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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 21.02.2008, RV/3098-W/07

"Großes" oder "kleines" Pendlerpauschale?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3098-W/07-RS1
Zur Wegzeit gehören ausschließlich mit "Fortbewegung" in Zusammenhang stehende Zeitspannen.
RV/3098-W/07-RS2
Zur Wegstrecke gehören ausschließlich außerhalb der Arbeitsstätte liegende Strecken.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Waldviertel, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2004, 2005 und 2006 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehende Berufungswerber (Bw.) ist als vollbeschäftigter Saisonarbeiter in den Name/Arbeitgeber, Ort/Arbeitgeber tätig; seine Arbeitszeit dauert von 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr.

Die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen 2004 - 2006 hat der Bw. über Finanz-Online eingebracht und hat beantragt, Werbungskosten in Höhe des sog. "großen" Pendlerpauschales von seinen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen (2004 für 6 Monate; 2005 und 2006 jeweils für 12 Monate).

In den Jahren 2004 - 2006 hatte der Bw. seinen Hauptwohnsitz in Adresse1; bis hatte er einen Nebenwohnsitz in Adresse2.

Im Vorhalteverfahren/Finanzamt hat der Bw. die zwischen dem Hauptwohnsitz in Adresse1 und seiner Arbeitsstätte liegende Wegstrecke mit 92 km berechnet und hat seinen Antrag - das "große" Pendlerpauschale von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen - zunächst wie folgt begründet:

Die Entfernung zwischen seinem Hauptwohnsitz und der seinem Hauptwohnsitz nächst gelegenen Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels betrage 4 km.

Diese Strecke müsse der Bw. mit seinem Moped oder seinem vierrädrigen Leichtkraftfahrzeug zurück legen, weil auf dieser Strecke zwischen 04:00 Uhr und 04:30 Uhr kein öffentliches Verkehrsmittel fahre (Arbeitnehmerveranlagungsakt 2006/3, 2006/7).

In der E-Mail vom wird - dieses Vorbringen zT abändernd, zT ergänzend - vorgebracht:

Die Strecke zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte habe der Bw. entweder mit seinem Moped oder seinem vierrädrigen Leichtkraftfahrzeug zurück gelegt.

Die Abfahrt vom Hauptwohnsitz habe um 04:30 Uhr stattgefunden, die mit seinen Fahrzeugen gefahrene einfache Wegstrecke habe ca. 81 - 85 km betragen; an seiner Arbeitsstätte sei er um 06:45 Uhr angekommen.

Bw .: "Ebenfalls fuhr ich oft nur die ersten 4 Kilometer, in denen mir kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stand, mit meinen Fahrzeugen und erst ab E benutzte ich auch öffentliche Verkehrsmittel."

Die Anzahl der mit seinen eigenen Fahrzeugen zurück gelegten Strecken könne der Bw. nicht bekannt geben, da er kein Fahrtenbuch geführt und keine Belege gesammelt habe.

In der Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales ab 2006 hat der Bw. die Wegstrecke zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte wie folgt berechnet:

Das Finanzamt ging von einer überwiegenden Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln aus; gewährte das sog. "kleine" Pendlerpauschale und wies den Antrag, das "große" Pendlerpauschale in den Jahren 2004 - 2006 zu gewähren, mit folgender Begründung ab:

"Sie beantragen das große Pendlerpauschale, da Sie für ca. 4 km kein öffentliches Verkehrsmittel benützen können. Die gesamte Wegstrecke beträgt aber lt. eigenen Angaben 97 km. Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels ist auch dann zumutbar, wenn man einen Teil der Wegstrecke mit dem eigenen Fahrzeug zurücklegen muss. Nur wenn der Anfahrtsweg mehr als die Hälfte der Gesamtfahrtstrecke betragen würde, ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar. Weiters wird lt. Fahrplanauskunft die Wegzeit von 2,5 km nicht überschritten und es kann somit nur das "kleine" Pendlerpauschale ab 60 km gewährt werden."

Die Abweisung seines Antrags - das "große" Pendlerpauschale in den Jahren 2004 - 2006 zu gewähren - hat der Bw. angefochten und hat eingewendet, dass die Wegzeit nicht 2,5 Stunden sondern 3 Stunden betrage, da er seinen Hauptwohnsitz um 04:00 Uhr verlasse und Arbeitsbeginn um 07:00 Uhr sei.

Das Finanzamt hat das Berufungsbegehren abweisende Berufungsvorentscheidungen erlassen und hat nach Zitierung des Gesetzestextes von § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG 1988 seinen Rechtsstandpunkt wie folgt begründet:

"... Bei der Ermittlung der Wegzeit ist immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels auszugehen ... Lt. einer durchgeführten Internetabfrage ... beträgt die schnellste Wegzeit für die Strecke Wohnung - Arbeitstätte unter 2,5 Stunden, weshalb die Benützung des Massenverkehrsmittels, die im übrigen auch tatsächlich erfolgte, zumutbar war (Anfahrtsweg zum Bahnhof ... geschätzt 10 Minuten - Abfahrt in E 05:14 Uhr - Ankunft in den Name/Arbeitgeber 06:45 Uhr. Die Berücksichtigung des "kleinen" Pendlerpauschales erfolgte bereits im Erstbescheid".

Die Berufungsvorentscheidungen hat der Bw. mit Vorlageantrag angefochten und hat eingewendet, dass die Wegzeit deshalb mehr als 2,5 Stunden betrage, weil der Bw.:

  • ¼ Stunde benötige, um mit seinen eigenen Fahrzeugen vom Hauptwohnsitz zum Bahnhof zu gelangen; sich einen Parkplatz suchen müsse, vom Fahrzeug zur Einstiegstelle gelangen müsse, 5 Minuten Wartezeit vor Ankunft des Zuges einplanen müsse, da er andernfalls den Zug versäumen würde, sodass mindestens ½ Stunde zu der vom Finanzamt angenommenen Wegzeit hinzuzurechnen sei;

  • die öffentlichen Verkehrsmitteln viermal wechseln müsse; kein Tag vergangen sei, an dem sich nicht zwei Verkehrsmittel verspätet hätten, sodass mindestens ¼ Stunde zu der vom Finanzamt angenommenen Wegzeit hinzuzurechnen sei;

  • ¼ Stunde benötige, um von der Ausstiegstelle bis zur Garderobe zu gelangen, um sich umzuziehen und um von der Garderobe zu seinem tatsächlichen Arbeitsplatz zu gelangen.

Werden die v.a. Zeiten zu der vom Finanzamt angenommenen Wegzeit hinzugerechnet, treffe der Bw. verspätet an seinem Arbeitsplatz ein (und könne seinen Arbeitsplatz verlieren), wenn er mit dem um 05:14 Uhr vom Bahnhof/E abfahrenden Zug fahre.

UFS-Internet-Recherchen:

Lt. Michelin-Routenplaner beträgt die Entfernung zwischen dem Hauptwohnsitz Adresse1 und den Name/Arbeitgeber in Ort/Arbeitgeber 80 km und die Fahrtdauer 1 Stunde, wenn diese Strecke mit einem Kraftfahrzeug gefahren wird. Die Fahrtroute führt fast ausschließlich über Bundesstraßen und Autobahnen (Website, viamichelin.de).

Die zum Hauptwohnsitz Adresse1 nächst gelegene Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels ist der Bahnhof von E (Website, viamichelin.de).

Lt. Michelin-Routenplaner beträgt die Entfernung zwischen dem Hauptwohnsitz Adresse1 und den beiden in Bahnhofsnähe gelegenen Parkhäusern (Parkplätzen) 4,5 - 5 km und die Fahrtdauer 5 - 6 Minuten, wenn diese Strecke mit einem Kraftfahrzeug gefahren wird (Website, viamichelin.de).

Nach dem für ÖBB-Fahrpläne abrufbaren Reisebegleiter (Website, fahrplan.oebb.at) beträgt die zu Fuß zurück gelegte Wegstrecke zwischen dem Standort Adresse1 und dem Bahnhof von E 1,2 km; die Gehdauer ca. 16 Minuten.

Lt. ÖBB-Fahrplanauskunft werden auf der Zugstrecke zwischen Bahnhof/E und der Bahnhaltestelle/WS 81 Tarifkilometer zurück gelegt (Website, fahrplan.oebb.at).

Die Tarifkilometer zwischen der Bahnhaltestelle/WS und der den Name/Arbeitgeber nächst gelegenen Haltestelle sind über das Internet nicht abrufbar.

Lt. ÖBB Fahrtplanauskunft (Website, fahrplan.oebb.at) erreicht der Bw. seinen Arbeitsplatz bis 07:00 Uhr, wenn er mit folgenden öffentlichen Verkehrsmitteln fährt:

  • Regionalzug, Abfahrt Bahnhof/E 04:56 Uhr, Ankunft an der Bahnhaltestelle/WS 05:57 Uhr, umsteigen in U-Bahn und Straßenbahn, Ankunft/Haltestelle Name/Arbeitgeber 06:35 Uhr, 20 m Fußweg bis Ort/Arbeitgeber (Gehzeit: 1 Minute).

  • Regionalzug, Abfahrt Bahnhof/E 05:14 Uhr, Ankunft an der Bahnhaltestelle/WS 06:12 Uhr, umsteigen in U-Bahn und Straßenbahn, Ankunft/Haltestelle Name/Arbeitgeber 06:47 Uhr, 20 m Fußweg bis Ort/Arbeitgeber (Gehzeit: 1 Minute).

Lt. ÖBB-Fahrtplanauskunft (Website, fahrplan.oebb.at) kommt der um 16:01 Uhr von der Bahnhaltestelle/WS abfahrende Zug um 17:16 Uhr am Bahnhof/E an; der um 16:23 Uhr von dieser Bahnhaltestelle abfahrende Zug um 17:34 Uhr.

Der Hauptwohnsitz des Bw. und seine Arbeitsstätte liegen innerhalb des Verkehrsverbundes Ost-Region.

Über die Berufung wurde erwogen:

Streitpunkt im ggstl. Berufungsverfahren ist, ob das vom Bw. beantragte "große" Pendlerpauschale oder das vom Finanzamt gewährte "kleine" Pendlerpauschale von den Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit abzuziehen ist.

Nach geltender Rechtslage sind Werbungskosten in Höhe des sog. "großen" Pendlerpauschales von den Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit abzuziehen, wenn die vom Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegte einfache Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als 2 km beträgt und die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist. Die vom Gesetzgeber für die einfachen Wegstrecken von 2 km - 20 km, 20 km - 40 km, 40 km - 60 km und über 60 km normierten "großen" (Pendler)pauschalbeträge unterscheiden sich der Höhe nach (§ 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG 1988).

Auf die Streitjahre im ggstl. Berufungsverfahren bezogen ist von folgender - nicht strittigen - Sachlage auszugehen:

  • Der Hauptwohnsitz des Bw. befindet sich in Adresse1 ; seine Arbeitsstätte in den Name/Arbeitgeber in Ort/Arbeitgeber .

  • Der Bahnhof von E ist die dem Hauptwohnsitz nächst gelegene Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels.

  • Der Michelin-Routenplaner hat die zwischen dem Standort Adresse1 und dem Bahnhof/E liegende Strecke mit 4,5 - 5 km berechnet: Die Berechnung des Bw. mit "4 km" ist wegen der geringfügigen Differenz zur Berechnung des Michelin-Routenplaners nicht strittig.

  • Im ÖBB-Fahrplan werden für die zwischen dem Bahnhof/E und der Bahnhaltestelle/WS liegende Zugstrecke 81 Tarifkilometer angegeben: Die mit den Angaben im ÖBB-Fahrplan übereinstimmende Berechnung des Bw. mit "81 km" steht außer Streit.

  • Der Bw. hat die zwischen der Bahnhaltestelle/WS und der Haltestelle/Name/Arbeitgeber liegende Strecke mit "5 km U-Bahn" und "7 km Straßenbahn" angegeben: Diese Berechnung wird - da die diesbezüglichen UFS-Ermittlungen ergebnislos geblieben sind; die Berechnung des Bw. jedoch plausibel ist - außer Streit gestellt.

  • Im ÖBB-Fahrplan werden "20 m Fußweg" für die zwischen der Haltestelle/Name/Arbeitgeber und Ort/Arbeitgeber liegende Strecke angegeben: Die Berechnung des Bw. mit "0 km" ist daher nicht strittig.

Die v.a. - nicht strittige - Sachlage ist Entscheidungsgrundlage im ggstl. Berufungsverfahren.

Die Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln hat der Bw. im Wesentlichen damit begründet; dass:

  • ... von 04:00 Uhr bis 04:30 Uhr auf der Strecke Adresse1 - Bahnhof/E kein öffentliches Verkehrsmittel fahre;

  • ... der Bw. um 04:30 Uhr seinen Hauptwohnsitz verlasse, mit seinen eigenen Fahrzeugen die ca. 81 - 85 km lange Strecke zur Arbeitsstätte fahre und dort um 06:45 Uhr ankomme;

  • ... der Bw. verspätet an seinem Arbeitsplatz ankomme (und seinen Job riskiere), wenn er mit dem Zug um 05:14 Uhr fahre und dass

  • ... insgesamt 1 Stunde zu den als Wegzeit angenommenen 2 ½ Stunden hinzuzurechnen sei.

Diesem Berufungsvorbringen ist entgegen zu halten:

Nach Lehre, ständiger VwGH-Rechtsprechung und Verwaltungspraxis ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln wegen tatsächlicher Unmöglichkeit, nachweislich vorliegender dauernder starker Gehbehinderung oder langer Anfahrtszeit nicht zumutbar.

I. Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln wegen tatsächlicher Unmöglichkeit:

Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist tatsächlich unmöglich, wenn vor Arbeitsbeginn oder nach Arbeitsende auf der gesamten oder mehr als der halben Wegstrecke keine öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.

Per definitionem gehören zur "Wegstrecke" die auf der Strecke Wohnung - Arbeitsstätte von öffentlichen Verkehrsmitteln gefahrenen Tarifkilometer zuzüglich Anfahrts- oder Gehwege zu den jeweiligen Ein- und Ausstiegsstellen.

Im Falle des Bw. ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln tatsächlich möglich, weil vor Arbeitsbeginn und auch nach Arbeitsende auf mehr als der halben Wegstrecke öffentliche Verkehrsmittel fahren:

Die maximal 5 km lange Strecke zwischen Hauptwohnsitz und Bahnhof/E und die Fußwege zu U-Bahn, Straßenbahn und von der Ausstiegstelle zu den Name/Arbeitgeber ausgenommen, fahren auf der insgesamt 97 km - 98 km langen Strecke zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte öffentliche Verkehrsmittel: Festzustellen ist, dass auf mehr als 90% der zwischen Hauptwohnsitz des Bw. und seiner Arbeitsstätte liegenden Strecke öffentliche Verkehrsmittel fahren.

Der um 05:14 Uhr vom Bahnhof/E abfahrende Regionalzug ist nicht die einzige Zugverbindung, die es dem Bw. ermöglicht, vor 07:00 Uhr in den Name/Arbeitgeber anzukommen; lt. ÖBB-Fahrplanauskunft kommt der Bw. um 06:35 Uhr an der Haltestelle/Name/Arbeitgeber an, wenn er mit dem um 04:56 Uhr vom Bahnhof/E abfahrende Zug fährt.

Für den Zeitraum vor Arbeitsbeginn - 07:00 Uhr - ist festzustellen, dass dem Bw. mit zumindest einer Zugsverbindung und den im Minutentakt fahrenden U-Bahnen und Straßenbahnen ein sehr gut ausgebautes Netz von öffentlichen Verkehrsmitteln für mehr als 90% der Strecke zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte zur Verfügung steht, sodass eine tatsächliche Unmöglichkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln vor Arbeitsbeginn nicht vorliegt.

Nach Arbeitsende - 15.00 Uhr - kann der Bw. mit den im Minutentakt fahrenden U-Bahnen und Straßenbahnen in maximal 45 Minuten von den Name/Arbeitgeber zur Bahnhaltestelle/WS fahren, sodass er bereits mit dem um 16:01 Uhr von dieser Bahnhaltestelle abfahrenden und um 17:16 Uhr am Bahnhof/E ankommenden Zug die Heimfahrt antreten kann.

Für den Zeitraum nach Arbeitsende - 15:00 Uhr - ist festzustellen, dass dem Bw. öffentliche Verkehrsmittel für mehr als 90% der Strecke zwischen Arbeitsstätte und Hauptwohnsitz zur Verfügung stehen, sodass eine tatsächliche Unmöglichkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nach Arbeitsende nicht vorliegt.

II. Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln wegen nachweislich vorliegender dauernder starker Gehbehinderung:

Aus den Verwaltungsakten ist festzustellen: Nach Aktenlage ist der Bw. nicht gehbehindert; im ggstl. Berufungsverfahren ist nicht vorgebracht worden, dass der Bw. gehbehindert sei:

Nach dieser Sachlage ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mangels nachweislich vorliegender dauernder starker Gehbehinderung zumutbar gewesen.

III. Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln wegen langer Anfahrtszeit:

Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist wegen langer Anfahrtszeit unzumutbar, wenn Wohnung und Arbeitsstätte nicht innerhalb eines Verkehrsverbundes liegen und die Wegzeit bei einer einfachen Wegstrecke unter 20 km mehr als 1,5 Stunden, bei einer einfachen Wegstrecke von 20 km bis 40 km mehr als 2 Stunden und bei einer 40 km überschreitenden einfachen Wegstrecke mehr als 2,5 Stunden beträgt.

Liegen Wohnort und Arbeitsstätte mehr als 25 km voneinander entfernt jedoch innerhalb eines Verkehrsverbundes, ist die Wegzeit zwischen Verlassen der Wohnung bis zur Ankunft an der Arbeitsstätte in Relation zur Fahrtzeit eines Kraftfahrzeuges zu setzen. Überschreitet die Wegzeit bei Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln die dreifache Fahrzeit des Kraftfahrzeuges, ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar.

Per definitionem gehören zur "Wegzeit" die Gehzeiten oder Anfahrtszeiten zu der zur Wohnung nächst gelegenen Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels, die Fahrzeit/en mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Warte- und Gehzeiten bei Umsteigen von einem öffentlichen Verkehrsmittel in ein anderes öffentliches Verkehrsmittel und Wartezeiten bis Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende, wenn der Arbeitnehmer keine gleitende Arbeitszeit hat. Bei Ermittlung der Wegzeit ist immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen und eine optimale Kombination zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und Individualverkehrsmittel (bspw. "Park and Ride") zu unterstellen. Nicht in die Wegzeit einzurechnen sind Verspätungen von öffentlichen Verkehrsmitteln.

Auf die v.a. Rechtslage bezogen ist aus den Verwaltungsakten festzustellen:

  • Der Hauptwohnsitz des Bw. und seine mehr als 80 km davon entfernte Arbeitsstätte liegen innerhalb eines Verkehrsverbundes:Nach dieser Sachlage ist die dem Bw. zumutbare Wegzeit die für innerhalb eines Verkehrsverbundes liegende, für mehr als 25 km voneinander entfernte Wohnorte und Arbeitsstätten geltende, zumutbare Wegzeit; d.i. die dreifache Fahrzeit eines Kraftfahrzeuges.

  • Lt. Michelin-Routenplaner beträgt die Fahrzeit eines auf der 80 km langen Strecke zwischen Hauptwohnsitz des Bw. und seiner Arbeitsstätte fahrenden Kraftfahrzeuges 1 Stunde; nach den Ausführungen in der E-Mail habe die vom Bw. mit seinen Fahrzeugen gefahrene einfache Wegstrecke ca. 81 - 85 km betragen und habe die Abfahrt vom Hauptwohnsitz um 04:30 Uhr statt gefunden; die Ankunft an seiner Arbeitsstätte/Name/Arbeitgeber um 06:45 Uhr: Eine Fahrzeit von 2 ¼ Stunden auf einer 80 km (lt. Bw. 81 - 85 km) langen Strecke entspricht einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von +/- 40 Stundenkilometern. Nach allgemeiner Erfahrung ist die Fahrgeschwindigkeit auf Bundesstraßen und Autobahnen wesentlich höher als 40 Stundenkilometer; der Unabhängige Finanzsenat legt daher die Fahrzeitberechnung des Michelin-Routenplaners seiner Entscheidung zugrunde.Die dem Bw. zumutbare Wegzeit sind deshalb 3 Stunden.

Im Falle des Bw. haben die Anfahrtszeiten zur Arbeitsstätte und retour zum Hauptwohnsitz die für die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbare Wegzeit von 3 Stunden nicht überschritten:

III.I. Wegzeit vom Hauptwohnsitz zur Arbeitsstätte:

Die Wegzeit vom Hauptwohnsitz zur Arbeitsstätte beginnt mit dem Verlassen des Hauptwohnsitzes.

Der Bw. hat ein Moped und ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug, die er nach eigener Aussage (abwechselnd) dazu verwendet, um von seinem Hauptwohnsitz zum Bahnhof/E (und offenbar auch retour) zu fahren.

Lt. Michelin-Routenplaner dauert die 4,5 km bis 5 km lange Fahrt vom Hauptwohnsitz zu den beiden in Bahnhofsnähe gelegenen Parkhäusern (Parkplätzen) 5 Minuten bzw. 6 Minuten. Die vom Finanzamt mit 10 Minuten geschätzte Wegzeit könnte deshalb ausreichen, um ein Fahrzeug in Bahnhofsnähe zu parken und um auf den Bahnsteig zu gelangen; zumal die Gehzeit für die Strecke vom Hauptwohnsitz um Bahnhof/E ca. 16 Minuten beträgt und zu unterstellen ist, dass das jeweils schnellste zur Verfügung stehende Fortbewegungsmittel gewählt wird, um von einem Ort zu einem anderen Ort zu gelangen.

Geht der Bw. die Wegstrecke zum Bahnhof zu Fuß, müsste er seinen Hauptwohnsitz spätestens um 04:55 Uhr verlassen, um den um 05:14 Uhr abfahrenden Zug zu erreichen; der Unabhängige Finanzsenat geht daher davon aus, dass der Bw. den fahrplanmäßig um 05:14 Uhr abfahrenden Zug erreicht, wenn er seinen Hauptwohnsitz um 05:00 Uhr verlässt, um mit seinem Moped oder seinem vierrädrigen Leichtkraftfahrzeug zum Bahnhof/E zu fahren. Nach dieser Sachlage ist dem Vorschlag des Bw., die Wegzeit mit ½ Stunde zu schätzen, nicht zuzustimmen und der Beginn der Wegzeit mit 05:00 Uhr festzusetzen.

Die fahrplanmäßige Ankunft des um 05:14 Uhr vom Bahnhof/E abfahrenden Zuges an der Bahnhaltestelle/WS ist 06:12 Uhr; die Ankunft an der seiner Arbeitstätte nächst gelegenen, 1 Gehminute von der Arbeitsstätte entfernten, Haltestelle 06:47 Uhr. Da Verspätungen bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zur "Wegzeit" gehören, ist der vom Bw. mit 15 Minuten geschätzte Zeitaufwand für Verspätungen nicht zur "Wegzeit" hinzuzurechnen.

Der Bw. hat keine gleitende Arbeitszeit; die Zeitspanne von ca. 10 Minuten zwischen Ankunft an der Arbeitsstätte und Arbeitsbeginn sind deshalb "Wegzeit".

Nicht zur Wegzeit gehören hingegen der Zeitaufwand für das Wechseln der Garderobe und die Gehzeit zu den Plätzen, an denen der Bw. nach Weisung seines Arbeitgebers zu arbeiten hat:

Die per definitionem zur "Wegzeit" gehörenden Zeiten sind Geh-, Anfahrts- und Fahrzeiten und die zwischen diesen Geh-, Anfahrts- und Fahrzeiten liegenden Wartezeiten: Zur Wegzeit gehören damit ausschließlich mit "Fortbewegung" in Zusammenhang stehende Zeitspannen. Das Wechseln der Garderobe ist jedoch eine mit der Berufsausübung in Zusammenhang stehende Tätigkeit; die dafür aufgewendete Zeit ist daher "Arbeitszeit".

Die per definitionem zur "Wegstrecke" gehörenden Strecken enden vor der Arbeitsstätte: Zur Wegstrecke gehören damit ausschließlich außerhalb der Arbeitsstätte liegende Strecken. "Arbeitsstätte" ist jener Ort, an dem ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber regelmäßig dienstlich tätig wird. Zum Ort, an dem der Bw. für seinen Arbeitgeber regelmäßig dienstlich tätig ist, gehören alle Grundstücke, auf denen sich die Name/Arbeitgeber befinden. Alle Plätze, an denen der Bw. nach Weisung seines Arbeitgebers zu arbeiten hat, befindet sich in den Name/Arbeitgeber und damit innerhalb der Arbeitsstätte.

Die v.a. Ausführungen zusammenfassend ist festzustellen:

  • Der Bw. trifft vor Arbeitsbeginn an seiner Arbeitsstätte ein, wenn er mit dem um 05:14 Uhr vom Bahnhof/E abfahrenden Zug fährt; die Fahrvariante mit diesem Zug ist damit die schnellste Verbindung und ist als solche für die Beurteilung, ob Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit vorliegt oder nicht, heranzuziehen. Mit der Frage, ob Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen langer Anfahrtszeit auch dann vorliegt, wenn der Bw. mit dem um 04:56 Uhr vom Bahnhof/E abfahrenden Zug fährt, musste sich der Unabhängige Finanzsenat nach der ggstl. Sach- und Rechtslage nicht auseinandersetzen.

  • Beginnt die Wegzeit mit dem Verlassen des Hauptwohnsitzes um 05:00 Uhr und endet mit Arbeitsbeginn um 07:00 Uhr, beträgt die Wegzeit 2 Stunden und liegt damit unterhalb der im Falle des Bw. zumutbaren Wegzeit von 3 Stunden.

III.II. Wegzeit von der Arbeitsstätte zum Hauptwohnsitz:

Die Wegzeit von der Arbeitsstätte zum Hauptwohnsitz beginnt mit dem Verlassen der Arbeitsstätte nach Arbeitsende; im Falle des Bw. um 15:00 Uhr.

Nach Arbeitsende stehen dem Bw. im Minutentakt fahrende U-Bahnen und Straßenbahnen zu Verfügung, die in maximal 45 Minuten von den Name/Arbeitgeber zur Bahnhaltestelle/WS fahren, sodass der Bw. mit dem um 16:01 Uhr von dieser Bahnhaltestelle abfahrenden und fahrplanmäßig um 17:16 Uhr am Bahnhof/E ankommenden Zug die Heimfahrt antreten kann. Die Strecke zum Hauptwohnsitz zu Fuß gehend oder mit einem seiner beiden Kraftfahrzeuge fahrend, müsste der Bw. um +/- 17:30 Uhr an seinem Hauptwohnsitz eintreffen.

Die v.a. Ausführungen zusammenfassend ist festzustellen:

Beginnt die Wegzeit mit dem Verlassen der Arbeitsstätte nach Arbeitsende um 15:00 Uhr und endet mit der Ankunft am Hauptwohnsitz um ca. 17:30 Uhr, beträgt die Wegzeit +/- 2 ½ Stunden und liegt damit unterhalb der im Falle des Bw. zumutbaren Wegzeit von 3 Stunden.

Entscheidung:

Nach dieser Sachlage ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mangels tatsächlicher Unmöglichkeit, mangels nachweislich vorliegender dauernder starker Gehbehinderung und mangels langer Anfahrtszeiten vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zumutbar gewesen.

Das Berufungsbegehren - das "große" Pendlerpauschale anstelle des "kleinen" Pendlerpauschales von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen - ist abzuweisen.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Pendlerpauschale
Wegzeit
Wegstrecke

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at