Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2017, RV/7102402/2017

Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG bei Vorliegen ausländischer Einkünfte mit Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde des Bf., Adresse, PLZ-Ort, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde, Finanzamt Wien 2/20/21/22, vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (im Folgenden mit Bf. bezeichnet) erzielte im Jahre 2013 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von zwei lohnauszahlenden Stellen, wobei hinsichtlich der bei der A-GmbH erzielten ausländischen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit kein Lohnsteuerabzug vorgenommen wurde. Vielmehr wurden letztere Einkünfte lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes erfasst.

Im Zuge der Veranlagung des Bf. zur Einkommensteuer 2013 wurden bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit irrtümlich die auf dem Lohnzettel der E-GmbH ausgewiesenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (245) irrtümlich beim Bf. erfasst, sodass der Gesamtbetrag der Einkünfte wie folgt ermittelt worden sei:

Legende aus Anonymisierungsgründen:
E-GmbH: E-GmbH;
B-GmbH: B-GmbH.

Darüber hinaus habe der Bf. bei der A-GmbH ausländische Einkünfte in Höhe von EUR 24.132,41 erzielt, von denen keinen Lohnsteuerabzug vorgenommen und die lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes erfasst worden seien.

Ebenso habe der Bf. in den Zeiträumen 01.05.-, 05.07.- und 17.06.- Arbeitslosengelder iHv EUR 2.309,11, EUR 540,43 und EUR 884,34 bezogen.

Begründend wurde ausgeführt, der Bf. habe im Jahre 2013 steuerfreie Einkommensersätze (insb. Arbeitslosengeld etc.) erhalten, die eine besondere Steuerberechnung gemäß §  3 Abs. 2 EStG 1988 nach sich ziehen. Dabei werden die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte auf den Zeitraum des Erhaltes der steuerfreien Bezüge umgerechnet, so als ob sie auch während des Bezuges der Einkommensersätze weiterbezogen worden wären. Darüber hinaus werde ein Umrechnungszuschlag ermittelt, der zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes dem Einkommen hinzugerechnet werde. Mit diesem Durchschnittssteuersatz werde das steuerpflichtige Einkommen versteuert.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 vom erhob der Bf. fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und machte geltend, dass im Zuge der Veranlagung des Bf. zur Einkommensteuer 2013 der Lohnzettel der "E-GmbH" zu Unrecht berücksichtigt worden sei. Somit sei bei der Arbeitnehmerveranlagung 2013 ein falscher Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber berücksichtigt worden.

Der Beschwerde vom wurde die Kopie eines Lohnzettels beigelegt, aus der sich ergebe, dass nicht der Bf., sondern der Dienstnehmer M.M. für das Jahr 2013 steuerpflichtige Bezüge iHv EUR 12.797,65 bei der E-GmbH bezogen habe.

Der Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom Folge gegeben, indem bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit lediglich die steuerpflichtigen Bezüge der B-GmbH iHv EUR 13.537,61 wie folgt berücksichtigt worden seien:

Legende aus Anonymisierungsgründen:
B-GmbH: B-GmbH.

Infolge des Bezuges von Arbeitslosengeldern in den Zeiträumen von 01.05.-, 05.07.- und 17.06.- in Höhe von jeweils EUR 2.309.11, EUR 540,43 und EUR 884,34 sowie des Bezuges ausländischer Einkünfte iHv EUR 24.132,41, hinsichtlich derer kein Lohnsteuer-Abzug vorgenommen worden sei, seien die Besteuerungsgrundlagen wie folgt ermittelt worden:

[...] 

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht. Dies insbesondere, als im Fall des Bf. die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nicht vorliegen würden, da ein falscher Lohnzettel in seinem Steuerakt abgespeichert gewesen sei. Somit würde es sich beim Bf. um eine Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 handeln. Der Bf. ziehe daher im Wege der Einbringung einer Beschwerde seinen Antrag auf Veranlagung zurück und beantrage eine ersatzlose Aufhebung des angeführten Einkommensteuerbescheides 2013.

In dem mit datierten Vorlagebericht verweist das Finanzamt auf den Umstand, dass unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte iHv EUR 24.132,41 ein Durchschnittssteuersatz iHv EUR 29,34% ermittelt worden sei. Somit habe sich eine Einkommensteuer iHv EUR 3.915,60 ergeben. Davon seien der Verkehrsabsetzbetrag iHv EUR 291,00 und der Arbeitnehmerabsetzbetrag iHv EUR 54,00 abgezogen worden. Nach Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer iHv EUR 3.027,47 und der Rundungsziffer sei die Einkommensteuer 2013 mit EUR 543,00 festgesetzt worden.

Nach den weiteren Ausführungen des vorlegenden Finanzamtes sei gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 eine Veranlagung durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige andere Einkünfte bezogen habe, die den Gesamtbetrag von EUR 730,00 übersteigen. Zu den anderen Einkünften würden auch ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zählen, die dem Grunde nach nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen (vgl. Vock in Jakom, EStG, § 41, Rz. 5). Da der Bf. somit im Jahre 2013 EUR 24.132,31 an ausländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe, liege somit ein Pflichtveranlagungstatbestand vor und sei eine Rücknahme des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung nicht möglich.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob aufgrund der im Jahre 2013 bezogenen ausländischen, nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv EUR 24.132,41 der Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 gegeben ist, sodass eine Rücknahme des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung nicht möglich ist.

Sind gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn

  • er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,

  • im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

Liegen nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so erfolgt eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt werden. § 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

Sind nach § 41 Abs. 3 EStG 1988 im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, ist von den anderen Einkünften ein Veranlagungsfreibetrag bis zu 730 Euro abzuziehen. Dies gilt nicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27a Abs. 1. Der Freibetrag vermindert sich um jenen Betrag, um den die anderen Einkünfte 730 Euro übersteigen.

Zu den EUR 730,00 übersteigenden "anderen Einkünften", die nach § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 den Pflichtveranlagungstatbestand auslösen, gehören Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Grunde nach nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, da sie bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die wegen Fehlens einer inländischen Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 nicht zum Lohnsteuerabzug verhalten werden können. Weiters zählen dazu ausländische Einkünfte, hinsichtlich der zwar im Wege eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) einem anderen Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen ist, die aber bei der Besteuerung in Österreich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu erfassen sind (vgl. Zl. 85/14/0001; ) (vgl. Baldauf in Jakom, EStG, § 41, Rz. 5).

Werden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die keinem Lohnsteuerabzug unterliegen, neben lohnsteuerpflichtigen Einkünften erzielt, die den Betrag von EUR 730,00 übersteigen, kommt grundsätzlich eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 in Betracht (Jakom/Baldauf, EStG 2015, § 41 Rz 3).

Voraussetzung für eine Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 ist, dass im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind. Ob tatsächlich ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorgenommen worden ist, ist dabei nicht maßgeblich (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG, § 41, Rz. 5).

Werden hingegen ausländische Einkünfte aufgrund eines DBA überhaupt nicht – also auch nicht für Zwecke eines Progressionsvorbehalts – bei der Veranlagung erfasst, sind diese auch nicht für die Frage des Überschreitens der Veranlagungsgrenze von Bedeutung ( Zl. 397/70; zitiert in: Hofstätter/Reichel, EStG, § 41, Rz. 7).

Der Zweck der Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 ist die gemeinsame Erfassung der Bezüge aus sämtlichen Dienstverhältnissen, da die Anwendung des Einkommensteuertarifes auf die Gesamtbezüge idR eine höhere Steuerbelastung zur Folge hat, als bei einem getrennten Lohnsteuerabzug (vgl. GZ. RV/1907-W/09).

In die Pflichtveranlagung sind daher auch Dienstverhältnisse einzubeziehen, deren Bezüge (für sich) noch zu keinem Steuerabzug geführt haben oder deren Berücksichtigung sich progressionserhöhend auswirkt (vgl. Baldauf in Jakom, EStG, § 41, Rz. 10).

Im vorliegenden Fall wurden zwar im Einkommensteuerbescheid 2013 vom irrtümlich steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv EUR 12.797,65 berücksichtigt, die auf einen fälschlicherweise dem Bf. zugeordneten Lohnzettel der E-GmbH beruhen. Doch war dieser Umstand nicht allein entscheidend dafür, dass für den Bf. der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 gegeben war.

Dies insbesondere, als der Bf. für das Jahr 2013 bei der A-GmbH im Zeitraum 01.01.- ausländische Einkünfte iHv EUR 24.132,41 bezogen hat, für die zwar kein Lohnsteuerabzug vorgenommen, die aber bei der Ermittlung der Einkünfte für das Jahr 2013 im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu erfassen sind.

Der Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 war beim Bf. für das Jahr 2013 infolge der bei der A-GmbH im Zeitraum 01.01.- erzielten Einkünfte gegeben. Eine Antragsveranlagung liegt somit nicht vor. Der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung kann somit nicht zurückgenommen werden.

Da im vorliegenden Fall bei der Erlassung des Erstbescheides vom betreffend Einkommensteuer 2013 irrtümlich steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv EUR 12.797,65 mit einbezogen wurden, erfolgt die Steuerfestsetzung für das Jahr 2013 in Höhe des in der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO vom festgesetzten Betrages.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dies insbesondere, als diese Entscheidung in der Frage der Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung ausländischer, im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigender Einkünfte gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG der Judikatur des VwGH folgt (vgl. Zl. 85/14/0001; , VwSlg 3645 F/1967).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie die Einkommensteuer 2013 werden wie folgt ermittelt:

[...]

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7102402.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at