Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSS vom 28.01.2009, RV/0455-S/05

Ermessensentscheidung für die Gewährung einer Teilnachsicht bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Unbilligkeit.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Schatzl und die weiteren Mitglieder Dr. Johann Taferner, Dr. Walter Zisler und Martina Blaha über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, vertreten durch Dr. Heitger-Leitich, vom , St.Nr., betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.

Ein Abgabenbetrag in Höhe von Euro 7.874,40 wird gemäß § 236 BAO nachgesehen.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom hat Herr X.Y. (in der Folge: Bw) um Nachsicht der Abgabenschuldigkeit gemäß § 236 BAO angesucht. Zum damaligen Zeitpunkt betrug der Abgabenrückstand auf dem Konto des Bw, StNr. 028/0000, Euro 19.367,21. Dieser Gesamtrückstand ist entstanden durch die Nachveranlagung betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1999.

Am betrug der Rückstand Euro 21.674,02. Dieser Rückstand verringerte sich aufgrund der Ratenzahlungen des Bw und der Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich einzelner Jahre und betrug am Euro 19.708,41. Monatliche Ratenzahlungen in Höhe von Euro 200,00 wurden in der Folge bewilligt.

Die beantragte Nachsicht wurde damit begründet, dass # der Bw besitze außer der Wohnungseinrichtung kein Vermögen, # die Sorgepflicht für seinen Sohn A., geb. 1991 habe # ein monatliches Nettogehalt in Höhe von Euro 1.561,96 vom Dienstgeber beziehe # und monatliche Fixkosten in Höhe von Euro 1.212,83 zu tragen habe.

Diese Fixkosten setzten sich zusammen aus:

Euro 75,00 für Telefon, Euro 320,05 für die Kreditrückzahlung bei der Bank und Euro 817,78 für die Wohnungsmiete, sodass ihm ein frei verfügbares Einkommen von Euro 349,13 verbleibe, wodurch es ihm unmöglich sei, die monatliche Rate in Höhe von Euro 200,00 zu bezahlen. Die wirtschaftliche Existenz sei auch dadurch gefährdet als nicht sichergestellt sei, ob im Falle eines Privatkonkurses sein Dienstverhältnis gesichert sei. Nach Ansicht des Bw liege der Nachsichtsgrund der Unbilligkeit der Einhebung wegen wirtschaftlicher Notlage bzw. Existenzgefährdung vor.

Mit Bescheid vom , St.Nr., wies die Abgabenbehörde I. Instanz den Nachsichtsantrag zusammengefasst mit der Begründung ab, dass wenn persönliche Unbilligkeit vorliegen würde, dem Antrag aber bei der Ermessensübung nicht entsprochen werden könne und zwar aus folgenden Gründen:

# Es gäbe weitere Gläubiger, wie die Bank, die durch die Nachsicht bevorzugt werden würden. # Das bisherige steuerliche Verhalten des Antragsteller stehe einer Bewilligung der Abgabennachsicht entgegen, denn die Abgabenrückstände resultierten aus einer bei einer Betriebsprüfung erstellten Kontrollmitteilung, wonach der Bw als Ausfahrer bei der Firma zusätzliche Einkünfte bezogen habe. Diese Einkünfte waren vom Bw nicht erklärt worden, wodurch es zum hohen Abgabenrückstand gekommen sei. # Die Gewährung einer Nachsicht wäre eine Benachteiligung derjenigen Abgabepflichtigen, die ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommen und bemüht sind, alle Maßnahmen zu setzen, die zur Klärung des Umfanges und der Rechtmäßigkeit ihrer Steuerpflicht notwendig sind. # Der Umstand der Abgabenhinterziehung sei ein Ausschließungsgrund für eine Nachsicht.

Mit rechtzeitiger Berufung vom wurde weiters vorgebracht, dass der Bw - trotz unbestrittener Steuerunehrlichkeit - nunmehr jedoch versucht habe, seine steuerlichen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und seine monatlichen Raten eingehalten habe.

Die Darlehensschuld resultiere aus der Anschaffung von unbedingt erforderlichen Möbeln. Die zwischenzeitig eingegangene Lebensgemeinschaft mit einer Frau mit drei Kindern habe zu hohen Mietkosten geführt. Diese Lebensgemeinschaft sei wiederum aufgelöst worden, sodass sich die Mietkosten künftig verringern würden. Allerdings sei der im Haushalt lebende Sohn wieder zur Mutter gezogen, weshalb eine Unterhaltsverpflichtung in Höhe von Euro 350,00 bestehe.

Das Ansuchen auf Nachsicht wurde im Hinblick auf die im Abweisungsbescheid dargelegten Ermessensgründe auf eine Teilnachsicht eingeschränkt, wonach eine Abschlagszahlung von Euro 3.000,00 durch die Unterstützung seitens des Vaters möglich sei.

Beantragt wurde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Eingabe vom beantragte der Bw, der zwischenzeitig in den Bereich der Stadt Salzburg übersiedelt ist, zur neuen St.Nr.neu, neuerlich die Gewährung einer Teilnachsicht. Vom aushaftenden Gesamtrückstand in Höhe von 13.574,40 könnte ein Betrag von Euro 5.000,00 mit Unterstützung durch eine Bürgschaft des Vaters sofort entrichtet werden. Die Nachsicht betreffe einen Betrag von Euros 8.574,40.

Die wirtschaftliche Situation stellte der Bw wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Monatliches Gehalt vom Dienstgeber
Euro
1.600,00
Telefon, Rundfunk, kleiner Gebühren
Euro
75,00
Kreditrückzahlung für Wohnungseinrichtung
Euro
320,00
Wohnungsmiete, BK, Strom
Euro
600,00
Raten Finanzamt, Finanzstrafe
Euro
300,00
monatliche Fixkosten daher
Euro
1.295,00
frei verfügbares Monatseinkommen
Euro
305,00

Ohne Unterstützung durch den Vater könne er nicht mehr für seinen Lebensunterhalt aufkommen.

Die wirtschaftliche Existenz sei auch dadurch gefährdet, dass nicht sichergestellt sei, ob bei einem Privatkonkurs das Dienstverhältnis zum Dienstgeber weiterhin gesichert bleibe.

Aufgrund der Einkommenssituation sei der Bw auch nicht kreditwürdig, sodass die Aufnahme eines Kredites zur Abdeckung der Steuerschuld nicht möglich sei. Aufgrund einer Kreditzusage der Bank Austria, welche durch eine Bürgschaft des Vaters abgesichert wäre, könne der Berufungswerber den Betrag von Euro 5.000,00 fremdfinanzieren. Dieser Betrag sei höher als die Quote bei einem Privatkonkurs.

Das Finanzamt legte diese Eingabe als weiteres Vorbringen im Berufungsverfahren mit dem Antrag auf Abweisung vor.

Aktuell beträgt der Abgabenrückstand zum Euro 12.874,40

Am wird die Einkommensteuer 2007 in Höhe von 1.275,40 fällig. Entstanden ist diese Steuerschuld durch den Umstand, dass der Bw seit zusätzlich bei der Fa. GmbH tätig ist.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde vom steuerlichen Vertreter ergänzend ausgeführt, "dass die damalige "Steuerunehrlichkeit" nicht wegdiskutiert werden könne oder solle. Festzuhalten sei aber, dass im Zeitraum von 2003 mit einem Rückstand von rund € 23.000,-- begonnen worden sei. Nun sei dieser Rückstand, ohne Berücksichtigung der noch nicht fälligen Veranlagung 2007, auf € 12.000,-- gesunken. Der Berufungswerber habe daher in diesem Zeitraum nach Maßgabe seiner Möglichkeiten über € 10.600,-- abgedeckt. Er habe sich nach der damaligen Problematik mit der Firma weiter immer steuerehrlich verhalten und es sei nicht einzusehen warum einem Menschen seine einmalige Verfehlung auf Dauer vorgehalten werden solle.

Festzuhalten sei auch, dass diese so genannte "Steuerunehrlichkeit" für einen juristisch nicht vorgebildeten Menschen nicht so einfach ersichtlich gewesen sei. Es sei auch von Seiten der Firma wenig dazu beigetragen worden die Unklarheiten zu beseitigen.

Als Alternative für eine Nachsicht wären von Seiten der steuerlichen Vertretung ein Privatkonkurs zu prüfen gewesen, jedoch sei die Problematik darin gelegen, dass der Berufungswerber Beamter in der Wirtschaftsabteilung des Dienstgeber sei und nicht klar sei bzw. auch nicht zu klären gewesen sei ob ein derartiger Privatkonkurs Auswirkungen auf das Dienstverhältnis des Berufungswerbers nach sich ziehen würde. Deswegen sei auch über die Vorstellungen des Berufungswerbers versucht worden in Einzelverhandlungen den Schuldenberg abzubauen. Konkret beziehen sich diese Schulden letztendlich auf Schulden bei der Bank bzw. beim Finanzamt. Die Bankschulden resultieren zum Einen aus einer Scheidung und der daraus folgenden Wohnungsaufteilung, zum Anderen aus Schulden aus einer danach eingegangenen Lebensgemeinschaft, die ebenfalls wieder zerbrochen sei. In beiden Fällen seien die Verbindlichkeiten beim Berufungswerber verblieben.

Diese Verbindlichkeiten seien beide vor Entstehen der Steuerschulden eingegangen worden. Der Bw habe bereits zwei Jahre in der Lebensgemeinschaft gelebt, als die Steuernachforderungen festgesetzt worden seien. Die damalige Lebensgefährtin sei ebenfalls von Steuernachforderungen betroffen gewesen und habe als Alleinerzieherin und dreifache Mutter zur Schuldentilgung nichts beitragen können.

Die Finanzstrafe sei mittels eines Gnadengesuches auf € 5.000,-- reduziert worden und sei nun in Raten abzustatten. Diese Strafe stellte ein weiteres Problem für den Berufungswerber dar und ermöglichte ihm den Weg in den Privatkonkurs auch deswegen nicht, da im Falle eines Privatkonkurses die noch offene Strafe nicht mehr bezahlt werden könnte und somit eine Ersatzfreiheitsstrafe drohe, die jedenfalls für den Dienstgeber ein Problem darstellen würde."

In der mündlichen Berufungsverhandlung legte der Bw eine Aufstellung über die aktuelle finanzielle Situation vor.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Monatliches Gehalt vom Dienstgeber
Euro
1.876,61
Monatliche Belastungen:
Telefon, Rundfunk, kleiner Gebühren
Euro
90,00
Kreditrückzahlung für Wohnungseinrichtung
Euro
607,85
Wohnungsmiete, BK,
Euro
496,66
Unterhalt Sohn
Euro
275,00
Strom
Euro
56,00
Versicherungen
Euro
51,00
Raten Finanzamt, Finanzstrafe
Euro
300,00
monatliche Fixkosten daher
Euro
1.876,51
frei verfügbares Monatseinkommen
Euro
0,10

Er sei immer wieder auf die Unterstützung seitens seines Vaters sowie auf die vierteljährlichen Sonderzahlungen angewiesen. Der offene Kreditsaldo bei der Bank betrage Euro 59.248,78.

Aufgrund der Unterhaltspflicht betrage das unpfändbare Einkommen Euro 1.299,60.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Bw ist zwischenzeitig in den Bereich der Stadt Salzburg übersiedelt und unter der neuen St.Nr.neu beim Finanzamt Salzburg-Stadt erfasst.

Das Berufungsverfahren ist jedoch gemäß § 75 BAO mit dem Finanzamt abzuführen, das den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Die Abgabenbehörde II. Instanz hat bei der Berufungsentscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen.

A.) Sachverhalt:

Aufgrund des bisherigen Verfahrens und des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Der aushaftende Abgabenbetrag beläuft sich zum auf Euro 12.874,40. Am wird ein Betrag von Euro 1.275,40 aus der Einkommensteuerveranlagung 2007 fällig.

Der Großteil der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten resultiert aus einer Nachversteuerung von Einkünften aus der Tätigkeit als Ausfahrer für die Firma. Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Firma wurde eine Kontrollmitteilung erstellt. Da der Bw diese Einkünfte nicht erklärt hatte, wurden die Bemessungsgrundlagen hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1999 geschätzt und der Einkommensteuer unterworfen.

Der Bw wurde aufgrund dieser Abgabenhinterziehung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt, die er derzeit ebenfalls in Raten zu je Euro 100,00 monatlich entrichtet.

Die Unterhaltspflicht für den Sohn besteht in Höhe von Euro 275,00. Aufgrund dieser Unterhaltspflicht beträgt das unpfändbare Einkommen Euro 1.299,60. Die monatlichen Ausgaben ohne die beim Finanzamt bestehende Ratenverpflichtung in Höhe von Euro 200,00 betragen Euro 1.676,51. Darin sind noch nicht enthalten die Kosten der Lebensführung.

B.) Rechtsgrundlage:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag ganz oder teilweise nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Die Feststellung, ob das gesetzliche Merkmal der Unbilligkeit der Einhebung gegeben ist, liegt im Bereich der gesetzlichen Gebundenheit. Erst nach der Feststellung, dass der Sachverhalt dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht, betritt die Behörde den Bereich des Ermessens und hat nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden.

Für die Beurteilung des Nachsichtsansuchens sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Nachsichtsansuchen maßgebend (, , 91/13/0023).

Die Unbilligkeit selbst kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein (, 0082), wobei der VwGH auf den Einzelfall (, 2109/79) abstellt.

a) Sachliche Unbilligkeit:

Tritt im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis ein, bzw. ist die Abgabeneinhebung nicht bloße Auswirkung oder Folge des ordnungsgemäßen Vollzuges genereller Abgabennormen, so kann dies Anlassfall für eine Abgabennachsicht auf Grund sachlicher Unbilligkeit sein (; , 92/14/0083; , 95/15/0130).

Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einzelfalles im Sinne des § 236 BAO ist eben dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabenpflichtigen in gleicher Weise berührt werden. Nur dann, wenn eine besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften vorliegt, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, also der allgemein gehaltene Abgabentatbestand in Einzelfällen zu Auswirkungen führt, die der Gesetzgeber bei Kenntnis dieser Besonderheiten hätte vermeiden wollen, kann nach Lehre und Rechtsprechung eine sachliche Unbilligkeit vorliegen.

Im Erkenntnis vom , 2004/16/0077 führt der VwGH wörtlich aus:

"Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0341). In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist eine solche Unbilligkeit nicht gelegen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2003/15/0099). Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabenpflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 1289/76). Die sachliche Unbilligkeit muss eine Unbilligkeit der Einhebung und nicht eine Unbilligkeit der Festsetzung sein (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0221). Zur Annahme einer sachlichen Unbilligkeit muss es jedenfalls zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0088)."

Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().

Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, da die Belastungswirkung vor allem ihrer Höhe nach vom Bw. selbst verursacht worden ist und daher von ihm selbst hätte vermieden werden können. Grundsätzlich hat jeder Abgabepflichtige für die aufgrund seines Einkommens zu erwartende Einkommensteuerbelastung vorzusorgen.

Die Höhe der Abgabenschuld ist im vorliegenden Falle bedingt durch die nachträgliche Abgabenfestsetzung für einen Zeitraum von sechs Jahren (1994 bis 1999). Es war daher weder eine Vorauszahlung festgesetzt, noch hat der Bw selbst vorgesorgt, diese Abgabenschuld entrichten zu können. Die anormale Belastungswirkung ist ausschließlich auf das steuerliche Verhalten des Bw. zurückzuführen und nicht durch einen vom Gesetz nicht gewollten Vermögenseingriff begründet, sodass sachliche Unbilligkeit nicht vorliegt.

b.) Persönliche Unbilligkeit:

Persönliche Unbilligkeiten sind anzunehmen, wenn die Einhebung der Abgabe, also die Einziehung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere das Vermögen und das Einkommen des Abgabenschuldners in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigen. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (Stoll, BAO-Kommentar, 2430 und 2431, , , 95/13/0243, , 95/15/0053, , 94/16/0125), sodass sie mit einer Nachsicht dieser Abgaben abgewendet werden könnte ().

Allerdings bedeutet "persönliche Unbilligkeit" nicht nur Gefährdung der Existenzgrundlagen oder des Nahrungsstandes bzw besondere finanzielle Schwierigkeiten und Notlagen. Es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschulden mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden ist, die außergewöhnlich sind, in ihren wirtschaftlichen Folgen atypisch und schwer wiegend sind oder die Leistungskraft in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen, damit geradezu die Lebensfähigkeit der Person des Abgabenpflichtigen gefährden (Stoll, BAO-Kommentar, 2430 und 2431, ).

Die Frage, ob die Existenz der Person des Abgabepflichtigen gefährdet ist, ist nach der Einkommens- und Vermögenslage (und nach der voraussehbaren Entwicklung) ohne Abzug der zu entrichtenden (nachsichtsverfangenen) Abgaben () zu beurteilen. Grundsätzlich ist der Abgabepflichtige gehalten, für die Zahlung der Abgaben vorzusorgen.

Nach der vorstehend zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einbringung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenem Nachteil stünde, der sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergibt, dass also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt. Dies wird insbesondere immer dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren würden, stellen Unbilligkeit dagegen nicht dar. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen.

Kann es auf Grund der im abgeführten Verfahren festgestellten Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld, weil vorhandenes Liegenschaftsvermögen der Bw. in wertmäßiger Höhe grundbücherlich zu Gunsten anderer Gläubiger belastet ist, vorhandene, einen Wert darstellende Forderungen (Lebensversicherung) ebenfalls an andere Gläubiger zediert sind, und weil die mtl. Einkünfte der Bw im Übrigen etwa dem mtl. unpfändbaren Existenzminimum entsprechen aber überhaupt zu keinen Auswirkungen der Einhebung der Abgabenschuld auf die Einkommens- und Vermögenslage der Bw kommen, dann liegt auch keine persönliche Unbilligkeit der Einhebung vor (; , 95/15/0090; , 95/13/0243; , 87/13/0094; , 89/14/0285).

Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändert (, , 95/15/0053, , 95/15/0090).

Damit macht ein auf diesen Unbilligkeitsgrund gestütztes Antragsvorbringen unabdingbar eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Situation des Antragswerbers, insbesondere mit dessen wirtschaftlicher Lage, erforderlich. Würde es danach beim Antragswerber bzw. bei dessen Familie durch die Abgabeneinziehung zu einer Existenzgefährdung bzw. Gefährdung des Nahrungsstandes kommen, ist jedenfalls von persönlicher Unbilligkeit der Abgabeneinhebung auszugehen (; ). Ein solches wirtschaftliches Missverhältnis liegt nach der Rechtsprechung im übrigen aber auch schon dann vor, wenn die Abgabenabstattung für den Nachsichtswerber mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre ().

Um beurteilen zu können, ob Abgabenleistungen beim Nachsichtswerber tatsächlich existenzbedrohende oder zumindest außergewöhnliche wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge haben, ist daher nicht vom um solche Abgabenleistung bereits verminderten, sondern von jenem Einkommen auszugehen, das dem Nachsichtswerber vor Berücksichtigung von erbrachten Abgabenleistungen tatsächlich frei zur Verfügung steht (). Verbleibt dem Abgabepflichtigen zur Bestreitung seines Unterhaltes nur der pfändungsfreie Teil seiner Alterspension, indiziert eine derartige zweifellos bestehende wirtschaftliche Notlage eine Unbilligkeit ().

Nach der vom Bw in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Einnahmen- und Ausgabensituation ist das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit zu bejahen.

C.) Ermessensentscheidung nach § 20 BAO:

Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt, ist keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (, , 94/13/0047, 0049, 0050).

Aus § 236 BAO ergibt sich, dass zwar eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung unabdingbare Voraussetzung für eine Abgabennachsicht ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung bedeutet aber noch nicht, daß die Abgabenbehörden eine begehrte Abgabennachsicht gewähren müssen. Vielmehr können fällige Abgabenschuldigkeiten nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Das Gesetz stellt damit dann, wenn die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vorliegt, die Abgabennachsicht in das Ermessen der Abgabenbehörden. (Stoll, BAO-Handbuch, Seite 581 ff, und die dort angeführte Rechtsprechung, ).

Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", und den Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen ().

Bei Abwägung dieser Interessen ist nicht nur darauf Bedacht zu nehmen, welchem Interesse im Einzelfall an sich Priorität einzuräumen wäre, sondern es muß die Ermessensentscheidung auch tatsächlich geeignet sein, jenen Effekt herbeizuführen, der dem als vorrangig erkannten Interesse entspricht, dh dass eine drohende Existenzgefährdung nur dann eine Nachsicht nach § 236 Abs 1 BAO rechtfertigt, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der betreffenden Abgaben gefährdet ist und mit einer Abgabennachsicht die Existenzgefährdung abgewendet werden könnte (; , 89/14/0196).

Die Tatsache, dass von der begehrten Abgabennachsicht lediglich die übrigen Gläubiger des Abgabepflichtigen profitieren könnten, kann unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit und Zweckmäßigkeit einer Abgabennachsicht durchaus entgegenstehen. Diesbezüglich hat der VwGH wiederholt dargetan, eine Nachsicht könne im Rahmen des im § 236 Abs. 1 BAO eingeräumten Ermessens nicht im für den Bw. positiven Sinne gewährt werden, wenn sie ausschließlich zu Lasten der Finanzverwaltung und zu Gunsten anderer Gläubiger ginge (, , 94/13/0047, 0049, 0050, , 95/15/0090, , 2002/14/0082, sowie Kommentar zur BAO³, Rz 17).

Bei der Ermessensübung ist vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen; insbesondere bei Hinterziehung wird eine Nachsicht im Allgemeinen nicht in Betracht kommen (vgl. die bei Ritz, Kommentar zur BAO³, Rz 16 zu § 236 BAO, wiedergegebene hg. Judikatur).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt jedoch insbesondere bei Hinterziehung eine Nachsicht im Allgemeinen nicht in Betracht (), da unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit auch die Gleichbehandlung von Abgabepflichtigen, somit keine Benachteiligung ehrlicher Steuerschuldner durch Bevorzugung unehrlicher, zu berücksichtigen ist. Im Erkenntnis vom , 88/14/0245 hat der VwGH zur Frage einer bloß fahrlässigen Abgabenverkürzung wörtlich ausgeführt:

"Unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit durfte die Behörde auch die Steuerehrlichkeit und die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen berücksichtigen. Würden in Not geratene Abgabenschuldner ungeachtet ihrer Steuergerechtigkeit gleich behandelt, würde dies die besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes im Interesse der Steuergerechtigkeit durch § 114 BAO verletzen."

Die Einhebung hinterzogener Abgaben kann in der Regel nicht als unbillig bezeichnet werden, da in solchen Fällen die Schwierigkeiten bei der Abgabenentrichtung meist darauf zurückzuführen sind, dass es zu einer Zusammenballung von Abgaben kommt, die während eines mehrjährigen Zeitraumes vom Abgabepflichtigen vorsätzlich verkürzt worden sind, und dass die Mittel die den Abgabepflichtigen ohne weiteres in die Lage versetzt hätten, die hinterzogenen Abgaben zeitgerecht zu entrichten, von diesem bereits verbraucht wurden.

Die von der Abgabenbehörde I. Instanz herangezogenen Gründe für die Abweisung der beantragten Nachsicht, sind im Sinne der vorstehend angeführten Rechtsprechung nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Ablehnung der Nachsicht des gesamten Abgabenrückstandes erfolgte daher nach der damaligen Aktenlage zurecht.

Der Bw hat jedoch schon in der Berufung und dann nochmals in der Eingabe vom sein Nachsichtsbegehren eingeschränkt.

Zudem ist es ihm im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung gelungen, die individuelle Belastungssituation und die Umstände, die zu diesem wirtschaftlichen Desaster geführt haben, glaubwürdig und ausführlich darzulegen.

Die Schuldensituation rührt zum Teil schon aus der Zeit vor dem Bezug jener Beträge, die zur Steuernachforderung geführt haben. Die Schulden zwangen den Bw schon während der Ehe eine zusätzliche Beschäftigung anzunehmen. Die damalige Ehegattin ist bereits in jungen Jahren berufsunfähig geworden, die Stieftochter besuchte eine Privatschule, für die der Bw aufkam. Ohne die zusätzliche Beschäftigung wäre kein finanzielles Auskommen gewesen.

Zudem wurde der Bw seitens des damaligen Auftraggebers im Unklaren über die steuerlichen Konsequenzen gelassen. In Kenntnis dieser Konsequenzen, nämlich dass die Zusatzeinkünfte mit dem Grenzsteuersatz der Besteuerung zu unterwerfen sind, hätte es sich der Bw überlegt, zu diesen Bedingungen diese Aufträge zu übernehmen. Durch diese vom Bw als Blauäugigkeit beschriebene Absicht, die finanziellen Sorgen durch die zusätzliche Beschäftigung zu bewältigen, verkehrte sich durch die nachfolgende Besteuerung für den Bw ins Gegenteil.

Noch bevor die Besteuerung dieser Zusatzeinkünfte erfolgt war, übernahm der Bw im Zuge der Scheidung die Schulden aus der ersten Ehe und nahm im Zuge der Begründung einer neuen Lebensgemeinschaft ein zusätzliches Darlehen auf, um die Wohnung für eine sechsköpfige Familie - 3 Stiefkinder der Partnerin und der eigene Sohn - einrichten zu können. Auch diese Beziehung ist beendet worden, wobei die Schulden für die Wohnungseinrichtung dem Bw verblieben. Denn die Lebensgefährtin war ebenso wie der Bw von Steuernachforderungen betroffen. Die Verschuldung des Bw rührt somit insgesamt aus der Zeit bevor er von der zu erwartenden Steuerbelastung Kenntnis erlangte.

Der Bw hat weiters ausführlich dargelegt, warum für ihn die Möglichkeit der Entschuldung durch Privatkonkurs nicht gegeben ist, weil es nämlich Auswirkungen auf sein Arbeitsverhältnis haben könnte. Aus diesem Grunde führt er Einzelverhandlungen, um mit den einzelnen Gläubigern Konditionen zu vereinbaren, die es ihm ermöglichen, das Dienstverhältnis aufrecht zu erhalten und somit das wirtschaftliche Überleben zu sichern.

Zur Steuerunehrlichkeit ist anzumerken, dass einerseits die Taten über zehn Jahre zurückliegen, die falsche steuerliche Beurteilung zumindest vom damaligen Auftraggeber mitverursacht worden ist und sich der Bw seither steuerehrlich verhalten hat. Zudem hat er einen großen Teil der Abgabenschuld bereits abgedeckt und die vereinbarten Ratenzahlungen immer eingehalten und so unter schwierigsten finanziellen Bedingungen seine Zahlungswilligkeit unter Beweis gestellt. Vermögenswerte sind nicht vorhanden.

Ein Nachsicht ist nach der Rechtsprechung auch ausgeschlossen, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändert (, 18.5.1005, 95/15/0053).

Würde seitens der Abgabenbehörde Exekution geführt werden, so verbliebe dem Bw zwar das unpfändbare Existenzminimum, mit dem er jedoch aufgrund der ausführlich dargestellten finanziellen Belastung nicht das Auslangen finden könnte, was vermutlich zu schwerwiegenden persönlichen Konsequenzen führen würde.

Die Gewährung der Teilnachsicht stellt für den Bw die Chance dar, auch mit dem Hauptgläubiger zu einer Lösung zu kommen, um so den Arbeitsplatz erhalten und seine wirtschaftliche Existenz für die Zukunft sichern zu können.

Im konkreten Einzelfall treten daher die eingangs zitierten Bedenken gegen die Gewährung einer Nachsicht in den Hintergrund, zumal auch der Bw selbst sein Begehren zweimal eingeschränkt hat und angeboten hat, den derzeit offenen Betrag von Euro 5.000,00 umgehend und vollständig zu entrichten.

Die Verweigerung der Teilnachsicht würde die Leistungskraft des Bw in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen, damit geradezu die Lebensfähigkeit der Person des Abgabenpflichtigen gefährden (Stoll, BAO-Kommentar, 2430 und 2431, ).

Der Senat gelangte daher zur Ansicht, dass unter Berücksichtigung der Gründe die gegen die Gewährung einer Nachsicht sprechen aufgrund der besonderen Umstände im konkreten Fall die Gründe für eine Billigkeitsmaßnahme überwiegen, um die Lebensfähigkeit des Bw zu erhalten. Gerade durch die Gewährung der Teilnachsicht kann jener Sanierungseffekt erst eintreten, der es dem Bw ermöglichen wird, seine prekäre wirtschaftliche Situation existenzsichernd zu regeln.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at