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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 18.02.2009, RV/1208-L/07

Dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe ab entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die im Jahr 1960 geborene Berufungswerberin stellte im Juni 2007 einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe für sich selbst, rückwirkend ab dem Zeitpunkt, den der medizinische Sachverständige feststelle. Sie leide seit 1975 an einer immer wiederkehrenden psychischen Erkrankung und sei zu 70% behindert.

Auf Grund dieses Antrages wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes angefordert, in dem die Diagnose "manische Schizophrenie" gestellt wurde und eine Grad der Behinderung von 80% festgestellt wurde. In der Rahmensatzbegründung wurde ausgeführt: Aufgrund der schweren psychischen Erkrankung und der notwendigen Medikation ist die Patientin nie arbeitsfähig gewesen. Die weiteren Feststellungen lauteten: Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand. Die rückwirkende Anerkennung des Grades der Behinderung ist ab 1976-07-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich. Die Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Erkrankung besteht seit dem 16. Lj, Arbeitsfähigkeit wird auch nie mehr gegeben sein.

Das Finanzamt stellte weiters an Hand des Versicherungsdatenauszuges fest, dass die Berufungswerberin nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres zunächst zwölf Monate durchgehend berufstätig war, in der Folge nach zweijähriger Unterbrechung aufgrund der Geburt eines Kindes noch weitere einundzwanzig Monate. In weiterer Folge hatte sie mehrere Arbeitsverhältnisse, die jeweils zwischen vier und sieben Monaten andauerten und durch Zeiten der Krankheit oder Arbeitslosigkeit sowie der Geburt eines weiteren Kindes unterbrochen waren. Seit bezieht die Berufungswerberin eine Berufsunfähigkeitspension.

Das Finanzamt wies auf Grund dieser Feststellungen mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe ab Juni 2002 ab, da eine mehrjährige Beschäftigung nach dem 21. Lebensjahr der Annahme entgegenstehe, infolge der Behinderung dauernd außerstande gewesen zu sein, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

In der dagegen eingebrachten Berufung wandte die Berufungswerberin sinngemäß ein: Ihre Schizophrenie bestehe seit dem 15. Lebensjar und sie sei daher gezwungen, regelmäßig Medikamente einzunehmen. Aufgrund ihrer dauernden Erkrankung sei es ihr unmöglich eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Es entspreche zwar den Tatsachen, dass sie seit ihrem 16. Lebensjahr diversen Beschäftigungen nachgegangen sei bzw. Wochengeld oder Karenzgeld erhalten habe. Allerdings seien diese Beschäftigungen meist nicht von langer Dauer gewesen. Da sie aufgrund der Erkrankung die erforderliche Arbeitsleistung nicht oder nicht in der entsprechenden Zeit erledigen konnte, sei sie immer bereits nach kurzer Zeit wieder gekündigt worden oder hätte aufgrund zahlreicher Krankenstände selbst das Dienstverhältnis beenden müssen. Sie wisse nicht, warum ihre gescheiterten Versuche, sich in die Leistungsgesellschaft zu integrieren, als Grund für die Abweisung des Ansuchens angelastet würden. Auch ihre seit zuerkannte Pension sei nur befristet, daher sei sie auf die monatliche Leistung der Familienbeihilfe angewiesen.

Im Zuge des weiteren Berufungsverfahrens stellte der Unabhängige Finanzsenat an das Bundessozialamt die Anfrage, ob bei der Feststellung, dass die Berufungswerberin nie arbeitsfähig gewesen sei, berücksichtigt wurde, dass sie noch nach dem 21. Lebensjahres 12 Monate und nach Geburt des Kindes noch 21 Monate durchgehend berufstätig war, bzw. warum dennoch von Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. In Beantwortung dieser Anfrage teilte das Bundessozialamt mit, dass trotz zwischenzeitlicher Arbeitsperioden die Erkrankung der Patientin im Wesentlichen seit dem Jahr 1976 bestehe und es sich um eine schwere Erkrankung handle. Es sei laufende Medikation notwendig. Arbeitsfähigkeit könne nie mehr erreicht werden und es bleibe dabei, dass dieser Zustand bereits vor dem 21. Lebensjahr bestanden habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Danach gilt unter anderem für volljährige Vollwaisen, dass sie Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden (§ 6 Abs. 2 lit.d FLAG 1967).

Die Höhe der Familienbeihilfe ist in § 8 FLAG normiert. Nach den Absätzen 4 und 5 dieser Gesetzesstelle erhöht sich die Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder, als solche gelten Kinder, deren Behinderung mindestens 50% beträgt, oder die voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG in der seit geltenden Fassung ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Nach § 8 Abs. 7 FLAG gilt dies sinngemäß auch für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundessozialamt in einem ärztlichen Sachverständigengutachten bescheinigt, dass die Berufungswerberin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dass diese Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr bestanden habe. Auch über ausdrückliche Anfrage, wie diese Diagnose mit der Erwerbstätigkeit der Berufungswerberin noch nach dem 21. Lebensjahr vereinbar sei, bekräftigte das Bundessozialamt diese Feststellung und erklärte dies mit der Schwere der Erkrankung, die eine Arbeitsfähigkeit nicht zulasse.

Auf Grund dieser eindeutigen gutachtlichen Feststellung besteht für den Unabhängigen Finanzsenat keine Veranlassung, von dieser Einschätzung abzugehen. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 700/07, festgestellt hat, hat der Gesetzgeber mit der hier maßgeblichen Norm für die Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für die Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerlegt eine mehrjährige berufliche Tätigkeit die Annahme, das Kind sei infolge seiner Behinderung dauernd außerstande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (). Allerdings hat der Verwaltungsgerichthof auch mehrfach festgehalten, dass das Vorliegen einiger kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse keinen verlässlichen Hinweis darauf liefere, dass das Kind zu diesem Zeitpunkt instande gewesen sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (z.B. , oder ).

Tatsächlich stand die Berufungswerberin zunächst bis zum 21. Lebensjahr in zahlreichen nur kurzzeitig andauernden Arbeitsverhältnissen, deren jeweilige Dauer die Aussage glaubhaft erscheinen lässt, dass es sich nur um Arbeitsversuche gehandelt habe. Die nach Vollendung des 21. Lebensjahres begonnenen längsten Arbeitsverhältnisse von 12 und später 21 Monaten sind unter Berücksichtigung der späteren wiederum nur kurzzeitigen Arbeitsverhältnisse nicht geeignet, die ausdrückliche Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr im ärztlichen Gutachten zu entkräften.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Behinderung
dauernde Erwerbsunfähigkeit
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at