Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSK vom 14.11.2011, RV/0269-K/08

Haftung des handelsrechtlichen Geschäftsführers

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0269-K/08-RS1
Ein Geschäftsführer, welcher die GmbH alleine selbständig vertritt, kann sich nicht mit dem Einwand, er habe auf die operative Tätigkeit der GmbH keinen Einfluss genommen und sich lediglich um technische Agenden gekümmert, von seiner Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten befreien. Die mangelnde Wahrnehmung buchhalterischer und abgabenrechtlicher Belange des Geschäftsführers stellt ein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Selbstbemessungsabgaben dar.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des JE, Geschäftsführer, geb. 1960, K, S Gasse 10, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt, K, Dr. KR Promenade 10, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes O, vertreten durch Mag. EM, vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO im Beisein der Schriftführerin MZ nach der am in St.K, AStr. 7, Verhandlungssaal 503, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag auf € 21.706,06 eingeschränkt.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (im Folgenden: Bw.) vertrat seit als handelsrechtlicher Geschäftsführer selbständig die Firma JGmbH, über die am mit Beschluss des Landesgerichtes L das Ausgleichsverfahren, Aktenzahl 12w 3/06d, eröffnet wurde. Das monatliche Nettoeinkommen betrug ca. € 2.600,00. Zum Ausgleichsverwalter wurde Herr Rechtsanwalt Dr. F. bestellt. Der Bw. stellte im Antrag auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens vom die Vermögensverhältnisse dar.


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Vermögensverzeichnis

Aktivpositionen
Betrag in €
Maschinen, Fahrzeuge und Gerätschaften
€ 70.000,00
Warenvorräte
€ 3.000,00
Kundenforderungen
€ 40.000,00
Büroausstattung
€ 1.000,00
Summe
€ 114.000,00
Passivpositionen
Forderungen laut Gläubigerliste
€ 464.942,05
Abgleichung
Aktiva
€ 114.000,00
Passiva
€ 464.942,05
Überschuldung
€ 350.942,05

Die gesamten angemeldeten Ausgleichsforderungen betrugen schließlich € 611.760,62. Neben dem Finanzamt war die Gebietskrankenkasse mit einer Forderung in Höhe von € 73.709,06 der größte Gläubiger.

Im Unternehmen waren zum Zeitpunkt der Eröffnung des Ausgleiches neun Mitarbeiter angestellt. Aus dem Abstimmungsverzeichnis im Ausgleichsverfahren ergibt sich dazu, dass an die Mitarbeiter für die Monate April, Mai bis einschließlich keine Löhne mehr bezahlt wurden (Positionen 16-24 des Abstimmungsverzeichnis vom ).

Das Finanzamt meldete vorerst unter Zugrundelegung des Rückstandsausweises vom Forderungen in Höhe von € 92.769,74 an. Im Anmeldungsverzeichnis sind auch die verfahrensgegenständlichen Haftungsbeträge erfasst.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom wurde der Ausgleichsvorschlag von der Gläubigermehrheit angenommen. Die Gläubiger erhielten eine Quote in Höhe von 40% ihrer Forderungen. Am wurde das Ausgleichsverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleiches aufgehoben.

Auf das Finanzamt entfiel, ausgehend von insgesamt angemeldeten Forderungen in Höhe von € 135.776,69, ein Betrag in Höhe von € 54.310,68, welcher in drei aufeinanderfolgenden Jahresraten zu bezahlen war (Schreiben vom ).

Ausgehend von diesem Sachverhalt zog das Finanzamt den Bw. mit angefochtenem Bescheid vom zur Haftung für uneinbringliche Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin zur Haftung heran. Diese setzten sich reduziert um die Ausgleichsquote in Höhe von 40%, wie folgt zusammen:


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Zeitraum
Abgabenart
Betrag in €
09/2005
Umsatzsteuer
7.256,96
11/2005
Umsatzsteuer
2.502,43
12/2005
Umsatzsteuer
3.295,57
2/2006
Umsatzsteuer
351,20
3/2006
Umsatzsteuer
1.523,25
4/2006
Umsatzsteuer
1.000,07
2003
Lohnsteuer
1.264,78
2004
Lohnsteuer
1.787,38
2005
Lohnsteuer
1.994,62
11/2005
Lohnsteuer
1.305,47
12/2005
Lohnsteuer
811,76
1/2006
Lohnsteuer
816,58
2/2006
Lohnsteuer
670,51
3/2006
Lohnsteuer
925,69
4/2006
Lohnsteuer
741,62
Gesamtbetrag
26.247,89

Begründend wurde auf die Rechtslage verwiesen.

Bereits mit Schriftsatz vom ersuchte das Finanzamt den Bw. um Darlegung jener Gründe, welche zur Nichtentrichtung der Abgabenschulden geführt haben. Um Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger zum Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben wurde ersucht.

In der Berufung vom führte der Bw. wie folgt schriftlich aus:

"Der gegenständliche Haftungsbescheid wird seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten. Mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid wird mir vorgeworfen, ich hätte es als Geschäftsführer der JH GmbH. unterlassen, eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung im Rahmen dieses Zeitraumes vom September 2005 bis zur Eröffnung des Ausgleichsverfahren über das Vermögen der Firma JH GmbH. durchzuführen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe sehr wohl eine ausgewogene Gläubigergleichbehandlung durchgeführt, sodass insbesondere im Verlauf des Jahres 2005 große Zahlungen an das Finanzamt O geleistet wurden, die in keinem Verhältnis dazu stehen, dass andere Gläubiger unbefriedigt geblieben sind. Bei genauer Betrachtungsweise würde in diesem Zusammenhang eher eine Gläubiger-Sonderbegünstigung abzuleiten sein, als umgekehrt mir dies jetzt seitens des Finanzamtes O mit diesem Bescheid zum Vorwurf gemacht wird. Natürlicherweise wurden diese großen Zahlungen des Jahres 2005 mit dem Betrag von EUR 30.000,-- vom , EUR 73.095,- am auf bestehende Rückständen angerechnet, dass jedoch nichts daran ändert, dass es diese Zahlungen, die in keinem Verhältnis zur Situation anderer Gläubiger stehen, geleistet wurden. Tatsächlich wurden diese Zahlungen erbracht, die unter Beachtung von Haftungsgrundsätzen zwar nicht tatsächlich auf die beschriebenen Zahlungsrückstände anzurechnen waren, jedoch im Sinne einer Gläubigergleichbehandlung sehr wohl auch für laufende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen gewesen wären. Seitens des Finanzamtes wurde bei Erlassung gegenständlichen angefochtenen Bescheides diese Berücksichtigung geleisteter Zahlungen übersehen bzw. geflissentlich unterlassen.

Ich werde noch im Verlauf dieses Berufungsverfahren entsprechende Berechnungen vorlegen, aus denen sich ergeben wird, dass sehr wohl nicht nur eine Gleichbehandlung sondern geradezu eine Bevorzugung des Finanzamtes vorgenommen wurde, da in diesem Bereich offensichtlich andere Gläubiger nicht mehr zur teilweisen Befriedigung gekommen sind.

Ausdrücklich verweise ich im Zusammenhang mit dem gegenständlichen angefochtenen Haftungsbescheid des Finanzamtes O darauf, dass grundsätzlich die Inanspruchnahme von Haftungen seitens des Finanzamtes im Ermessen der Abgabenbehörde liegt. Diese Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht genommenen Umstände gemäß § 20 BAO zu treffen. Eine Auslegung des § 20 BAO wird somit in diesem Zusammenhang dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berichtigte Interessen der Partei" und dem Gesetzesbegriff ,,Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben beizumessen sein. In gleicher Weise wird dies durch das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom , 95/16/0082, zum Ausdruck gebracht.

Bei der Ermessensentscheidung sind nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgabenschuld (Haftungsschuld), sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen in Betracht zu ziehen (Vergleiche VWGH , 2003/17/0132). Der Erlass von Haftungsbescheiden ist eine Einhebungsmaßnahme, wie dies auch vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Entscheidung vom , 94/14/0156 zum Ausdruck gebracht wird. Ist die haftungsgegenständliche Abgabe beim Haftungsschuldner uneinbringlich, so wird dies gegen die Erlassung eines gegen ihn gerichteten Haftungsbescheides sprechen. Auch das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung im Sinne der §§ 236 bzw. 237 BAO, etwa wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben, spricht gegen die Inanspruchnahme persönlich haftender (siehe Ritz, Verwaltungsökonomie als Ermessenskriterium, Österreichische Steuerzeitung 1996, 70). Da es sich bei der Haftungsinanspruchnahme um eine Maßnahme der Abgabeneinhebung handelt, sind ebenfalls die in der Rechtsprechung zur Abgabennachsicht entwickelten Grundsätze auch im Rahmen der Ermessensübung bei einer Haftungsinanspruchnahme zu berücksichtigen. Für die Haftungsinanspruchnahme besteht auch dann ein Ermessenspielraum, wenn die Abgaben beim Abgabenschuldner uneinbringlich sind (vergleiche ). Die Ermessensentscheidung umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgesehenen Rahmens, wie dies vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Entscheidung vom , 2002/14/0123 zum Ausdruck gebracht wird. Da die Abgabenbehörde somit den Haftenden auch nur hinsichtlich einer Teilschuld in Anspruch nehmen kann, ist im Rahmen der Ermessensübung daher auch zu begründen, aus welchen Erwägungen eine Inanspruchnahme mit dem gesamten unberichtigten Abgabenbetrag und nicht nur mit einem Teilbetrag erfolgt. Bisher war jedoch den diesbezüglichen Vorwürfen und Ankündigungen des Finanzamtes O eine Begründung für die vom Finanzamt angekündigte "Ermessenentscheidung", mich für alle im Zeitpunkt der Bescheiderlassung am Abgabenkonto der Firma JGmbH aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Anspruch zu nehmen, nicht vorhanden.

Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass ich derzeit über ein monatliches Nettoeinkommen von € 900,-- aus meinem Dienstverhältnis verfüge, dass gegen mich weitere Forderungen gerichtet sind, welche allesamt von mir zu berücksichtigen sein werden.

Mit weiteren Schriftsatz vom führte der Bw. ergänzend hinsichtlich der Frage der Gleichbehandlung aller Gläubiger aus:

"Die Forderung des Finanzamtes O. wird in der Bilanz zum mit dem Betrag von EUR 42.720,10 ausgewiesen, während die offene Forderung des Finanzamtes O. in der Bilanz per mit EUR 31.287,20 zu Buche steht. Es hat somit nominell im Verlauf des Jahres 2005 eine Reduktion der Forderung des Finanzamtes um über EUR 11.000,-- gegeben. Dem steht gegenüber, dass in diesem Zeitpunkt die Lieferverbindlichkeiten der Firma JH GesmbH. von der in der Bilanz zum ausgewiesenen Summe von EUR 183.024,11 auf in der Bilanz zum ausgewiesene EUR 260.819,9 gestiegen ist, was einer Zunahme der Lieferverbindlichkeiten um gerundet EUR 78.000,-- entspricht. Diese beiden Zahlen, nämlich einerseits die Verbindlichkeit der Firma JH GmbH. gegenüber dem Finanzamt O. und andererseits die Verbindlichkeiten gegenüber sonstigen Gläubigern spiegeln den diametralen Gegensatz wieder, aus dem sich in diesem Zeitraum zweifellos eine Bevorzugung des Finanzamtes O. im Zusammenhang mit der Tilgung deren offener Verbindlichkeiten errechnet."

Den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger zum Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeiten der Abgaben kam der Bw. trotz zwei gewährter Fristerstreckungen nicht erbracht.

Das Finanzamt wies daher mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung als unbegründet ab und verwies begründend darauf, dass der Geschäftsführer den Nachweis der Gleichbehandlung der Gläubiger im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Abgaben nicht erbracht und somit der ihn treffenden Obliegenheit nicht entsprochen habe.

Hinsichtlich der Lohnsteuer wies das Finanzamt auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1998 hin, wonach der Arbeitgeber in Fällen, in welchen die Mittel zur Zahlung des vollen Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, den entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, sodass auch die Lohnabgaben von diesem Betrag gedeckt werden können.

Im Vorlageantrag vom bestreitet der Bw. weiterhin das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung und führt ergänzend aus, dass er für die technischen Angelegenheiten im Unternehmen zuständig gewesen sei. Er habe auf die Abgabenverkürzungen keinen Einfluss gehabt.

In der am abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass die Betriebsstätte der Primärschuldnerin im Jahre 2010 abgebrannt ist und die Bezirkshauptmannschaft den weiteren Betrieb mit sofortiger Wirkung untersagt hat.

Die Betriebstätte werde saniert, um sie im Dezember 2011 wieder in Betrieb nehmen zu können. Geschäftsführer ist nunmehr Herr JH. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Primärschuldnerin sind schlecht; ebenso die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw., weil dieser direkt vom Unternehmen abhängig ist. Der Bw. arbeitet im Unternehmen und verdient monatlich € 1.310,00 netto (Gehaltsbestätigung vom ).

Der Bw. sei bereit, einen Teil in Höhe von etwa € 12.000,00 als Haftungsschuld anzuerkennen.

Zur Anzahl der Mitarbeiter wurde ausgeführt, dass von ursprünglich 18 Angestellten nur mehr 9 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt waren. Diese haben, wie im Anmeldungsverzeichnis dargestellt, tatsächlich ab April 2006 bis kein Gehalt mehr bekommen. Die Amtsvertreterin ergänzt dazu, dass sich dies auch aus dem Bericht über die Prüfung der Lohnabgaben in diesem Zeitraum ergibt.

Zur Frage der Befugnisse des Bw. gab der Vertreter an, er habe alle Befugnisse gleich einem handelsrechtlichen Geschäftsführers ausgeübt, insbesondere war er allein vertretungsbefugt und bei der Bank zeichnungsberechtigt. Er habe in dieser Zeit auch das doppelte Gehalt bezogen.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw. haben sich seit dem Jahr 2007 nicht verbessert. Er erhält nunmehr den halben Lohn vorangegangener Jahre und besitze kein Vermögen. Er verfüge über ein Leasingfahrzeug.

Aus dem Veranlagungsakt ergibt sich, dass der Bw. gegenüber der Abgabenbehörde allein zeichnungsberechtigt gewesen ist (Unterschriftsprobenblatt vom ).

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die Primärschuldnerin beendete das Ausgleichsverfahren am mit einem 40%-tigen Ausgleich der Gesamtverbindlichkeiten. Damit steht fest, dass die Abgabenschulden in Höhe von 60 Prozent uneinbringlich sind. Zu prüfen ist, ob eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Bw. vorliegt, die zur Uneinbringlichkeit der Abgaben führte.

Im Berufungsverfahren begründete der Bw. seine Ansicht einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insbesondere damit, dass er zwar rein formell handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen sei, er jedoch im technischen Bereich des Unternehmens tätig gewesen ist und auf die Bezahlung der Abgaben keinen Einfluss gehabt habe.

Er habe auf die wirtschaftlichen Entwicklungen und die Abwicklung der abgabenrechtlichen Belange des Unternehmens keinen Einfluss gehabt. Er habe die technischen Abläufe im Unternehmen überwacht. Im Übrigen habe das Finanzamt 2005 mehr als die anderen Gläubiger erhalten.

Mit diesem Vorbringen kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. , , 2004/14/0030) ist es Aufgabe des Vertreters darzutun, weshalb er den ihm auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, insbesondere nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit gewesen ist. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel.

Wenn die Bw. nunmehr vorbringt, nicht er habe die Tätigkeiten eines Geschäftsführers tatsächlich ausgeübt und auf die steuerlichen Agenden keinen Einfluss gehabt, ist darauf zu verweisen, dass der Bw. in den maßgeblichen Zeiträumen alleiniger Geschäftsführer der GmbH gewesen ist, ein Fall der Agendenverteilung unter mehreren handelsrechtlichen Geschäftsführern (vgl. hiezu die bei Ritz, BAO-Kommentar3, Tz 23 zitierte Rechtsprechung) sohin nicht vorliegt. Die Betrauung Dritter mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten befreit den Geschäftsführer aber nicht davon, den Dritten zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die ausschließen, dass dem Geschäftsführer Steuerrückstände verborgen bleiben (, , 2001/14/0099). Unterbleibt die Überwachung, liegt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor.

Im Übrigen gab der Bw. als Vertreter der Primärschuldnerin gegenüber dem Finanzamt im Unterschriftsprobenblatt vom an, dass er für die GmbH als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer Erklärungen fertige.

Zur Haftungsinanspruchnahme für die Lohnsteuer hat bereits das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung auf § 79 Abs. 1 EStG 1988 hingewiesen, dem zufolge der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am fünfzehnten Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt abzuführen hat. Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen (). Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, ausdrücklich aufrecht erhaltenen ständigen Rechtsprechung des VwGH fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne der §§ 80 ff. BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet. Es stellt somit jede Zahlung voller vereinbarter Löhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel für die darauf entfallende Lohnsteuer nicht ausreichen, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar. Der Unabhängige Finanzsenat gelangt daher zur Ansicht, dass die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin auf ein schuldhaftes Verhalten des Bw. zurückzuführen ist, sodass die Abgabenbehörde auch davon ausgehen darf, dass seine Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der Abgabe war.

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Schulden nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Schulden verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die aushaftenden Abgabenschulden zur Gänze (zB ). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter (vgl. dazu ). Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären; maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wurde (Ritz, BAO-Kommentar 2, § 9 Tz 10). Wie bereits ausgeführt, hat der Vertreter nachzuweisen, dass bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits, der Abgabengläubiger nicht schlechter behandelt wurde als die übrigen Gläubiger (, , 2001/16/0291). Diesen Nachweis führte der Bw. trotz Aufforderung nicht.

Der Einwand, dass der Abgabengläubiger sei durch Abdeckung älterer Rückstände im Jahre 2005 nicht benachteiligt, sondern anderen Gläubigern gegenüber sogar bevorzugt gewesen sei, stellt nach der Rechtsprechung des VwGH () keine ausreichend konkrete, sachbezogene Behauptung dar, die der einem Geschäftsführer obliegenden besonderen Behauptungs- und Beweislast genügt.

Daran vermag auch der Vergleich der Bilanzen zum und zum deshalb nichts ändern, weil darin die tatsächlich an die übrigen Gläubiger geleisteten quotenmäßigen Zahlungen nicht ersichtlich sind, sodass ein Vergleich der Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde mit den Forderungen aller anderen Gläubiger nicht möglich ist.

Zur Höhe der Haftungssumme gelangt der Referent beim Unabhängigen Finanzsenat aufgrund der Tatsache, dass die Primärschuldnerin ihren neun Mitarbeitern die Löhne für den Lohnzahlungszeiträume April, Mai 2006 nicht mehr bezahlt hat zu der Erkenntnis, dass die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bereits im Laufe des Monates April vorgelegen haben muss.

Jene Selbstbemessungsabgaben, welche ab gesetzlich fällig geworden sind, werden daher aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden.

Dabei handelt es sich um die Lohnsteuern der Lohnzahlungszeiträume März 2006 in Höhe von € 925,69, April 2006 in Höhe von € 741,62 sowie die Umsatzsteuerzahllasten der Voranmeldungszeiträume Feber 2006 in Höhe von € 351,20, März 2006 in Höhe von € 1.523,25 und April 2006 in Höhe von € 1.000,07, insgesamt € 4.541,83.

Die Umsatzsteuervorauszahlung April 2006 war nach der Ausgleichseröffnung fällig.

Die haftungsrelevanten Abgaben stellen sich daher wie folgt dar:


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Tabelle

Zeitraum
Abgabenart
Betrag in €
09/2005
Umsatzsteuer
7.256,96
11/2005
Umsatzsteuer
2.502,43
12/2005
Umsatzsteuer
3.295,57
2003
Lohnsteuer
1.264,78
2004
Lohnsteuer
1.787,38
2005
Lohnsteuer
1.994,62
11/2005
Lohnsteuer
1.305,47
12/2005
Lohnsteuer
811,76
1/2006
Lohnsteuer
816,58
2/2006
Lohnsteuer
670,51
Gesamtbetrag
21.706,06

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessender Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat.

Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschulden beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. ). Der Bw. war im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden der einzige handelsrechtliche Geschäftsführer der GmbH, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinn des § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff BAO. Die Abgabenschulden können bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden.

Soweit der Bw. meint, er verdiene derzeit monatlich € 1.300,00 und verbleiben ihm lediglich € 700,00 nach Abzug der Lebenshaltungskosten, ist er darauf hinzuweisen, dass er mit einem Nettoeinkommen in Höhe von € 1.310,00 doch deutlich über dem vom Gesetzgeber angesetztem Existenzminimum liegt. Der Umstand der Vermögenslosigkeit vermag daran nichts zu ändern. Darüber hinaus hat der Bw. keine in seiner wirtschaftlichen Lage gelegenen Billigkeitsgründe vorgetragen, weswegen das Finanzamt in der Inanspruchnahme des Bw. als Haftenden zu Recht keine Unbilligkeit im Sinn einer Unzumutbarkeit erblickt hat.

Soweit der zur Haftung Herangezogene mit seinem Vorbringen, er sehe sich auf Grund seiner wirtschaftlichen Lage nicht im Stande, die gesamte bei ihm geltend gemachte Haftungssumme zu bezahlen, allenfalls eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigen wollte, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (, Rechtsatznummer 4; ).

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber aufgrund seines Alters (41 Jahre) durchaus noch länger im Arbeits- und Erwerbsleben integriert ist und in der Lage sein wird, zumindest einen Teil der Haftungssumme aufzubringen.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Abgabenausfall (Schaden), welchen das Finanzamt erleidet, während seiner Zeit als Geschäftsführer entstanden ist und der Bw. die pflichtwidrige Nichtentrichtung der Selbstbemessungsabgaben ab September 2005 alleine zu verantworten hat.

Es bestehen seitens der Abgabenbehörde zweiter Instanz im gegenständlichen Fall keine Bedenken, wenn dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung gegenüber dem Einzelinteresse des Bw. der Vorzug gegeben wurde.

Das Finanzamt ist daher in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen. Der Bw. war gem. § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung heranzuziehen.

Aus den dargelegten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at