Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Senat), UFSI vom 15.06.2007, FSRV/0015-I/07

Beachtlichkeit der Rechtskraft eines finanzstrafbehördlichen Erkenntnisses bei Prüfung einer gerichtlichen Zuständigkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0015-I/07-RS1
Eine verfahrensleitende Verfügung eines Spruchsenates im Sinne des § 64 Abs.2 FinStrG, letzter Satz, womit dieser seine Nichtzuständigkeit infolge Überschreitens der gerichtlichen Zuständigkeitsgrenze ausspricht, ist als solche nicht rechtsmittelfähig. Ergeht jedoch aus Anlass dieser Verfügung ein Bescheid im Sinne des § 125 Abs.1 FinStrG („Erkenntnis“), ist dieser im Beschwerdefall – unbeschadet der ergangenen inhaltlich gleichlautenden verfahrenleitenden Verfügung – mangels Rechtsgrundlage aufzuheben.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Finanzstrafsenat Innsbruck 1 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Richard Tannert, das sonstige hauptberufliche Mitglied OR Mag. Peter Maurer sowie die Laienbeisitzer Mag. Sybille Regensberger und Dr. Peter Wassermann als weitere Mitglieder des Senates in der beim Finanzamt Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz unter der StrNr. 083/2006/00043-001 gegen H, vertreten durch die Stix Rechtsanwälte Partnerschaft in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17, wegen Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs.2 lit.a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) anhängigen Finanzstrafsache über die "Berufung" [Beschwerde] der Amtsbeauftragten vom gegen "das Erkenntnis" [den Bescheid] des Spruchsenates II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , mit welchem der Spruchsenat seine Unzuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Finanzstrafsache ausgesprochen hat, nach der am in Abwesenheit der Beschuldigten, jedoch in Anwesenheit des Dr. Christian Schöll für die Verteidigerin der Beschuldigten, des Amtsbeauftragten OR Dr. Werner Kraus sowie der Schriftführerin Angelika Ganser durchgeführten mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde der Amtsbeauftragten gegen den Bescheid ("Erkenntnis") des Spruchsenates II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom im Sinne des § 125 Abs.1 FinStrG, mit welchem er sich in der beim Finanzamt Kufstein Schwaz unter der StrNr. 083/2006/00043-001 gegen H anhängigen Finanzstrafsache wegen Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs.2 lit.a FinStrG zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Fällung eines Erkenntnisses für nicht zuständig erklärt hat, wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid - unbeschadet der ergangenen inhaltlich gleichlautenden verfahrensleitenden Verfügung des Erstsenates - aufgehoben.

II. Das Mehrbegehren der Amtsbeauftragten, der Berufungssenat möge auch die diesbezügliche verfahrensleitende Verfügung des Spruchsenates vom beheben bzw. auch in der Finanzstrafsache selbst entscheiden und die Beschuldigte im Sinne der Stellungnahme der Amtsbeauftragten schuldig sprechen, wird mangels Zuständigkeit des Berufungssenates zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Fall liegt vor eine rechtskräftige Bestrafung der Beschuldigten durch den Spruchsenat II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom zu StrNr. 083/2005/00056-001 wegen Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen gemäß § 33 Abs.2 lit.a FinStrG in Höhe von insgesamt € 56.170,13 betreffend die Voranmeldungszeiträume Mai bis Oktober, Dezember 2004 bis März 2005 im Amtsbereich des genannten Finanzamtes.

Im nunmehrigen Finanzstrafverfahren zu StrNr. 083/2006/00043-001, wiederum vor der Finanzstrafbehörde Kufstein Schwaz, wird der Beschuldigten vorgeworfen, neuerlich betreffend die Voranmeldungszeiträume Mai bis Oktober 2005 Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von insgesamt € 29.675,89 gemäß § 33 Abs.2 lit.a FinStrG im Amtsbereich des genannten Finanzamtes hinterzogen zu haben.

Der Spruchsenat II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz geht daher von einer Gerichtszuständigkeit aus, weshalb er am im Zuge einer mündlichen Verhandlung nach Befragung der Beschuldigten zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und Prozessvorbringen der Parteien, sowie abgehaltener Beratung einen Bescheid, tituliert als "Erkenntnis", verkündete, mit welchem er seine Unzuständigkeit zur [weiteren] Verhandlung und Entscheidung aussprach und die Parteien dahingehend belehrte, dass gegen dieses Erkenntnis des Spruchsenates ein Rechtsmittel ("Berufung") zulässig sei (Finanzstrafakt des Finanzamtes Kufstein Schwaz betreffend die Beschuldigte, StrNr. 2006/00043-001, Bl. 92, 97).

Gegen diesen Bescheid hat die Amtsbeauftragte innerhalb offener Frist ein Rechtsmittel ergriffen und darin im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der eingetretenen Rechtskraft des obgenannten ersten Spruchsenatserkenntnisses (vom ) wäre tatsächlich keine Gerichtszuständigkeit gegeben, weshalb beantragt werde, das nunmehrige Unzuständigkeitserkenntnis des Spruchsenates aufzuheben und die Beschuldigte im Sinne der Stellungnahme der Amtsbeauftragten für schuldig zu sprechen.

Trotz der in sich widersprüchlichen und offenkundig teilweise unzutreffenden Beschriftung des Verhandlungsprotokolles mit "{stilisiertem Bundeswappen} BMF [also Bundesministerium für Finanzen] Finanzamt Steuernummer: 092/3108 [?] Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde I. Instanz für Spruchsenat II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein-Schwaz" ist in der Gesamtschau aufgrund der weiteren eindeutigen Formulierung "Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) vor dem Spruchsenat II beim Finanzamtes Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz" dieses Protokoll nach seinem objektiven Erklärungsgehalt ohne Zweifel dem Spruchsenat II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz zuzuordnen, weshalb die von der Verteidigerin in ihrer Gegenausführung zur "Berufungsschrift" der Amtsbeauftragten geäußerten Bedenken, eine unzuständige Behörde wäre eingeschritten, vom Berufungssenat nicht geteilt werden.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Vorerst wäre abzuklären, auf Basis welches verfahrenrechtlichen Vorganges der Spruchsenat seine Entscheidung getroffen hat:

Gemäß § 64 Abs.2 FinStrG hat der Spruchsenat seine Nichtzuständigkeit auszusprechen, wenn nach seiner Ansicht das Gericht zur Führung des Finanzstrafverfahrens zuständig ist.

Bei einem solchen Unzuständigkeitsausspruch nach § 64 Abs.2 FinStrG handelt es sich nach dem Willen des Gesetzgebers um eine bloße verfahrensleitende Anordnung (vgl. EBzRV zum FinStrG, 295 BlgNR 8. GP, 69). An dieser Qualität einer solchen Erledigung nach § 64 Abs.2 leg.cit. ändert grundsätzlich die Bezeichnung als Erkenntnis ebensowenig wie eine meritorische Erledigung einer dagegen erhobenen Berufung des Amtsbeauftragten durch den Berufungssenat. Ein Ausspruch gemäß § 64 Abs.2 FinStrG, der sich auf die Erklärung der Unzuständigkeit beschränkt, weil nach Ansicht des Spruchsenates die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben ist, bildet daher beispielsweise auch, gleichgültig, ob die Erledigung als Anordnung, Verfügung oder als Bescheid bezeichnet ist, keine das Verfahren beendende Entscheidung, sondern eine verfahrensleitende Anordnung, die lediglich bezweckt, dem Gericht Gelegenheit zur Erledigung der Finanzstrafsache zu geben. Eine derartige Feststellung stellt eine verfahrensleitende Verfügung dar ().

Diesbezüglich führt § 152 Abs.1 FinStrG, zweiter Satz, aus, dass gegen derartige das Verfahren betreffende Anordnungen ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist, soweit nicht das Finanzstrafgesetz ausdrücklich ein solches für zulässig erklärt hat. Eine derartige ausdrückliche Beschwerdemöglichkeit ist aber tatsächlich im Gesetz nicht vorgesehen.

Andererseits führt § 125 Abs.1 FinStrG aus, dass ein Spruchsenat, dem gemäß § 124 Abs.2 leg.cit. die Akten zugeleitet worden sind und der feststellt, dass die Voraussetzungen für sein Tätigwerden nicht gegeben sind, diesen Umstand mit Bescheid auszusprechen hat. Dieser Bescheid ist u.a. dem Beschuldigten und dem Amtsbeauftragten zuzustellen und kann von diesen mit Beschwerde angefochten werden.

Diese Vorschrift gelangt aber richtigerweise nur zur Anwendung, wenn der Spruchsenat seine Zuständigkeit deshalb verneinen will, weil die Zuständigkeit des Einzelorganes der Finanzstrafbehörde gegeben ist (vgl. die Entscheidungen des , und vom , 92/14/0164).

Im gegenständlichen Fall ist daher der Spruchsenat offenkundig am im Rahmen einer Beratung zu der Meinung gelangt, nicht die Finanzstrafbehörde Kufstein Schwaz bzw. der Spruchsenat II beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Kufstein Schwaz als Finanzstrafbehörde erster Instanz, sondern das Landesgericht Innsbruck wäre zur Führung des Finanzstrafverfahrens gegen H zuständig. Aus diesem Grunde hat er solches auch am selben Tag - bindend für die Finanzstrafbehörden im weiteren Verfahren bis zur diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidung - verfügt (Finanzstrafakt Bl. 92). (In diesem Sinne auch der Hinweis im "Erkenntnis", dass die Finanzstrafbehörde nach § 54 FinStrG weiter vorgehen werde; Finanzstrafakt Bl. 96).

Ein verfahrensrechtlicher Irrtum ist dem Spruchsenat nur insoweit unterlaufen, als er diese seine Entscheidung in die Form einer schriftlich ausgefertigten, rechtsmittelfähigen Unzuständigkeitsentscheidung im Sinne des § 125 Abs.1 FinStrG gekleidet hat.

Letztere war spruchgemäß mangels Rechtsgrundlage aufzuheben, ohne dass damit in verfahrensleitende Verfügung des Erstsenates eingegriffen werden soll.

Ebenso ist es dem Berufungssenat mangels Zuständigkeit verwehrt, nach erfolgter Aktenvorlage nunmehr anstelle des Erstsenates das erstinstanzliche Finanzstrafverfahren gegen H zu führen.

Hinsichtlich der vom Erstsenat zur Begründung seiner Verfügung bzw. des nunmehr aufgehobenen erstinstanzlichen Unzuständigkeitsbescheides dargelegten Rechtsansicht wäre aus der Sicht des Berufungssenates anzumerken:

Nach Ansicht des Berufungssenates sind selbstredend auch in Finanzstrafverfahren die Prinzipien des ne bis in idem bzw. einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eintretenden Rechtskraft zu beachten, womit mittels Berücksichtigung der res iudicata eine Rechtssicherheit für die Betroffenen erreicht werden soll. Andererseits soll auch der Besonderheit des Finanzstrafverfahrens, wonach in diesem zwei Behördensystemen, einerseits dem Spruchsenat als Spruchkörper mit richterlichem Einschlag und dem Unabhängige Finanzsenat als Tribunal im Sinne der EMRK (mit einer Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof) und andererseits dem Schöffengericht mit einem Instanzenzug an das Oberlandesgericht bzw. an den Obersten Gerichtshof jeweils für bestimmte Finanzvergehen, ausgerichtet nach der Schwere des deliktischen Unwertgehaltes der Taten, eine Zuständigkeit zugewiesen wird und daher Regelungen für Kompetenzüberschneidungen vorzusehen sind, Rechnung getragen werden, um dem Beschuldigten ein faires Verfahren zu garantieren.

Beispielsweise wird - wie vom Erstsenat richtig erkannt - bei mehreren zusammentreffenden Abgabenhinterziehungen (u.a. nach § 33 Abs.2 lit.a FinStrG), bei denen die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge den Betrag von € 75.000,-- übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen, dem Gericht die Zuständigkeit zur Ahndung zugewiesen (§ 53 Abs.1 lit.b FinStrG).

Derartige Finanzvergehen treffen jedoch nicht mehr zusammen, wenn sie bereits rechtskräftig abgehandelt sind, weil jeder rechtskräftig Bestrafte den Anspruch hat, außer in den sachlich notwendigen und vom Gesetzgeber dafür vorgesehenen Fällen der Wiederaufnahme des Verfahrens oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen ein und derselben Strafsache nicht wiederholt in ein Strafverfahren gezogen zu werden. Dieses Prinzip der Beachtung einer res iudicata gilt für alle Strafverfolgungsbehörden, so auch für die Gerichte, und darf vom Gesetzgeber auch nur in den notwendigen Fällen ausnahmsweise durchbrochen werden.

Eine solche notwendige Durchbrechung der Rechtskraft hat der Gesetzgeber für den Fall vorgesehen, dass ohne Wissen der Finanzstrafbehörde, welche gegen einen Beschuldigten wegen bestimmter Fakten, beispielsweise wegen Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs.2 lit.a FinStrG mit einer Gesamtsumme an Verkürzungsbeträgen unterhalb der gerichtlichen Zuständigkeitsgrenze, - aus ihrer Sicht berechtigt - ein verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren führt und allenfalls rechtskräftig mit Bestrafung abschließt, überdies aber bei Gericht wegen einzelner oder aller dieser Fakten ebenfalls ein Finanzstrafverfahren anhängig ist.

Hätte die Finanzstrafbehörde vor Abschluss des verwaltungsbehördlichen Verfahrens von der Anhängigkeit eines Verfahrens wegen derselben Finanzvergehen (konkret: von der Einleitung der Voruntersuchung gemäß § 203 FinStrG [Fassung vor der FinStrG-Novelle 2007] bzw. von der Einleitung des Strafverfahrens gemäß § 209 Abs.2 FinStrG [Fassung vor der FinStrG-Novelle 2007]) bei Gericht erfahren, hätte sie gemäß § 54 Abs.4 FinStrG das verwaltungsbehördliche Verfahren vorläufig einzustellen und den Ausgang des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens abzuwarten gehabt.

Hat die Finanzstrafbehörde erst nach der Rechtskraft ihrer Strafentscheidung vom anhängigen gerichtlichen Verfahren erfahren und im verwaltungsbehördlichen Verfahren bereits den Strafvollzug eingeleitet gehabt, so hat sie diesen zu unterbrechen (§ 54 Abs.4 FinStrG, letzter Halbsatz).

Erfährt das Gericht von der bereits rechtskräftigen Bestrafung hinsichtlich bestimmter Fakten durch die Finanzstrafbehörde, hinsichtlich welcher in weiterer Folge auch ein gerichtliches Finanzstrafverfahren anhängig geworden ist, hat es letztendlich diesbezüglich mit einem Freispruch im Sinne des § 259 Z.3 StPO vorzugehen.

Um Kompetenzkonflikte zwischen den Finanzstrafbehörden und den Gerichten auf Kosten der Parteien zu vermeiden, ist die Kompetenz zur Zuordnung von Finanzstrafsachen zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden im Konfliktfall rigoros den Gerichten zugewiesen. Eine erneute Bestrafung durch das Gericht (trotz bereits erfolgter Bestrafung durch eine Finanzstrafbehörde) unter Missachtung des ne bis in idem hat daher zur Folge, dass damit diese Rechtswidrigkeit geheilt wird, weil die Finanzstrafbehörde ex lege ihre bereits ergangene Entscheidung außer Kraft zu setzen und den Strafvollzug endgültig einzustellen hat (§ 54 Abs.6 FinStrG, erster Satz). Lediglich insoweit wird also das grundsätzlich geltende Prinzip eines ne bis in idem durchbrochen, wobei der Gesetzgeber dies als Ausnahmeregelung im § 54 FinStrG ausdrücklich festgelegt hat.

Beachtet das Gericht den Umstand der res iudicata, ist für die Finanzstrafbehörde nichts weiter zu veranlassen, allenfalls aber - falls die von ihr verhängten Strafen noch nicht (vollständig) vollzogen worden sind - ist der unterbrochene finanzstrafbehördliche Strafvollzug fortzusetzen (§ 54 Abs.5 FinStrG, letzter Satz).

Im Ergebnis haben also alle Strafverfolgungsbehörden die Rechtskraft von Straferkenntnissen der Finanzstrafbehörden auch bei der Prüfung ihrer Zuständigkeit in der Form zu beachten, dass die bereits rechtskräftig abgehandelten Fakten nicht mehr in die Berechnung der Summe an strafbestimmenden Wertbeträgen im Sinne des § 53 Abs.1 lit.b FinStrG mit einzubeziehen sind.

Diese Rechtsansicht entspricht der Verwaltungspraxis und auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. ).

Die Ergänzung des Gesetzestextes in § 53 Abs.1 lit.b FinStrG mittels des angefügten Satzes "Zusammentreffen können nur Finanzvergehen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist." in der nunmehrigen Finanzstrafgesetz-Novelle 2007, Z. 7 lit.a, wirksam mit , BGBl I 2007/44, kommt so gesehen lediglich einer authentischen Interpretation des Gesetzgebers der bereits derzeit gültigen Rechtslage gleich.

Ginge man dagegen wie der Erstsenat von der Annahme aus, dass der Rechtskraft der Straferkenntnisse der Finanzstrafbehörden in Bezug auf eine gerichtliche Zuständigkeit keine Bedeutung zukommt, hätte dies, wollten die Finanzstrafbehörden diese Rechtsansicht übernehmen, in Anbetracht einer fehlenden absoluten Verjährung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren eine flächendeckende Flut von nunmehr zu eröffnenden gerichtlichen Finanzstrafverfahren gegen all jene Personen, in der Regel langjährige Unternehmer, die bereits mehrfach rechtskräftig in diversen verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, die keine Finanzordnungswidrigkeiten darstellen, abgestraft worden sind und bei welchen die jeweils fünfjährige Verjährungsfrist im Sinne des § 31 Abs.1 und 2 FinStrG (in welche die Zeit der Anhängigkeit des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nicht einzurechnen ist, siehe § 31 Abs.4 lit.b FinStrG) durch neue Taten innerhalb der Frist bis zum Ablauf der Verjährungsfrist für die letzte Finanzstraftat ausgedehnt wird, zur Folge - eine absolute Verjährungsfrist wäre ja für derart gerichtlich strafbare Finanzvergehen nicht mehr vorgesehen.

Es liegt daher im Finanzstrafverfahren zu StrNr. 083/2006/00043-001 nach Ansicht des Berufungssenates tatsächlich keine gerichtliche Zuständigkeit vor.

In Anbetracht der ab dem geltenden Fassung des § 53 Abs.1 lit.b FinStrG (siehe oben), womit selbst dann, wenn zuvor Zweifel in Bezug auf eine Zuständigkeit des Erstsenates bestanden haben, diese sich nunmehr als ausgeräumt erweisen sollten, erlaubt sich der Berufungssenat die Anregung an den Spruchsenat II beim Finanzamt Innsbruck, seine in der gegenständlichen Finanzstrafsache geäußerte Rechtsmeinung zu überdenken und gegebenenfalls seine verfahrensleitende Verfügung vom zurückzunehmen.

Der Verteidigerin wird mit ihren Anträgen auf "Nichtigerklärung" der Finanzstrafverfahren zu den StrNrn. 083/2006/00043-001 und 083/2005/00056-001 bzw. des Straferkenntnisses vom sowie allenfalls auf Einstellung der Finanzstrafverfahren und Vollzugsunterbrechung zu StrNr. 083/2005/00056-001 - Maßnahmen, welche einerseits im Finanzstrafgesetz nicht vorgesehen sind oder für welche im gegenständlichen Fall keine Veranlassung besteht und diesfalls (nach der derzeitigen Verfahrenslage) auch nicht in die Zuständigkeit des Berufungssenates fallen - auf die obige Darlegung der Rechtslage verwiesen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 164 FinStrG ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht der Beschuldigten aber das Recht zu, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach dessen Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und/oder beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 169 FinStrG wird zugleich dem Amtsbeauftragten das Recht der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.

Innsbruck,

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Zuständigkeit
gerichtliche Zuständigkeit
Rechtskraft
verfahrensleitende Verfügung
verfahrensleitende Anordnung
Unzuständigkeitsfeststellung
Spruchsenat
Nichtzuständigkeit
Rechtsmittelfähigkeit
Landesgericht
Verweise


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at