Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 07.12.2010, RV/0676-G/09

Teilweise entgeltliche Einräumung eines Wohnungsrechtes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Hofstätter & Kohlfürst Rechtsanwälte OG, Rechtsanwälte, 8010 Graz, Marburgerkai 47, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Schenkungssteuer entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Schenkungssteuer gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG mit 6.629,40 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Mit Dienstbarkeitsvertrag vom räumte JP als Liegenschaftseigentümer seiner Schwägerin OP (in der Folge kurz Bw. genannt) zur Tilgung eines von ihr gewährten Investitionskostenbeitrages in Höhe von 11.000,-- € ein lebenslanges, ansonsten unentgeltliches, höchstpersönliches Wohnungsgebrauchsrecht an der im Dachgeschoß des Hauses E gelegenen abgeschlossenen Wohneinheit sowie dem dieser Wohneinheit zugeordneten Garten im Ausmaß von rund 700 m² ein. Die betreffende Wohneinheit besteht aus zwei Zimmern, einem Schrankraum, einer Küche kombiniert mit Wohn- und Esszimmer, einem Bad samt WC, einem WC, einem Vorraum und einem Balkon. Lt. Punkt V. des Vertrages gilt der Investitionskostenbeitrag von 11.000,-- € als umfassend erlassen und tritt unter den Parteien, für alle Zukunft, gegenseitige Forderungsaufhebung ein.

Nachdem zwei Ergänzungsersuchen des Finanzamtes unbeantwortet blieben, wurde der Wert des Wohnungsrechtes mit 400,-- € monatlich geschätzt und die Schenkungssteuer - nach Abzug der Gegenleistung - mit Bescheid vom für die Bw. festgesetzt.

Dagegen wurde rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben mit der Begründung, dass ein entgeltlicher Vorgang vorliege. Zwischen den Vertragsparteien habe keine Schenkungsabsicht vorgelegen. Des Weiteren sei die Schätzung mit 400,-- € überhöht. Schließlich sei über das Vermögen der Bw. mit Beschluss des BG vom ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden, welches nach rechtskräftiger Bestätigung des am angenommenen Zahlungsplans mit einer Quote von 14% der Forderungen aufgehoben worden sei. Die Steuerschuld stelle daher - wenn überhaupt - eine Konkursforderung dar (der die Steuerschuld auslösende Tatbestand wurde vor Konkurseröffnung verwirklicht) und wäre daher nur quotenmäßig mit 14% zu berücksichtigen.

Das Finanzamt legte daraufhin - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - die Berufung der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vor.

Nach Ergehen eines Vorhaltes seitens des Unabhängigen Finanzsenates wurde letztendlich mitgeteilt, dass die Wohnungsgröße 100 m² beträgt und die Adaptionsarbeiten vor Abschluss des Dienstbarkeitsvertrages abgeschlossen waren. Die Gesamtwohnnutzfläche des Hauses beträgt 200 m².

Über die Berufung wurde erwogen:

Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt wird, unterliegen gemäß § 33 TP 9 GebG einer Rechtsgebühr in Höhe von 2 v.H vom Wert des bedungenen Entgeltes.

Nach § 15 Abs. 3 GebG sind unter anderem Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 ErbStG unterliegen der Steuer nach diesem Bundesgesetz Schenkungen unter Lebenden.

Das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz enthält keine Befreiungsbestimmung für Vorgänge, die auch einen gebührenpflichtigen Tatbestand erfüllen, sondern sieht nur umgekehrt § 15 Abs. 3 GebG eine Ausnahme von der Gebührenpflicht für Rechtsgeschäfte vor, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz fallen. Es ist deshalb im vorliegenden Fall nicht entscheidend, ob eine entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit erfolgt ist oder nicht, sondern ob durch die gegenständliche Dienstbarkeitseinräumung ein Tatbestand iSd Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz erfüllt wurde.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist die schenkungssteuerrechtliche Beurteilung des Servitutsbestellungsvertrages.

Auf Grund der Bestimmung des § 3 Abs. 1 ErbStG gelten als Schenkung iSd ErbStG nicht nur Schenkungen im Sinne des bürgerlichen Rechts sondern auch jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ua. ) dann vor, wenn a) die Zuwendung unter Lebenden erfolgt, b) der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird und sich der Bereicherung nicht bewusst ist (andernfalls aber würde eine gleichfalls nach § 3 Abs. 1 Z 1 ErbStG steuerpflichtige Schenkung im bürgerlich-rechtlichen Sinn vorliegen) und c) der Zuwendende den (einseitigen) Willen hat, den Bedachten auf seine Kosten zu bereichern, d.h. diesem unentgeltlich etwas zuzuwenden.

Voraussetzung für das Vorliegen einer Schenkung im Sinn des § 3 Abs. 1 ErbStG ist daher einerseits eine objektive Bereicherung des Bedachten und in subjektiver Hinsicht, dass der Zuwendende den (einseitigen) Willen hat, den Bedachten auf seine Kosten zu bereichern.

Dabei genügt es für den Bereicherungswillen, dass die zuwendende Partei die Bereicherung des Empfängers in Kauf nimmt, wobei der Bereicherungswille von der Abgabenbehörde auch aus dem Sachverhalt erschlossen werden kann. Ein Bereicherungswille ist insbesondere bei Zuwendungen unter Angehörigen zu vermuten, weil Familienbande Gestaltungen nahe legen, zu denen gegenüber Fremden üblicherweise kein Anlass besteht (vgl. ua. ).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsgeschäft zwischen Schwager und Schwägerin, weshalb aus der Nahebeziehung auf einen (zumindest bedingten) Bereicherungswillen des Servitutsbestellers geschlossen werden könnte. Außerdem ist in Punkt III des Vertrages ausdrücklich von einem "ansonsten unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrecht" die Rede, was ebenfalls darauf hindeutet, dass eine Bereicherung der Bw. vom Servitutsbesteller zumindest in Kauf genommen wurde. Betrachtet man nur den Inhalt des Servitutsbestellungsvertrages (und nur dieser war dem Finanzamt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bekannt), so scheinen in subjektiver Hinsicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer freigebigen Zuwendung erfüllt zu sein. Das Finanzamt ging bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zu Recht davon aus, dass die Bw. auch objektiv gesehen bereichert wurde.

Im vorliegenden Fall wurde durch den Investitionskostenbeitrag der Bw. einerseits der Wert der Liegenschaft gesteigert und leitet sich anderseits ein Teil des Wertes des der Bw. nunmehr eingeräumten Wohnrechtes aus ihren eigenen Geldleistungen ab. Daher haben diese Leistungen der Bw. einen Einfluss darauf, ob durch den Servitutsbestellungsvertrag im Vermögen der Bw. eine Bereicherung eingetreten ist.

Die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Bereicherung vorliegt, ist nicht auf Grund der steuerlichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, sondern auf Grund eines Vergleiches der Verkehrswerte = gemeinen Werte zu treffen, weil die Steuer von Schenkungen auf dem Grundsatz der objektiven Bereicherung einer Person beruht. Eine solche Bereicherung ergibt sich grundsätzlich nicht aus steuerlichen Bewertungsvorschriften, die nur der Ermittlung einheitlicher Durchschnittswerte dienen sollen. Dies auch aus der Überlegung, dass im täglichen Leben nicht die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften die grundlegende Wertvorstellung der Vertragspartner über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussen (siehe dazu Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 51b zu § 3, mit einer Vielzahl an weiterer Judikatur).

Gegenstand einer Schenkung oder einer freigebigen Zuwendung kann jede im Verkehr stehende Sache sein, sofern sie von wirtschaftlichem Wert ist (). Auch die Gewährung von Vermögensgebrauch ist ein der Steuer unterliegender Vorteil (Hinweis Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, § 3 ErbStG, Rz 14). Ob dabei das Gebrauchsrecht an einer unbeweglichen Sache im Grundbuch eingetragen worden ist oder nicht, ist für die Besteuerung dieses Rechts nicht von Bedeutung (vgl. und ).

Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), sind gemäß § 17 Abs. 2 BewG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen. Der übliche Mittelpreis am Verbrauchsort ist der Betrag, den der Empfänger der Sachbezüge am Verbrauchsort hätte aufwenden müssen, um sich die Güter und Leistungen im freien Wirtschaftsverkehr zu beschaffen. Der Wortlaut des Gesetzes "ortsübliche Mittelpreise" weist darauf hin, dass der Wert nach objektiven Kriterien zu ermitteln ist, das heißt also, es muss der Betrag errechnet werden, den der Leistungsempfänger aufwenden müsste, um sich die Leistungen am Verbrauchsort zu beschaffen.

Als Wert eines Wohnrechtes kann dabei ein Wert angesetzt werden, der auch unter Fremden im Fall einer Vermietung zu erzielen ist. Maßstab für die Bewertung des Wohnrechtes ist daher der ortsübliche Mietzins am Verbrauchsort, den der Begünstigte als Miete aufwenden müsste, um in der gegenständlichen Wohnung wohnen zu können. Dabei ist die Größe der Wohnung genauso ausschlaggebend wie die bauliche Situation im Einzelfall. Fehlen im Vertrag Angaben über die genauen Verhältnisse, kann der Richtwert nach dem Richtwertgesetz herangezogen werden.

Im vorliegenden Fall wurde der Bw. laut Vertrag ein Wohnrecht an der im Dachgeschoß gelegenen abgeschlossenen Wohnung mit einer Wohnnutzfläche von 100 m² eingeräumt.

Der Richtwert für eine "Normwohnung" in der Steiermark betrug ab pro m² 6,30 € monatlich. Dieser Richtwert ist jedoch ein Durchschnittswert für die ganze Steiermark, in welchem z.B. auch Mietpreise für den Bereich Graz miterfasst sind.

Differenzierter sind die Werte nach dem von der Bundesinnung der Immobilien- und Vermögenstreuhänder herausgegebenen Immobilien-Preisspiegel. Laut diesem betrug der durchschnittliche Wohnwert für Mietwohnungen gemäß § 1 Abs. 4 MRG (frei vereinbarter Mietzins) für den Bezirk F für das Jahr 2006 5,5 €.

Unter Zugrundelegung dieses differenzierteren Wertes stellt sich die steuerliche Berechnung des Wertes des Wohnungsrechtes dar wie folgt:

100 m² x 5,5 x 12 x 17,638754 (gemäß § 16 BewG) = 116.415,77 €

Schließen die Parteien einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen vermischten Vertrag, so liegt eine gemischte Schenkung vor. Ein wesentliches Anzeichen für die Annahme einer gemischten Schenkung stellt ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dar. Ein solches Missverhältnis liegt dann vor, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße, für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt (vgl. ).

Im vorliegenden Fall wurde der Wert des Wohnungsgebrauchsrechtes mit 116.415,77 € ermittelt. Stellt man diesen Betrag dem von der Bw. erbrachten Geldleistung in Höhe von 11.000,-- € gegenüber, so zeigt sich, dass der Wert des der Bw. eingeräumten Wohnrechtes und die von der Bw. getätigten Aufwendungen in einem solchen Missverhältnis stehen, dass sich für die Bw. auf jeden Fall eine Bereicherung und für ihren Schwager eine Vermögenseinbuße ergibt.

Aufgrund des dem Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht immanenten Bereicherungsprinzipes darf jedoch nach der ständigen VwGH-Judikatur (siehe ; ; ) ein Nutzungsrecht nicht höher als mit dem steuerlichen Wert (= Einheitswert) des Wirtschaftsgutes selbst, an dem das Nutzungsrecht eingeräumt wird, bewertet werden.

Soferne also - wie im Gegenstandsfalle - ein nach objektiven Maßstäben gemäß den §§ 16 und 17 BewG ermittelter Wert des Nutzungsrechtes den Einheitswert der Liegenschaft übersteigt, ist als Wertansatz höchstens der Einheitswert als Obergrenze heranzuziehen.

Nachdem die Gesamtwohnnutzfläche des Hauses 200 m², die Wohnnutzfläche der gegenständlichen Wohnung 100 m² beträgt, ist die Steuerbemessung vom hälftigen anteiligen und dreifachen Einheitswert des Hauses, das sind 44.257,74 €, vorzunehmen. Ausgehend von diesem hälftigen dreifachen Einheitswert bemisst sich die Schenkungssteuer unter Berücksichtigung der Gegenleistung von 11.000,-- € sowie des Freibetrages von 110,-- € gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG (Stkl. V) mit 20 % von 33.147,-- €, das sind 6.629,40 €.

Zu den Einwendungen der Bw. im Hinblick auf das erfolgte und bereits abgeschlossene Schuldenregulierungsverfahren ist noch festzuhalten, dass dieser Umstand allenfalls erst im Zuge der Abgabeneinbringung berücksichtigt werden kann, nicht jedoch im gegenständlichen Verfahren.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Berufung insgesamt nur ein teilweiser Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden. Der Differenzbetrag in Höhe von 12.906,60 € wird abgeschrieben.

Graz, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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