Keine Kurkosten ohne ärztliche Verschreibung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des HD1200, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, vertreten durch Mag. Irene König, vom betreffend Einkommensteuer 2010 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird zu Ungunsten des Bw. abgeändert.
Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Mehrbetrages der Abgaben ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.
Entscheidungsgründe
In der am überreichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung beantragte der Bw. die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung in Höhe von 3.339,51 €. Der beigelegten Aufstellung ist zu entnehmen, dass es sich diesbezüglich um Kurkosten in
Gastein vom - ,
Bleiberg vom - und
Tuffbad vom - 9.9.2010sowie um
Taxifahrten und Spitalskosten handelte.
Zum Nachweis seiner Ausgaben legte der Bw. u.a. eine Rechnung des Fünfsternhotels Norica in Gastein über Aufenthalt und Restaurantbesuche, sowie Rechnungen des Kurzentrums Bad Hofgastein über eine ärztliche Untersuchung und 15 Behandlungen,
eine Rechnung ausgestellt auf die Gattin des Bw. des Falkensteinerhotels Bleiberghof über Aufenthalt, Restaurantbesuche und 3 Lymphdrainagen,
eine Rechnung des Viersternhotels Almwellness in Tuffbad über Aufenthalt , Almwalkingwoche, Almzauber, Getränke u.a., und 5x Lymphdrainage
und eine ärztliche Verschreibung vom für 3 x Lymphdrainage vor.
Am erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid 2010, in dem es die außergewöhnliche Belastung mit 3.339,51 € anerkannte, jedoch unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes von 3.161,93 € und zusätzlich einen Freibetrag wegen Behinderung in Höhe von 294 € gewährte.
Am legte der Bw. Berufung ein und beantragte die Berücksichtigung der Kurkosten für sich und seine Gattin jedoch ohne Selbstbehalt. Er habe eine 60%ige Gehbehinderung. Beigelegt waren die bereits vorgelegten Belege.
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Bw um Vorlage einer vor Antritt der Kur erteilten ärztlichen Verordnung über die Notwendigkeit der beiden Aufenthalte bzw. um die Bewilligung der Krankenkasse sowie einer Bestätigung über die geleisteten Kostenersätze.
In Beantwortung dieses Schreibens übermittelte der Bw. wiederum die bereits vorgelegten Belege und zusätzlich einer Therapieplan.
In der Berufungsvorentscheidung vom gewährte das Finanzamt einen Freibetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von 294 €, den Pauschbetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von 1.836 € und nachgewiesene Kosten der eigenen Behinderung in Höhe von 856,06 € und führte begründend aus:
"Gemäß den Lohnsteuerrichtlinien ist eine Kur nur dann als außergewöhnliche Belastung absetzbar, wenn die Zwangsläufigkeit dieser Kur durch ein ärztliches Zeugnis (vor Antritt der Kur ausgestellt) dokumentiert wird, aus welchem sich die Notwendigkeit und die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben.
Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung Zuschüsse geleistet werden, da hier ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss. Es konnten daher nur die Heilbehandlungen in Höhe von 856,06 € berücksichtigt werden.
Weiters wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihre Gattin Ihre Krankheitskosten aufgrund ihres Einkommens nur im Zuge einer Arbeitnehmerveranlagung beantragen kann.
Am brachte der Bw einen Vorlageantrag ein indem er die teilweise Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung (Fahrtkosten Wien Gastein Wien und Wien Tuffbad Wien in Höhe von 724,08 €, die (gewährten) Taxirechnungen und die (gewährten) Spitalskosten begehrte.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 34 EStG liegt eine außergewöhnliche Belastung vor, wenn die Belastung außergewöhnlich ist und zwangsläufig erwachsen ist und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt ist.
Gem. § 35 EStG steht dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag für außergewöhnliche Belastungen zu, die ihm durch eigene körperliche Behinderung erwachsen sind. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60% ist dies gem. Abs. 3 leg. cit ein Betrag von jährlich 294 €.
Anstelle dieses Freibetrags können gem. Abs. 5 leg. cit auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.
Der VwGH geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. ; ) von folgenden Voraussetzungen für die Anerkennung von Kurkosten als außergewöhnliche Belastung aus:
., Der Begriff "Kur" erfordert ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren (vgl. etwa ).
., Die Aufwendungen für den Kuraufenthalt müssen zwangsläufig erwachsen, was so zu verstehen ist, dass die der Behandlung einer Krankheit unmittelbar dienende Reise zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend erscheint (vgl. , 2103/77, 2104/77).
., An den Nachweis dieser Voraussetzungen müssen wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1792/72) strenge Anforderungen gestellt werden.
., Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit des Kuraufenthaltes ist die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses, aus dem sich die Notwendigkeit und Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben, erforderlich. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder aufgrund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss (, ).
., Bei der Reise muss es sich dem Gesamtcharakter nach um eine Kurreise mit einer nachweislich kurmäßig geregelten Tages- und Freizeitgestaltung handeln. Insofern ist eine deutliche Abgrenzung zu einer bloßen Erholungsreise, die der Gesundheit letztlich auch förderlich ist, erforderlich (, , oder etwa das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage ergangene Urteil des BFH, , III, R 102/89, BStBl II 1991, 763).
., Der Steuerpflichtige ist für das Vorliegen der angeführten Voraussetzungen zur steuerlichen Anerkennung von Ausgaben für eine so genannte Kurreise als außergewöhnliche Belastung auch nachweispflichtig (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/13/0192).
., Wegen der generell schwierigen Abgrenzung von Kurreisen und ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen, sind an die Nachweispflicht strenge Maßstäbe zu legen (, , ).
Setzt man den Streitfall in Beziehung zur oben ausgeführten Rechtsprechung des VwGH so ergibt sich folgendes Bild
Gemäß dem nur für Bad Hofgastein vorgelegten Terminplan hatte der Bw am 6.7. um 9,30h und 10,30h, am 7.7. um 12,30h und 13,50h, am 10.7.um 7h am 12.7. um 7h am 13. 7 um 7,15h und 8,00h am 15.7 um 7h und um 13h, am 16.7 um 7h, und 8h und am 19.7 um 7,30h jeweils eine Kurbehandlung.
Als Nachweis der Zwangsläufigkeit seiner Aufenthalte hat der Bw. lediglich einen Therapieverordnungsschein des Kurzentrumhotels Bad Hofgastein, einen Verordnungsschein vom über 3 Lymphdrainagen und ein Schreiben seines Arztes, dass er die Heilmassagen und die Teillymphdrainagen gut vertragen habe, vorgelegt.
Diese vorgelegten ärztlichen Schreiben entsprechen jedoch nicht den strengen Voraussetzungen, die der VwGH in langjähriger Rechtsprechung von ärztlichen Zeugnissen verlangt. Zum einen wurden sie nicht vor Antritt der ersten Kur erstellt, sondern erst vor der zweiten.. Zum anderen lässt sich aus ihnen nicht die Notwendigkeit eines Kuraufenthaltes ableiten.
Lt. Hausarzt leidet der Bw an Genoarthrosis bds, Skoliose, chronisch degenerative WS-Erkrankung, Z.n. Synovektomie re am an einen Erguss. Am wurden ihm daher 3 Lymphdrainagen verschrieben. Auf Grund dieser Verordnungen hatte der Bw. die Möglichkeit einen Vertragspartner zu wählen, wobei die Behandlung auch an seinem Wohnort möglich gewesen wäre.
Wie eine Anfrage bei der Wr. Gebietskrankenkasse ergab hat der Bw. zwar um Zuschuss für den Kuraufenthalt in Bad Hofgastein angesucht hatte, dieser jedoch seitens der Krankenkasse - da nicht als Kur angesehen - abgelehnt wurde .
Für den zweiten Kuraufenthalt und für die Lymphdrainage wurde kein Antrag eingereicht.
Bei der kurärztlichen Verschreibung handelt es sich um allgemein durchgeführte Untersuchungen die jedem Gast, der Kuranwendungen haben will, angeboten werden. Somit um eine Routineuntersuchung, die sogar in dem vom Hotel angebotenen Package enthalten ist. Ein Befund über den Gesundheitszustand des Bw. im Hinblick auf sein tatsächliches Krankheitsbild wurde nicht vorgelegt. Auch gibt es keinen Abschlussbefund, wie sich die Anwendungen im Hinblick auf ihr Krankheitsbild ausgewirkt haben.
Recherchen im Internet ergaben, dass es sich bei dem Hotel Norica in Bad Hofgastein um ein Hotel mit Kurzentrum im Herzen des Gasteinertales handelt, das direkt an die Alpen Therme Gastein angeschlossen ist und das nachfolgende Gesundheitsangebote offeriert: Institut für Rheumatologie, Rehabilitation und Sportmedizin für bestmögliche Regeneration, Vorbeugung oder Schmerzlinderung, Akupressur, Entspannungsmassage, Klassische Massage, Lymphdrainage; Elektrotherapie und manuelle Therapie zur Schmerzbehandlung; psychosomatische Behandlungen; Phytotherapie; Stressabbau, Hydro- und Balneotherapie, Moorbad, Moorpackungen; Aquafitness, Bewegungstherapie, Qi Gong; Hautpflege, Thermotherapie, Magnetfeldtherapie, Gesunde Ernährung.
Es handelt sich jedoch nicht um eine reine Kuranstalt, sondern um ein, der Allgemeinheit ohne ärztliche Zuweisung zugängiges Wellness- und Fitnesshotel, das auch o.a. Behandlungen anbietet.
Auch bei dem Hotel in Tuffbad handelt es sich um reines Wellnesshotel, das zusätzlich auch Kuranwendungen anbietet.
Für den UFS ergab sich somit das Gesamtbild, dass die vom Bw. gebuchte Aufenthalte unabhängig von einem bestimmten Krankheitsbild jedem Erholungssuchenden angeboten werden und ebenso von jedem, der Erholung, Entspannung und "Relaxen" in gesundheitsfördernder Atmosphäre sucht, angenommen werden kann.
Dies gilt sowohl hinsichtlich der vom Bw. in Anspruch genommen Anwendungen wie Ganzkörpermassagen, Wannenbad als auch hinsichtlich der nicht verschriebenen Lymphdrainagen, da diese jedem Erholungssuchenden im Rahmen seines Aufenthaltes angeboten werden. Es ist somit kein direkter Zusammenhang mit dem vom Bw. geschilderten Krankheitsbild bzw. mit seiner Behinderung zu sehen.
Aus diesem Grund wurde bereits auch das Ansuchen des Bw. um einen Zuschuss zur Kur seitens der Wr. Gebietskrankenkasse abgelehnt.
Der UFS gelangte daher nach Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes zur Ansicht, dass es sich bei den Aufenthalten des Bw. nicht um Kuraufenthalte in engeren Sinn - wie vom Gesetzgeber gefordert - sondern um Erholungsreisen, die auch seiner Gesundheit dienten, handelte. Aus diesem Grund sind weder die Aufenthaltskosten, noch die Behandlungskosten noch die mit den Aufenthalten verbunden Fahrtkosten zwangsläufig entstanden, weshalb sie auch nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden und daher auch keine steuerliche Anerkennung finden können.
Eine Ausnahme davon besteht lediglich für die drei von der praktischen Ärztin verschriebenen Lymphdrainagen im Ausmaß von jeweils 33 €, die der Bw. im Anschluss an die Verschreibung anlässlich seines Aufenthalts im Hotel in Tuffbad vornehmen ließ.
Auch die vom Bw. geltend gemachten Spitalskosten (abzüglich Haushalsersparnis) werden grundsätzlich anerkannt. Dies führt jedoch zu keinerlei steuerlichen Auswirkungen.
Geht man davon aus, dass diese Aufwendungen mit der Behinderung in unmittelbaren Zusammenhang standen wird, aufgrund der Tatsache, dass der dem Bw. zustehende Freibetrag jedoch höher als die anzuerkennenden tatsächlichen Kosten ist, der Freibetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von 294 € gewährt.
Geht man, mangels eines Nachweises, davon aus, dass diese Aufwendungen mit der Behinderung nicht in unmittelbaren Zusammenhang standen können diese nur als allgemeine Krankheitskosten Anwendung finden. Sie sind jedoch niedriger als der Selbstbehalts des Bw. so dass sie auch diesfalls keine steuerliche Auswirkungen zeigen.
Gem. § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der BmfF nach den Erfahrungen in der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittsätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen iSd Abs. 3 leg.cit. führen.
Gem. § 3 Abs. 2 der VO über a.g. Belastungen (BGBl 1996/303) sind bei einem Gehbehinderten mit einer mindestens 50%igen Erwerbsminderung, der über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt die Aufwendungen für Taxifahrten bis zu einem Betrag von monatlich 153 € zu berücksichtigen.
Die beantragten und nachgewiesenen Kosten der Taxifahrten (in Höhe von 80 €) können somit (zusätzlich zum Pauschbetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von 1.836 €) anerkannt werden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at