Versagung des Vorsteuerabzuges bei nicht erfolgtem Grundstücksumsatz
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende A. und die weiteren Mitglieder B., C. und D. über die Berufung der Bw., Adr1, vertreten durch H., Adr1., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes E. vom betreffend Umsatzsteuer 2005 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Berufungswerberin (Bw.) ist die Firma O. Immobilien Verwertungs- und Beratungs GmbH (Erklärung über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom ) mit Sitz in Adr.1, an der der deutsche Staatsbürger H. (mit derselben Adresse) zu 100 % beteiligt und alleiniger Geschäftsführer ist.
Mit Kaufvertrag vom verkauften die Firma M. Liegenschaftsverwertung GmbH in 1F0 Wien, und Frau K., wohnhaft in Adr.1 ihre jeweiligen Miteigentümeranteile an der Liegenschaft EZ 1 Grundbuch 123aaa bestehend aus Grundstücksnummer 2, Grundstücksadresse Adr3, jeweils verbunden mit Wohnungseigentum, an die Bw. als Käuferin. Dabei sollten laut Punkt I.a) des Kaufvertrages von der M. GmbH folgende Miteigentumsanteile übertragen werden:
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Miteigentumsanteil | B-Laufende Nummer | Wohnungseigentum |
79/1642 | 12 | 1. St. H2/3 |
11/1642 | 13 | G/H3 PKW 9 |
71/1642 | 14 | 1. St. H2/4 |
11/1642 | 15 | G/H3 PKW 10 |
118/1642 | 16 | Dachg. H2/5 |
11/1642 | 17 | G/H2 PKW 14 |
11/1642 | 18 | G/H2 PKW 15 |
156/1642 | 19 | H3/1 |
11/1642 | 20 | G/H3 PKW 1 |
148/1642 | 21 | H3/2 |
11/1642 | 22 | G/H3 PKW 2 |
148/1642 | 23 | H3/3 |
11/1642 | 24 | G/H3 PKW 3 |
11/1642 | 25 | G/H3 PKW 7 |
185/1642 | 26 | H3/4 |
11/1642 | 27 | G/H3 PKW 4 |
11/1642 | 28 | G/H3 PKW 8 |
106/1642 | 29 | H3/5 |
11/1642 | 30 | G/H3 PKW 5 |
106/1642 | 31 | H3/6 |
11/1642 | 32 | G/H 3 PKW 6 |
Von Frau K sollten lt. Punkt I.b) folgende Miteigentumsanteile übertragen werden:
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Miteigentumsanteil | B-Laufende Nummer | Wohnungseigentum |
66/1642 | 37 | Sout. H1/1 |
139/1642 | 38 | Erd. H1/2 |
11/1642 | 39 | G/H2 PKW 13 |
Der Kaufpreis wird laut Punkt III. wie folgt festgelegt: "Kaufpreis für Kaufgegenstand Ia EUR 1.900.000,00 (Euro eine Million neunhunderttausend).Kaufpreis für Kaufgegenstand Ib EUR 100.000,00 (Euro einhunderttausend).Dazu stellen die Vertragsparteien fest, dass dieser im Hinblick auf Zustand, Größe, Beschaffenheit und sonstiger in diesem Vertrag festgelegter Eigenschaften angemessen ist."
Nach Punkt IV ("Übergabe") des Kaufvertrages gelte der Kaufgegenstand mit beidseitiger Vertragserrichtung auf den Käufer übergeben. Der Übergabstag sei zugleich Verrechnungsstichtag für die auf den Kaufgegenstand sonst fallenden Abgaben, wie Grundbesitzabgabe, Wassergebühr, Kanalgebühr, etc.
Weiters wird in Punkt VI zur Vertragsabwicklung Folgendes festgehalten: "Der Käufer hat mit Vertragsunterfertigung den vereinbarten Kaufpreis beim hiermit gemeinsam bestellten Treuhänder Notar Dr. T., Y., zu erlegen. Ebenso erlegt der Käufer mit Vertragserrichtung die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr. Die Vertragsparteien weisen den Treuhänder unwiderruflich an, unter Selbstbemessung des Kaufvertrages die erforderlichen Grundbuchseintragungen (Begründung des geldlastenfreien Eigentumsrechtes für den Käufer) unverzüglich zu veranlassen. ..."
Mit Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für September 2005 vom wurden Vorsteuern iHv € 380.166,48 anerkannt.
Am wurde ein Zusatz zum Kaufvertrag vom erstellt, wonach u.a. die Stundung des Kaufpreises iHv € 1.850.000,00 bis sowie eine "Teilzahlung von € 50.000,00, welche prompt über das Treuhandkonto des Treuhänders zur Zahlung fällig ist", vereinbart wurde.
Es wurden jedoch vom Käufer weder die Teilzahlung geleistet noch konnten bis 2007 sonstige Zahlungseingänge verzeichnet werden.
Weiters wurden keine Maßnahmen zur Zahlungsaufforderung an den Käufer ergriffen. Der einzige Geldfluss wurde durch die Vorsteuerüberrechnung bewirkt.
Über die M. Liegenschaftsverwertung GmbH, an der Frau K. zu 100 % beteiligt und deren alleinige Geschäftsführerin war, wurde mit Beschluss des N vom der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst.
Aufgrund einer im Oktober 2007 durchgeführten - das Jahr 2005 betreffenden - Betriebsprüfung wurde folgende Feststellung getroffen:
"Tz. 1 LiegenschaftsverwaltungObjekt I.Da der Ankauf des Objektes in 1234 rückverrechnet wurde, wird die seinerzeit geltende gemachte Vorsteuer iHv Euro 380.000,00 von der BP versagt. In Folge von Nichtabgabe der Jahreserklärung und in Ermangelung von Unterlagen wird die Steuerbemessungsgrundlage für das Jahr 2005 sowohl ust-mäßig als auch köst-mäßig mit Null geschätzt."
Am erging ein Umsatzsteuerbescheid 2005, der wegen der Nichtanerkennung von Vorsteuern iHv € 380.228,32 eine Nachforderung in gleicher Höhe vorsah.
Dagegen wurde mit Schreiben vom Berufung eingebracht, die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2005 und die Festsetzung einer Umsatzsteuergutschrift iHv € 380.228,32 begehrt und Folgendes begründend ausgeführt: "Die O. GmbH erwarb am die Liegenschaftsanteile an der EZ 1 Grundbuch 123aaa um € 1.900.000,00 + USt € 380.000,00 = € 2.280.000,00 von der M. LiegenschaftsverwertungsgmbH (im folgenden M. GmbH genannt). Die aus dieser Transaktion resultierende Vorsteuer von € 380.000,00 wurde dem Finanzkassenkonto unserer Mandantin gutgeschrieben und als Teil der Kaufpreiszahlung auf das Finanzkassenkonto der M. GmbH, St.Nr. 222, FA F., übertragen. Der gesamte Liegenschaftserwerb wurde vom FA E im Herbst 2005 überprüft; die Faktura über den Liegenschaftsanteilerwerb wurde zu den Steuerakten unserer Mandantin genommen. Über die M. GmbH wurde am ... das Konkursverfahren eröffnet. Der Masseverwalter wickelte gem. § 21 KO den gesamten Kaufvertrag rück, sodass die gegenständliche Liegenschaft Gegenstand des Massevermögens wurde. Auf Grund dieser Vorgangsweise des Masseverwalters erfolgte das der Bescheidbegründung zu Grunde liegende Betriebsprüfungsverfahren, das zum Ergebnis führte, dass der für das Jahr 2005 eingeräumte und daher gutgeschriebene Vorsteuerabzug verwehrt und die daraus resultierende Umsatzsteuerschuld bescheidmäßig nachgefordert wurde. Aus insolvenzrechtlicher Sicht hat der Masseverwalter "ex tunc" richtig agiert; fiskalisch ist aber diesem Rechtsvorgang mit Wirkung "ex nunc" in Entsprechung des § 16 (3) (2) UStG ab Rechnung zu tragen und "die Berichtigung der Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer in dem Veranlagungsverfahren vorzunehmen, indem der Umsatz rückgängig gemacht wurde" (siehe Kofler/Kristen "Insolvenz und Steuern", Seite 120, ebenso Ruppe "UStG", Kommentar, 3. Auflage, § 16 Tz. 12 UStG 1994 (1999), Seite 1216 u. UStR 2000, Tz. 2405. Es ist daher festzustellen, dass der Betriebsprüfer dem vorliegenden Sachverhalt nicht im umsatzsteuerrechtlichen Sinn entsprochen und die Vorsteuerberichtigung zu einem unrichtigen Voranmeldungs- bzw. Veranlagungszeitraum vorgenommen hat. Die gegenständliche Vorsteuerberichtigung hätte daher in einem Voranmeldungszeitraum des Jahres 2007 vorgenommen werden müssen. Da unserer Mandantin keine exakten Informationen betreffend Rückabwicklung seitens des Masseverwalters vorliegen, ist amtlich der genaue Zeitpunkt der Rückabwicklung festzustellen und in dem entsprechenden Voranmeldungszeitraum die Vorsteuerberichtigung bescheidmäßig vorzunehmen. Vermutlich kommt hiefür die Periode April bis August 2007 in Betracht, doch lässt sich infolge rechtlicher Schritte gegen die Maßnahme des Masseverwalters ein genauer Zeitpunkt derzeit nicht feststellen, jedoch wird durch eine diesbezüglich seitens unserer Mandantin derzeit veranlassten rechtlichen Recherche eine Abklärung angestrebt. Zusammenfassung:Auf Grund der vorgenannten Umstände ist daher der Umsatzsteuerbescheid 2005 infolge der im unrichtigen Voranmeldungs- bzw. Veranlagungszeitraum erfolgten Vorsteuerberichtigung aufzuheben und die gegenständliche Vorsteuerberichtigung in einem Voranmeldungszeitraum zwischen dem April und dem August 2007 bescheidmäßig festzustellen."
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom wurde vom Finanzamt Folgendes ausgeführt: "Sachverhalt: - Errichtung der O. Immobilien und Beratungs GmbH (im folgenden Text als "O. GmbH" bezeichnet) lt. Firmenbuchauszug am , dem Tag des Kaufes der unten angeführten Liegenschaft.- Geschäftsadresse der M. Liegenschaftsverwertungs GmbH (im folgenden Text als "M. GmbH" bezeichnet): Adr.2. - Geschäftsführerin der M. GmbH: Fr. K., Adr.1 . - Geschäftsadresse der O. GmbH: Adr.1 . - Geschäftsführer der O. GmbH: Hr. H., Adr.1 . Wesentliche Vertragspunkte:- Verkauf der Liegenschaftsanteile der M. GmbH an der EZ 1 Grundbuch 123aaa um netto Euro 1.900.000,00 plus USt iHv Euro 380.000,00 und - der Liegenschaftsanteile der Fr. K. um Euro 100.000,00 ohne USt durch einheitlichen Kaufvertrag vom an die O. GmbH. - Erlag des vereinbarten Kaufpreises mit Vertragsunterfertigung beim gemeinsam bestellten Treuhänder, Notar Dr. T.Zu diesem Zeitpunkt war die Geschäftsadresse der O. identisch mit der Wohnadresse der alleinigen Geschäftsführerin der M., Fr. K., und des alleinigen Geschäftsführers der O., Hr. H, zugleich auch der Lebensgefährte von Fr. K. Der vereinbarte Kaufpreis sollte lt. Kaufvertrag (Punkt VI) mit Vertragsunterfertigung durch den Käufer beim bestellten treuhänderischen Notar erlegt werden. Dieser Vertragsvereinbarung zuwiderlaufend wurde beim Treuhänder Dr. T kein Erlag des Kaufpreises, auch kein Erlag eines Teils davon, vorgenommen. Der einzige Geldfluss resultiert aus der überrechneten Vorsteuer vom Steuerkonto der O. GmbH an die M. GmbH. Eine Zusatzvereinbarung zum obigen Kaufvertrag wurde ca. 7 Monate später abgeschlossen, die folgende Punkte enthält:1. Mit der Zusatzvereinbarung vom zwischen den obgenannten Vertragsparteien wurde der Verkaufsvertrag der Wohnungseigentumsanteile der Fr. K an die O. GmbH einvernehmlich aufgelöst. 2. Gleichzeitig wurde der an die M. zu zahlende Kaufpreis auf Euro 1.850.000,00 abgeändert. 3. Weiters wurde dieser gesamte Kaufpreis bis seitens der Verkäuferin gestundet. 4. Euro 50.000,00 waren unverzüglich auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, um rückständige Betriebskosten abzudecken. 5. Trotz Belehrung durch den Treuhänder wurde auf jegliche Besicherung des (zum damaligen Zeitpunkt) aushaftenden gesamten Kaufpreises verzichtet ("Besicherung unerwünscht"). 6. Ebenso unerwünscht waren Rückzahlungsansprüche des Käufers für geleistete Anzahlungen für den Fall der Aufhebung des Kaufvertrages mit der M. GmbH. Auch diesmal wurde die Zusatzvereinbarung nicht eingehalten, denn wiederum wurde auf das Treuhandkonto keine Einzahlung der vorgesehenen Euro 50.000,00 getätigt (siehe AV vom betreffend Telefonat von Mag. L. (Fachbereich des FA F) mit dem Notar Dr. T). Aus diesem geht weiters hervor, dass durch den Liegenschaftsverkauf die Bank in den Glauben versetzt werden sollte, dass endlich ein zahlungskräftiger Investor auf den Plan trete. Warum der Kaufpreis für den der M. GmbH gehörenden Teil plötzlich um Euro 50.000,00 verringert wurde, ist der Zusatzvereinbarung nicht zu entnehmen. Konkurseröffnung über die M. am : Lt. Schreiben des MV vom an das FA soll die oben angeführte Zusatzvereinbarung vom datieren. Dagegen spricht der Notariatsakt vom , im Steuerakt aufliegend. Als nach Konkurseröffnung die O. GmbH vom MV der M. GmbH erfolglos zur Vertragserfüllung (= Zahlung des Kaufpreises) aufgefordert wurde, erklärte der MV mit Schreiben vom den Rücktritt vom Vertrag. Durchführung des Verkaufes:Weder wurde ein Teil des Kaufpreises an den Treuhänder erlegt noch die in der Zusatzvereinbarung vereinbarten Euro 50.000,00 noch erfolgte eine Zahlung/Teilzahlung nach Ablauf der nachträglich eingeräumten Stundungsfrist und ebensowenig erfolgte die Eintragung des Eigentumsüberganges ins Grundbuch und somit auch kein nach außen erkennbarer Eigentumsübergang. Weiters wurde der Kaufvertrag zwar am ausgefertigt, die Gebührenanzeige erfolgte jedoch erst am . Ebenso wurden keine Maßnahmen zur Zahlungsaufforderung gesetzt, obwohl die Verkäuferin sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und schließlich Konkurs anmelden musste. Der einzige Geldfluss wurde letztlich durch die Vorsteuerüberrechnung an die Käuferin bewirkt.
Rechtliche Beurteilung:Zivilrechtlich bedarf es zu einer wirksamen Kaufvereinbarung der Einigung über den Kaufgegenstand und den Preis. Umsatzsteuerrechtlich dagegen tritt zum Verfügungsgeschäft das Erfüllungsgeschäft, die Leistung muss also auch tatsächlich erbracht werden. Ein Kaufvertrag ohne nachfolgende Leistung vermag daher allein keinen Vorsteuerabzug zu vermitteln. Im vorliegenden Fall wurde zunächst ein Kaufvertrag über die Lieferung obbezeichneter Liegenschaft unterzeichnet und mehr als zwei Jahre danach zur Vergebührung eingereicht. Aber wann und wie die mit Vertragsabschluss bereits behauptete erfolgte Übergabe tatsächlich konkret vorgenommen wurde, darüber gibt es keine Hinweise. Auch die gleichzeitig mit Vertragsunterfertigung vorgesehene Hinterlegung des gesamten Kaufpreises beim bestellten Treuhänder wurde nie vorgenommen. Somit war stillschweigend beiden Vertragsteilen klar, dass bereits im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung wichtige Vertragspunkte nicht erfüllt werden, sodass die zu erfolgende Lastenfreistellung des Käufers gar nicht erfolgen konnte. Ebenso unterblieb die laut Punkt VI des Vertrages vereinbarte und unwiderrufliche Anweisung an den Treuhänder, unverzüglich die Veranlassungen zur Grundbuchseintragung zu tätigen. Sieben Monate nach Vertragsunterzeichnung wurde ein Zusatz zum Kaufvertrag zwischen Käuferin und Verkäuferin vereinbart, um den Kaufvertrag in wesentlichen Punkten abzuändern. Vor allem wurde - falls die Käuferin tatsächlich Zahlungen aus dem Kaufvertrag vornehmen sollte - der völlige Verzicht auf eine Besicherung der Rückforderungsansprüche der Käuferin für den Fall der Aufhebung des Kaufvertrages vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt war also beiden Vertragsparteien klar, dass der ursprüngliche Kaufvertrag noch immer nicht erfüllt war. Weiters wurde trotz Belehrung durch den treuhänderischen Notar auf jegliche Besicherung des Kaufpreises seitens der Käuferin verzichtet, die jedenfalls im Interesse der Verkäuferin angesichts der ihr drohenden Insolvenz gelegen wäre. Tatsächlich also wurde ein Kaufvertrag unterzeichnet, um eine Liegenschaft im Werte von netto 1,9 Mio. Euro zu verkaufen, dennoch hat die Verkäuferin in den Jahren bis zum Konkurs nicht einmal die Zahlung eines weiteren Teiles des Kaufpreises über die Vorsteuerüberrechnung hinaus urgiert oder gerichtlich eingeklagt, obwohl die Verkäuferin zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit auf den Verkaufserlös angewiesen war. Das Verhalten der Geschäftsführerin der verkaufenden M. GmbH als auch des Geschäftsführers der kaufenden O. GmbH widerspricht den fremdüblichen Gepflogenheiten des normalen Geschäftsverkehrs und gründet sich in der persönlichen Verbindung der handelnden Geschäftsführer, die sich aus der gemeinsamen Wohnadresse ergibt. Ein weiteres Indiz, dass die Umsetzung des Kaufes von vornherein nicht geplant war, ist die Tatsache, dass die Käuferin, die am Kauftag erst gegründet wurde, laut Eröffnungsbilanz lediglich über die Hälfte des erforderlichen Stammkapitals iHv Euro 17.500,00 verfügte und auch danach kein Nachweis erbracht werden konnte, dass die erhebliche Kaufpreissumme im Wege einer Fremdfinanzierung aufgebracht werden sollte. Die Finanzierung war somit von Anfang an nicht geplant, sodass in diesem Lichte die in der Zusatzvereinbarung gemachten Zugeständnisse und unüblichen Regelungen erst logisch erscheinen. Die ursprünglichen Vertragspunkte im ersten Vertrag wurden nie umgesetzt und letztlich im Zusatzvertrag durch fremdunübliche Bestimmungen ersetzt, wobei auch die minimale Zahlung von Euro 50.000,00 auf ein Treuhandkonto unterblieb. Letztlich erfolgte bis dato nicht einmal die Anmeldung der Eintragung ins Grundbuch, sodass eine Lieferung des Grundstückes nie stattgefunden hat. Aus diesen Gründen ist nach Ansicht des FA E. das Umsatzgeschäft mangels Lieferung des Grundstückes nicht zustandegekommen, sodass ein Rücktritt vom Vertrag seitens des Masseverwalters der M. GmbH gar nicht möglich war. Der Wille der Vertragsparteien war laut ursprünglichem Kaufvertrag zunächst zwar förmlich auf die Eigentumsübertragung ausgerichtet, tatsächlich aber wurde im Innenverhältnis einvernehmlich jede über die Vertragsunterzeichnung hinausgehende Handlung zur Umsetzung des Vertrages unterlassen und daher erfolgte auch keine Übergabe. Die von der Verkäuferin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wird kraft Rechnungslegung (§ 11 Abs. 14 UStG) geschuldet, und somit erfolgte der Vorsteuerabzug der O. GmbH als Berufungswerberin zu Unrecht.Die Berufung war somit als unbegründet abzuweisen."
Der von der steuerlichen Vertreterin mit Fax vom eingebrachte Antrag gemäß § 276 BAO machte die Einseitigkeit der Bescheidbegründung durch nachstehende Mängel in der Sachverhaltsermittlung geltend: "1. Nichtanhörung der Steuerpflichtigen betreffs der verfolgten wirtschaftlichen Ziele und der in diesem Zusammenhang gesetzten Maßnahmen, insbesondere der Finanzierung. 2. Die Nichtberücksichtigung des in der BAO verankerten Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wodurch der aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag obligatorische Erwerb des Grundstückes "als wirtschaftlicher Eigentümer" zu beurteilen ist. 3. Die Nichtberücksichtigung des per Antrag überrechneten Vorsteuerbetrages an die Verkäuferin als Teil des Kaufpreises und somit eindeutig veranlassten Gegenleistung. 4. Nichtberücksichtigung der aus dem Konkursverfahren der Verkäuferin resultierenden rechtlichen Probleme, die eine gerichtliche Betreibung des Restkaufpreises seitens der Verkäuferin nicht mehr zuließ, weil die Verkäuferin von den vom Masseverwalter gesetzten Maßnahmen abhängig wurde. Für die detaillierte Ergänzung des Vorlageantrages beantragen wir die Einräumung einer Frist bis ."
Über telefonische Aufforderung legte der steuerliche Vertreter am im zweitinstanzlichen Verfahren mittels Fax eine Rechnungskopie mit folgendem Inhalt vor:
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"M. Liegenschaftsverwertung GmbH Adr.2.UID Nr.: ATU3339 | |
O. Immobilien Verwertungs- undBeratungs GesmbH Adr3 1234 | |
FAKTURA 001 | |
Kaufpreis lt. Kaufvertragfür Kaufgegenstand 1a1462/1642 Anteile der LiegenschaftEZ 1 Grundbuch 123aaa Adr3 + 20 % USt | €1.900.000,00380.000,00 |
2.280.000,00" |
Eine Anfrage per Email vom bei der Gemeinde I. hat ergeben, dass die Grundbesitzabgaben bis von der M. GmbH gefordert wurden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist die Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges anlässlich eines Grundstücksumsatzes.
Als entscheidungsrelevant wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Es liegt ein Kaufvertrag vom vor, wonach die M. Liegenschaftsverwertung GmbH als Verkäuferin an die Bw. (die O. Immobilien Verwertungs- und Beratungs GmbH), die am gleichen Tag errichtet wurde, Liegenschaftsanteile an der EZ 1 Grundbuch 123aaa um einen Kaufpreis iHv € 1.900.000,00 verkaufen wolle. Nach Punkt VI (Vertragsabwicklung) des Kaufvertrages hat der Käufer (= die Bw.) mit Vertragsunterfertigung den vereinbarten Kaufpreis beim gemeinsam bestellten Treuhänder und Vertragserrichter Notar Dr. T., Y., - ebenso die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr - zu erlegen. In weiterer Folge wurde in einer Zusatzvereinbarung vom u.a. der an die M. Liegenschaftsverwertungs GmbH zu zahlende Kaufpreis auf € 1.850.000,00 reduziert und gleichzeitig bis gestundet. Auf ein Treuhandkonto unverzüglich einzuzahlen wären € 50.000,00, um rückständige Betriebskosten abzudecken.
Es erfolgte keine Zahlung des Kaufpreises (auch nach der Zusatzvereinbarung nicht) und keine Einzahlung von € 50.000,00 (wie sich aus den von der Bw. unwidersprochen gebliebenen Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung ergibt). Es wurden auch keine Maßnahmen zur Zahlungsaufforderung gesetzt. Es erfolgte lediglich eine Überrechnung der dem Steuerkonto der Bw. gutgeschriebenen Vorsteuern iHv € 380.000,00 auf das Steuerkonto der M. Liegenschaftsverwertungs GmbH.
Mit Beschluss des N vom wurde über die Verkäuferin (= M. Liegenschaftsverwertungs GmbH) der Konkurs eröffnet.
Als nach Konkurseröffnung die Bw. vom Masseverwalter der Verkäuferin erfolglos zur Vertragserfüllung aufgefordert wurde, erklärte der Masseverwalter mit Schreiben vom gemäß § 21 KO den Rücktritt vom Vertrag.
Eine Gebührenanzeige erfolgte erst am .
Erhebungen bei der Gemeinde I. ergaben, dass die Abgaben bis von der M. Liegenschaftsverwertung GmbH gefordert wurden.
Rechtliche Beurteilung:
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Umsatzsteuerpflicht setzt einen Leistungsaustausch zwischen bestimmten Personen, also eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2000/15/0122, und vom , 2006/15/0161).
Die Erbringung einer Leistung ist u.a. nur dann steuerbar, wenn sie gegen Entgelt erbracht wird. Dabei muss die Leistung deshalb erbracht werden, um eine Gegenleistung zu erhalten, und die Gegenleistung deshalb aufgewendet werden, um die konkrete Leistung zu bekommen. Leistung und Gegenleistung stehen daher in einem inneren Zusammenhang und in wechselseitiger Abhängigkeit. Das Zusammenwirken der Geschäftspartner muss daneben aber auch von der ernsthaften Absicht eines wechselseitigen Leistungsaustausches getragen sein ( 2005,13/0129).
Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG 1994 Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen.
Erforderlich ist somit die Befähigung, über den Nutzen des Gegenstandes frei zu disponieren, d.h. ihn zu veräußern, zu belasten und ähnliches mehr. Nach Art. 5 Abs. 1 der 6. EG-Rl. gilt als Lieferung "die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen" (Ruppe, UStG³, § 3 Tz. 31).
§ 3 leg. cit. stellt auf das Verfügungsgeschäft ab, nicht auf das Verpflichtungsgeschäft. Der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes (z.B. Kaufvertrag) bewirkt keine Lieferung. Die Befähigung zur Verfügung wird nicht mit dem Verpflichtungsgeschäft eingeräumt, sondern erst, wenn der Gegenstand zur Disposition des Abnehmers steht, er real über seinen Nutzen verfügen kann (Ruppe, UStG³, § 3 Tz. 36, Tz. 38).
Im Umsatzsteuerrecht sind Lieferungen grundsätzlich in dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird. Der Gefahrenübergang ist für sich allein nicht ausschlaggebend, hat aber Bedeutung im Rahmen der übrigen Umstände; maßgebend ist, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse - beurteilt nach der Verkehrsauffassung - die Verfügungsbefugnis auf den Abnehmer übergegangen ist.
Lieferungszeitraum ist demnach der Zeitpunkt, in dem der Abnehmer die Befähigung zur Verfügung erlangt hat. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist ein tatsächlicher Vorgang. Der Übergang muss sich tatsächlich vollziehen; er kann nicht lediglich abstrakt vereinbart werden. Vielmehr ist erforderlich, dass dem Leistungsempfänger tatsächlich Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewendet werden. Dies verlangt, dass die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist (vgl. VwGH-Erkenntnis vom , 2000/13/0095).
Nach § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 müssen für den Abzug der Umsatzsteuer folgende sachliche Voraussetzungen gegeben sein:
1. Ein anderer Unternehmer muss eine Lieferung oder sonstige Leistung im Inland an den Abzugsberechtigten ausgeführt haben.
2. Der leistende Unternehmer muss dem Abzugsberechtigten über die Lieferung oder sonstige Leistung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilt haben.
3. Die Lieferung oder sonstige Leistung muss für das Unternehmen des Abzugsberechtigten ausgeführt worden sein.
Diese Voraussetzungen müssen insgesamt erfüllt sein.
Ein Vorsteuerabzug kommt daher dann nicht in Betracht, wenn dem Unternehmer eine Steuer in Rechnung gestellt wird, obwohl eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt wurde.
Wird eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Unternehmer rückgängig gemacht oder ändert sich der in der Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag nachträglich, so ist der Vorsteuerabzug gemäß § 16 UStG 1994 entsprechend zu berichtigen.
Im gegenständlichen Fall ist nicht davon auszugehen, dass der Kaufvertrag vom von den Vertragsparteien tatsächlich vollzogen wurde, mit anderen Worten, die Bw. "als Käuferin" hat einerseits - entgegen den Bestimmungen des Kaufvertrages (lt. Pkt. VI des Kaufvertrages hätte der Käufer mit Vertragsunterfertigung den vereinbarten Kaufpreis beim Notar zu erlegen gehabt) - keinerlei Zahlungen auf den Kaufpreis geleistet und andererseits keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Liegenschaftsanteile erlangt. Auch die Vorschreibung der Grundbesitzabgaben an die M. GmbH durch die Gemeinde bestätigt, dass keine tatsächliche Übergabe der Liegenschaft an die Bw. erfolgt ist. Aus dem Vorgesagten folgt, dass ein umsatzsteuerbarer Vorgang in Wirklichkeit überhaupt nicht stattgefunden hat.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass bereits das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung entsprechende Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat. Einer Berufungsvorentscheidung kommt Vorhaltscharakter zu; dennoch ist die Bw. in ihrem Vorlageantrag den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht entgegengetreten.
In Ermangelung einer von der M. erfolgten, umsatzsteuerrechtlich relevanten Lieferung kommt aber der Bw. hinsichtlich der Rechnung vom kein Recht zum Vorsteuerabzug zu.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
YAAAC-85861