Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 12.02.2009, RV/0009-L/09

Wiederaufnahme wegen des Ergehens von Nichtbescheiden im Feststellungsverfahren.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0009-L/09-RS1
Sind die Fristen des § 304 BAO nicht eingehalten worden und sind dem Bw. jene Umstände seit Jahren bekannt, die zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages führen können, ist der Antrag verspätet.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des KS, vertreten durch DTS, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes L vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1989 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

1. Mit Schreiben vom beantragte der Bw. die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO betreffend den Einkommensteuerbescheid 1989 vom .

a. Mit Bescheid vom - eingelangt am - sei vom zuständigen Finanzamt festgestellt worden, dass der dem bezeichneten Einkommensteuerbescheid 1989 zugrundeliegende Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehle und dieser somit keine normative Kraft habe entfalten können. Es handle sich um einen Nichtbescheid (mit Verweis auf ).

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache iSd des § 303 Abs 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt gewesen sei, dass der Grundlagenbescheid nicht über einen Bescheidcharakter verfügt habe, so könne diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als neu hervorgekommen gelten. Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch die Erledigung des geteilt.

Die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens führe zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989.

b. Mit Grundlagenbescheid für das Jahr 1989 - datiert mit - seien die anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich festgestellt und dem Bw. zugewiesen worden. Im Jahr 1993 habe eine den Zeitraum 1989 bis 1991 betreffende Betriebsprüfung begonnen, die bis (BP-Bericht datiert mit ) gedauert habe.

Das Finanzamt habe am einen Bescheid an die K AG erlassen, wobei hinsichtlich des Jahres 1989 eine abweichende Feststellung gegenüber dem Grundlagenbescheid vom getroffen worden sei. Gegen den Bescheid vom sei zeitgerecht Berufung erhoben worden. Mit Berufungsentscheidung vom sei der Grundlagenbescheid bestätigt und die Berufung als unbegründet abgewiesen worden. Gegen diese Erledigung sei am eine Beschwerde beim VwGH eingebracht worden. Mit (eingelangt am ) sei die Beschwerde zurückgewiesen worden.

Mit Bescheid vom habe die Finanzverwaltung einen Zurückweisungsbescheid zur Berufung vom erlassen. Der Zurückweisungsbescheid erkläre den Grundlagenbescheid 1989 vom mangels gültigem Bescheidadressaten zu einem Nichtbescheid und weise die Berufung als unzulässig zurück.

Aufgrund der Nichtbescheide sei der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 1989 gemäß § 295 BAO durch den vorliegenden Einkommensteuerbescheid 1989 ersetzt worden. Aus der Nichtanerkennung der Ergebniszuweisung für das Jahr 1989 resultiere eine Einkommensteuernachzahlung. Die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gemäß § 295 BAO sei auf der Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Bestimmungen.

c. An der Wiederaufnahme bestehe ein rechtliches Interesse. Die Abänderung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO sei nur dann zulässig, wenn der betreffende Bescheid von einem Grundlagenbescheid abzuleiten sei. Unbestritten sei nunmehr, dass der von der Abgabenbehörde ausgefertigte Bescheid vom und auch der Bescheid vom (Berufungsentscheidung) für das Streitjahr 1989 ins Leere gegangen seien. Damit habe der Abänderung ein tauglicher Feststellungsbescheid gefehlt. Da der abgeleitete Einkommensteuerbescheid vom rechtswidrig erlassen worden sei und auch ein nachträglich rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid diesen Mangel nicht heile, sei dem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben. Da der Rechtszustand herzustellen sei, der ohne Abänderung nach § 295 BAO vorgelegen sei, müsse der Einkommensteuerbescheid idF des ursprünglichen Bescheides vom erlassen werden.

Die Neuerlassung sei auch dann zwingend, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid vorliege, der im Ergebnis dem abgeänderten Einkommensteuerbescheid vom entspreche. Verfahrensrechtlich berechtige dieser neue Grundlagenbescheid nämlich nur zur Abänderung des aufgrund der Wiederaufnahme neu erlassenen Bescheides.

Die beantragte Wiederaufnahme ermögliche es, diese rechtswidrige Abänderung gemäß § 295 BAO zu korrigieren.

Abgeleitete Abgabenbescheide würden auch der Verjährung unterliegen, sodass dem Rechtsunterworfenen grundsätzlich ein Rechtsverlust drohe. Die Wiederaufnahme ermögliche es dem Steuerpflichtigen, seine Ansprüche innerhalb der Verjährung geltend zu machen.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Einkommensteuerbescheid 1989 wurde vom zuständigen Finanzamt mit Bescheid vom zurückgewiesen.

Die zugrundeliegenden Abgabenansprüche für das Jahr 1989 seien absolut verjährt. Gemäß § 304 lit. b BAO sei nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gem. § 303 Abs 1 BAO zugrunde liegt.

Der abschließende Einkommensteuerbescheid für 1989 sei am ergangen. Innerhalb von fünf Jahren nach Rechtskraft dieses Bescheides sei der Wiederaufnahmeantrag nicht eingebracht worden. Der nunmehr am gestellte Antrag müsse als verspätet zurückgewiesen werden.

3. Mit Schreiben vom wurde gegen den Zurückweisungsbescheid vom Berufung eingelegt.

Die Begründung des Bescheides vom - der Eintritt der Verjährung - sei unrichtig.

a. Der Bw. habe sich im Jahr 1989 an der K AG beteiligt. Hinsichtlich der Einkünfte 1989 sei am eine Feststellungserklärung für einheitlich und gesondert zu ermittelnde Einkünfte abgegeben worden.

Mit Bescheid vom sei die Mitunternehmerschaft erklärungsgemäß veranlagt worden. Im Jahr 1997 habe man das Verfahren hinsichtlich der Einkünfte 1989 wiederaufgenommen. Am sei ein neuer Feststellungsbescheid erlassen worden. Gegen diesen habe man das Rechtsmittel der Berufung ergriffen, welches mit Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Burgenland abgewiesen worden sei. Man habe VwGH-Beschwerde erhoben. Der VwGH habe mit Entscheidung vom die Beschwerde zurückgewiesen, da es sich bei der Erledigung der FLD um einen nichtigen Bescheid gehandelt habe. In weiterer Folge sei auch die Berufung gegen den Feststellungsbescheid 1989 vom mit Bescheid vom zurückgewiesen worden, weil auch dieser nichtig gewesen sei.

b. Keine Verjährung, weil die Feststellungserklärung 1989 nie bescheidmäßig erledigt worden ist:

Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen, insbesondere seien in dem Feststellungsbescheid bereits verstorbene Personen angeführt. Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch in dem Bescheid vom bereits verstorbene Personen angeführt worden seien, so zB FW (verstorben am ), SG (verstorben am ), FP (verstorben am ) und RN (verstorben am ).

Somit sei aufgrund der Judikatur des VwGH auch der Bescheid vom als Nichtbescheid zu qualifizieren. Als Ergebnis der Auflistung sei ersichtlich, dass mit Erklärung vom für die Beteiligung eine Feststellungserklärung abgegeben worden sei, dass man aber bis zum heutigen Tage diese Erklärung nicht bescheidmäßig veranlagt habe.

Hinsichtlich des Jahres 1989 könne keine Verjährung eingetreten sein, weil gemäß § 209a Abs 2 BAO die Einkommensteuerveranlagung mittelbar von der Erledigung der Feststellungserklärung abhänge (Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, § 209a, Anmerkung 11; Ritz, BAO, § 209a, Rz 7).

Die wesentlichen Daten würden tabellenartig angeführt.


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1991
Feststellungsbescheid für das Jahr 1989 vom (irrtümlich als Erklärung bezeichnet; diese stammt vom )
1997
Wiederaufnahme des Verfahrens 1989 und neuer Feststellungsbescheid vom
Berufung vom gegen die Feststellungsbescheide
Einkommensteuerbescheid vom
2002
Berufungsentscheidung vom der FLD Wien, NÖ und Burgenland betreffend Feststellungsbescheide
Fristgerechte Einreichung einer VwGH-Beschwerde am
2008
Mit /0225 Zurückweisung der Beschwerde, da die Erledigung der FLD als nichtiger Bescheid zu qualifizieren ist
Mit Zurückweisung der Berufung vom , da auch der Bescheid des Finanzamtes als nichtiger Bescheid zu qualifizieren ist
Mit Wiederaufnahmeantrag

c. Keine Verjährung, weil die Einkommensteuerveranlagung 1989 von einem Rechtsmittelverfahren abhängig ist:

Im übrigen sei zu erwähnen, dass selbst dann, wenn man den Bescheid vom nicht als nichtigen Bescheid qualifizieren würde, hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1989 keine Verjährung eingetreten sein könne. Dann hätte die Behörde aufgrund der Zurückweisungsbescheide gem. § 295 BAO einen neuen abgeleiteten Bescheid erlassen müssen, da sie ja den abgeleiteten Bescheid rechtswidrig aufgrund eines Nichtbescheides erlassen habe. Als zwingendes Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens gegen die nichtigen Bescheide müssten neue abgeleitete Bescheide erlassen werden. Auch aus diesem Grund könne gem. § 209a BAO keine Verjährung eingetreten sein, da der Einkommensteuerbescheid 1989 indirekt von der Erledigung der Berufung abhängig gewesen sei. Jede andere Auslegung der §§ 295 bzw. 209a BAO sei denkunmöglich, denn es könne nicht sein, dass aufgrund von Fehlern, die die Finanzverwaltung zu vertreten habe - nämlich die Erlassung von Nichtbescheiden - auf die die Steuerpflichtigen im Rahmen des Berufungsverfahrens sogar aufmerksam gemacht hätten, die Verjährung (aufgrund des langen Rechtsmittelverfahrens) zu Lasten des Steuerpflichtigen eintrete.

Aus diesem Grund beantrage der Bw. auch ausdrücklich, einen abgeleiteten Bescheid zu erlassen, der den Rechtszustand wiederherstelle, der vor Erlassung des rechtswidrigen abgeleiteten Bescheides (weil von einem nichtigen Bescheid abgeleitet) bestanden habe.

4. Am wurde die Berufung vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom an den Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung übermittelt.

5. Folgende Unterlage ist in die rechtliche Würdigung miteinzubeziehen.

Anfragebeantwortung des (Auszug):

"Bezugsgemäß teilt das BMF folgende Rechtsansichten mit: Eine Maßnahme nach § 295 Abs 1 BAO setzt die nachträgliche Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) voraus. Ergeht ein solcher nicht (zB "Nichtbescheid" als Folge fehlerhafter Adressierung, unterlassene Zustellung), so ist ein dennoch erlassener Änderungsbescheid (gemäß § 295 Abs 1 BAO) rechtswidrig. Dies kann nicht nur mit Berufung oder mit Antrag auf Aufhebung (§ 299 Abs 1 BAO) geltend gemacht werden. In Betracht kommt auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des abgeleiteten Abgabenverfahrens, wenn die "Nichtexistenz" des Grundlagenbescheides im Verfahren zur Änderung gemäß § 295 Abs 1 BAO der für die "abgeleitete" Einkommensteuer zuständigen Abgabenbehörde nicht bekannt war. Diesfalls ist der Umstand, dass kein Grundlagenbescheid erlassen wurde, im "abgeleiteten" Abgabenverfahren eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 BAO.

Den Wiederaufnahmewerber trifft idR kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes im abgeschlossenen Verfahren, weil er grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass kein Finanzamt einen auf § 295 Abs 1 BAO gestützten Bescheid erlässt, obwohl die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Bewilligung der Wiederaufnahme, somit die Aufhebung des Änderungsbescheides (§ 295 Abs 1 BAO) hat auch dann zu erfolgen, wenn in der Zwischenzeit ein wirksamer Grundlagenbescheid ergangen ist. Dies saniert nämlich nicht die Rechtswidrigkeit eines trotz Fehlens der diesbezüglichen Voraussetzungen erlassenen Änderungsbescheides.

Die Wiederaufnahme ist übrigens auch dann zu bewilligen, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines (den zwischenzeitig erlassenen Grundlagenbescheid berücksichtigenden) neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht".

Über die Berufung wurde erwogen:

1. a. Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 lit. b BAO ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.

b. Die Wiederaufnahmegründe sind grundsätzlich dieselben, wie bei der amtswegigen Wiederaufnahme. Tatsachen sind Sachverhaltselemente (mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände): Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Selbst innere Vorgänge (soweit sie rational feststellbar sind) können Tatsachen sein (zb. Ansichten, Absichten; die mangelnde Ordnungsmäßigkeit der Buchführung oder die näheren Umstände betreffend die Marktgerechtigkeit des Verhaltens usw.).

c. Bei der Wiederaufnahme auf Antrag stellen aber Tatsachen und Beweismittel nur dann taugliche Wiederaufnahmegründe dar, wenn sie im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Die Kenntnis des Vertreters muss sich die vertretene Partei zurechnen lassen (Ritz, BAO § 303, Rz 27 zu ). Nach Ansicht des VwGH ist maßgebend, ob im Zeitpunkt des abgeschlossenen Verfahrens die maßgeblichen Umstände der Partei bekannt waren (). Im Falle von Beweismitteln muss es sich um solche handeln, die im Zeitpunkt der Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides bereits existiert haben, aber der Partei zum Zweck der Verwertung noch nicht zur Verfügung gestanden sind. Legt die Partei nicht dar, dass ihr Unterlagen nicht zur Verfügung standen (sondern sie nur keine Veranlassung sah, diese vorzulegen), dann handelt es sich nicht um neu hervorgekommene Beweismittel ().

d. Der Antrag ist gemäß § 303 Abs 2 BAO mit drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes befristet. Ein verspäteter Wiederaufnahmeantrag ist zurückzuweisen.

e. Nach Eintritt der Verjährung ist gemäß § 304 BAO eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO zugrunde liegt

- innerhalb eines Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre oder

- vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides.

2. Zum Verjährungseintritt und jenen Ausnahmen, aufgrund derer eine Wiederaufnahme trotz Verjährung möglich ist, kann folgendes gesagt werden:

a. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahme hängt von der Prüfung der Frage ab, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 bereits eingetreten ist.

Gemäß § 209 Abs 3 BAO tritt Verjährung des Rechtes auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches ein (§ 4 BAO). Bei der veranlagten Einkommensteuer entsteht der Abgabenanspruch gem. § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Für die veranlagte Einkommensteuer des Jahres 1989 ist mit dem Ablauf des Jahres 1999 die absolute Verjährung eingetreten.

b. Gemäß § 304 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gesetz selbst sieht aber zwei Ausnahmen für eine Wiederaufnahme vor.

(1) Das Verfahren kann nach § 304 lit. a BAO wiederaufgenommen werden, wenn ihr ein Antrag gem. § 303 Abs 1 BAO zugrundeliegt, innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre.

Das bedeutet, dass der Wiederaufnahmeantrag spätestens innerhalb einer siebenjährigen, allenfalls nach § 209 BAO zweimal um ein Jahr verlängerten Frist, geltend zu machen war. Die Wiederaufnahme ist aber nicht einmal innerhalb der zehnjährigen Frist (Ablauf mit dem Ende des Jahres 1999) geltend gemacht worden. § 304 lit. a BAO ist daher nicht anwendbar.

(2) Das Verfahren kann nach § 304 lit. b BAO wiederaufgenommen werden, wenn ein Antrag gem. § 303 Abs 1 BAO vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides vorliegt. Unter Rechtskraft ist die formelle Rechtskraft des Bescheides zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO, § 304, Anmerkung 5). Die Frist ist für Fälle gedacht, bei denen die Frist des § 304 lit. a BAO bereits abgelaufen ist.

Im vorliegenden Fall ist die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides vom bereits im Jahr 1997 eingetreten, sodass der Wiederaufnahmeantrag vom nicht innerhalb der Fünfjahresfrist, sondern sogar außerhalb einer zehnjährigen Frist eingebracht wurde.

Auch § 304 BAO ermöglicht daher keine Wiederaufnahme im gegenständlichen Fall.

3. Soweit der Bw. seine Rechtsansicht auf § 209a BAO stützt, wonach Verjährung nicht eingetreten ist, verkennt er die Rechtslage.

Der Bw. möchte sich darauf stützen, dass die Einkommensteuerveranlagung solange nicht verjähren kann, als noch Feststellungsbescheide erlassen werden können bzw soweit infolge der Abhängigkeit vom Feststellungsverfahren abgeleitete Bescheide zu erlassen wären (solange ... "die Einkommensteuerveranlagung mittelbar von der Erledigung der Feststellungserklärung abhängt"). Selbst wenn eine mittelbare Abhängigkeit des Einkommensteuerbescheides von der - in der Berufung indirekt bzw direkt - geforderten Erlassung eines neuerlichen Feststellungsbescheides oder abgeleiteten Bescheides abhängen würde, wäre für den Bw. nichts gewonnen, weil § 209a Abs 2 BAO einen "rechtzeitigen Antrag auf Wiederaufnahme iSd § 304 BAO" voraussetzt, der aber - nach der vorangegangenen Schilderung in Punkt 2 - nicht vorliegt.

Diesbezüglich kann sich der Bw. auch nicht auf die Einzelauskunft des (zum Feststellungsverfahren einer anderen Firma) stützen.

Das BMF hatte in einer Anfragebeantwortung folgendes formuliert:

"Bezugsgemäß teilt das BMF folgende Rechtsansichten mit: Eine Maßnahme nach § 295 Abs 1 BAO setzt die nachträgliche Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) voraus. Ergeht ein solcher nicht (zB "Nichtbescheid" als Folge fehlerhafter Adressierung, unterlassene Zustellung), so ist ein dennoch erlassener Änderungsbescheid (gemäß § 295 Abs 1 BAO) rechtswidrig. Dies kann nicht nur mit Berufung oder mit Antrag auf Aufhebung (§ 299 Abs 1 BAO) geltend gemacht werden. In Betracht kommt auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des abgeleiteten Abgabenverfahrens, wenn die "Nichtexistenz" des Grundlagenbescheides im Verfahren zur Änderung gemäß § 295 Abs 1 BAO der für die "abgeleitete" Einkommensteuer zuständigen Abgabenbehörde nicht bekannt war. Diesfalls ist der Umstand, dass kein Grundlagenbescheid erlassen wurde, im "abgeleiteten" Abgabenverfahren eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 BAO.

Den Wiederaufnahmswerber trifft idR kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes im abgeschlossenen Verfahren, weil er grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass kein Finanzamt einen auf § 295 Abs 1 BAO gestützten Bescheid erlässt, obwohl die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Bewilligung der Wiederaufnahme, somit die Aufhebung des Änderungsbescheides (§ 295 Abs 1 BAO) hat auch dann zu erfolgen, wenn in der Zwischenzeit ein wirksamer Grundlagenbescheid ergangen ist. Dies saniert nämlich nicht die Rechtswidrigkeit eines trotz Fehlens der diesbezüglichen Voraussetzungen erlassenen Änderungsbescheides.

Die Wiederaufnahme ist übrigens auch dann zu bewilligen, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines (den zwischenzeitig erlassenen Grundlagenbescheid berücksichtigenden) neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht.

Abgesehen davon, dass Auskünfte in Einzelverfahren keine für andere Abgabepflichtige bedeutsame Rechtsquelle sein und schon gar nicht den UFS binden können, ist es auch nicht möglich, im Rahmen dieser Einzelauskunft die gesetzlichen Regelungen des § 304 BAO zu suspendieren. Wiederaufnahmeanträge sind nur dann beachtlich, wenn die in § 304 BAO bezeichneten Fristen eingehalten werden. Das gilt auch für Fälle einer von "Nichtbescheiden" abhängigen Einkommensteuerveranlagung.

4. Hinzu kommt, dass ein Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig (binnen drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes) zu stellen ist (§ 303 Abs 2).

Nach der vorliegenden VwGH-Rspr geht der UFS davon aus, dass die Kenntnis des Abgabepflichtigen im Fall einer beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens maßgeblich ist (: ... "weil es sich bei den in Rede stehenden Unterlagen aus der Sicht der Beschwerdeführerin nicht um neu hervorgekommene Beweismittel handelt").

Bezüglich des Neuhervorkommens versucht der Bw. aufzuzeigen, dass er erst im Zeitpunkt der Zurückweisung der Berufung vom am (betreffend das Feststellungsverfahren) nach Ergehen der VwGH-Entscheidung am (Beschluss über die Zurückweisung) vom Wiederaufnahmegrund erfahren hätte. Dieser Darstellung kann schon vom Grund her nicht gefolgt werden.

Die Dreimonatsfrist beginnt mit der Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht mit dessen Beweisbarkeit zu laufen (Ritz, BAO, § 303, Rz 28).

a. Der Bw. stellt in der Berufung vom dar, im Feststellungsbescheid seien bereits verstorbene Personen angeführt gewesen. Auch im Bescheid vom habe man verstorbene Personen angeführt. Es könne aber nicht sein, dass aufgrund von Fehlern, welche die Finanzverwaltung zu vertreten habe und "auf die die Steuerpflichtigen sogar aufmerksam gemacht hätten", die Verjährung zu Lasten des Steuerpflichtigen eintrete.

Wenn der Bw. damit dartun will, die Finanzverwaltung treffe ein alleiniges Verschulden an der Veranlagung verstorbener Personen, so ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass in erster Linie die steuerliche Vertretung der Gesellschaft, an der er sich beteiligt hat, dafür Sorge tragen muss, dass die Beteiligten mit ihren richtigen Adressen angegeben werden und nicht verstorbene Personen als Beteiligte angeführt werden. Für den UFS ist es evident, dass die Mitges. hier eine stark ausgeprägte Sorgfaltsverpflichtung trifft. Wie die Finanzverwaltung bei eingehenden Feststellungserklärungen - deren Eingabe an sich schon gravierende EDV-technische Probleme aufwirft - mehrere hundert Beteiligte (im gegenständlichen Fall waren es 976 Beschwerdeführer) hinsichtlich ihrer Adressen noch vor der Eingabe der Erklärung (auf deren rasche Veranlagung in der Regel auch noch gedrängt wird) überprüfen soll, ist für den UFS unerfindlich. Mängel im Feststellungsverfahren, die aufgrund mangelhafter Angaben in der Steuererklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung zustande kommen, muss sich der Beteiligte zurechnen lassen und kann diese nicht allein auf die Finanzverwaltung abschieben.

b. Im Berufungsverfahren hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung bei der K AG , an der der Bw. beteiligt war, wurde eine Berufungsergänzung vom eingebracht, die auch in der späteren Beschwerde angeführt wird und in der auf Änderungen (in Beteiligungsverhältnissen) hingewiesen wurde. Dies deckt sich mit der Aussage des Bw. in seiner Berufung, wonach "die Steuerpflichtigen sogar auf die Fehler aufmerksam gemacht hätten". Damit meint der Bw. offenkundig die Beteiligten an der K AG. Tatsächlich enthält diese Berufungsergänzung längere Ausführungen über die "Überprüfung der Bescheideigenschaft". So sei der Verweis auf eine der Steuererklärung beigelegte Liste der Mitgesellschafter "kein Ersatz für fehlerhaft bezeichnete Bescheidadressaten". Es seien "überhaupt keine rechtsgültigen Bescheide ergangen", weil die Adressatenbezeichnung trotz beendeter Personengesellschaft nicht an die einzelnen im Feststellungszeitraum beteiligten Gesellschafter gerichtet gewesen sei. Es sei daher "eine Grundvoraussetzung für die Entfaltung der Wirkung eines rechtsgültigen Feststellungsbescheides nicht erfüllt". Nach Ansicht der Berufungswerber seien daher "rechtsgültige Bescheide bis dato nicht ergangen".

Dass ein Feststellungsbescheid der unrichtige Adressaten aufweist, als Nichtbescheid gilt, ist steuerlich unbestritten und wurde von der Literatur und Judikatur in eindeutiger Weise immer wieder festgehalten (s zB Kotschnigg UFSaktuell 05, 300 und SWK 06, S 672). Über das Vorliegen eines Nichtbescheides und damit einer ungültigen Tangente bei der Einkommensteuer konnte es daher - insbesondere bei steuerlich kundigen Personen und Gesellschaften, wozu der Bw. und die steuerliche Vertretung der Firma, an der er sich beteiligt hat, zweifellos zählen - keinerlei Zweifel geben. Das Wissen der steuerlichen Vertretung der Mitunternehmerschaft muss auch dem Bw. angelastet werden. Der UFS geht davon aus, dass die Information, wonach der Feststellungsbescheid ungültig und die Tangente im Einkommensteuerbescheid nicht rechtens war, zu jenen Umständen gehört, über die Beteiligte informiert werden, zumal der VwGH-Entscheidung ein jahrelanges Verfahren vorangegangen ist.

c. Dies wird dadurch untermauert, dass der Beteiligte im VwGH-Verfahren 2002/13/0225 vom als Beteiligter Nr. 770 in der Beschwerde vom angeführt ist und daher jedenfalls über die Aussagen in der VwGH-Beschwerde genauestens Bescheid wissen musste. Auf den Seiten 26 ff. dieser Beschwerde sind fast wortwörtlich die bereits in der Berufungsergänzung vom angeführten Gründe für das Vorliegen von "Nichtbescheiden" dargelegt. Es werden ausführlich die Argumente der Berufungsergänzung zitiert, um aufzuzeigen, warum die Bescheide nicht rechtsgültig ergangen sind. Ein rechtsgültiger Feststellungsbescheid ist nicht ergangen, heißt es in der Beschwerde, weil der Bescheid nicht "an einen der in § 191 Abs 1 lit. c BAO genannten Adressaten" zugestellt wurde. Damit steht fest, dass der Bw. von der Nichtigkeit der Bescheide als Beschwerdeführer im Feststellungsverfahren längst informiert war, während er im Einkommensteuerverfahren vorgibt, erst durch den Bescheid vom davon erfahren zu haben.

Aus den bezeichneten Gründen war schon im Jahr 2002 ein Wiederaufnahmeantrag zu stellen. Dies musste dem Bw. bekannt sein.

d. Zu bedenken ist auch, dass der Bw. - wie zahllose andere Beteiligte - bereits seit Februar 2002 auf die Erledigung des Feststellungsverfahrens (betreffend die K AG) wartete. Die - aus der Sicht des Bw. - positive Erledigung durch den VwGH (die ja angestrebt wurde) konnte dem Bw. nicht verborgen bleiben, da er an dem Verfahren ja selbst beteiligt war. Damit war dem Bw. jedenfalls seit Februar bzw. März 2008 (Zustellung des VwGH-Beschlusses laut Angabe) - ungeachtet der vorangehenden Darlegungen - der mögliche Wiederaufnahmegrund bestens bekannt.

Die Zurückweisung der Finanzverwaltung ist daher rechtskonform zustandegekommen.

Beilage : 1 Anonymisierungsblatt

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
taxlex 2009, 513

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at