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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.01.2010, RV/1597-W/08

Grundstückstausch nach Bescheiderlassung ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 205 Abs. 6 BAO

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der G-GmbH, Wien, vertreten durch Winkler WT-GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, 2700 Wiener Neustadt, Pottendorfer Straße 169, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2004 (§ 205 BAO) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurden die Anspruchszinsen für die Körperschaftsteuer 2004 der G-GmbH (in weiterer Folge: Bw.) in einer Höhe von € 7.336,10 festgesetzt.

Mit weiterem Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde über die Bw. ein erster Säumniszuschlag in Höhe von € 2.303,64 festgesetzt, da die Kapitalertragsteuer 2004 nicht fristgerecht entrichtet worden ist.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung vom , die sich auch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2004 sowie den Haftungsbescheid für die Kapitalertragsteuer 2004 richtet, wird - soweit es die Anspruchszinsen und den Säumniszuschlag betrifft - lediglich darauf verwiesen, dass, wenn die Hauptabgabe Körperschaftsteuer 2004 infolge positiver Berufungserledigung wegfallen werde, auch die Anspruchszinsen ersatzlos wegfallen würden und vorsorglich Anträge gemäß § 205 Abs. 6 BAO bzw. § 217 Abs. 8 BAO gestellt werden.

Aufgrund des mit Notariatsakt vom erfolgten Grundstückstausches sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO eingetreten, weshalb die Bescheide betreffend Anspruchszinsen und Säumniszuschlag ersatzlos aufzuheben seien. Laut Erlass-Meinung zu § 295a BAO wirke ein Ereignis dann in die Vergangenheit, wenn nunmehr der veränderte Sachverhalt anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes der Besteuerung zu unterwerfen ist. Ein solches Ereignis stelle die Auflösungsvereinbarung vom dar. Diese Auflösungsvereinbarung sei noch innerhalb der Rechtsmittelfrist der angefochtenen Bescheide abgeschlossen worden und entziehe somit den angefochtenen Bescheiden den Boden.

Aus der Zusammenschau ersuche die Bw. abschließend, die Bescheide - soweit sie auf den Ergebnissen der Betriebsprüfung beruhen - ersatzlos aufzuheben (Kapitalertragsteuer, Säumniszuschlag und Anspruchszinsen).

Im Bewusstsein, dass diese Abänderungsanträge nicht isoliert gesehen werden können mögen sie bis zur Entscheidung über die Basisbescheide Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer aufgeschoben werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus den Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz und sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen. Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Gemäß § 205 Abs. 6 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Anspruchszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses ( 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor dem Eintritt des Ereignissesbetreffen.

Dem angefochtenen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen liegt der im Körperschaftsteuerbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom ausgewiesene Differenzbetrag von € 124.440,00 zugrunde. Die Bw. bekämpft den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2004 mit der Begründung, dass der mit Notariatsakt vom erfolgte Grundstückstausch ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstelle und damit den angefochtenen Bescheiden der Boden entzogen wäre.

§ 295a BAO ist eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung. Sie nimmt in keiner Weise Einfluss auf den Tatbestand materieller Abgabengesetze. Es ist vielmehr den materiellen Abgabengesetzen zu entnehmen, ob einem nachträglich eingetretenen Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zukommt. Es ist sohin anhand der materiellen Abgabengesetze zu prüfen, ob ein Anwendungsfall des § 295a BAO vorliegen kann (, SWK 23/24/2008 (R 43)

Im vorliegenden Fall wurde allein aufgrund der herrschenden Vertragsfreiheit im Nachhinein (nach Bescheiderlassung) eine nachträglich neu zu beurteilende Situation geschaffen. Die Vertragsparteien können aufgrund der ihnen eingeräumten Gestaltungsfreiheit jederzeit von einer geschlossenen Vereinbarung wieder abgehen. Es kann aber nicht in ihrem Belieben stehen, die an keine weitere Voraussetzung geknüpfte einvernehmliche Vertragsaufhebung als erfolgreiche Anfechtung eines geschlossenen Rechtsgeschäftes mit ex tunc-Wirkung zu gestalten. Entscheiden sich die Vertragsparteien aus freien Stücken zu einer Rückabwicklung, ohne dass eine rechtliche Anfechtbarkeit (etwa iSd §§ 871 bzw. 901 ABGB) vorliegt, ist diese nicht als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO zu werten. (-RS1).

Der Eintritt, die Beseitigung des wirtschaftlichen Ergebnisses des Rechtsgeschäftes oder dessen Bestehenlassen sind Ereignisse, die vom Standpunkt der mit Hilfe formaler Anknüpfungspunkte gestalteten Tatbestände ohne Bedeutung sind. Die Anfechtbarkeit, die tatsächliche Anfechtung und sogar die Aufhebung eines Rechtsgeschäfts, aber auch die einvernehmliche spätere Vertragsaufhebung vermögen bei formalrechtlicher Verknüpfung die an den Abschluss eines Rechtsgeschäftes gebundenen Rechtsfolgen, also die Entstehung der Steuerschuld, nicht zu verhindern oder nachträglich zu beeinträchtigen (Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, S 34).

Mangels Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 295a BAO (§ 205 Abs. 6 BAO) war daher den diesbezüglichen Berufungsausführungen ein Erfolg versagt.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Bescheidspruch des Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden sind. Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist objektiv allein von der zeitlichen Komponente, nämlich wann der Körperschaftsteuerbescheid dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben wurde und von der Höhe des Differenzbetrages (Nachforderung oder Gutschrift) abhängig.

Weder aus dem Berufungsvorbringen noch aus dem Veranlagungsakt sind Argumente ersichtlich, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2004 nicht rechtswirksam erlassen worden wären, sodass dem angefochtenen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen auch keine formalrechtlichen Hindernisse entgegenstehen.

Nach den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der oben zitierten Gesetzesbestimmung (RV 311 BlgNR 21. GP, 210 ff.) entstehen Ansprüche auf Anspruchszinsen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde. Zinsenbescheide setzen auch nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides, wohl aber einen solchen Bescheid voraus. Solche Bescheide sind daher auch nicht mit der Begründung anfechtbar, der Stammabgabenbescheid bzw. ein abgeänderter Bescheid wäre rechtswidrig.

Die Bw. verweist selbst darauf, dass die Abänderungsanträge zum Stammabgabenbescheid nicht isoliert gesehen werden können. Dabei wird übersehen, dass eine Abänderung von Anspruchszinsenbescheiden anlässlich einer Abänderung bzw. Aufhebung des Stammabgabenbescheides im Gesetz nicht vorgesehen ist. Vielmehr hat in den Fällen, in denen im Nachhinein ein den Anspruchszinsenbescheid auslösender Körperschaftsteuerbescheid abgeändert wird, da beispielsweise der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid stattgegeben werden sollte, sich somit nachträglich die Rechtswidrigkeit der maßgebenden Abgabenfestsetzung erweist, ein weiterer neu zu erlassender Gutschriftszinsenbescheid die Belastung mit Nachforderungszinsen ausgleicht.

Wird der Abgabenbescheid abgeändert, so wird diesem Umstand (auch laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) mit einem an den Abänderungsbescheid gebundenen neuen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es hat von Amts wegen ein weiterer Zinsenbescheid zu ergehen, ohne dass eine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides zu erfolgen hat (, 0332).

Da weder aus dem Berufungsvorbringen noch aus dem Veranlagungsakt Argumente ersichtlich sind, wonach die Höhe der Anspruchszinsen nicht korrekt berechnet worden wäre, war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Abschließend wird informativ darauf hingewiesen, dass die "Berufung" gegen den Säumniszuschlagsbescheid laut Berufungsbegründung und dem Willen der Bw. ein Antrag gemäß § 217 Abs. 8 BAO (wonach im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen hat) sein soll, somit dieser Antrag erst nach Erledigung der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2004 von der Abgabenbehörde erster Instanz zu behandeln sein wird.

Die Entscheidung über die weiters angefochtenen Bescheide ergeht zu einem späteren Zeitpunkt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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