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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 29.03.2007, RV/2934-W/06

Nachsicht von Abgabenschulden bei Erbfolge

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Karl Kittinger und die weiteren Mitglieder HR Dr. Walter Mette, Gottfried Hochhauser und Reinhold Haring über die Berufung der EF, vertreten durch B-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte die Berufungswerberin (Bw.) die Nachsicht des am Abgabenkonto ausgewiesenen Rückstandes in Höhe von € 3.001,99, welcher sich aus der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2005 ergeben habe.

Herr F sei als Arbeitsgesellschafter im Jänner 2005 an der F-KEG und von Februar bis Dezember 2005 an der F-OEG beteiligt gewesen. Herr F sei am freiwillig aus dem Leben geschieden. Im Zuge der Regelung der Verlassenschaft hätten seine Eltern HF eine unbedingte Erbserklärung abgegeben, um die Kosten für die Schätzung des Hausrates etc. zu vermeiden. Die Vermögensaufstellung laut Beilage ergebe einen Reinnachlass in Höhe von € 6.044,94 und resultiere im Wesentlichen aus der Schätzung des Hausrats, Möbel, Kleidung und Wäsche in Höhe von € 10.000,00.

Nachdem für die Eltern aus diesen Gegenständen kein Erlös zu erzielen gewesen sei, würde sie die Einkommensteuernachzahlung auf Grund der unbedingten Erbantrittserklärung persönlich treffen. Aus der beiliegenden Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse sei ersichtlich, dass die Erben - auf Grund der schon fast zweieinhalbjährigen Arbeitslosigkeit des Vaters - nur über ein monatliches Einkommen in Höhe von rd. € 1.800,00 verfügten und davon ihre Fixkosten für Wohnung incl. Betriebskosten (rd. € 470,00 p.m.) und ihre Lebenshaltungskosten bestritten. Die Bw. sei der Ansicht, dass aus diesem Grund und auch auf Grund der Tragik des Ereignisses die Einhebung der Abgabenschuld für die Eltern unbillig wäre. Die Bw. glaube deshalb, dass hier im gegebenen Fall durch die persönliche Unbilligkeit der Eltern eine besondere Härte vorliege und es rechtfertigen würde, dass die Abgabenbehörde von ihrer Ermessensentscheidung Gebrauch mache und den angeführten Betrag nachsehe.

Das Finanzamt wies das Ansuchen mit Bescheid vom ab.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte die Bw. vor, dass es grundsätzlich richtig sei, dass es sich normalerweise bei der Vorschreibung der Einkommensteuer 2005 um die Auswirkung der allgemeinen Rechtslage handle, die alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise treffe. Im gegenständlichen Fall treffe jedoch die Abgabenpflicht nicht den ursprünglichen Abgabepflichtigen, da dieser auf Grund seines Selbstmordes nicht mehr dazu fähig sei. Die Abgabenpflicht sei somit auf die Erbberechtigten, in diesem Fall durch die unbedingte Erbantrittserklärung auf seine Eltern übergegangen.

Das geerbte Vermögen habe im Wesentlichen aus der Bewertung des Hausrats, der Möbel sowie der Kleidung und Wäsche mit einem geschätzten Wert von € 10.000,00 bestanden, der dem tatsächlichen Wert in keinster Weise nahe komme. Der Wertansatz sei zur Kenntnis genommen worden, um weitere Kosten zu vermeiden, die bei einer bedingten Erbantrittserklärung durch die Schätzung durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen angefallen wären. Durch die auf Grund der unbedingten Erbantrittserklärung an die Erben (Eltern) übergegangene Verpflichtung zur Zahlung der Einkommensteuer 2005 komme es sehr wohl zu einer anormalen Belastungswirkung sowie zu einem atypischen Vermögenseingriff und treffe nicht alle Abgabepflichtige in gleicher Weise.

Die Bw. sei daher der Ansicht, dass im gegenständlichen Fall eine Unbilligkeit vorliege, dass die Eltern als Erben zur Zahlung der Einkommensteuer herangezogen würden. Dies deshalb, weil die geerbten - und mit einem Wert von € 10.000,00 geschätzten - Gegenstände keinen materiellen Wert für die Eltern hätten, sondern maximal - wenn sie einige dieser Gegenstände als Erinnerung behielten- eine ideellen Wert. Dadurch ergebe sich ein Reinnachlass von fast Null, auf keinen Fall aber in Höhe der von den Eltern zu tragenden Belastung an Einkommensteuer 2005.

Zusätzlich zu der vorliegenden sowohl persönlichen als auch sachlichen Unbilligkeit liege auch für den Fall, dass die Eltern mit der Einkommensteuer 2005 belastet würden, eine - im § 236 BAO nicht geforderte - erhebliche Härte vor. Nicht nur, dass die Eltern ihren erst 35jährigen Sohn auf tragische Art und Weise verloren hätten, beziehe der Vater seit über 2 Jahren nur mehr Bezüge aus der Arbeitslosenversicherung und die Mutter beziehe aus einem Dienstverhältnis nur rd. € 1.000,00 netto. Auf Grund des ohnehin spärlichen Familieneinkommens aus dem die laufenden Lebenshaltungskosten bestritten werden müssten, hätten in der Vergangenheit die Geldmittel sorgsamst eingeteilt werden müssen. Nur dadurch habe vermieden werden können, dass Schulden aufgebaut worden seien.

Die persönliche Unbilligkeit sei deswegen gegeben, weil ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und dem im Bereich der Abgabepflichtigen (Erben) entstehenden Nachteilen vorliege. Selbst die derzeitige Entrichtung in Raten (von der Abgabenbehörde angeboten € 200,00 p.m.) stelle die Eltern vor ein fast unlösbares Problem. Einerseits lägen keine Ersparnisse vor, andererseits lägen auch keine Schulden vor. Das heiße, dass mit dem monatlichen Familieneinkommen gerade ein finanzielles Auslangen gefunden werden könne. Die derzeitige Entrichtung in Raten von € 200,00 gehe zu Lasten der Lebenssituation. Es müsse bei der Bestreitung der Lebenshaltungskosten eine massive Einschränkung erfolgen. Ziehe man vom monatlich vorhandenen Familieneinkommen die Kosten für Miete samt Betriebskosten ab, verblieben pro Tag für 2 Personen nur mehr rd. € 40,00 zur Deckung der restlichen Lebenshaltungskosten.

Auch die sachliche Unbilligkeit liege deswegen vor, weil ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten sei, das sich aus der zu hohe Schätzung des Hausrats etc. ergeben habe.

Die Bw. beantrage gemäß § 282 BAO die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat sowie gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass der mit € 10.000,00 geschätzte Hausrat samt Kleidung tatsächlich wertlos gewesen und auch aus persönlichen Gründen entsorgt worden sei. Mit einer Einkommensteuerbelastung hätten die Eltern nicht gerechnet, weswegen eine unbedingte Erbserklärung abgegeben worden sei. Der Vater beziehe mittlerweile eine Berufsunfähigkeitspension.

Laut Angaben der Amtsvertreterin sei diese für die Jahre 2003 bis 2006 nachbezahlt worden (Gegenrechnung des Arbeitslosengeldes). Die jährliche Bruttopension habe 2006 € 17.997,28 betragen. An Vermögen sei ein unbebautes Grundstück zu nennen, es gebe keine Schulden und die Mutter beziehe ca. monatlich netto € 1.000,00.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der vom Gesetzgeber geforderte Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.

Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.

Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren, stellen eine Unbilligkeit nicht dar.

Eine "sachliche" Unbilligkeit wäre anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.

Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Dass durch die Einhebung der Abgaben, deren Nachsicht begehrt wurde, die Existenz der Bw. gefährdet würde, wird von ihr nicht behauptet. Die Bw. verfügt nach ihrem Vorbringen über ein monatliches Einkommen in Höhe von rd. € 1.800,00. Bei der Höhe dieses Betrages lässt sich aber auch im Vergleich zu den im § 293 ASVG bestimmten Richtsätzen für Ausgleichszulagen zu Pensionen aus der Pensionsversicherung (€ 1.091,14) nicht sagen, dass die Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgabe bei der Bw. (in Raten von € 200,00 pro Monat) zu besonders harten Auswirkungen führen kann, die der Gesetzgeber, hätte er dies vorhergesehen, gemildert hätte (vgl. ). Auch in Hinblick auf die Bestimmung des § 291 a EO über den unpfändbaren Freibetrag (€ 693,00 Grundbetrag laut Existenzminimum-Verordnung 2006), von dem nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Exekutionsordnungs-Novelle 1991 (181 der BlgNR XVIII GP) anzunehmen ist, dass der festgesetzte Betrag ausreicht, damit der Verpflichtete seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann, wobei wohl auch der durchschnittliche Wohnungsaufwand gedeckt werden kann, erscheint die Einhebung des laut Kontoabfrage vom noch aushaftenden Betrages in Höhe von € 1.601,99 in monatlichen Raten in Höhe von € 200,00 nicht mit besonders harten Auswirkungen verbunden, zumal mit Bescheid des Finanzamtes vom die Entrichtung des aushaftenden Rückstandes in Raten bewilligt wurde. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung tritt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht schon deshalb ein, weil es zu Einbußen an vermögenswerten Interessen kommt, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind. Können Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es keiner Abgabennachsicht.

Auch ist die Bw. nach der Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom Eigentümerin der Liegenschaft EZ 4 KG K. Allein die Notwendigkeit, Vermögenswerte - und sei es auch Grundvermögen - zur Steuerzahlung heranzuziehen, lässt die Abgabeneinhebung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (,0283) noch nicht unbillig erscheinen.

Dem Einwand, dass die Eltern als Erben zur Zahlung der Einkommensteuer herangezogen würden, ist entgegenzuhalten, dass auf Grund der Möglichkeit, die Erbschaft mit Vorbehalt der rechtlichen Wohltat des Inventariums anzutreten, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine Unbilligkeit in der Einhebung von Steuerschulden des Erblassers beim Erben nach § 19 BAO nur darin liegen könnte, dass der Erbe durch die Unvorhersehbarkeit der Abgabenschulden des Erblassers zur unbedingten Antretung der Erbschaft veranlasst worden wäre. Laut Vorbringen der Bw. wurde die unbedingte Erbserklärung abgegeben, um die Kosten für die Schätzung des Hausrates etc. zu vermeiden. Eine Unvorhersehbarkeit der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeit wurde von der Bw. nicht behauptet. Auf Grund der vorgebrachten Beteiligungen des Erblassers an den angeführten Personengesellschaften war wohl auch vom Anfall von Einkommensteuer für die daraus erzielten Einkünfte zu rechnen. Da nach dem zuletzt genannten Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon ausgegangen werden kann, dass es eine der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufende Planwidrigkeit darstelle, wenn der Erbe für Steuerschulden des Erblassers einzustehen hat, ohne dass auf ihn als Aktivum die der Steuerschuld zugrunde liegenden Vermögenswerte übergegangen wären, erscheint auch der Einwand, dass die geerbten - und mit einem Wert von € 10.000,00 geschätzten - Gegenstände keinen materiellen Wert für die Eltern hätten, als nicht zielführend.

Sofern die Bw. eine sachliche Unbilligkeit darin erblickt, dass ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten sei, das sich aus der zu hohe Schätzung des Hausrats etc. ergeben habe, ist dem entgegenzuhalten, dass die Vorschreibung der gegenständlichen Einkommensteuer in keinem Zusammenhang mit der Bewertung des Hausrates steht.

Der Hinweis darauf, dass die Eltern ihren erst 35jährigen Sohn auf tragische Art und Weise verloren hätten, übersieht, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () für die Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nur Umstände von Bedeutung sein können, die die Einhebung der Abgaben betreffen. Auch wenn die Haftung für die nachsichtsgegenständliche Einkommensteuer und eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Bw. durch den tragischen Todesfall verursacht wurde, so liegt eine Erschwerung der Entrichtung der Abgabenschuldigkeit dennoch erkennbar nur in dieser wirtschaftlichen Lage.

Mangels Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 236 BAO konnt die beantragte Nachsicht somit nicht gewährt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
persönliche Unbilligkeit
sachliche Unbilligkeit
Existenzgefährdung
Ausgleichszulagen
unpfändbaren Freibetrag
unbedingte Erbserklärung
wirtschaftliche Lage

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at