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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.10.2017, RV/6100437/2007

Haftungstatbestand des § 12 BAO; Umstände, die im Rahmen der Ermessensübung Berücksichtigung finden können (Schuldenregulierungsverfahren, Verfahrenslänge, Höhe der Haftsumme, persönliche Umstände);

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. DSW in der Beschwerdesache XXX, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Salzburg-Stadt vom , betreffend Haftungsinanspruchnahme gemäß § 12 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Bescheid vom wurde die Bf gemäß § 12 BAO als Haftungspflichtige für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der XX (KEG) im Ausmaß von € 7.069,01 (siehe Tabelle unten) mit folgender Begründung in Anspruch genommen:

Die Haftungsinanspruchnahme stützt sich auf § 12 BAO. Demnach haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichen Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Die Bf ist entsprechend dem Firmenbucheintrag zu FN AAA persönlich haftende Gesellschafterin der Firma KEG.

Gesellschafter einer KEG haften uneingeschränkt, solidarisch und persönlich mit Ihrem Privatvermögen.

Die Haftungsinanspruchnahme erfolgt daher rechtmäßig.

Eine allfällige Verschuldensfrage ist nicht relevant. Inwieweit Geld allenfalls zu Unrecht einbehalten wurde, ist eine Rechtsfrage, welche im Streit zwischen den Vertragsparteien zu klären wäre und ist für das Haftungsverfahren nicht relevant.

Tabelle:

Gegen den Haftungsbescheid vom  brachte die Bf am das Rechtsmittel der Berufung ein, welches aufgrund des Überganges der Rechtssache auf das Bundesfinanzgericht als Beschwerde zu werten ist.

Der Schriftsatz lautet wie folgt:

Der Bescheid wird zur Gänze angefochten und zur Begründung ausgeführt, dass die Bf einerseits fiir die geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten nicht haftet und andererseits hinsichtlich dieser Abgabenschuldigkeiten bereits zumindest zum Teil Festsetzungsverjährung gemäß §. 207 BAO eingetreten ist, jedenfalls aber die im Bescheid angegebenen Abgabenschuldigkeiten einhebungsverjährt sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid ebenfalls eine Einhebungsmaßnahme dar und ist nur dann zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist. Der gegenständliche Haftungsbescheid war daher nicht zulässig. Im übrigen ist Verjährung auch nach zivilrechtlichen Vorschriften eingetreten.

Im übrigen wurde über das Vermögen der Bf zur Aktenzahl BBB des Bezirksgerichtes Salzburg das Schuldenregulierungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom wurde das Abschöpfungsverfahren rechtskräftig eingeleitet und ein Treuhänder bestellt. Mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid wird eine vorher nicht bestandene Haftung rechtlich erst begründet. Die Erlassung eines derartigen Bescheides ist im Abschöpfungsverfahren nicht mehr zulässig, zumal die Forderung im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet wurde.

Am wurde die Beschwerde von der Abgabenbehörde mittels BVE mit folgender Begründung abgewiesen:

Die Haftungsinanspruchnahme stützt sich auf § 12 BAO. Demnach haften Sie als unbeschränkt haftende Gesellschafterin laut Firmenbucheintragung zu FN AAA persönlich für die Abgabenschuldigkeiten der Personenvereinigung.

In der Beschwerde wird behauptet, dass die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten für die Sie mit Haftungsbescheid vom in Anspruch genommen wurden, sowohl der Festsetzungs- als auch der Einhebungsverjährung unterliegen.

Die Festsetzung der entsprechenden Abgaben erfolgte in den Jahren 2003 und 2004, eine Verjährung gem. § 207 BAO liegt daher nicht vor.

Für den Haftungspflichtigen gibt es eine eigene Fälligkeit, von der ausgehend die Einhebungsverjährung läuft. Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Durchsetzung des Abgabenanspruches unterbrechen die Einhebungsverjährung (§ 238 Abs.2 BAO) und sie beginnt mit Abaluf des Kalenderjahres, in welchem die Unterbrechungshandlung gesetzt wurde, neu zu laufen.

Wie bereits erwähnt, erfolgte die Festsetzung der von der Haftung umfassten Abgaben erst in den Jahren 2003 und 2004. Unterbrechungshandlungen zur Verhinderung des Eintritts der Einhebungsverjährung wären folglich bis dato nicht erforderlich gewesen, obwohl solche mehrfach erfolgten (Forderungspfändungen, Versteigerung, abweisender Zahlungserleichterungsbescheid etc.).

Die Nichtanmeldung einer Forderung im Insolvenzverfahren hat grundsätzlich nicht den Verlust der Forderung zur Folge. Nach § 207 K0 sind Konkursgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, bei den Verteilungen zu berücksichtigen, wenn ihre Forderungen feststehen und die Konkursgläubiger dies dem Treuhänder angezeigt haben.

Mit Schriftsatz vom  stellte die Bf einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde II. Instanz (jetzt: BFG).

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des wurde der streitgegenständliche Fall, der ursprünglich der Gerichtsabteilung 7012 des BFG zugeteilt war, nunmehr der Gerichtsabteilung 7014 des BFG zugeteilt. Damit bestand für die nun zuständige Gerichtsabteilung 7014 des BFG erst ab die Möglichkeit das streitgegenständliche Verfahren zu führen.

Zum Schuldenregulierungsverfahren ( Aktenzahl BBB) der Bf, das am bekannt gemacht wurde, ist folgendes aktenkundig:

Mit Beschluss vom wurde das Abschöpfungsverfahren beendet und der Schuldnerin die Restschudbefreiung nicht erteilt. Dem von der Schuldnerin erhobenen Rekurs wurde schlussendlich keine Folge gegeben. Die Entscheidung über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ohne Erteilung der Restschudbefreiung wurde rechtskräftig ().

Die Bf wurde im Haftungsverfahren ursprünglich von RA Dr. Andreas Arnold vertreten, der - nach telefonischer Kontaktaufnahme - das BFG auf die Eröffnung eines weiteren Schuldenregulierungsverfahrens die Bf betreffend und zwar mit Datum , BG Oberndorf, Aktenzeichen CCC, aufmerksam machte und den entsprechenden Auszug aus der Ediktsdatei dem BFG  am übermittelte. Im Zahlungsplan findet sich eine Quote von 14,5 %. Der Zahlungsplan wurde mit April 2016 rechtskräftig bestätigt und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.

Die Abgabenbehörde wurde darüber informiert und ist dem nicht entgegengetreten. 

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

Rechtslage und Erwägungen:

Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Die Gesellschafter werden vom Haftungstatbestand des § 12 BAO erfasst. Dabei kommt es auf die "förmliche Gesellschafterstellung", auf die nach Gesellschaftsrecht zu beurteilende Gesellschafterstellung an (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 147 f). Der persönlich haftende Gesellschafter einer KEG haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich (). Der Komplementär der Kommanditgesellschaft haftet gemäß § 128 UGB unmittelbar, primär, unbeschränkt, unbeschränkbar, persönlich und solidarisch.

Laut Firmenbuch hat die Bf seit  die KEG als unbeschränkt haftende Gesellschafterin selbständig vertreten, sodass sie für die Abgabenschuldigkeiten der KEG auch in Anspruch genommen werden konnte.

Die Geltendmachung der Haftung ist allerdings eine Ermessensentscheidung, die sich gemäß § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten hat, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billligkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.  Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist daher auch jeweils die Einbringlichkeit der Abgabenschulden zu prüfen ().

Die Haftung nach § 12 BAO ist zwar keine Ausfallshaftung, jedoch das Prinzip der Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme der Gesellschaft ist zu berücksichtigen. Der Haftende kann somit in der Regel nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgaben bei der Gesellschaft gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Dazu ist festzustellen, dass lt Firmenbuchauszug die KEG seit  gelöscht ist.

Über die Bf wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom  ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, in dem mit Beschluss vom der Zahlungsplan mit einer Quote von 14,5 % bestätigt wurde. Mit   wurde das Schuldenregulierungsverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplanes vom  aufgehoben.

Kommt hinsichtlich von Haftenden ein Zahlungsplan zustande und wurden die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches vor der Konkurseröffnung verwirklicht, so entspricht es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () grundsätzlich der im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Billigkeit, dass sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der im Zahlungsplan festgelegten Quote orientiert.

Im streitgegenständlichen Fall war daher in einem ersten Schritt die Haftungsinanspruchnahme auf die im Zahlungsplan festgelegte Quote von 14,5 %, somit auf € 1.025,01 einzuschränken. D ie Abgabenbehörde ist weder d er Höhe des Prozentsatzes noch der Einschränkung entgegengetreten.

Aufgrund der Länge der Verfahrensdauer (10 Jahre), der geringen Haftsumme und der persönliche Umstände der Bf (geringe Pensionseinkünfte) sieht sich das BFG veranlasst, von einer Inanspruchnahme der Bf als Haftungspflichtige überhaupt Abstand zu nehmen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Erkenntnis weicht nicht von der gängigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.6100437.2007

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
SAAAC-86339