon bloß einen Teilbetrag von € 12.858,10; es begründete seinen Bescheid damit, Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung einer Wohnung stellten außergewöhnliche Belastungen dar, soweit es sich dabei um einen verlorenen Aufwand handle. Abzugsfähig seien zum Beispiel der Einbau einer Behindertentoilette sowie die Neuadaptierung eines Badezimmers. Keine außergewöhnliche Belastung seien Kosten für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen u.ä., dabei handle es sich um Kosten der privaten Lebensführung.
Zur Gänze nicht anerkannt wurden die Kosten der Küchenadaptierung.
In seiner Berufung bringt der Rechtsvertreter der Bw. vor, es seien hier keineswegs "Einrichtungsgegenstände" angeschafft worden und es handle sich keinesfalls um Kosten der privaten Lebensführung. Verwiesen wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), der zufolge die rollstuhlgerechte Adaptierung der Wohnung oder der Einbau eines Liftes in einem zweigeschossigen Haus zwecks behindertengerechter Ausstattung sowie sonstige durch die Behinderung unmittelbar veranlasste Einbauten als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des Gesetzes anzusehen seien.
Überdies machte er nachträglich den Kirchenbeitrag in Höhe von € 411,53 geltend.
Das Finanzamt änderte den angefochtenen Bescheid mit Berufungsvorentscheidung zum Nachteil der Bw. ab; anerkannt wurden neben dem Kirchenbeitrag im gesetzlichen Höchstausmaß laut § 18 Abs. 1 Z 5 EStG nur mehr € 132,31 als außergewöhnliche Belastung. Begründend führte das Finanzamt aus, es fehle dem Großteil der geltend gemachten Aufwendungen das Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Es handle sich hierbei um Aufwendungen, die allesamt auch bei einer Übersiedlung eines Nichtbehinderten anfallen würden.
Im Vorlageantrag verwies der Rechtsvertreter der Bw. insbesondere auf die Entscheidungen des und RV/0553-L/03. Aus diesen Entscheidungen gehe hervor, dass folgende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien:
verlorener Aufwand (= Wert des Altzustandes, der auf Grund der Adaptierung zerstört werden musste)
Mehrkosten der Einrichtung (= Differenzbetrag zwischen Sonderausstattung und Standardausstattung)
Mehrkosten Adaptierung (= besondere Kosten, die auf Grund der behindertengerechten Ausstattung angefallen sind, zB Abriss bzw. Versetzung von Wänden).
Ferner legte er eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vor, aus der hervorgeht, dass die Bw., sollte das Mietverhältnis vor dem enden, verpflichtet ist, die Rückbaukosten für das Badezimmer von netto € 3.300,00 sowie für die Küche von netto € 5.000,00 zu ersetzen.
In einer Besprechung mit dem Referenten erklärte sich der Rechtsvertreter der Bw. damit einverstanden, dass zusätzlich zu dem vom Finanzamt im Erstbescheid anerkannten Betrag ein weiterer Betrag von € 5.000,00 zum Ansatz kommen solle.
Die Amtspartei erhob dagegen keine Einwendungen.
Aktenkundig ist weiters, dass die Bw. Bundespflegegeld bezieht.
Über die Berufung wurde erwogen:
Rechtsgrundlagen
§ 34 Abs. 6 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
...
- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
§ 35 EStG sieht für den Fall von behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen, wenn der Steuerpflichtige keine pflegebedingten Geldleistungen erhält, die Gewährung eines Steuerfreibetrages vor. Gemäß § 35 Abs. 5 leg.cit. können an Stelle dieses Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung (§ 34 Abs. 6 leg.cit.) geltend gemacht werden.
Die auf die §§ 34 und 35 EStG gestützte Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996, idF BGBl. II 416/2001, lautet auszugsweise:
"§1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
... so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. zB. ). Der Verfassungsgerichtshof sah im Erkenntnis vom , B 785/02 keinen Grund, dieser Rechtsprechung entgegenzutreten. Er ist auch nicht der Auffassung, dass dieser Gegenwertgedanke bei Aufwendungen im Zusammenhang mit Behinderungen schlechthin unbeachtlich wäre. Er hat aber im Erkenntnis VfSlg. 9596/1982 die Auffassung vertreten, dass die (damals) belangte Behörde das Gesetz (§ 34 EStG 1972) denkunmöglich vollzogen habe, indem sie die Meinung vertreten habe, dass die für den Einbau eines (infolge einer Körperbehinderung erforderlichen) Aufzuges im Zweifamilienhaus des damaligen Beschwerdeführers aufgewendeten Beträge eine Wertsteigerung dieses Hauses bewirkt hätten. Ein solches Haus erfahre nämlich dann, wenn es über einen Aufzug verfüge, keine Werterhöhung. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein potentieller Käufer in ähnlicher Weise wie der Beschwerdeführer körperbehindert sei und daher einen Aufzug dringend benötige, sei derart gering, dass dieser Fall vernachlässigt werden könne.
Sachverhaltsmäßig ist unbestritten, dass die Bw. Bundespflegegeld bezieht und zu mindestens 25% körperbehindert ist.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass bei der Bw. behinderungsbedingte Aufwendungen ohne Kürzung um einen Selbstbehalt berücksichtigungsfähig sind.
Die Ermittlung des behinderungsbedingten Anteils der Umbauarbeiten ist im Berufungsfall nicht ohne weiteres möglich und kann daher im Schätzungsweg erfolgen (vgl. Fischerlehner, UFSaktuell 2004, 390). Neben den im Erstbescheid anerkannten Aufwendungen, deren Höhe unter Bezugnahme auf die angeführten UFS-Entscheidungen und die dort zitierte Judikatur (vgl. auch Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm 14) angemessen erscheint, sind auch noch die behinderungsbedingten Umbauarbeiten der Küche zu berücksichtigen. Wenn der Rechtsvertreter hierfür die Höhe der allenfalls erforderlichen Rückbaukosten der Küche als Schätzungshilfe heranzieht, so erscheint dies schlüssig.
Der Berufung war somit teilweise Folge zu geben und die außergewöhnlichen Belastungen ohne Abzug eines Selbstbehaltes mit € 17.858,10 zu berücksichtigen. An Sonderausgaben kam der Kirchenbeitrag zusätzlich zum Ansatz.
Die Vorauszahlungen waren diesen Besteuerungsgrundlagen anzupassen.
Beilage : 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Schlagworte | Rückbaukosten Gegenwert |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at